RG, 25.04.1889 - VI 24/89
1. Geltung der zweijährigen Verjährung der actio de dolo im heutigen gemeinen Rechte.
2. Anfangspunkt des Laufes dieser Verjährung.
Aus den Gründen
... "Die Klägerin hat die Beklagten solidarisch als ersatzpflichtig für einen Schaden in Anspruch genommen, welchen teils sie selbst, teils ihr Cedent B. durch den Zusammenbruch der Aktiengesellschaft "Bremer Vereinsbank", deren Gläubiger sie beide waren, und zu deren Aufsichtsrate die Beklagten gehörten, erlitten habe. Den zu ersetzenden Schaden hat sie zunächst indem ganzen Ausfalle finden wollen, von dem sie und ihr Cedent im Konkurse der genannten Aktiengesellschaft in Ansehung ihrer zu demselben angemeldeten und festgestellten Forderungen betroffen worden sind. Zur Begründung der Verantwortlichkeit der Beklagten hat sie sich darauf berufen, daß dieselben in der Bilanz für das Jahr 1883 und in dem Geschäftsberichte über dieses Jahr wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr dargestellt bezw. verschleiert haben oder haben unwahr darstellen bezw. verschleiern lassen, und daß sie dadurch verursacht haben, daß die Klägerin und ihr Cedent Gläubiger der Gesellschaft geblieben seien, während diese im Falle der Veröffentlichung einer richtigen Bilanz und eines wahrheitsgetreuen Berichtes sofort ihre Guthaben von der Gesellschaft zurückgefordert und damals auch noch ausbezahlt erhalten haben würden. ...
Diesem Anspruche gegenüber ist vom Oberlandesgerichte mit Recht die Einrede der zweijährigen Verjährung für durchgreifend erklärt worden, da die Klage erst im Jahre 1888 erhoben ist. Denn bei diesem Anspruche kommen nur die allgemeinen Grundsätze über die Rechtsfolgen der Arglist in Frage, und die eigentliche actio de dolo vollen Schadensersatz (abgesehen von einer etwaigen Bereicherung, von welcher hier nichts vorliegt) verjährt nach I. 8 Cod. de dolo malo 2,2 l in zwei Jahren. Freilich ist nicht selten die Ansicht aufgestellt worden, daß diese Bestimmung im heutigen gemeinen deutschen Rechte keine Geltung habe, hauptsächlich weil sie mit der infamierenden Natur der Klage zusammenhänge, welche heutzutage wegfällt.
Vgl. die Citate bei Glück, Kommentar Bd. 5 S. 529 flg. Anm. 42; ferner Hänel im Archiv für civilistische Praxis Bd. 12 S.418; Sintenis, Civilrecht Bd. 2 (3. Aufl.) § 124 Anm. 9 S. 742, vergl. mit Anm. 1 S. 738; Brinz, Pandekten Bd. 2 (2. Aufl.) §. 344 S. 825; Urteil des Oberappellationsgerichtes zu München bei Seuffert, Archiv Bd. 29 Nr. 142. Indessen ist allerdings wohl unzweifelhaft, daß die besondere Bestimmung der I. 8 Cod. cit., wonach auch die innerhalb zweier Jahre angestellte actio de dolo noch verjährt, wenn der Prozeß nicht innerhalb der zwei Jahre (wenigstens in erster Instanz) beendigt ist, in Deutschland nicht rezipiert worden ist; im übrigen aber ist kein Grund gegeben, gerade dieser kürzeren Verjährungsfrist die heutige Geltung zu versagen. Insbesondere ist ein Zusammenhang derselben mit der infamierenden Beschaffenheit der Klage nicht ersichtlich, da im römischen Rechte sowohl nicht infamierende Klagen mit kurzer Verjährungszeit, als auch infamierende Klagen ohne solche in nicht geringer Zahl vorkommen.1
Auch ist heutzutage die durchaus vorherrschende Lehre für die Geltung der in Rede stehenden Verjährung im allgemeinen deutschen Rechte. Zwar war nun dem Oberlandesgerichte darin nicht beizutreten, daß die Verjährung mit dem Tage beginne, an welchem der Dolus verübt sei (richtiger: verübt sein soll). Diese Annahme beruht auf einer wörtlichen Auslegung der I. 8 Cod. cit., welche nicht gebilligt werden kann, weil der dadurch gewonnene Satz gegen die allgemeinen Grundsätze des gemeinen Rechtes von der Klagenverjährung verstoßen würde, nach welchen die letztere niemals beginnen kann, ehe actio nata ist. Dieser Zeitpunkt kann allerdings mit dem der Verübung der Arglist zusammenfallen, braucht es aber nicht zu thun. Für die actio de dolo gehört zur Nativität natürlich vor allem noch die Entstehung des Schadens, auf dessen Ersatz sie gerichtet werden soll. Anders sind offenbar auch die Ausdrücke in der 1. 8 cit.: admissum dolum, commissus dolus, gar nicht gemeint; diese wollen, wie aus dem Zusammenhange der Stelle hervorgeht, eben nur den ganzen Thatbestand des Deliktes, unter Ausschließung des Erfordernisses des Wissens des Beschädigten von diesem Thatbestande, kurz zusammenfassen. Bedenklich ist außerdem auch noch die Erörterung des Berufungsgerichtes über die Möglichkeit, die Klage anzustellen, ehe das Ergebnis des Konkurses übersehen werden konnte. Denn wenn hier das Oberlandesgericht es zur Rechtfertigung der Annahme des Laufes der Verjährung für genügend erklärt, daß eine Feststellungsklage auf Schadensersatz im allgemeinen schon vorher hätte erhoben werden können, so scheint es doch, daß die Nativität der Feststellungsklage nichts austragen könne für den Beginn der Verjährung der Leistungsklage, Jedoch wie es sich hiermit auch verhalten möge, so war doch jedenfalls die hier in Rede stehende Entscheidung selbst nach §. 526 C.P.O. aufrechtzuhalten. An sich ist freilich selbstverständlich der Beklagte, welcher die Verjährung einwendet, behauptungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen der letzteren, soweit sich dieselben nicht schon aus dem Klagevortrage ergeben, und es könnte sich dabei höchstens fragen, wieweit etwa vom Kläger eine nähere Substanziierung seiner Behauptungen in zeitlicher Beziehung verlangt werden könne. Hier entstehen nun aber in dieser Beziehung überhaupt keine Schwierigkeiten, da die Voraussetzungen für die Verjährung aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin entnommen werden können. Denn die letztere findet die Kausalität der angeblichen Unredlichkeit der Beklagten für ihren und ihres Cedenten Schaden dadurch vermittelt, daß sie bei Veröffentlichung einer richtigen Bilanz bezw. eines wahrheitsgetreuen Berichtes, sofort, das heißt im März 1884, ihre Guthaben gekündigt und dann auch ausbezahlt erhalten haben würde, während später diese Zahlungen nicht mehr zu erlangen gewesen seien, sondern nur noch in längeren Zwischenräumen die Dividenden aus dem Konkurse. Als Zeitpunkt der Beschädigung ist hiermit allerdings noch nicht der März des Jahres 1884 behauptet, weil diese nicht schon darin liegen würde, daß die Guthaben zu dieser bestimmten Zeit nicht ausbezahlt sind, sondern erst darin, daß die Auszahlung von einem, nicht genau angegebenen, späteren Zeitpunkte an nicht mehr zu erlangen war. Da nun aber feststeht, daß dieser letztere Zeitpunkt spätestens auf den 21. November 1884, als den Tag der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Bremer Vereinsbank, fallen muß, so war der fragliche Anspruch bei Erhebung der gegenwärtigen Klage jedenfalls verjährt. Auch hätte eine frühere Anstellung der Klage der Klägerin bezw. ihrem Cedenten gar keine Schwierigkeit machen können. Denn sogleich am 21. November I884 würde der Schade darin Gestanden haben, daß die Guthaben nicht wenigstens jetzt schon ausbezahlt seien, und es hätte also auf deren ganzen Betrag unter Erbieten zur Abtretung der Rechte gegen die Konkursmasse geklagt werden können." ...
- 1. Vgl. die entsprechende Ausführung in betreff der Subsidiarität der actio de dolo bei Schneider, Allgemein subsidäre Klagen S. 329 flg.