RG, 17.10.1884 - II 327/84

Daten
Fall: 
Widerspruchsklage gegen Pfändung einer Forderung
Fundstellen: 
RGZ 12, 379
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.10.1884
Aktenzeichen: 
II 327/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Karlsruhe
  • OLG Karlsruhe

Kann gegen die Pfändung einer Forderung die Widerspruchsklage aus §. 690 C.P.O. erhoben werden?
Ist für eine solche Klage das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Pfändungsbeschluß erlassen worden ist, oder jenes in dessen Bezirke dem Drittschuldner der Beschluß zugestellt worden ist? C.P.O. §. 730 Abs. 3.

Tatbestand

Erben A. erwirkten für eine Forderung an u. L. beim Amtsgerichte Karlsruhe eine Vollstreckungspfändung auf die Erträgnisse des Stammgutes der Familie v. L. zu W., Amtsgericht Heidelberg, durch Beschluß vom 28. September 1883 gerichtet gegen Sch. als Verwalter jenes Gutes und demselben dort zugestellt. Der Bruder des Schuldners erhob Widerspruchsklage gegen diese Pfändung bei dem Landgerichte Karlsruhe, indem er behauptete, Majoratsherr zu sein. Die Beklagten schützten die Einrede der Unzuständigkeit vor, weil der Ort der Vollstreckung im Bezirke des Landgerichtes Mannheim liege, und diese Einrede wurde in erster Instanz für begründet erklärt, in zweiter Instanz aber .verworfen. Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Zunächst ist unbedenklich, daß der Kläger sein ausschließliches Recht auf die bei Verwalter Sch. befindlichen Revenüen im Wege der Widerspruchsklage (§. 690 C.P.O.) geltend machen kann1, Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 4 Nr. 32 S. 111, und daß daher zufolge §. 690 für seine Klage der nach §. 707 C.P.O. ausschließliche Gerichtsstand bei dem Gerichte eintritt, in dessen Bezirke die Zwangsvollstreckung erfolgt. Im Anschlusse an die Gründe des ersten Urteiles hat die Revision zunächst geltend gemacht: In §. 690 a. a. O. sei die oben mitgeteilte Fassung absichtlich gewählt, um nach dem Vorbilde des Rechtshilfegesetzes vom 21. Juni 1869 nicht das Vollstreckungsgericht für zuständig zu erklären, sondern jenes sachlich kompetente Amts- oder Landgericht, in dessen Bezirke thatsächlich die Zwangsvollstreckung stattfand.

Diese Meinung ist nach dem Wortlaute des §. 690, sowie nach den Motiven zum Regierungsentwurfe §. 639 (jetzt §. 690) an sich ganz richtig, hat aber keine entscheidende Bedeutung.

Als das Rechtshilfegesetz vom 21. Juni 1869 erlassen wurde, war das Vollstreckungswesen fast überall in Deutschland Sache der Gerichte, welche die Beschlüsse erließen und mit deren Vollzug die ihnen untergebenen Beamten beauftragten oder auswärtige Gerichte darum ersuchten. Für den letzteren Fall traf §. 8 a. a. O. die Bestimmung, daß gewisse Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung der Kognition des requirierenden Prozeßgerichtes entzogen und dem Gerichte des Vollstreckungsortes zugewiesen wurden.

Diesen Gedanken hat §. 690 insofern angenommen, als wegen des Zusammenhanges der Widerspruchsklage mit der Zwangsvollstreckung diese Klage, ohne Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen über die sachliche Zuständigkeit, örtlich an das Gericht verwiesen ist, in dessen Bezirke die Vollstreckung erfolgt. Letztere Worte haben jedoch teilweise eine andere Bedeutung, als "das Gericht des Vollstreckungsortes" in §. 8 des Rechtshilfegesetzes. Zufolge §. 674 C.P.O. erfolgt nämlich die Vollstreckung der Regel nach nicht mehr durch die Gerichte, sondern unmittelbar durch Gerichtsvollzieher im Auftrage des Gläubigers, und in §. 684 a. a. O. sind, soweit die Gerichte bei der Zwangsvollstreckung thätig sind, die Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte berufen, und zwar, sofern nicht das Gesetz ein anderes Amtsgericht bestimmt, dasjenige Amtsgericht, "in dessen Bezirke das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat." Um zu vermeiden, daß stets das Amtsgericht auch sachlich als Vollstreckungsgericht (und zwar nach §. 707 a. a. O. ausschließlich) zuständig sei, hat man in §. 690 a. a. O. zur Regulierung der örtlichen Zuständigkeit die mehrerwähnten Worte gebraucht. Daraus folgt also nichts für die hier maßgebende Frage, in welchem Gerichtsbezirke im Falle der Pfändung einer Forderung die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, wonach sich dann die örtliche Zuständigkeit aus §. 690 regelt.

In dieser Beziehung beruft sich die Revision sowie der erste Richter auf §. 730 Abs. 3 a. a. O., welcher bestimmt, daß mit der Zustellung des Forderungspfändungsbeschlusses an den Drittschuldner die Pfändung als bewirkt anzusehen ist. Daraus wird abgeleitet, der Ort der fraglichen Zustellung und nicht jener der Erlassung des Pfändungsbeschlusses entscheide darüber, in welchem Bezirke die Vollstreckung erfolgt, und da die Zustellung an den Drittschuldner Sch. zu W. im Bezirke des Landgerichtes Mannheim geschehen sei, erscheine das vom Kläger angerufene Landgericht Karlsruhe als örtlich unzuständig.

Dieser scheinbar zutreffende Grund widerlegt sich jedoch bei näherer Betrachtung des Gesetzes. Die Motive zum Regierungsentwurfe haben wiederholt ausgeführt, daß und aus welchen Gründen die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte in Abweichung von der Regel des §. 674 C.P.O. und von anderen Gesetzgebungen nicht auch dem Gerichtsvollzieher anzuvertrauen, sondern auf die Gerichte zu übertragen sei.2

An letzterer Stelle ist gesagt:
"Es empfiehlt sich daher die ganze Zwangsvollstreckung in nicht körperliche Gegenstände des beweglichen Vermögens auf die Gerichte zu übertragen."

Schon im Vergleiche hiermit ist ausgeschlossen, daß das Gesetz durch §. 730 den eigentlichen Vollzug der Forderungspfändung in einen Akt des Gerichtsvollziehers legen soll, der im Auftrage des Gläubigers handelt. Der §. 729 a. a. O. bringt auch die Absicht des Gesetzes zum klaren Ausdrucke, indem die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte dem Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte im Sinne des §. 684 a. a. O. übertragen wird. Daraus folgt mit Notwendigkeit, daß die Zwangsvollstreckung in der Erlassung des Pfändungsbeschlusses liegt, die allein zu den Schwierigkeiten Anlaß giebt, wegen deren die im Vergleiche mit §. 674 eine Ausnahmevorschrift enthaltende Bestimmung des §. 729 Abs. 1 erlassen worden ist.

Bei der Forderungspfändung ist also das Vollstreckungsgericht des §. 729 auch das Gericht, in dessen Bezirke die Zwangsvollstreckung erfolgt; denn die dort stattgehabte Erlassung des Pfändungsbeschlusses ist eben die Vollstreckung selbst.

Daran ändert §. 730 Abs. 3 nichts, welcher nur den Zweck hat, die Frage zu regeln, mit welchem Momente - ob mit der Zustellung des Gebotes an den Hauptschuldner, oder mit jener des Verbotes an den Drittschuldner - das Recht des Gläubigers, insbesondere das Pfändungspfandrecht seinen Anfang nimmt.

Wie bereits in den Gründen des Berufungsurteiles hervorgehoben ist, würde die Ansicht des Landgerichtes praktisch zu den größten Schwierigkeiten führen, wenn z. B. der Drittschuldner im Auslande wohnt oder aus einer Mehrheit von Personen besteht. Schon in dem Falle, daß der Drittschuldner seinen Wohnsitz in einem anderen Bundesstaate hat, wäre es sehr auffallend, wenn das dortige Gericht den Beschluß eines ihm vollkommen fremden Gerichtes aufzuheben hätte.

Da vorliegend der Pfändungsbeschluß von dem Amtsgerichte Karlsruhe (dessen Zuständigkeit übrigens hier nicht zu prüfen war) erlassen worden ist, so war mit Rücksicht auf die Höhe des Wertes des Streitgegenstandes das Landgericht Karlsruhe im Sinne des §. 690 a. a. O. zuständig."

  • 1. Bestritten von Wilmowski und Levy, 1. Aufl. Nr. 2 lit. c zu §. 690.
  • 2. Vgl. Motive Einl. zu Buch 8 S. 389 und zu §. 677, jetzt §. 729 S. 432.