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RG, 24.03.1884 - I 473/83

Daten
Fall: 
Verlagsvertragsverletzung
Fundstellen: 
RGZ 12, 108
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
24.03.1884
Aktenzeichen: 
I 473/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Stade
  • OLG Celle

1. Stehen bei einem Nachdrucke des Verlegers dem Autor neben den Ansprüchen aus dem Gesetze wegen Nachdruckes die Ansprüche aus dem Verlagsvertrage wegen Vertragsverletzung zu?
2. Enthält die Überschreitung der im Verlagsvertrage festgesetzten Stärke der Auflage und die unbefugte Veranstaltung einer neuen Auflage durch den Verleger nur eine Übertretung des Nachdrucksverbotes oder auch eine Verletzung der Vertragspflichten?

Tatbestand

Ein von dem Schuldirektor Ha. und dem Lehrer R. gemeinsam bearbeitetes Deutsches Lesebuch war von ersterem durch einen nur in seinem Namen abgeschlossenen Verlagsvertrag der Firma Gustav E. in Harburg in Verlag gegeben. Der Handlungsbevollmächtigte He. als Leiter des Geschäftes überschritt ohne Wissen der Inhaberin der Firma, der Witwe E., bei einigen Auflagen die vertragsmäßige Stärke der Auflage und veranstaltete neue Auflagen, ungeachtet des Verbotes des Schuldirektors Ha. Letzterer erhob deshalb Entschädigungsklage wider die Witwe E., welche einwendete, daß sie in Ermangelung eigenen Verschuldens für das von ihrem Handlungsbevollmächtigten begangene Vergehen des Nachdruckes nicht hafte, daß die dreijährige Verjährung der Klage wegen Nachdruckes abgelaufen sei, und daß Kläger höchstens zur Hälfte auf Schadensersatz klagen könne, weil er nach seinem Vertrage mit R. die Hälfte des Ertrages an diesen abzugeben habe. Das Berufungsgericht verwarf diese Einreden als gegenüber der Kontraktsklage unbegründet. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Gründe

"Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, daß seitens der beklagten Firma durch Überschreitung der durch den Verlagsvertrag für eine Auflage festgesetzten Zahl von Exemplaren und durch die im Verlagsvertrage nicht gestattete Veranstaltung neuer Ausgaben nicht allein das gesetzliche Nachdrucksverbot übertreten, sondern auch dem Verlagsvertrage zuwidergehandelt, folglich der Kläger nicht auf die gesetzlichen Ansprüche wegen Nachdruckes beschränkt, sondern auch berechtigt sei, weitergehende Ansprüche wegen Vertragsverletzung auf Grund des Verlagsvertrages geltend zu machen. Diese Annahme wird von der Beklagten mit Unrecht als irrtümlich angefochten.

Das Reichsgesetz vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, behandelt das auf dem Verlagsvertrage beruhende Rechtsverhältnis überhaupt nicht. Auch die Bestimmung des §. 5 c und d, wonach die Anfertigung einer größeren Anzahl von Exemplaren eines Werkes seitens des Verlegers, als demselben vertragsmäßig oder gesetzlich gestattet ist, sowie der neue Abdruck, welchen der Urheber oder der Verleger dem unter ihnen bestehenden Vertrage zuwider veranstaltet, als Nachdruck anzusehen ist, entscheidet lediglich die Frage, ob in diesem Falle Nachdruck anzunehmen sei, läßt dagegen die Frage, ob die Rechte aus dem Verlagsvertrage in diesem Falle geltend gemacht werden können, unberührt und bestimmt keineswegs, daß der Verletzte auf die ihm durch das Gesetz vom 11. Juni 1870 eingeräumten Rechte beschränkt sein solle. Es ist daher nicht zu bezweifeln, daß neben den Ansprüchen, welche dieses Gesetz gewährt, die Ansprüche aus dem Verlagsvertrage in vollem Umfange stattfinden, nicht allein bei solchen Vertragsverletzungen, welche unter den Begriff des Nachdruckes, nicht fallen, sondern auch bei solchen, welche zugleich eine Zuwiderhandlung gegen das Nachdrucksverbot und gegen die Vertragespflichten enthalten.

Zweifelhafter kann es erscheinen, ob das der Beklagten zur Last gelegte Verhalten nur eine Übertretung des gesetzlichen Nachdrucksverbotes oder auch eine Verletzung übernommener Vertragspflichten enthalte. Seinem Begriffe und Wesen nach begründet der Verlagsvertrag eine Verpflichtung des Verlegers nicht zu Unterlassungen, sondern zu Handlungen, nämlich zur Vervielfältigung und buchhändlerischen Verbreitung des Werkes. Wird in dem Vertrage eine Bestimmung über Stärke und Zahl der Auflagen getroffen, so ist dies nicht mit Notwendigkeit dahin zu verstehen, daß der Verleger die Verpflichtung übernimmt, eine weitere Vervielfältigung und Verbreitung zu unterlassen; möglich ist auch die Auffassung, daß eine derartige Vertragsbestimmung nur die Befugnis des Verlegers begrenze, dagegen ihm eine Verpflichtung nicht auferlege, woraus sich die Folgerung ergeben würde, daß der Verleger bei Überschreitung dieser Grenze zwar außerhalb des Vertrages, aber nicht gegen den Vertrag handele, mithin nur die gesetzlichen Folgen unbefugter Vervielfältigung von Schriftwerken, nicht aber die Folgen der Vertragsverletzung eintreten.

Indessen kann diese Auffassung, wenn sie nicht in den Bestimmungen eines einzelnen Verlagsvertrages eine besondere Begründung findet, im allgemeinen als die im buchhändlerischen Verkehre herrschende und deshalb im Zweifel als die von den Vertragschließenden beabsichtigte nicht angesehen werden. Da durch den Verlagsvertrag dem Verleger nicht bloß Rechte eingeräumt, sondern, selbst wenn kein Honorar bedungen ist, auch Verpflichtungen von ihm übernommen werden, so entspricht es der Natur des Vertrages, auch in dessen einzelnen Bestimmungen, insbesondere in der Festsetzung der Stärke und Zahl der Auflagen, nicht bloß die Begrenzung der Befugnis des Verlegers, sondern auch die Verpflichtung zur Nichtüberschreitung dieser Grenze vonseiten des Verlegers zu finden. Daß die Vertragschließenden dem Vertrage diesen Sinn beilegten, konnte am wenigsten in früherer Zeit bezweifelt werden, solange es, abgesehen von Privilegien, keinen gesetzlichen Schutz wider Nachdruck gab, der Autor mithin auf die aus dem Verlagsvertrage abzuleitenden Rechte gegen den Verleger beschränkt war. Später, nachdem die Gesetzgebung den Nachdruck verboten hatte, wurde zwar darüber gestritten, ob der gesetzliche Schutz gegen Nachdruck auch dem Autor gegenüber dem Verleger und umgekehrt zu statten komme, oder ob diese Personen untereinander auf die Rechte aus dem Verlagsvertrage beschränkt seien, welche letztere Ansicht in dem Sachsen- Meiningen-Hildburghausenschen Gesetze vom 7. Mai 1829 Art. 9 gesetzlich festgestellt war; dagegen findet sich in der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Theorie keine Spur, daß man dem Autor das Recht abgesprochen halte, bei einer Überschreitung der dem Verleger gestatteten Stärke oder Zahl der Auflagen auf Grund des Verlagsvertrages gegen den Verleger vorzugehen. Auch bei dem jetzigen Stande der Gesetzgebung (§. 5 c und d des Gesetzes vom 11. Juni 1870) kann man nicht sagen, daß der Autor kein Interesse daran habe, sich von dem Verleger die Unterlassung von Handlungen, zu welcher er schon gesetzlich verpflichtet ist, noch besonders vertragsweise versprechen zu lassen, und daß deshalb der Verlagsvertrag nicht in diesem Sinne zu verstehen sei; das Interesse des Autors an einer solchen Vertragsbestimmung ergiebt sich daraus, daß die Rechte aus dem Vertrage in mehreren Beziehungen ausgedehnter sind, als die Rechte aus dem Gesetze wegen Nachdruckes, wie gerade aus dem vorliegenden Rechtsfalle ersichtlich ist.

Revisionsklägerin hat eventuell geltend gemacht, daß, wenn auch in der Überschreitung der vereinbarten Stärke der Auflagen eine Vertragswidrigkeit enthalten wäre, dasselbe doch nicht von der Veranstaltung neuer Ausgaben angenommen werden könne, weil diese überhaupt noch nicht Gegenstand eines Verlagsvertrages gewesen seien. Diese Unterscheidung ist nach den Bestimmungen des in Rede stehenden Verlagsvertrages unbegründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wenn ein Verlagsvertrag das Verlagsrecht für eine Auflage von bestimmter Stärke einräumt, ohne über spätere Auflagen irgend eine Bestimmung zu treffen, dem Vertrage ohne weiteres der Sinn beigemessen werden kann, daß der Verleger sich verpflichtet, eine neue Auflage nicht ohne Einwilligung des Autors zu veranstalten. Ein solcher Fall liegt nicht vor, da im §. 7 des Verlagsvertrages vom 22. Juli 1859 die Frage künftiger Auflagen vorgesehen, dem Verleger das erste Anrecht auf solche eingeräumt, dagegen von dem Verleger die ausdrückliche Zusicherung erteilt ist, daß dem Kläger die Honorierung des übernommenen Manuskriptes ungeschmälert bleibe. Hierin liegt das Versprechen, künftige Auflagen nicht ohne Vereinbarung mit dem Kläger über das demselben zu gewährende Honorar zu veranstalten.

Die erhobene Klage ist demnach von dem Berufungsgerichte mit Recht als die aus dem Verlagsvertrage hergeleitete Klage auf Schadensersatz wegen vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten aufgefaßt worden. Gegenüber dieser Klage sind die Einwände der Beklagten mit Recht als unbegründet verworfen worden.

Der Einwand, daß Kläger nicht alleiniger Urheber, sondern nur Miturheber des von ihm gemeinschaftlich mit dem Lehrer R. bearbeiteten Lesebuches sei, ist gegenüber der Klage aus dem Verlagsvertrage unerheblich, weil Kläger diesen Vertrag, wenn auch für seine und des Lehrers R. gemeinsame Rechnung, doch allein in seinem Namen abgeschlossen hat. Kläger steht daher in betreff aller Rechte aus dem Verlagsvertrage der Beklagten als alleiniger Gläubiger klageberechtigt gegenüber. Wenn er auch verpflichtet ist, infolge des mit R. geschlossenen Vertrages einen Teil des Ertrages aus dem Verlagsvertrage an R. oder dessen Erben abzugeben, so hat doch dies Rechtsverhältnis des Klägers zu Dritten auf sein Rechtsverhältnis zur Beklagten keinen Einfluß. Insbesondere besteht der Schade, dessen Ersatz er von der Beklagten verlangen kann, nicht bloß in demjenigen Teile der Entschädigungssumme, welchen er an R. oder dessen Erben herauszugeben nicht verpflichtet ist; vielmehr steht ihm wie der Anspruch auf Erfüllung des Verlagsvertrages so auch der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Verletzung desselben seinem ganzen Umfange nach allein zu, wie auch der Kommissionär Schadenersatzansprüche aus den von ihm für Rechnung des Kommittenten im eigenen Namen geschlossenen Rechtsgeschäften ihrem vollen Umfange nach verfolgen kann, obgleich der Schade im schließlichen Erfolge nicht ihm, sondern dem Kommittenten zur Last fallt.1

Der fernere Einwand, daß die Witwe E. als Inhaberin der Firma Gustav E. für den von ihrem Handlungsbevollmächtigten He. ohne ihr Wissen veranstalteten Nachdruck mangels eigenen Verschuldens nicht haftbar sei, ist zwar gegenüber der auf §. 18 des Gesetzes vom 11. Juni 1870 gegründeten Entschädigungsklage in dem Prozesse der R.'schen Erben wider die Witwe E. durch das Urteil des zweiten Civilsenates des Reichsgerichtes vom 17. Oktober 1882 für durchgreifend erklärt worden; dagegen ist derselbe unbegründet gegenüber der Klage aus dem Verlagsvertrage, da nach feststehender Rechtsprechung des vormaligen Reichsoberhandelsgerichtes2 und öfter, von welcher abzugehen das Reichsgericht keine Veranlassung findet, der Geschäftsinhaber für arglistiges oder schuldhaftes Verhalten des Handlungsbevollmächtigten bei Eingehung oder Erfüllung der namens des Geschäftsinhabers geschlossenen Verträge auch dann zu haften hat, wenn ihm selbst kein Verschulden zur Last fällt.

Was endlich den Einwand der Verjährung betrifft, so ist derselbe mit Recht verworfen, da bei der Klage aus dem Verlagsvertrage nicht die im Gesetze vom 11. Juni 1870 §. 33 vorgeschriebene dreijährige, sondern die nach dem hannoverschen Gesetze vom 22. September 1851 (Hannoversche Gesetzsammlung S. 187) für alle rein persönlichen Klagen vorgeschriebene zehnjährige Verjährung Anwendung findet, welche ... bei Erhebung der Klage noch nicht abgelaufen war."

  • 1. Vgl. Zimmermann im Neuen Archiv für Handelsrecht Bd. 1 S. 48 flg.; Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 11 S. 260, Bd. 14 S. 400, Bd. 22 S. 253.
  • 2. vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 6 S. 403 flg.