RG, 02.07.1889 - III 123/89
Kann das auf einen Ergänzungsantrag ergangene Urteil mit der Anschlußrevision angefochten werden, wenn von dem Gegner gegen das zu ergänzende Urteil die Revision eingelegt ist?
Tatbestand
Das Landgericht verurteilte die sämtlichen sechs Beklagten solidarisch zur Zahlung von 1600 M. Das Oberlandesgericht verwarf durch Teilurteil vom 12. März 1839 die Berufung der Mitbeklagten 1-4, erließ dagegen bezüglich der Berufung der Mitbeklagten 5 und 6 Zwischenurteil und Beweisbeschluß. In dem Urteile vom 12. März war über die Kosten der Berufungsinstanz nichts gesagt. Der Kläger brachte einen Ergänzungsantrag (§. 292 C.P.O.) ein, indem er bat, die Mitbeklagten 1-4 in die Kosten der Berufungsinstanz bis zum Urteile vom 12. März 1889 zu verurteilen. Das Berufungsgericht wies den Antrag durch Urteil vom 30. April 1889 zurück. Die Mitbeklagten 1-4 erhoben Revision gegen das Urteil vom 12. März. Der Revisionsbeklagte schloß der Revision sich an und beantragte, unter Aufhebung der Urteile vom 12. März und 30. April 1889 den Mitbeklagten 1-4 die Kosten der Berufungsinstanz bis zum Urteile vom 12. März aufzuerlegen. Die Revisionskläger beantragten die Anschlußrevision als unzulässig zu verwerfen, weil gegen das Ergänzungsurteil ein selbständiges Rechtsmittel hätte eingelegt werden müssen, erkannte jedoch an, daß der die Anschlußrevision enthaltende Schriftsatz innerhalb der Revisionsfrist zugestellt worden sei.
Die Anschlußrevision wurde als unzulässig verworfen aus folgenden Gründen:
Gründe
... "Die Anschließung setzt Identität der angefochtenen Urteile voraus, sie muß sich auf dasselbe Urteil beziehen, welches von dem Gegner mit der Berufung bezw. Revision angefochten ist, es ist nicht möglich, im Wege der Anschließung ein selbständig appellabeles Zwischenurteil oder ein Teilurteil anzufechten, während die Berufung bezw. Revision gegen das Endurteil oder ein anderes Teilurteil eingelegt ist. Diese wesentliche Voraussetzung ist im vorliegenden Falle nicht vorhanden.
Die Revision der Beklagten ist eingelegt gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes zu Celle vom 12. März 1889, die Anschlußrevision des Klägers bezieht sich dagegen auf das auf seinen Antrag auf Ergänzung des Urteiles vom 12. März 1889 ergangene Urteil vom 30. April 1889. Das Ergänzungsurteil ist (auch wenn dem Antrage auf Ergänzung stattgegeben wird) nicht als ein Teil des unvollständigen, ergänzten Urteiles, sondern als ein selbständiges Teilurteil anzusehen und kann und muß daher, gleichviel ob dem Antrage auf Ergänzung stattgegeben wird oder ob derselbe abgewiesen ist, mittels eines selbständigen Rechtsmittels angefochten werden. Das Ergänzungsurteil erfolgt auf Grund einer völlig selbständigen, neuen mündlichen Verhandlung über den angeblich in dem erlassenen Urteile übergangenen, einer Entscheidung bedürfenden Haupt- oder Nebenanspruch, sodaß es nicht erforderlich ist, daß an der Entscheidung über den Ergänzungsantrag dieselben Richter teilnehmen, welche das zu ergänzende Urteil erlassen haben. Gegen jedes der beiden Urteile, das zunächst erlassene unvollständige und das auf den Ergänzungsantrag ergehende, findet selbständige Berufung bezw. Revision statt; für jede derselben läuft eine besondere Einlegungsfrist von der Zustellung des betreffenden Urteiles, und nur für den in §. 478 C.P.O. vorgesehenen Fall, wenn innerhalb der Berufungs- bezw. Revisionsfrist ein Urteil in Gemäßheit des §. 292 durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt wird, ist hiervon eine Ausnahme gemacht, eine Änderung des Laufes der Frist für die gegen das ergänzte Urteil eingelegten Rechtsmittel angeordnet, während in dem Falle, daß das Ergänzungsurteil erst nach Ablauf der Berufungs- bezw. Revisionsfrist erfolgt oder der Antrag auf Ergänzung abgelehnt wird, die Regel, daß für beide Urteile selbständige Rechtsmittelfristen laufen, eintritt.
Die Anschlußrevision des Klägers wird aber auch dadurch nicht zulässig, daß der Kläger auch das Urteil vom 12. März 1889 angegriffen hat.
Denn da die seiner Ansicht nach erforderliche, übergangene Entscheidung über die Kosten lediglich auf dem im §. 292 C.P.O. geregelten Wege der Ergänzung des Urteiles, nicht mittels eines Rechtsmittels erfolgen kann, wie dieses nicht bloß in den Motiven (S. 224) ausgesprochen, sondern auch vom Reichsgerichte wiederholt erkannt ist,1 so kann der Beklagte jetzt, nachdem sein Antrag auf Ergänzung abgelehnt worden ist, nicht mittels der Revision bezw. Anschlußrevision gegen das Urteil vom 12. März 1889, dessen Ergänzung bezüglich der Entscheidung über die Kosten beantragen und erwirken, sondern er mußte mit dem gegen das seinen Ergänzungsantrag ablehnende Urteil vom 30. April 1839 zulässigen Rechtsmittel der Revision dieses Urteil anfechten, um ein seinen Intentionen entsprechendes Ergänzungsurteil zu erlangen.
Ebensowenig wird das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel dadurch zulässig, daß, wie die Revisionskläger anerkannt haben, die Anschlußrevision innerhalb der Revisionsfrist zugestellt ist. Die Frage, ob es zur Anwendung der Vorschrift in §. 483 Abs. 2 C.P.O. genügt, daß der die Anschlußberufung bezw. Revision enthaltende Schriftsatz dem Gegner innerhalb der Berufungs- bezw. Revisionsfrist zugestellt ist, oder ob die Anschließung die Bedeutung selbständiger Berufung bezw. Revision nur dann hat, wenn die mündliche Verhandlung, in welcher der Anschließungsantrag gestellt wird, innerhalb der Berufungs- bezw. Revisionsfrist liegt, kann dahingestellt bleiben. Denn nimmt man auch das erstere an, so würde die Revision des Klägers, weil die Beschwerde sich lediglich auf den Kostenpunkt bezieht, nach §. 94 C.P.O. unzulässig sein."
- 1. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. II S. 409; Gruchot, Beiträge Bd. 32 S. 1117.