RG, 22.10.1918 - II 158/18
Zur Einzahlungspflicht des Aktionärs:
- Zum Begriffe der Barzahlung nach § 195 Abs. 3 HGB.
- Wann ist nach § 221 HGB. eine vertragsmäßige Verrechnung zulässig?
- Inwieweit kann der Zeichner, wenn die Gesellschaft in Konkurs geraten ist, verlangen, daß ihm Zug um Zug gegen die Einzahlung Aktien ausgehändigt werden?
Tatbestand
Die Aktiengesellschaft für Betonbau S. & P. beschloß in einer Generalversammlung vom 29. Dezember 1911 behufs Beseitigung ihrer Zahlungsschwierigkeiten, das damals 1 Million betragende Grundkapital durch Ausgabe von 200 Vorrechtsaktien über je 1000 M um 200000 M zu erhöhen. An der Kapitalerhöhung beteiligten sich besonders Gläubiger der Gesellschaft, darunter Z., Sch. und P. Indessen scheiterte der Versuch, das Unternehmen wieder flott zu machen, vielmehr wurde am 9. August 1913 der Konkurs über die Gesellschaft eröffnet.
Der zum Verwalter bestellte Kläger nahm die Genannten sowie eine Anzahl anderer Kapitalzeichner auf Einzahlung der Einlage in Anspruch. Er warf ihnen vor, daß sie sich auf Grund einer schon vor oder bei der Zeichnung mit dem Vorstande getroffenen Vereinbarung damit begnügt hätten, ihre Forderungen gegen die einzuzahlenden Beträge aufzurechnen. Der Klagantrag ging gegen Z. auf 15750 M, gegen Sch. auf 8400 M, gegen P. auf 31500 M, alles zuzüglich 5% Zinsen seit dem 29. Dezember 1911. Die Beklagten behaupteten wirksame Tilgung der Einlagepflicht.
Das Landgericht erließ zwei Urteile, wodurch es Z. unter Vorbehalt des Mehranspruchs zu 11812,50 M nebst Zinsen, Sch. und P. aber zu den vollen geforderten Beträgen verurteilte. Auf Berufung der Beklagten erkannte das Oberlandesgericht dahin, daß die Zahlung nur Zug um Zug gegen Lieferung von 11 (Z.) bez. 8 (Sch.) bez. 30 (P.) Vorrechtsaktien der Gemeinschuldnerin zu erfolgen habe; ferner wies es die Zinsansprüche ab. Das Reichsgericht wies die Revision der Beklagten zurück und stellte auf die Anschlußrevision des Klägers das erste Anteil mit einem Abstrich im Zinsenpunkte wieder her.
Gründe
1. Zur Revision.
"Es handelt sich zunächst um die nach §§ 195 Abs. 3, 284 Abs. 3 HGB. bar zu zahlenden 25%. Und zwar kommen insoweit nur Sch. und P. in Betracht, da die Vorinstanzen über das Viertel des Nennbetrags gegenüber Z. noch nicht erkannt haben. Sch. und P. machen unter Hinweis auf das Zeugnis der Buchhalterin W. geltend, sie seien im Januar 1912 im Kassenlokal der Aktiengesellschaft erschienen und hätten das Geld bei sich gehabt. Da sie aber gleichzeitig ebenso hohe Summen von der Gesellschaft zu fordern hatten und die Buchhalterin Anweisung zur Zahlung gehabt habe, hätten sie das Geld nicht in die Kasse gelegt, vielmehr gegen Empfang von Quittungen über die Einlagen auch ihrerseits Quittungen über die Gesellschaftsschulden erteilt; im Kassabuch der Gesellschaft seien die Zeichnungsbeträge als gezahlt gebucht worden.
Mit Recht sind die Vorinstanzen der Ansicht, daß dies eine Aufrechnung oder Verrechnung, nicht aber eine Barzahlung war, wie das Gesetz sie verlangt. Vergebens beruft sich die Revision auf die Entscheidung des erkennenden Senats RGZ. Bd. 85 S. 354, wo gesagt ist, daß die gegenseitige Verrechnung, wenn sie ausschließlich die Wirkung habe, ein zweckloses Hin- und Herschieben von Geldstücken zu ersparen, der Barzahlung der Einlage gleichstehe. Jener Satz bezieht sich auf das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 GmbHG., das er in gewisser Hinsicht einschränkt, ohne jedoch in Frage zu stellen, daß die Aufrechnung, auch wo sie in ihrer Wirkung der Barzahlung gleichsteht und deshalb gestattet ist, rechtlich doch immer Aufrechnung bleibt. Es kann daraus nichts gefolgert werden für die Auslegung des § 195 Abs. 3 HGB., der positiv Barzahlung vorschreibt. Was das Gesetz unter Barzahlung versteht, läßt es nicht im unklaren, indem es bestimmt: "als Barzahlung gilt nur die Zahlung in deutschem Gelde, in Reichskassenscheinen sowie in gesetzlich zugelassenen Noten deutscher Banken", und indem es hinzufügt, daß der bar eingezahlte Betrag "im Besitze des Vorstandes" sein muß. Davon war im vorliegenden Falle keine Rede. Geldstücke haben Sch. und P. nicht in die Kasse gelegt.
Anlangend die restlichen 75% der Zeichnungsbeträge, so erklärt zwar § 221 Satz 2 HGB. ausdrücklich nur die einseitige Aufrechnung des Zeichners für unwirksam. Doch ist nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts auch eine Aufrechnung seitens der Gesellschaft ausgeschlossen, falls die Gegenforderung des Zeichners der Einlageforderung nicht gleichwertig ist, denn dann würde die Aufrechnung eine durch § 221 Satz 1 verbotene teilweise Befreiung des Zeichners von seiner Leistung enthalten. Das Berufungsgericht, das dieser Rechtsprechung folgt, hat das Erfordernis der Vollwertigkeit der Gegenforderungen bedenkenfrei verneint. Nach seinen Ausführungen ist die Aktiengesellschaft zur Zeit der Kapitalerhöhung überschuldet gewesen und bis zur Konkurseröffnung aus der Überschuldung nicht hinausgekommen. Es ist verfehlt, wenn Z. und P. einwenden, es habe festgestellt werden müssen, in welchem Maße dies der Fall war, weil, wenn die Aktiven z. B. 90% der Passiven ausgemacht hätten, die Aufrechnung in Höhe von [9/10] gültig gewesen sei. Eine solche Feststellung wäre praktisch kaum möglich, da es sich um Schätzungen handelt, die der Natur der Sache nach nur annähernde Richtigkeit beanspruchen können. Die Ansicht entspricht aber auch nicht dem Gesetze, vielmehr ist danach die Aufrechnung, sofern die Vollwertigkeit der Gegenforderung nicht außer jedem Zweifel steht, schlechthin für unzulässig zu erachten.
Z. hat noch besonders geltend gemacht, daß er für seine Forderung Sicherheiten erhalten habe. Indes nach Annahme des Berufungsgerichts ist die Forderung hierdurch doch nie vollständig gedeckt gewesen. Es hätten verwickelte Hin- und Herrechnungen zwischen Z. und der Gesellschaft stattgefunden. ... Schließlich am 28. September 1912 habe sie seine Forderung auf 43340,72 M angegeben und von dieser Summe die 15750 M Einlage abgesetzt. Daß er damals Sicherheiten in Höhe von 43 340,72 M in der Hand gehabt hätte, behaupte er selbst nicht.
Die Revision verweist demgegenüber auf den Kontoauszug, wonach Z. anfangs Januar 1912 nur 30003,91 M zu fordern hatte. Diese Forderung sei durch eine Hypothek und die seit dem 29. Januar 1912 an deren Stelle getretenen Sicherheiten durchaus gedeckt gewesen. Auch der Kläger trage in der Klageschrift vor, daß Ende Januar eine Verrechnung mit der Einlage stattgefunden habe. Allein in der Klageschrift heißt es nur, schon bei Zeichnung der Aktien habe Z. mit dem Vorstande vereinbart, daß die Einzahlung durch Verrechnung gegen seine Warenforderung aus dem Jahre 1911 erledigt werden sollte; demgemäß sei er gegen den ihm am 1. Januar 1912 zustehenden Saldo von 30003,91 M am 26. desselben Monats mit 15750 M belastet worden. Hieraus ergibt sich nichts zu Z.s Gunsten. Die bei der Zeichnung vereinbarte Verrechnung war unwirksam mangels Aufnahme in den Kapitalerhöhungsbeschluß (vgl. § 279 HGB.); was aber die spätere Verrechnung betrifft, so verkennt die Revision den Zeitpunkt ihrer Vornahme. Da Z. mit der Gesellschaft in Kontokurrent stand, erfolgte die Aufrechnung nach § 355 HGB. nicht schon am 26. Januar 1912, als ihm die 15750 M zur Last geschrieben wurden, sondern erst durch Übersendung und Anerkennung des nächsten Rechnungsabschlusses, also Ende September 1912. Damals aber war seine Forderung durch die Sicherheiten unstreitig nicht mehr voll gedeckt.
2.
Mit der Anschlußrevision rügt der Kläger zunächst, daß die Verurteilung an die Bedingung der Hergabe von Aktienurkunden geknüpft worden ist. In der Tat ist dies rechtsirrtümlich. Die Erwägung des Berufungsgerichts, auch wenn die Gesellschaft in Konkurs geraten sei, hätten die Aktien noch Wert und Bedeutung, trifft nicht den entscheidenden Punkt. Sind allerdings Aktienurkunden in der Konkursmasse vorhanden, so kann sie der Zeichner, da er kraft seiner Eigenschaft als Aktionär Eigentümer der Urkunden ist und die Masse sie für ihn aufbewahrt, nach § 43 KO. aussondern. Er hat auf die vorhandenen Papiere einen fälligen Anspruch (Aussonderungsanspruch) gegen den Konkursverwalter, der auf demselben Verhältnis wie seine Einzahlungspflicht beruht und folglich nach §§ 273, 274 BGB. zur Begründung des Zurückbehaltungsrechts benutzt werden kann. Anders aber, wenn Aktienurkunden vor der Konkurseröffnung noch gar nicht ausgefertigt wurden. Nach § 69 KO. ist der Zeichner als Konkursgläubiger zur Geltendmachung von Verschaffungsansprüchen außerstande; er kann daher auch nicht fordern, daß der Konkursverwalter Aktien ausfertigt und ihm übereignet. Da ein Gegenanspruch nicht gegeben ist, fällt das Zurückbehaltungsrecht. Staub, HGB. 218 Anm. 15, übersieht diesen Unterschied und schießt deshalb über das Ziel hinaus. Daß aber im vorliegenden Falle vor dem Konkurse der Gesellschaft noch keine Ausfertigung von Aktien stattgefunden hat, darüber herrschte in den Vorinstanzen Einverständnis. Die gegenteilige Behauptung, die die Vertreter der Beklagten in der Revisionsverhandlung aufgestellt haben, ist neu, mithin unbeachtlich. ...
Waren die Beklagten hiernach zur Rückbehaltung wegen der Aktienurkunden nicht befugt, so entfällt auch der Grund, der das Berufungsgericht verhindert hat, Zinsen von der Klagerhebung an zuzubilligen (§ 291 BGB.). Mit einem früheren Zeitpunkte freilich, wie es der Kläger will, -- mit dem Tage der Aktienzeichnung oder doch mit dem der Konkurseröffnung -- begannen die Zinsen noch nicht zu laufen. Nach § 218 Abs. 1, 3 HGB. hätte es dazu der gehörigen Einforderung der Einlagen bedurft, während nach Feststellung des Berufungsgerichts erst der Konkursverwalter die Beklagten zur Einzahlung aufgefordert hat." ...