RG, 30.11.1883 - II 275/83

Daten
Fall: 
Einlegung selbstständiger Rechtsmittel des Nebenintervenienten
Fundstellen: 
RGZ 10, 397
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.11.1883
Aktenzeichen: 
II 275/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Aachen
  • OLG Köln

1. Ist der Nebenintervenient befugt, selbständig Rechtsmittel einzulegen?
2. Kann der Weg der Nebenintervention gewählt werden, in Fällen wo Hauptintervention statthaft war?
3. Sinn der Bestimmung in §. 64 C.P.O., daß der Nebenintervenient sich nicht mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch setzen dürfe.

Tatbestand

H. hatte dem Vereine A. Wertpapiere zur Sicherung eines Darlehns in Faustpfand gegeben. Er verkaufte (angeblich) diese Wertpapiere an B., und geriet bald darauf in Konkurs. B. erhob unter dem Erbieten, die Pfandschuld zu zahlen, Klage auf Herausgabe der Wertpapiere gegen den Verein N., welcher dem Syndik der Fallitmasse H., da dieser fragliche Papiere für die Fallitmasse in Anspruch nahm, den Streit verkündete. Der Syndik intervenierte und beantragte, die Klage abzuweisen, während der Verein A. sich darauf beschränkte, seine Bereitwilligkeit zur Herausgabe der Wertpapiere gegen Zahlung der Pfandschuld zu erklären.

Das Landgericht wies nach Erhebung von Beweisen die Klage ab.

Auf Berufung von B. erkannte das Oberlandesgericht, daß die in Frage stehende Intervention weder als Hauptintervention noch als Nebenintervention zu betrachten, vielmehr ein bedeutungsloser Prozedurakt und das ganze auf dieselbe gegründete Verfahren nach §. 501 C.P.O. aufzuheben sei. Diese Entscheidung wurde aufgehoben aus folgenden Gründen:

Gründe

"Was zunächst die Stellung des Syndiks der Fallitmasse H. im Rechtsstreite anbelangt, so kann nach seinen Anträgen und Erklärungen kein Zweifel obwalten, daß er als Nebenintervenient zu betrachten ist. Ebenso erscheint zweifellos, daß derselbe in dieser Eigenschaft befugt war, das Rechtsmittel der Revision selbständig einzulegen. Es ergiebt sich dies klar aus dem Texte des Gesetzes (§. 63 Abs. 2 §. 64 C.P.O.), sowie aus der Entstehungsgeschichte desselben, ist auch von den Revisionsbeklagten nicht bestritten. Insbesondere ist die Ansicht, daß ein Verzicht der Hauptpartei auf das Rechtsmittel anzunehmen sei, wenn dieselbe die Notfrist unbenutzt verstreichen lasse, als unrichtig zu bezeichnen.1

Bei Prüfung der angefochtenen Entscheidung ergiebt sich nun, daß dieselbe in mehrfacher Beziehung auf Verletzung revisibler Rechtsnormen beruht. Zunächst erscheint es irrig, wenn das Oberlandesgericht davon ausgeht, der Syndik der besagten Fallitmasse habe nicht den Weg der Nebenintervention wählen dürfen, vielmehr als Hauptintervenient auftreten müssen. Ohne Zweifel war in vorliegendem Falle eine Hauptintervention im Sinne von §. 61 C.P.O. statthaft, allein hieraus folgt nicht, daß nicht auch der Weg der Nebenintervention gewählt werden konnte, falls dieser geeignet erschien, zum Ziele zu führen. Das Gesetz bestimmt nirgends, daß in Fällen, die sich zur Hauptintervention eignen, die Nebenintervention nicht gestattet sein solle; es erscheint dies auch keineswegs selbstverständlich, vielmehr entspricht es den allgemeinen Prinzipien, daß in Fällen, wo das Gesetz verschiedene Rechtswege eröffnet, jedem freisteht, denjenigen Weg zu wählen, der seinen Zwecken am besten zu dienen scheint. Allerdings konnte, wie das Oberlandesgericht mit Recht annimmt, die Nebenintervention nicht zur Entscheidung führen, daß dem Nebenintervenienten das Eigentum und das Rückforderungsrecht an fraglichen Wertpapieren zustehe, sondern nur zur Entscheidung, daß der Anspruch der Kläger unbegründet sei; allein, wenn der Syndik der Ansicht war, daß letztere Entscheidung genüge, das Interesse der Fallitmasse zu wahren, so ist nicht erfindlich, warum ihm verwehrt sein sollte, sie herbeizuführen.

Irrig ist es ferner, wenn das Oberlandesgericht annimmt, der Nebenintervenient habe sich durch seinen Antrag, die Klage abzuweisen, mit den Anträgen und Erklärungen der von ihm verbeistandeten Hauptpartei (des Beklagten) in Widerspruch gesetzt (§. 64 C.P.O.).

Der beklagte Verein hat bei der Verhandlung erster Instanz zwar seine Schuld anerkannt, nicht aber die Aktivlegitimation der Kläger. Er erklärte nur allgemein, daß er nach Tilgung der Forderung, für welche ihm die in Frage stehenden Wertpapiere in Faustpfand gegeben waren, bereit sei, diese Papiere auszuliefern, nicht aber, daß er bereit sei, sie an die Kläger auszuliefern, und seine bezügliche Erklärung kann, wie aus seinen übrigen Erklärungen hervorgeht, auch vom ersten Richter mit Recht angenommen und von den Klägern selbst in der Berufungsinstanz anerkannt wurde, nur dahin verstanden werden, daß er bereit sei, an wen Rechtens auszuliefern, d. h. an denjenigen der beiden in Frage stehenden Prätendenten, welcher vom Richter als legitimiert erachtet werden würde.

Hiernach lag kein Anerkenntnis des klägerischen Anspruches vor, welches allerdings der Nebenintervention den Boden entzogen haben würde, sondern ein Bestreiten desselben, infolgedessen der Richter die Frage der Aktivlegitimation der Kläger zu prüfen und, falls er sie verneinte, die Klage abzuweisen hatte.

Es erhellt hieraus, daß sich der Syndik der Fallitmasse als Nebenintervenient keineswegs mit dem Beklagten in Widerspruch setzte, wenn er beantragte, die Klage wegen Mangels der Aktivlegitimation abzuweisen, und dasjenige geltend machte, was geeignet war, diesen Antrag zu begründen. Er that hiermit offenbar nur, was der Beklagte von ihm erwartete, als er ihm den Streit verkündete; denn der Beklagte hatte bei dem Streite über die Aktivlegitimation kein anderes Interesse, als das, an den wirklich Berechtigten zu leisten. Diesem Interesse aber entsprach es, die Austragung dieses Streites dem Vertreter der Fallitmasse, als dem Prätendenten, zu überlassen und sich dabei passiv zu verhalten. Daß es statthaft sei, dem Nebenintervenienten die Durchführung eines Nebenstreites in dieser Weise zu überlassen, ergiebt sich aus den Bestimmungen des §. 64 C.P.O. von selbst, wurde übrigens auch bei den Verhandlungen der Reichstagskommission ausdrücklich anerkannt.

Schließlich ist noch zu bemerken, daß der Antrag des Nebenintervenienten, die Klage abzuweisen, gar nicht nötig war, es vielmehr genügte, wenn der Nebenintervenient dasjenige, was zur Bestreitung der Aktivlegitimation dienlich erschien, vorbrachte und an Stelle des Beklagten geltend machte."

  • 1. Vgl. Seuffert, Kommentar zur C.P.O. §. 64 Ziff. 2. D. E.