RG, 03.07.1884 - I 190/84
Ist die Zustellung des Arrestbeschlusses durch Telegramm zulässig?
Aus den Gründen
... "Die Rechtsgültigkeit der Pfändung ist unter anderem bestritten, weil der Arrestbeschluß dem Arrestbeklagten mittels telegraphischer Requisition des deutschen Konsuls in Rio de Janeiro zugestellt sei, was nicht angehe. Der Vorsitzende des Landgerichtes, Kammer III für Handelssachen, welche den dinglichen Arrest für Johannes Schuback & Söhne zu Hamburg gegen Leopold Smith de Vasconcellos in Rio de Janeiro wegen beanspruchter 132000 M am 12. März 1883 beschlossen hat, hat an demselben Tage in diesem Charakter an das deutsche Konsulat zu Rio de Janeiro eine telegraphische Depesche dahin aufgegeben:
Ersuche zuzustellen Leopoldo Smith de Vasconcellos von Ihnen beglaubigte Abschrift nachstehenden Arrestbefehl-Telegrammes. Sendet sofort mir Zustellungszeugnis durch untersiegeltes oder notariell oder gerichtlich beglaubigtes Telegramm. Telegraphenbehörde muß im Telegramm bemerken, daß aufgegebene Depesche Konsuls Siegel und Unterschrift trägt. Sendet außerdem schriftliches Zustellungs-Zeugnis.
(Folgt wörtlich der Arrestbefehl.)
Der deutsche Konsul K. hat darauf am 14. März 1883 dem Anwalt des Arrestklägers zurücktelegraphiert:
Ich bezeuge, daß Arrestbefehl des Landgerichtes Hamburg Kammer III vom 12. März in Arrestsachen Johannes Schuback & Söhne Hamburg gegen Leopoldo Smith de Vasconcellos Rio de Janeiro wegen 132000 M dem Beklagten heute zugestellt worden ist. Rio de Janeiro 14. März 1883 der kaiserliche Konsul Koser. (Konsulatssiegel.) Folgt eine notarielle Beglaubigung der Echtheit des Siegels und der Unterschrift in portugiesischer, eine englische Beglaubigung des Notars durch den Geschäftsführer der Western and Brasilian Telegraphen-Kompagnie.
Sodann ist vorgelegt ein Zeugnis des deutschen Konsulates zu Rio de Janeiro vom 14. März 1883, wonach der Konsul den wörtlich wiedergegebenen Arrestbefehl dem Leopoldo Smith de Vasconcellos in konsularisch beglaubigter Abschrift zugestellt hat. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat bezeugt, daß das Telegramm vom 14. März 1883 die Rückantwort auf das Arrestbefehltelegramm sei.
Bei der Beurteilung der gesetzlichen Gültigkeit des hier eingeschlagenen Verfahrens hat man sich zu vergegenwärtigen, daß die Vollziehung des Arrestbefehles nach §. 809 C.P.O. unstatthaft ist, wenn seit dem Tage, an welchem der Befehl verkündet oder dem Arrestträger zugestellt ist, zwei Wochen verstrichen sind. Es ist aber davon auszugehen, daß das Gesetz selbst die Ausführbarkeit dieser Vorschrift gewollt hat. Seine sonstigen Vorschriften sind also in einem Sinne zu verstehen, welcher diese Ausführbarkeit sichert. Dazu mag es verschiedene Wege geben. Der hier eingeschlagene Weg ist dann als zulässig zu erachten, wenn auf demselben auch sonst dasjenige erreicht ist, was der Gesetzgeber zur Sicherung des Arrestbeklagten und im Interesse eines gesicherten gesetzlichen Verfahrens gewollt hat. Die Zustellung besteht nach §. 156 C.P.O. in einem Falle, wie dem vorliegenden, in der Übergabe einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstückes; die Beglaubigung geschieht durch den Gerichtsvollzieher, bei den auf Betreiben von Rechtsanwälten zuzustellenden Schriftstücken durch den Anwalt, bei den von Amts wegen zuzustellenden Schriftstücken durch den Gerichtsschreiber. Eine im Auslande zu bewirkende Zustellung erfolgt unter anderem mittels Ersuchens des in diesem Staate residierenden Konsuls des Reiches (§. 182 C.P.O.). Die Zustellung wird durch das schriftliche Zeugnis des ersuchten Beamten, daß die Zustellung erfolgt sei, nachgewiesen (§. 185 C.P.O.). Die Zustellung einer von einem Anwalt oder Gerichtsschreiber in Hamburg beglaubigten Urkunde ist in einer Frist von zwei Wochen, gerechnet von dem Tage, an welchem der Anwalt das Original der zuzustellenden Abschrift erhält, in Rio de Janeiro so, daß auch noch die Nachricht von der erfolgten Zustellung zurückkommt, nicht auszuführen. Es liegt also im Sinne des Gesetzes, daß die Herstellung der beglaubigten Abschrift, welche zuzustellen, auf einem kürzeren Wege zugelassen wird, wenn dabei die Sicherheit der Übereinstimmung des Inhaltes der Abschrift mit dem Originale gewahrt bleibt. Beides ist hier erreicht. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat dem Telegraphen die Urkunde diktiert und der Telegraph hat sie in Rio de Janeiro niedergeschrieben; der deutsche Konsul hat eine mit dieser Niederschrift übereinstimmende von ihm beglaubigte Abschrift dem Arrestbeklagten zugestellt, und aus dem von ihm eingesandten Zeugnisse geht hervor, daß, abgesehen von unwesentlichen Abweichungen, die von ihm zugestellte beglaubigte Abschrift inhaltlich mit dem Originale des Arrestbefehles übereinstimmt. Auf diese Weise ist dem Arrestschuldner in Rio de Janeiro ganz sicher und objektiv richtig dasjenige vor der Ausführung des Arrestbefehles notifiziert, was das Hamburger Gericht in bezug auf ihn und seine Güter beschlossen hatte.
Er war in der Lage, sofort die zur Beseitigung der beschlossenen Maßregel erforderlichen Schritte einzuschlagen. Damit erledigen sich die Bedenken, welche das Oberlandesgericht gegen die Zulässigkeit des eingeschlagenen Verfahrens erhoben hat, für den vorliegenden Fall." ...