RG, 05.03.1889 - II 302/88

Daten
Fall: 
Nach der Protestierung vollzogene Indossierung
Fundstellen: 
RGZ 23, 49
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.03.1889
Aktenzeichen: 
II 302/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Köln
  • Oberlandesgericht Köln

Inwieweit hat die nach der Protestierung vollzogene Indossierung eines Wechsels noch die Bedeutung eines Indossaments und nicht die einer Cession?

Tatbestand

Zur Sicherung gewisser Ansprüche haben die Beklagten dem Kläger im Jahre 1859 in Chicago, wo damals die Parteien sich aufhielten, acht promissory notes über Beträge von 3000, 4000 bis 10000 Doll. ausgestellt. Am 19. August 1861 sind diese Wechsel in Chicago protestiert und nachher vom Kläger, welcher als Remittent auf denselben bezeichnet war, an verschiedene Firmen in Deutschland und an eine solche in Havre indossiert worden. Die Aussteller hatten inzwischen sich wieder im Bezirke des Appellationsgerichtes zu Köln niedergelassen, wurden daselbst von den Indossataren verklagt, diese Klagen jedoch abgewiesen. Die Kassationsrekurse sind durch Urteile des Obertribunales zu Berlin vom 26. April 1864 verworfen worden. Im Jahre 1875 erhob nun Kläger in eigenem Namen Klage auf Bezahlung der promissory notes und legitimierte sich durch Vorlage derselben, auf denen die im Jahre1861 darauf gesetzten Indossamente durchstrichen sind. Die Beklagten schützten die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache vor. Die Klage ist aus diesem Grunde abgewiesen worden. Das Oberlandesgericht führte aus, daß (was auch unbestritten) der Gegenstand der früheren und gegenwärtigen Klage derselben sei, und daß Kläger, welcher gemäß Art. 16 deutsch. W.O. auf die früheren Kläger (Indossatare) nur seine Rechte übertragen habe, diese Rechte nur durch Rückcession habe erwerben können, und als Rückcessionar die seinen Cedenten entgegenstehende Einrede auch gegen sich gelten lassen müsse. Dieses Urteil ist kassiert worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"In Erwägung, daß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen und arg. Art. 85 W.O.1 die Wirkung der unbestritten in Amerika auf die promissory notes gesetzten Indossamente nach amerikanischem Rechte zu beurteilen war, gleichwohl aber davon abgesehen werden kann, daß das Berufungsgericht ausschließlich den Art. 16 deutsch. W.O. angewendet hat, weil in den Instanzen nicht behauptet worden ist, daß das fremde Recht zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnisse führe, dies auch nicht behauptet werden konnte, da nach den in Amerika geltenden Rechten der nach dem Proteste erfolgten Indossierung dieselbe beschränkte Wirkung beigelegt wird;2

daß dagegen bezüglich des Zurückgehens der Wechsel auf den Kläger die Vermutung dafür spricht, daß dieselben nach Beendigung der von den Indossataren geführten Prozesse von deren Wohnsitzen aus zurückbegeben worden seien, und deshalb auf diese Vorgänge deutsches Recht anzuwenden ist3 mit Ausnahme des auf die Firma M. & Co. in Havre indossierten Wechsels, dessen Weiterbegebung nach französischem Rechte zu beurteilen und zu berücksichtigen war, inwiefern dabei in Betracht komme, daß nach der in Frankreich herrschenden Auffassung4 ein nach Verfall erteiltes Indossament die gleiche Wirkung hat wie ein vorangegangenes;

daß es aber nach deutschem Rechte unrichtig ist, aus der Thatsache, daß Kläger die Wechsel mit durchstrichenen Indossamenten wieder besitzt, den Schluß zu ziehen, daß er dieselben nur als Rückcessionar erworben haben könne und deshalb die den früheren Indossataren, jetzt seinen Cedenten, entgegenstehende Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache gegen sich gelten lassen müsse;

daß nämlich einerseits das nach Protest gegebene Indossament zwar in seiner Wirkung beschränkt ist, gleichwohl aber insbesondere für die Legitimation die Bedeutung eines Indossamentes und nicht die einer Cession hat5 und andererseits der Kläger ausweislich der Wechsel bereits vor der Protesterhebung in der Eigenschaft als Remittent im Wechselverbande gewesen ist;

daß demnach der Art. 16 W.O. nicht entgegengestanden hat, die Indossamente zu streichen (Artt. 54. 55 W.O,), die Wechsel mit den Protesten dem Kläger zurückzugeben und damit die Übertragungen ungeschehen zumachen, sodaß Kläger als Remittent legitimiert blieb und das diesem zustehende Wechselrecht ausübt, was u. a. zur Folge haben würde, daß eine etwaige Kompensationseinrede des beklagten Ausstellers gegen den durchstrichenen Indossatur ihm nicht entgegengehalten werden könnte;6

daß daher das Urteil wegen Verletzung des Art. 16 W.O. und Art. 1351 des bürgerl. Gesetzbuches zu kassieren ist." ...

  • 1. vgl. auch Thöl, Wechselrecht §. 16 S. 85 und Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 9 Nr. 123 S. 438.
  • 2. vgl. Borchardt, Wechselordnung zu Art. 16; derselbe, Samml. Bd. 1 S. 184; Parsons, Treatise on the law of promissory notes Bd. 2 S. 10. 29.
  • 3. vgl. Entsch. des R.G's. in Civils. Bd. 9 Nr. 123 S. 438.
  • 4. vgl. Rouginer, De lettres de change Bd. 1 Nr. 679 Anm. 1.
  • 5. vgl. Thöl, Wechselrecht S. 488; Grünhut, Lehre von der Wechselbegebung nach Verfall S. 36; Hartmann in Löhr, Centralorgan Bd. 3 S. 475 flg.
  • 6. vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 7 Nr. 19 S. 78. Nr. 33 S. 123 mit Bd. 8 Nr. 43 S. 167.