RG, 12.12.1884 - III 297/84
Anwendung der Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Civilprozeßordnung auf Ehestreitigkeiten der Landesherren? Unter welchen Voraussetzungen darf ein Landesherr zur Entscheidung einer ihn selbst betreffenden Eheirrung einen besonderen Gerichtshof niedersetzen oder einen besonderen Senat aus einem gerichtsverfassungsmäßig bestehenden Landesgerichtshofe berufen?
Zuständigkeit des Reichsgerichtes zur Entscheidung darüber, ob das Berufungsgericht mit Recht seine Inkompetenz in der von dem Souverän als Kläger anhängig gemachten Ehescheidungssache ausgesprochen hat?
Tatbestand
Am 30. April 1884 schloß Sr. Königl. Hoheit der Großherzog Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein eine morganatische Ehe mit der Gräfin Alexandrine v. Hutten-Czapska. Bald nach der Eheschließung traten Verhältnisse ein, welche es dem Großherzoge wünschenswert erscheinen ließen, eine Auflösung der Ehe dem Bande nach herbeizuführen. Unterm 30. Mai 1884 kam zu Berlin zwischen den Bevollmächtigten der Ehegatten eine Vereinbarung zustande, inhaltlich deren die Gräfin v. Hutten-Czapska darin willigte, daß der Großherzog die gerichtliche Trennung der Ehe betreibe. In §. 2 dieses Vertrages war bestimmt, daß die Beklagte zum Zwecke der Durchführung des prozessualischen Verfahrens gegen die Kompetenz des von Sr. Königl. Hoheit zu diesem Behufe für die Entscheidung des Prozesses bestimmten Gerichtes keinen Einwand erheben, ... daß das Urteil von beiden Teilen acceptiert und auf Einlegung der Berufung gegen dasselbe werde verzichtet werden, dergestalt, daß dasselbe sofort nach der Verkündigung rechtskräftig werde. Gegen Ende des Monates Juni 1884 erhob der Vertreter des Herrn Klägers die Scheidungsklage, indem er als Ehescheidungsgrund in erster Reihe gegenseitige Einwilligung nach den Grundsätzen des deutschen Privatfürstenrechtes und eventuell geltend machte, daß bald nach Eingehung der Ehe zwischen beiden Ehegatten ein unheilbarer Unfriede zu Tage getreten sei, welcher die Fortsetzung der Ehe als unmöglich erscheinen lasse.
Die Sache kam am 9. Juli 1884 bei einem besonders konstituierten Civilsenate des Großherzoglich Hessischen Oberlandesgerichtes zu Darmstadt zur Verhandlung.
Bereits unterm 5. Juni 1884 hatte nämlich der Großherzog eine von dem Staatsminister kontrasignierte Verordnung folgenden Inhaltes erlassen:
"Nachdem Wir auf Grund Unserer Rechte als Souverän und auf Grund des für die ehemals landesherrlichen und reichsständischen, nunmehr souveränen Familien geltenden Herkommens, unter ausdrücklichem Vorbehalte aller Unserer Rechte im übrigen, beschlossen haben, in Unserer Ehestreitigkeit mit der Uns morganatisch vermählten Gräfin Alexandrine von Hutten-Czapska, betreffend die Trennung dieser Ehe, vor Unserem Oberlandesgerichte Recht zu nehmen und zu suchen, so berufen Wir vermöge gegenwärtiger Verordnung Unser Oberlandesgericht, um in einem von dem Präsidium desselben besonders zu bildenden Senate von fünf Mitgliedern, gemäß den einschlägigen Bestimmungen der deutschen Civilprozeßordnung bezüglich des Verfahrens vor den Landgerichten, insbesondere in Ehesachen, über Unsere Ehestreitigkeit mit der obengenannten Gräfin von Hutten-Czapska nach den Gesetzen, insbesondere nach den in dem Privatfürstenrechte anerkannten Grundsätzen über das Eherecht der souveränen Familien zu entscheiden."
Diese an das "Oberlandesgericht zu Darmstadt" gerichtete Verordnung wurde vom Großh. Staatsministerium am 14. Juni 1884 dem Präsidenten jenes Gerichtshofes mit dem Ersuchen übersendet, zu veranlassen, daß das Präsidium des Gerichtes baldthunlichst zur Bildung des Senates schreite, der über die erwähnte Ehestreitigkeit zu entscheiden haben werde. Das Präsidium des Oberlandesgerichtes entsprach diesem Ersuchen, und es verhandelten demnächst, unter Zuziehung des Großh. Oberstaatsanwaltes, die Vertreter der Parteien in dem vorerwähnten Termine mündlich zur Sache. Die Beklagte ließ erklären, daß sie dem Klagegesuche keinen Widerspruch entgegensetze. Noch an demselben Tage - 9. Juli 1884 - verkündigte der Präsident des Gerichtshofes das Urteil, in dessen entscheidendem Teile von dem "besonders hierzu berufenen Senate des Großherzoglichen Oberlandesgerichtes zu Darmstadt" die Trennung der Ehe vom Bande zwischen beiden Teilen ausgesprochen wurde.
Die Entscheidungsgründe motivieren dieses Ergebnis rücksichtlich der Zuständigkeitsfrage im wesentlichen damit:
"Die Kompetenz des angegangenen Gerichtes, die von Amts wegen zu prüfen sei, unterliege keinem Bedenken. Das hessische Gesetz vom 7. Juni 1879, erlassen infolge der Vorschrift des §. 5 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung, unterwerfe den Großherzog zwar bezüglich der sein Privatvermögen oder die Civilliste betreffenden Rechtsstreitigkeiten, nicht aber auch bezüglich seiner persönlichen Verhältnisse dem Oberlandesgerichte. Vor der Reichsjustizgesetzgebung habe anerkanntermaßen keine Jurisdiktion der Gerichte des Großherzogtums für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten des Großherzoges bestanden; sie habe nur durch die freiwillige Erklärung des Landesherrn, vor einem Gerichte des Landes Recht zu nehmen, geschaffen werden können. Dieses Verhältnis bestehe heute für die persönlichen Angelegenheiten des Landesherrn noch fort; derselbe könne also für solche selbständig ein Gericht und am geeignetsten das höchste Gericht delegieren, das diese Jurisdiktion schon in beschränkter Weise ausübe. Hierzu sei auch die Einwilligung der Stände nicht erforderlich, da der Großherzog in Ausübung eines ihm höchstpersönlich zustehenden Souveränitätsrechtes verfüge. Überdies habe die Beklagte bei dem Mangel eines Widerspruches gegen die Entscheidung des angegangenen Gerichtes dessen Zuständigkeit stillschweigend anerkannt."
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte die Berufung ein, und es kam diese, nachdem der Stellvertreter des Präsidenten des Oberlandesgerichtes auf Grund des Hessischen Gesetzes vom 7. Juni 1879 einen Berufungssenat von sieben Mitgliedern gebildet hatte, am 18. Oktober 1884 vor diesem Senate zur Verhandlung.
Das Sitzungsprotokoll stellt fest, daß vor dem Eintritte in die mündliche Verhandlung der Vertreter des Herrn Klägers die Erklärung abgegeben habe, daß er sowohl gegen den Zusammentritt, wie gegen die Verhandlung des versammelten Gerichtshofes Verwahrung einlege, und daß infolge dieser Verwahrung und eines sich daran schließenden besonderen Antrages der Vorsitzende die abgesonderte Verhandlung über die vorgeschützte prozeßhindernde Einrede verfügt habe.
Durch das an demselben Tage erlassene Urteil wurde die eingelegte Berufung, "insoweit der auf Grund des Gesetzes vom 7. Juni 1879 konstituierte Berufungssenat zu deren Entscheidung angegangen worden," wegen Unzuständigkeit dieses Senates zurückgewiesen. Dieses Erkenntnis beruht auf folgenden Erwägungen: "Das zur Ausführung der reichsgesetzlichen Vorschriften (§§. 5 der Einführungsgesetze zur C.P.O. und zum G.V.G.) erlassene hessische Gesetz vom 7. Juni 1879 regele den Gerichtsstand und das gerichtliche Verfahren in Ansehung des Landesherrn und der Mitglieder des Großherz. Hauses, und zwar dahin, daß der Landesherr nur in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche dessen Privatvermögen oder die Civilliste betreffen, bei dem Oberlandesgerichte Recht nehmen werde (Art. 1), während die Mitglieder des Großh. Hauses in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten jeder Art (Art. 2), auch in Ehe- und Entmündigungssachen (Art. 3), bei dem Oberlandesgerichte ihren persönlichen Gerichtsstand haben sollten. Letzteres entscheide in den im Gesetze angeführten Fällen in erster Instanz, sowie in der Berufungs- und Beschwerdeinstanz, dort durch einen mit fünf, hier durch einen mit sieben Mitgliedern besetzten Senat.
Danach sei das Oberlandesgericht für die Verhandlung und Entscheidung von Ehesachen des Landesherrn nicht zuständig, weil diese Zuständigkeit auf die in Art. 1 des angeführten Gesetzes erwähnten Rechtsstreitigkeiten beschränkt sei.
Eine weitere für die Entscheidung maßgebende Bestimmung sei die Verordnung vom 5. Juni 1884. Dieselbe enthalte keine Ergänzung des Gesetzes vom 7. Juni 1879, bilde vielmehr eine selbständige landesherrliche Verfügung, deren Wortlaut klar sei, über deren Absicht kein Zweifel bestehe und welche zunächst nur aus sich selbst interpretiert werden könne. Im Gegensatze zum angeführten Gesetze sei in der Verordnung keine Berufungs- und Beschwerdeinstanz angeordnet worden, und es habe auch die Zulassung einer solchen nicht in der Absicht gelegen. Denn inhaltlich des zwischen den streitenden Teilen am 30. Mai 1884 zustande gekommenen Vertrages sei vereinbart worden, daß das zu erlassende Urteil des zur Entscheidung zu bestimmenden Gerichtes von beiden Teilen acceptiert und auf Einlegung der Berufung gegen dasselbe verzichtet werde, dergestalt, daß es sofort nach der Verkündigung rechtskräftig werde. Jeder etwaige Zweifel über den Inhalt jener Verordnung werde durch diesen Vertrag, der als ein wesentliches Interpretationsmittel der Verordnung erscheine, beseitigt. Die Verordnung habe aus dem Vertrage ihre Entstehung genommen, sei zur Ausführung desselben erlassen worden, und es hätten beide Teile intendiert, den aus dem Oberlandesgerichte zu berufenden Senat für die vorliegende Ehesache als ausschließlichen Gerichtshof (forum extraordinarium) zu konstituieren.
Demgemäß habe die Verordnung vom 5. Juni 1884 die einzige Grundlage zum Erlasse der Entscheidung vom 9. Juli 1884 für das Oberlandesgericht gebildet und sei nicht zweifelhaft, daß der auf Grund des Gesetzes vom 7. Juni 1879 angerufene Senat nicht zuständig sein könne, als Berufungsinstanz über ein Erkenntnis zu befinden, welches völlig außerhalb der Anwendbarkeit jenes Gesetzes erlassen worden sei."
Hiergegen hat die Beklagte Revision eingelegt. Bei der Verhandlung über dieselbe vor dem Reichsgerichte ordnete auf Antrag des Vertreters des Herrn Klägers der Präsident zunächst die Beschränkung der Verhandlung auf die Frage der Kompetenz des Reichsgerichtes zur Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel an.
Der genannte Vertreter führte zur Begründung seines Gesuches: "die Unzuständigkeit des Reichsgerichtes auszusprechen," im wesentlichen aus:
"Nach den §§. 5 der Einführungsgesetze zum G.V.G. u. zur C.P.O. fänden die Bestimmungen dieser Justizgesetze in Ansehung der Landesherren nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthielten. Im Großherzogtume Hessen habe zur Zeit des Erlasses jener Gesetze der Grundsatz bestanden, daß gegen den Souverän selbst - von der bundesverfassungsmäßigen Austrägalinstanz abgesehen - in bürgerlichen Rechtssachen keine Klage stattfinde, weil den Landesgerichten keine Jurisdiktion über ihn zugestanden habe, es wäre denn, daß sich der Souverän aus freiem Antriebe bereit erklärte, vor einem Gerichte seines Landes Recht zu nehmen. Dieser auf Herkommen beruhende, in den Motiven zu Art. 1 des Landesgesetzes vom 7. Juni 1879 und in dem von der Beklagten mit der Berufung angefochtenen Urteile des Oberlandesgerichtes zu Darmstadt vom 9. Juli 1884 anerkannte und in der Rechtsprechung des vormaligen Oberappellationsgerichtes zu Darmstadt wiederholt zur Anwendung gekommene Rechtssatz sei infolge der Reichsjustizgesetzgebung dahin modifiziert worden, daß der Großherzog bezüglich seines Privatvermögens und seiner Civilliste bei dem Oberlandesgerichte Recht zu nehmen habe; in allen anderen Beziehungen, namentlich bei Ehestreitigkeiten, sei der frühere Rechtszustand in fortdauernder Geltung geblieben. Das hessische Gesetz vom 7. Juni 1879 enthalte in Ansehung dieser sonstigen Rechtsstreitigkeiten keinerlei Bestimmung. Nun habe sich der Herr Kläger durch einen Willensakt, die Verordnung vom 5. Juni 1884, mit Einwilligung der Beklagten und unter Entsagung der letzteren auf Berufung gegen das ergehende Urteil ausschließlich der Jurisdiktion eines vom Präsidium des Oberlandesgerichtes besonders zu bildenden Senates von fünf Mitgliedern behufs Trennung seiner morganatischen Ehe unterworfen und damit zu erkennen gegeben, daß er einen weiteren Instanzenzug nicht eröffnen wolle. Jene Rechtsnorm und diese Verordnung habe mithin die Bedeutung, daß der Großherzog in allen persönlichen Rechtsangelegenheiten nur demjenigen Gerichte unterworfen sei, welches er besonders berufe. Für die Revisionsinstanz folge daraus, daß es ganz unerheblich erscheine, ob die erste oder die zweite Instanz in dieser Sache kompetent gewesen sei; das Revisionsgericht müsse seine Unzuständigkeit schon deshalb aussprechen, weil es an einer ausdrücklichen Unterwerfung des Landesherrn unter dessen Kompetenz fehle und die Kaiserliche Verordnung vom 26. September 1879 nur das Rechtmittel der Revision in den unter das hessische Gesetz vom 7. Juni 1879 fallenden Rechtsstreitigkeiten an das Reichsgericht verweise."
Der Vertreter der Beklagten erachtete dagegen die Zuständigkeit des Reichsgerichtes für gegeben, da die Vorinstanz nach dem Tenor des angefochtenen Urteiles selber als ein "auf Grund des Gesetzes vom 7. Juni 1879 zusammengetretener Berufungssenat des Großherzoglichen Oberlandesgerichtes zu Darmstadt" erkannt habe.
Nachdem durch Gerichtsbeschluß die prozeßhindernde Einrede der Unzuständigkeit des Reichsgerichtes verworfen worden war, erhob der Vertreter der Beklagten, außer anderen, folgende Revisionsangriffe:
"Es frage sich, welches Gericht zur Entscheidung der vorliegenden Ehezwistigkeit zuständig sei. Vom Standpunkte der Beklagten aus, welche als morganatische Gemahlin des Großherzoges nicht zu der Großherzoglichen Familie gehöre, mithin auch nicht die in den §§. 5 der Einführungsgesetze zum G.V.G. und zur C.P.O. vorbehaltenen Sonderrechte in Anspruch nehmen könne, sei nur das ordentliche Gericht kompetent, zumal nach §.16 G.V.G. Ausnahmegerichte unstatthaft seien. Vom Standpunkte des Herrn Klägers aus sei dagegen mit der Vorinstanz anzunehmen, daß bezüglich aller nicht vermögensrechtlicher Ansprüche ein Gerichtsstand des Landesherrn bei dem Oberlandesgerichte zu Darmstadt nicht bestehe, derselbe vielmehr in persönlichen Angelegenheiten nur infolge freiwilliger Unterwerfung bei den Gerichten seines Landes Recht zu nehmen habe. Dieser Satz finde aber der Natur der Sache nach bloß alsdann Anwendung, wenn der Großherzog von Dritten belangt werde, nicht auch, wenn er selber als Kläger auftrete. In letzterem Falle liege schon in der Erhebung der Klage die freiwillige Unterwerfung unter das angegangene Gericht. Nur auf die Gerichtspflichtigkeit des Landesherrn bezögen sich auch die von dem Vertreter des Herrn Klägers angezogenen Motive des Landesgesetzes vom 7. Juni 1879 und die Rechtsprechung des vormaligen obersten Landesgerichtes. Und keinesfalls liege eine gesetzliche oder durch Herkommen eingeführte Bestimmung vor, wonach der Großherzog gerade in Ehesachen einen besonderen Gerichtsstand habe. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß sowohl nach der Rechtsstellung der Beklagten, als bei vorliegender freiwilliger Unterwerfung des Herrn Klägers unter die Landesgesetze bezw. die Vorschriften der Civilprozeßordnung über das Verfahren in Ehesachen allein die ordentlichen Gerichte im gewöhnlichen Instanzenzuge über den Ehestreit zu befinden hätten. Zweifelhaft könne es allerdings sein, welches Gericht als das in erster Instanz zuständige zu betrachten sei. Nach §. 568 C.P.O. sei für die Ehestreitigkeiten im allgemeinen das Landgericht, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand habe, ausschließlich zuständig. Diese Vorschrift dürfe aber nicht wörtlich, sie müsse nach ihrem wahren Sinne zur Anwendung gebracht werden. Insofern der Großherzog nach der ihm als Souverän eingeräumten Sonderstellung seinen allgemeinen Gerichtsstand bei dem Oberlandesgerichte zu Darmstadt habe, könne er auch nur diesen der Beklagten gegenüber anrufen. Aus diesem Grunde und bei dem bestehenden Verbote der Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte in Fällen der vorliegenden Art (§. 40 Abs. 2 C.P.O.) habe sich die erste Instanz als Spezialgerichtshof für unzuständig erklären müssen und lediglich als ordentliches Gericht in der Sache erkennen dürfen. Daraus ergebe sich die Kompetenz des Berufungssenates des Oberlandesgerichtes von selbst.
Eventuell, falls die analoge Anwendbarkeit des §. 568 C.P.O. bezw. des Art. 1 des Hess. Gesetzes vom 7. Juni 1879 nicht für zutreffend erachtet werden sollte, folge die Kompetenz des Oberlandesgerichtes in erster und zweiter Instanz aus §.12 C.P.O."
Der Vertreter des Herrn Klägers beantragte Zurückweisung der Revision. Mit Bezug auf das bereits früher Vorgetragene führte er aus, daß eine Ehesache nur einheitlich entschieden werden könne, und daß, wenn der Großherzog von der Gerichtsbarkeit der Landesgerichte in persönlichen Angelegenheiten exemt sei, ein anderes Gericht, als das von ihm selbst bezeichnete, über seinen Personenstand nicht entscheiden könne, ferner, daß hier keine allgemeine Prorogation des Gerichtsstandes, sondern eine beschränkte freiwillige Unterwerfung des Landesherrn unter ein sonst unzuständiges Gericht in Frage stehe, daß überhaupt nichts darauf ankomme, ob die erste Instanz zur Aburteilung der Sache kompetent gewesen sei, sondern nur darauf, ob der Großherzog einen Instanzenzug, und zwar gerade an das auf Grund des Gesetzes vom 7. Juni 1879 zusammengetretene Berufungsgericht, habe eröffnen wollen, was die Vorinstanz aus zutreffenden, der Revision unzugänglichen Gründen verneint habe, endlich, daß selbst wenn die Berufung zulässig gewesen wäre, die Sache doch immerhin nicht an das Reichsgericht erwachsen könne, da dieses doch nur innerhalb der durch die Kaiserliche Verordnung vom 26. September 1879 gezogenen Grenzen sich damit befassen dürfe.
Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:
Gründe
1.
"Der von dem Vertreter des Herrn Klägers erhobene Einwand gegen die formelle Statthaftigkeit der Revision ist nicht begründet. Der erste Richter hat zwar nach dem Eingange seines Urteiles vom 9. Juli 1884 als:
"besonders hierzu berufener Senat des Großherzoglichen Oberlandesgerichtes zu Darmstadt"
erkannt; der zweite Richter ist dagegen von der Beklagten auf Grund des Art. 4 des hessischen Gesetzes vom 7. Juni 1879 als Berufungsinstanz angegangen worden und hat nach ausdrücklicher Feststellung im Tenor des jetzt angefochtenen Erkenntnisses vom 18. Oktober 1884 auch in seiner Eigenschaft "als Berufungssenat" geurteilt. Da nun die auf Antrag des Großherzogtums Hessen gemäß §. 3 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum G.V.G. erlassene Kaiserliche Verordnung vom 26. September 1879, betreffend "die Übertragung hessischer Rechtssachen auf das Reichsgericht", die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nach dem erwähnten Landesgesetze zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes zu Darmstadt gehören, dem Reichsgerichte überwiesen hat, so ist das Reichsgericht ebenso berechtigt, als verpflichtet, auf die Revisionsbeschwerde der Beklagten eingehend, darüber zu befinden, ob sich die Vorinstanz mit Recht oder mit Unrecht für inkompetent erklärt hat.
Eine ganz andere Frage ist die, welche der Vertreter des Herrn Klägers in den Vordergrund stellt, ob, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Grenzen die reichsgesetzlich angeordneten ordentlichen, oder die unter Zulassung der Reichsgesetzgebung landesrechtlich bestellten besonderen Gerichte überhaupt oder im Instanzenzuge zur Aburteilung der vorliegenden Ehestreitigkeit zuständig seien. Hierüber kann nur durch sachliche Prüfung der erhobenen Revisionsbeschwerde entschieden werden, eine Erörterung und Entscheidung, welche das Reichsgericht auch dann hätte vornehmen müssen, wenn etwa das Berufungsgericht, statt seine Unzuständigkeit auszusprechen, umgekehrt seine Kompetenz angenommen hätte.
2.
In der Sache selbst mußte jedoch die Revision der Beklagten zurückgewiesen werden.
Wie bereits bemerkt, handelt es sich in der gegenwärtigen Instanz ausschließlich um die Zuständigkeit des Vorderrichters. Die Entscheidung hierüber nach Maßgabe der für die Revision geltenden Grundsätze hängt, von den besonderen Revisionsangriffen zunächst abgesehen, wesentlich von der Beantwortung der Frage ab: ob der Großherzog von Hessen nach den Gesetzen seines Landes in persönlichen - nicht vermögensrechtlichen - Angelegenheiten von der Gerichtsbarkeit der Landesgerichte befreit ist, und ob, wenn ein solcher Rechtssatz besteht, derselbe auch zur Folge hat, daß ein besonderer Gerichtshof oder doch ein besonders hierzu berufener Senat des Großherzoglichen Oberlandesgerichtes zu Darmstadt zur Entscheidung über die von Seiner Königlichen Hoheit gegen seine morganatische Gemahlin erhobene Klage auf Trennung der Ehe durch landesherrliche Entschließung niedergesetzt werden durfte.
Nach §. 5 des Einführungsgesetzes zum G.V.G. finden in Ansehung der Landesherren die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten. Der §. 5 des Einführungsgesetzes zur C.P.O. wiederholt im ersten Satze diese Vorschrift, fügt aber hinzu:
"Für vermögensrechtliche Ansprüche Dritter darf die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht von der Einwilligung des Landesherrn abhängig gemacht werden."
In §. 3 des Einführungsgesetzes zum G.V.G. ist bestimmt, daß die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, durch die Landesgesetzgebung den ordentlichen Landesgerichten auch nach anderen als den im Gerichtsverfassungsgesetze vorgeschriebenen Zuständigkeitsnormen und, was die Gerichtsbarkeit letzter Instanz angeht, auf Antrag des betreffenden Bundesstaates mit Zustimmung des Bundesrates durch Kaiserliche Verordnung dem Reichsgerichte übertragen werden könne.
Aus diesen Vorschriften im Zusammenhalte mit den Motiven der Gesetzesentwürfe und den Kommissionsverhandlungen ergeben sich mehrere, für die Entscheidung über die eingelegte Revision wichtige Folgesätze. Die Sonderstellung, welche die deutschen Landesherren bis zur Einführung der Reichsjustizgesetzgebung nach der Rechtsentwickelung mehrerer Bundesstaaten in Ansehung der Exemtion von der Gerichtsbarkeit der eigenen Landesgerichte eingenommen hatten, ist im allgemeinen aufrechterhalten. Nur hinsichtlich vermögensrechtlicher, also solcher Ansprüche, welche im Gegensatze zu Statussachen auf einen Geldwert zurückgeführt werden können, ist der Ausschluß des Rechtsweges für unzulässig erklärt, mithin die Zuständigkeit der Gerichte an sich ausgesprochen worden.
Ferner kann die Landesgesetzgebung in Ansehung der ausgenommenen, den Personenstand oder die Familienverhältnisse der Landesherren betreffenden Angelegenheiten nicht bloß die Zuständigkeitsnormen ändern oder ein von den Reichsjustizgesetzen abweichendes Verfahren anordnen, sondern es auch bei dem bestehenden Zustande des Ausschlusses des Rechtsweges, der Niedersetzung oder Bezeichnung eines besonderen Gerichtshofes und sonstigen Beschränkungen der Klagerhebung belassen oder andere Normen dafür einführen. Bestanden jedoch vor dem 1. Oktober 1879 landesgesetzliche Vorschriften über die Exemtion der Landesherren nicht, oder werden solche nicht nach diesem Zeitpunkte neu eingeführt, so finden auch auf die Klagen aus persönlichen Verhältnissen der Landesherren die Bestimmungen der Reichsjustizgesetze, die in diesen angeordneten Gerichtsstände, Anwendung.
Unter Landesgesetzen im Sinne der §§. 5 a. a. O. sind Rechtsnormen jeder Art zu verstehen. Dies ergiebt sich sowohl aus §.12 des Einführungsgesetzes zur C.P.O., als auch aus der Gegenüberstellung von "Hausverfassungen" und "Landesgesetzen". Deshalb begründet es auch keinen Unterschied, ob sich die einschlagenden Sonderbestimmungen im gemeinen Rechte - dem römischen Rechte und dem deutschen Privatrechte - oder im s. g. Privatfürstenrechte finden und ob sie auf ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung beruhen oder gewohnheitsrechtlich - durch Observanz oder Herkommen - eingeführt sind (C.P.O. §. 512 vgl. mit §.511).
Soweit das Reichsgericht mit den in den §§. 5 a. a. O. erwähnten Angelegenheiten befaßt ist, gehören diese Sachen nach §.13 G.V.G. in letzter Instanz zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das Revisionsgericht hat in allen solchergestalt an dasselbe gelangenden Rechtsstreitigkeiten nach Maßgabe der Civilprozeßordnung zu befinden. Obgleich daher die dem Landesherrn eingeräumten Vorrechte nur innerhalb des eigenen Landes, nicht außerhalb desselben gelten, so ist damit keineswegs ausgesprochen, daß nur die eigenen Landesgerichte dieselben zu beachten hätten; vielmehr muß das Reichsgericht bei der Beurteilung einer gegen das Erkenntnis eines besonderen Landesgerichtes zweiter Instanz eingelegten Revision die einschlagenden Partikulargesetze gerade so anwenden, wie wenn dieses Rechtsmittel gegen ein von einem ordentlichen Gerichte zweiter Instanz erlassenes Urteil verfolgt worden wäre.
Im Großherzogtume Hessen ist nun aus Anlaß der Einführung der Reichsjustizgesetze durch Landesgesetz vom 7. Juni 1879 der Gerichtsstand und das gerichtliche Verfahren in Ansehung des Landesherrn und der Mitglieder des Großherzoglichen Hauses dahin geregelt worden, daß der Landesherr und seine Nachfolger in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche deren Privatvermögen oder die Civilliste betreffen, bei dem Oberlandesgerichte zu Darmstadt Recht zu nehmen haben (Art. 1), daß dagegen die Mitglieder des Großherzoglichen Hauses ihren persönlichen Gerichtsstand in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten jeder Art bei demselben Gerichte haben (Art. 2), während es nach Art. 3 in Ehe- und Entmündigungssachen, welche ein Mitglied des Großherzoglichen Hauses betreffen, zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens der vorgängigen Zustimmung des Großherzoges bedarf.
Das Berufungsgericht folgert aus diesen Vorschriften in Verbindung mit den Bestimmungen über das Verfahren (Art. 4), daß die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes zu Darmstadt in Rechtsangelegenheiten des Landesherrn selber auf die in Art. 1 erwähnten Streitigkeiten beschränkt, dasselbe also für die Verhandlung und Entscheidung von Ehesachen des Landesherrn inkompetent sei. Bei dieser negativen Feststellung behält es jedoch nicht sein Bewenden; denn der Berufungsrichter, indem er die von Seiner Königl. Hoheit dem Großherzoge ausgegangene, als "Verordnung" bezeichnete Verfügung vom 5. Juni 1884 heranzieht und auslegt, nimmt zugleich der Sache nach (implicite) die Befugnis des Landesherrn zum Erlasse einer solchen Verordnung nach hessischem Partikularrechte an und erwägt thatsächlich, daß hierdurch mit Einwilligung der Beklagten ein aus dem Oberlandesgerichte zu berufender Senat als ausschließlicher Gerichtshof zur Aburteilung dieser Sache habe niedergesetzt werden sollen.
Diese Erwägungen enthalten keine Verletzung einer revisibelen Rechtsnorm im Sinne des §. 511 C.P.O. Denn hiernach kann die Revision nur darauf gestützt werden, daß die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung eines Reichsgesetzes oder eines Gesetzes, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichtes hinaus erstreckt, beruhe. Es ist mithin die thatsächliche Würdigung des Vorbringens einer Partei der Thätigkeit des Revisionsgerichtes ebenso entzogen, wie die Prüfung der Frage, ob das Berufungsgericht partikulare Rechtsnormen richtig ausgelegt hat. In ersterer Beziehung insbesondere sind nach §. 524 C.P.O. die in dem angefochtenen Urteile festgestellten Thatsachen, in letzterer Beziehung ist nach §. 525 daselbst die Entscheidung des Berufungsgerichtes über das Bestehen und den Inhalt der Partikulargesetze für das auf die Revision ergehende Erkenntnis maßgebend.
Zur Ergänzung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Erkenntnisses mag übrigens hervorgehoben werden, daß aus den Motiven zu Art. 1 des Landesgesetzes vom 7. Juni 1879 sich ergiebt, daß der Gesetzgeber in betreff der persönlichen Angelegenheiten des Landesherrn das bestehende Recht aufrechterhalten wollte. Einleitend wird dort bemerkt, daß ein förmliches Hausgesetz für das Großherzogliche Haus im Großherzogtume nicht ergangen, auch sonstige Bestimmungen über den Gerichtsstand der Mitglieder dieses Hauses, abgesehen von einer das Personal- und Realforum der Prinzen etc regelnden Verordnung vom 30. Januar 1808, nicht erlassen worden seien. Und es wird sodann konstatiert, daß seither in Hessen der Grundsatz befolgt worden sei, daß der Regent aus Privatrechtsverhältnissen vor den Gerichten seines Landes nur mit seiner Einwilligung habe belangt werden können, und daß es ihm freigestanden habe, das Gericht zu bestimmen, dem er sich unterwerfen wolle.
In gleicher Weise hat das vormalige Oberappellationsgericht zu Darmstadt in seiner Rechtsprechung, und zwar sowohl in erster, wie in zweiter (der s. g. Revisions-) Instanz, die Exemtion des Landesherrn von den Gerichten des Landes mehrfach anerkannt. Vgl. die von dem Vertreter des Herrn Revisionsbeklagten angezogenen Erkenntnisse aus den Jahren 1816 bis 1835 im Archiv für praktische Rechtswissenschaft N. F. Bd. 6 S. 428, Bd. 8 S. 429 und bei Seuffert, Archiv etc Bd. 8 Nr. 297.
Zwar beruhen diese Entscheidungen im wesentlichen auf der Auslegung und Anwendung allgemeiner Rechtsnormen, insbesondere der - ihrem Sinne nach bestrittenen und einander widersprechenden - Vorschriften des römischen Rechtes in 1. 31 Dig. de leg. 1, 3; I. 23 Dig. de legat. III.; 1. 4 Cod. de leg. 1, 14; 1. 3 Cod. de test. 6, 23; Nov. 105 cap. 2 §. 4. nach welchen, wie jener Gerichtshof annahm, das Staatsoberhaupt nur dann den Landesgerichten unterworfen sei, wenn er sich aus freiem Antriebe bereit erklärte, vor denselben Recht zu nehmen. Gleichwohl entziehen sich dieselben in dem gegenwärtigen Prozesse der Nachprüfung in der Revisionsinstanz, da sie nur als Belege für die partikulare Rechtsbildung in Betracht kommen.
Der Vertreter der Revisionsklägerin räumt denn auch ein, daß der Großherzog nach Gesetz und Herkommen in Ansehung seiner Familienverhältnisse den Gerichten seines Landes nicht unterstehe. Er rügt aber, daß der Berufungsrichter bei der Anwendung dieses Rechtssatzes gegen allgemeine Rechtsnormen verstoßen habe, und er führt aus, daß sich die Exemtion des Staatsoberhauptes der Natur der Sache nach auf die Gerichtspflichtigkeit, also auf den Fall beschränke, wenn der Regent als Beklagter in Anspruch genommen werde, daß sie jedoch keineswegs die Befugnis des Souveräns in sich begreife, die Entscheidung über einen Ehestreit, in welchem er, der Landesherr, als Kläger auftrete, einer von ihm niedergesetzten Behörde oder einem besonders zu diesem Zwecke berufenen und zusammengesetzten Gerichte zu übertragen.
Es muß zugegeben werden, daß die Bestellung eines reichs- oder landesgesetzlich nicht zum voraus zugelassenen Gerichtshofes, eines s. g. Ausnahmegerichtes, nach §. 16 G.V.G. unstatthaft, und daß die Zulässigkeit der Einsetzung eines außerhalb der gerichtsverfassungsmäßig angeordneten Kompetenzverhältnisse stehenden außerordentlichen Gerichtshofes, eines Ehegerichtshofes ad hoc, in Ermangelung sowohl positiver Vorschriften des hessischen Partikularrechtes als von Präcedenzfällen im hessischen Fürstenhause, höchst bedenklich gewesen wäre. Zur Zeit des ehemaligen Deutschen Reiches, von der Reformation und dem westfälischen Frieden an, waren weder die Reichsgerichte, noch die eigenen weltlichen oder geistlichen Landesgerichte zuständig, über Ehestreitigkeiten evangelischer Fürsten, sobald solche die Auflösung der Ehe betrafen, zu erkennen. Nur hielten die Reichsgerichte darauf, daß die Landesherren sich nicht zu Richtern in eigener Sache aufwarfen, und nötigten dieselben in vorkommenden Fällen dazu, ihre Eheirrungen im Rechtswege, sei es durch Schiedsgerichte, sei es durch Konsistorien oder mittels Aktenversendung, austragen zu lassen, auch, wenn erforderlich, für Eröffnung einer weiteren Instanz zu sorgen. Vgl. Konzept der Kammergerichtsordnung von 1570 Tl. 2 Tit. 1 §. 3 bei Selchow, Konzepte etc Bd. 3 S. 6; Pfeffinger, corp. jur. publ. tom. III p. 290-312; Hellfeld-Struve, Jurisprud. heroica pars. IV. p 223 sq.; Pütter, Erörterungen zum deutschen Staats- und Fürstenrechte Bd. 2 S. 150 flg.; Zöpfl, Grundsätze des gem. deutschen Staatsrechtes §. 268.
Allein nach dem Untergange des Deutschen Reiches hat sich die Rechtsentwickelung in den einzelnen deutschen Staaten bezüglich der Kompetenz der Landesgerichte in Ehesachen der regierenden Häuser verschieden gestaltet, und es behaupten namhafte Rechtslehrer, wie Heffter, Sonderrechte der souveränen Häuser (1871) §§. 24. 28. 37. 70, daß, seitdem die Ehestreitigkeiten auch der Souveräne bei den ordentlichen Landesgerichten nach den gewöhnlichen Prozeßgrundsätzen zum Austrage zu bringen seien, und ein Landesherr nur in denjenigen Ländern, in welchen er rücksichtlich der eigenen rein persönlichen Angelegenheiten fortdauernd eine exzeptionelle Stellung eingenommen habe, und nur soweit dies der Fall sei, sich entweder einem schon bestellten Gerichte unterwerfen oder ein anderes unparteiisches Gericht außerordentlich bestellen müsse. Wie dem sein mag, als Inhalt des heutigen, innerhalb der korporativen Genossenschaft des hohen deutschen Adels geltenden, gemeinen deutschen Privatfürstenrechtes kann es nicht angesehen werden, daß ein Souverän behufs Entscheidung einer Eheirrung eine besondere Behörde - einen Familienrat, ein Agnatengericht, ein Gericht von Ebenbürtigen, ein Schiedsgericht, eine Kommission - niedersetzen oder einen sonstigen Spezialgerichtshof beliebig zusammensetzen dürfe. Die Befugnis zur Bestellung eines außerordentlichen Gerichtshofes ist den deutschen Souveränen bereits in dem Reichsgesetze vom 6. Februar 1875, betreffend "die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung", §. 72 nur unter der Voraussetzung gewährt worden, daß nach Hausgesetzen oder Observanzen besondere Bestimmungen über eine derartige Gerichtsbarkeit bestehen. Im Großherzogtume Hessen sind aber, wie erwähnt, hausgesetzliche Vorschriften überhaupt nicht erlassen worden, und das in den Motiven zum Landesgesetze vom 7. Juni 1879 angeführte, durch die Rechtsprechung des früheren obersten Landgerichtshofes sanktionierte Herkommen geht ersichtlich nur dahin, daß der Großherzog ein staatlich bestehendes Gericht zu bezeichnen habe, bei dem er Recht nehmen und suchen wolle. Im Zweifel muß dies auch auf die Entscheidung einer den Regenten betreffenden Ehesache bezogen werden.
Der erhobene Revisionsangriff scheitert indessen an der Thatsache, daß sich Se. Königl. Hoheit der Großherzog inhaltlich der Verfügung vom 5. Juni 1884 an ein reichsgesetzlich zugelassenes und landesgesetzlich angeordnetes Gericht gewendet hat, welches, wie der erste Richter zutreffend betont, schon eine beschränkte Kompetenz in vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Regenten ausübt.
Die Befugnis zu einer solchen Übertragung der Gerichtsbarkeit in der obschwebenden Eheirrung kann dem Landesherrn mit Rechtsbestand vor allem aus dem Grunde nicht bestritten werden, weil jener Erlaß die Zusammensetzung eines besonderen, aus fünf Mitgliedern des Oberlandesgerichtes zu Darmstadt bestehenden Senates durch das Präsidium dieses Gerichtshofes befohlen habe. Denn diese Anordnung und deren Vollzug hat nur Bedeutung für die Bildung des Senates, nicht für die Zuständigkeit des angegangenen Gerichtes selber; sie ist um so weniger zu beanstanden, als es für den anhängig zu machenden Rechtsstreit an einem nach dem Gesetze vom 7. Juni 1879 zur Entscheidung berufenen Senate fehlte.
Aber auch der aus der Parteirolle des Herrn Klägers entnommene Einwand ist nicht begründet. Zwar hat die Beklagte als morganatische Ehefrau keinen Anteil an den Prärogativen des fürstlichen Gemahles; sie würde daher, von Dritten belangt, den besonderen Gerichtsstand der Artt. 1 flg. des Landesgesetzes vom 7. Juni 1879 nicht für sich beanspruchen können, vielmehr den ordentlichen durch die Reichsjustizgesetzgebung angeordneten Gerichten unterworfen sein. Allein hier verlangt der fürstliche Gemahl die Trennung der mit der Beklagten geschlossenen Ehe dem Bande nach, und dieser hat gemäß der §§. 5 der Einführungsgesetze zum G.V.G. und zur C.P.O. einen von den Vorschriften der Reichsjustizgesetze unabhängigen (befreiten) Gerichtsstand. Diesem Gerichtsstande folgt die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen und vermöge des dem §. 568 C.P.O. zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Gedankens nach. Bei dem untrennbaren Zusammenhange, in welchem die Familienverhältnisse des Staatsoberhauptes mit dessen Person stehen, kann eine Ehesache desselben nur einheitlich entschieden werden. Und, da für Klagen gegen die Ehefrau wegen Trennung der Ehe nach §. 568 a. a. O. immer nur dasjenige Gericht zuständig ist, welches für solche Klagen gegen den Ehemann kompetent erscheint, so konnte auch für die Gemahlin des Landesherrn ein Gerichtsstand in dieser Sache nur durch landesherrliche Entschließung begründet werden.
Daß der von der Revisionsklägerin angezogene §. 12 C.P.O. für Ehestreitigkeiten unanwendbar ist, bedarf bei der Ausschließlichkeit des in §. 568 C.P.O. angeordneten Gerichtsstandes keiner weiteren Ausführung.
Eine besondere Beschwerde findet die Beklagte darin, daß die Verordnung vom 5. Juni 1884 nach der Auslegung, welche ihr von dem Berufungsrichter gegeben worden sei, keinen Instanzenzug eröffnet habe. Die Interpretation jenes persönlichen Willensaktes des Souveräns ist jedoch thatsächlicher Natur und mit der Revision nicht anfechtbar, während die Ausschließung eines weiteren Rechtsweges durch die - unbestritten erfolgte- freiwillige und vertragsmäßige Unterwerfung der Beklagten unter die ausschließliche Gerichtsbarkeit des angerufenen Senates des Oberlandesgerichtes gerechtfertigt wird. Würde die Beklagte ihre Einlassung auf die Klage davon abhängig gemacht haben, daß ihr gegen das von jenem Gerichtshofe zu erlassende Erkenntnis der Instanzenzug nicht abgeschnitten werde, so würde sich bei dem Berufungsgerichte die Frage erhoben haben, welche Wirkung dem im Vertrage vom 30. Mai 1884 zum voraus erklärten Verzichte auf Einlegung eines Rechtsmittels nach den Bestimmungen der Civilprozeßordnung oder dem bürgerlichen Rechte beizulegen sei.1
Da eine solche Erklärung vor dem erkennenden Gerichte nicht abgegeben worden ist, so konnte sie weder vor dem Berufungsrichter, noch kann sie jetzt noch vor dem Revisionsgerichte nachgeholt werden." ...
- 1. Vgl. §. 475 C.P.O. und J. 40 §. 1 Dig de pactis 2, 14.