BGH, 29.02.1996 - IX ZR 153/95
1. Eine formbedürftige Bürgschaft kann nicht in der Weise wirksam erteilt werden, daß der Bürge eine Blankounterschrift leistet und einen anderen mündlich ermächtigt, die Urkunde zu ergänzen.
2. Wer nicht Kaufmann ist, kann einen anderen zur Erteilung einer Bürgschaft wirksam nur schriftlich bevollmächtigen.
3. Gibt der Bürge eine Blankounterschrift ohne formgerechte Vollmacht oder Ermächtigung aus der Hand, haftet er gegenüber dem Gläubiger, der eine vollständige Urkunde erhält und ihr nicht ansehen kann, daß sie durch einen anderen ergänzt wurde.
4. Die Änderung einer lange geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung wirkt grundsätzlich auf den Vertragsschluß zurück, soweit dem die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegenstehen.
5. Eine über § 242 BGB hinausgehende Einschränkung der Rückwirkung höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt voraus, daß die von der Rückwirkung betroffene Partei auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Auffassung wegen ihrer Rechtsfolgen im Streitfall oder der Wirkung auf andere vergleichbar gelagerte Rechtsbeziehungen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozeßgegners eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Tatbestand
Der Erstbeklagte (nachfolgend: Beklagter) sowie zwei weitere Personen waren Gesellschafter und Geschäftsführer der a. Autovermietung GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main.
Diese verhandelten Anfang Januar 1992 mit der Klägerin über einen Kontokorrentkredit, welcher der Dresdner Filiale der a. zugute kommen sollte. Die Klägerin machte die Vergabe davon abhängig, daß jeder Geschäftsführer eine Bürgschaft übernahm, und übergab den Verhandlungsführern ein für die Erklärung des Beklagten vorgesehenes Blankoformular einer Bürgschaft ohne zeitliche und betragsmäßige Beschränkung.
Der Beklagte unterzeichnete die Urkunde. Später wurde an der Stelle, die für die Bezeichnung des Bürgen in dem Formular vorgesehen war, sein Name mit Wohnungsanschrift vermerkt; außerdem wurden Ort und Datum der Erklärung eingetragen. Neben der Unterschrift des Beklagten befindet sich der Stempel der a. Autovermietung. Der Beklagte behauptet, er selbst habe ihn dorthin gesetzt, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß nicht er persönlich, sondern die GmbH die Bürgschaft für die Filiale in Dresden übernehme. So erhielt die Klägerin die Urkunde zurück. Sie ergänzte das Formular um die noch fehlenden Angaben des Gläubigers und des Hauptschuldners.
Im Jahre 1993 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin hat den Beklagten als Gesamtschuldner mit den anderen Geschäftsführern in Höhe des Kreditsaldos von 142.271,77 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Dieser erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; denn die Klage ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht ist in Würdigung aller von den Parteien vorgetragenen Umstände sowie aufgrund der erhobenen Beweise zu der Überzeugung gelangt, bei der Erklärung des Beklagten habe es sich trotz des danebenstehenden Firmenstempels aus der Sicht des Empfängers um eine persönliche Bürgschaft gehandelt. Diese grundsätzlich dem Tatrichter obliegende Auslegung ist möglich und läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht hat beachtet, daß auf das Unternehmen hinweisende Zusätze im Zusammenhang mit der Unterschrift im Zweifel darauf hindeuten, daß nur eine auf den Betriebsinhaber bezogene Verpflichtung übernommen wird (vgl. BGHZ 64, 11, 14 f; BGH, Urt. v. 15. Januar 1990 - II ZR 311/88, NJW 1990, 2678; v. 24. Juni 1991 - II ZR 293/90, NJW 1991, 2627). Letztlich ist es jedoch immer eine Frage des Einzelfalls, ob der Erklärende als Vertreter gehandelt hat oder eine eigene Verpflichtung eingegangen ist (vgl. BGH, Urt. v. 13. Oktober 1994 - IX ZR 25/94, WM 1994, 2233, 2234; v. 6. April 1995 - III ZR 52/94, NJW-RR 1995, 991). Wenn das Berufungsgericht im Streitfall letzteres bejaht, weil der Beklagte von den anderen Geschäftsführern über die Notwendigkeit einer persönlichen Bürgschaft aufgeklärt worden und bereits im Kopf des Formulars als Bürge bezeichnet war, als die Klägerin die Urkunde zurückerhielt, so ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II.
Die Bürgschaft bedurfte der Form des § 766 Satz 1 BGB; denn sie war für den Beklagten trotz seiner Eigenschaft als GmbH-Geschäftsführer kein Handelsgeschäft (vgl. BGHZ 121, 224, 228). Das Berufungsgericht meint, die Bürgschaft genüge der Schriftform, wenn der Bürge die Unterschrift leiste und die Urkunde anschließend mit seinem Willen von einem hierzu mündlich ermächtigten Dritten durch Einfügen der gemäß § 766 Satz 1 BGB erforderlichen Angaben ergänzt werde. Diese Ansicht entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. RGZ 57, 66, 69; 76, 99, 100; 78, 26, 29; RG JW 1927, 1363; BGH, Urt. v. 16. April 1962 - VII ZR 194/60, WM 1962, 575; v. 2. Mai 1962 - VIII ZR 244/61, WM 1962, 720; v. 18. März 1968 - VIII ZR 198/66, NJW 1968, 1131; v. 12. Januar 1984 - IX ZR 83/82, NJW 1984, 798; v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448, 1449). Danach gilt die Bürgschaft als formgerecht erteilt, sobald der Gläubiger im Besitz einer Urkunde ist, die alle nach dem Gesetz erforderlichen Angaben enthält. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Eine Blankounterschrift wird nicht durch eine aufgrund mündlicher Ermächtigung vorgenommene Ergänzung der Urkunde zu einer nach § 766 Satz 1 BGB formwirksamen Bürgschaft.
1. Die Bestimmung des § 766 BGB dient ausschließlich dem Schutzbedürfnis des Bürgen. Dieser soll damit zu größerer Vorsicht angehalten und vor nicht ausreichend überlegten Erklärungen gesichert werden (BGHZ 121, 224, 229; BGH, Urt. v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, ZIP 1995, 812, 813). Weil die Vorschrift den Bürgen vor der mit seiner Erklärung verbundenen Haftung warnen soll, ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürgten Forderung enthält (BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 29/92, NJW 1993, 724, 725; v. 30. März 1995 aaO.). Der Warnfunktion wird demnach nicht schon dadurch genügt, daß der Bürge überhaupt ein Schriftstück unterzeichnet, aus dem sich sein Verbürgungswille ergibt. Die Urkunde soll vielmehr zugleich das übernommene Risiko eingrenzen und es damit dem Bürgen bei Abgabe seiner Erklärung vor Augen führen (BGH, Urt. v. 2. Februar 1989 - IX ZR 99/88, NJW 1989, 1484 [BGH 02.02.1989 - IX ZR 99/88]).
2. Schreibt das Gesetz für eine Erklärung die Schriftform vor, verlangt § 126 Satz 1 BGB lediglich, daß die Urkunde von dem Aussteller durch Namensunterschrift eigenhändig unterzeichnet ist. Danach braucht der Text nicht fertiggestellt zu sein, wenn die Unterschrift geleistet wird. Der Erklärende kann das Papier auch blanko zeichnen, die Schriftform ist in diesem Falle mit Vervollständigung der Urkunde gewahrt (RGZ 63, 230, 234; BGHZ 22, 128, 132). Auf diese Erwägung stützt sich die bisherige Rechtsprechung. Sie vermag jedoch nicht zu überzeugen, weil dabei Sinn und Zweck der Formenstrenge im Bürgschaftsrecht nicht hinreichend beachtet wird.
a) Der Bestimmung des § 766 BGB läßt sich allerdings nicht entnehmen, daß die Bürgschaft mit den zwingend gebotenen Angaben zur Person des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie zum Inhalt der Verbindlichkeit eigenhändig geleistet werden muß. Auch dann, wenn das Gesetz für eine Willenserklärung die Schriftform vorschreibt, kann sich die Partei eines Vertreters bedienen (§ 167 Abs. 2 BGB) oder die Unterschrift blanko erteilen und einen anderen ermächtigen, die Urkunde in dem erforderlichen Umfang zu ergänzen (zur rechtsdogmatischen Einordnung dieser Befugnis vgl. RGZ 105, 183, 185; MünchKomm-BGB/Pecher, 2. Aufl. § 766 Rdnr. 13; Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht S. 55 f). Dafür, daß diese Möglichkeit bei Bürgschaften generell ausgeschlossen sein soll, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt. Der bisherigen Rechtsprechung, daß sich der Bürge für die Abgabe seiner Erklärung eines Vertreters bedienen darf (BGH, Urt. v. 16. April 1962 - VII ZR 194/60, WM 1962, 575, 576; v. 2. Mai 1962 - VIII ZR 244/61, WM 1962, 720) oder den Gläubiger gemäß § 181 BGB ermächtigen kann, die noch fehlenden Teile der Erklärung zu ergänzen (BGH, Urt. v. 18. März 1968 - VIII ZR 198/66, NJW 1968, 1131; v. 12. Januar 1984 - IX ZR 83/82, NJW 1984, 798), ist daher mit der einhelligen Meinung im Schrifttum (MünchKomm-BGB/Pecher, aaO. § 766 Rdnr. 10 ff; Palandt/Thomas, BGB 55. Aufl. § 766 Rdnr. 2; Staudinger/Horn, BGB 12. Aufl. § 765 Rdnr. 14, § 766 Rdnr. 20 ff; Reinicke/Tiedtke JZ 1984, 550, 551) im Ansatz zu folgen.
b) § 766 BGB stellt dadurch, daß die oben zu 1. genannten inhaltlichen Merkmale des Vertrages dem Bürgen schon vor der Unterschriftsleistung "schwarz auf weiß" bewußt gemacht werden sollen, besondere Anforderungen an die Schriftform, die allein dem Ziel dienen, den Bürgen vor einer übereilten Übernahme der Verpflichtung zu schützen. Wird ein Formular unterzeichnet, dessen Inhalt zwar eindeutig ergibt, daß es eine Bürgschaft betrifft, das aber den Gläubiger, den Hauptschuldner oder die zu sichernde Verbindlichkeit nicht benennt, so sind für denjenigen, der die Unterschrift leistet, die seine Haftung begründen soll, Gegenstand und Umfang seines Risikos in der Regel nicht in dem gesetzlich für notwendig erachteten Maße gekennzeichnet.
c) § 167 Abs. 2 BGB, wonach die Erklärung nicht der Form bedarf, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht, wird von der Rechtsprechung schon im Rahmen von Geschäften, die nach § 313 BGB beurkundungsbedürftig sind, einschränkend ausgelegt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muß eine entsprechende Vollmacht trotz der Vorschrift des § 167 Abs. 2 BGB notariell beurkundet sein, wenn die erteilte Rechtsmacht unwiderruflich sein soll (BGH, Urt. v. 11. Juli 1952 - V ZR 80/52, NJW 1952, 1210, 1211; v. 22. April 1966 - V ZR 164/63, WM 1966, 761; v. 23. Februar 1979 - V ZR 171/77, NJW 1979, 2306). Kann die Vollmacht zwar widerrufen werden, tritt aber nach der Vorstellung des Vollmachtgebers schon eine tatsächliche Bindungswirkung ein, weil das Rechtsgeschäft ausschließlich den Interessen des Bevollmächtigten dient und ihm die Möglichkeit eröffnet, unverzüglich die erteilte Vollmacht zu seinen Gunsten zu verwerten, bejaht die höchstrichterliche Rechtsprechung die Formbedürftigkeit ebenfalls (BGH, Urt. v. 21. Mai 1965 - V ZR 156/64, WM 1965, 1006, 1007; v. 23. Februar 1979, aaO. S. 2306 f).
Im Gegensatz zu § 313 Satz 1 BGB, der sowohl dem Grundeigentümer Schutz vor unüberlegten Veräußerungen als auch dem Käufer sachkundige Beratung durch die Urkundsperson gewährleisten und darüber hinaus allgemein für Klarheit und Sicherheit im Rechtsverkehr sorgen soll, dient § 766 Satz 1 BGB ausschließlich dem Schutz des Bürgen, dessen Verpflichtung in aller Regel nur anderen, dem Gläubiger und dem Hauptschuldner, zugute kommt. Zwischen dem Bürgen und dem Bevollmächtigten besteht daher gewöhnlich eine Interessenverteilung, die im Rahmen von Grundstücksgeschäften, die nach § 313 BGB beurkundungsbedürftig sind, eine formgerechte Vollmacht erfordert.
Bei formbedürftigen Bürgschaften ist es daher generell gerechtfertigt, die Vollmacht zur Abgabe der entsprechenden Willenserklärung oder die Befugnis zur Ergänzung des Blanketts der Schriftform zu unterwerfen. Der Zweck der Schutzvorschrift des § 766 BGB, dem Bürgen Inhalt und Umfang seiner Haftung deutlich vor Augen zu führen, würde ausgehöhlt, wenn man es ausreichen ließe, daß der Bürge die Unterschrift auf ein Papier setzt, welches nicht sämtliche notwendigen Erklärungsbestandteile enthält, und einen Dritten - insbesondere Hauptschuldner oder Gläubiger - mündlich ermächtigt, die fehlenden Angaben nachzuholen. Läßt man eine solche Regelung zu, kann die gesetzliche Formvorschrift ihre Warnaufgabe dem Bürgen gegenüber nicht erfüllen. Im Schrifttum wird daher in zunehmendem Umfang mit Recht gefordert, daß die Vollmacht zur Erteilung einer Bürgschaft schriftlich erklärt werden muß (Flume, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. Band II § 52, 2 S. 865; Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts 7. Aufl. § 31 II S. 621; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft S. 290 f; MünchKomm-BGB/Pecher, aaO. § 766 Rdnr. 12; Staudinger/Horn, aaO. § 766 Rdnr. 20). Dies gilt erst recht, soweit der Bürge einen anderen - insbesondere den Gläubiger unter Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB - zur Vervollständigung der Urkunde ermächtigt.
d) Läßt man eine Blankounterschrift verbunden mit einer mündlichen Ermächtigung genügen, hängt die Entscheidung über die Wirksamkeit der Bürgschaft so gut wie ausschließlich von Tatsachen ab, die aus der Urkunde nicht ersichtlich sind. Der von § 766 BGB bezweckte Schutz wird so nahezu aufgelöst. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn die Parteien auch darüber streiten, wer die Urkunde ergänzt und den auf die Haftung einer anderen Person hindeutenden Zusatz zur Unterschrift angebracht hat. Außerdem setzt die bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung den Bürgen in beträchtlichem Maße der Gefahr des Blankettmißbrauchs aus. Ist die Unterschrift echt, gilt nach § 440 Abs. 2 ZPO die Vermutung, daß der über ihr stehende Text dem Willen des Ausstellers der Urkunde entspricht. Daher muß er eine abredewidrige Ausfüllung beweisen (BGH, Urt. v. 17. April 1986 - III ZR 215/84, NJW 1986, 3086, 3087; v. 13. April 1988 - VIII ZR 274/87, NJW 1988, 2741 [BGH 13.04.1988 - VIII ZR 274/87]). Die Anforderungen, die § 766 Satz 1 BGB an die Form einer Bürgschaftserklärung stellt, sollen solche Risiken vermeiden.
3. Ein formenstrenges Verständnis des § 766 Satz 1 BGB entspricht auch der Auslegung vergleichbarer, dem Schutz des Schwächeren dienender Formvorschriften in Verbraucherschutzgesetzen. Nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG ist der Kreditvertrag schon dann grundsätzlich nichtig, wenn bei Kreditverträgen im allgemeinen eine der in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a bis f, und bei Kreditverträgen, die die Lieferung einer bestimmten Sache oder die Erbringung einer bestimmten Leistung zum Gegenstand haben, eine der in Nr. 2 Buchst. a bis e vorgesehenen Angaben fehlt. Diese Rechtsfolge ist zur Sicherung der zutreffenden Information über die wesentlichen Kreditkonditionen und zur Warnung des Verbrauchers vor unüberlegtem finanziellem Engagement angeordnet (vgl. BT-Drucks. 11/5462 S. 19). Aus diesem Zweck der Norm wird in der Literatur - soweit ersichtlich, einhellig - abgeleitet, eine Blankounterschrift genüge dem Schriftformerfordernis nicht (Erman/Klingsporn/Rebmann, BGB 9. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdnr. 2; MünchKomm-BGB/Ulmer, 3. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdnr. 11; Palandt/Heinrichs, aaO. § 126 Rdnr. 6; Bülow, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdnr. 26 a; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze § 4 VerbrKrG Rdnr. 1; von Westphalen/Emmerich/Kessler, VerbrKrG § 4 Rdnr. 20). Bereits zur Vorschrift des § 1 a AbzG wurde die entsprechende Auffassung vertreten (OLG Frankfurt WM 1984, 771; Palandt/Putzo, BGB 50. Aufl. § 1 a AbzG Rdnr. 6). Daß § 4 VerbrKrG weitaus höhere inhaltliche Anforderungen an die Erklärung stellt als § 766 BGB, rechtfertigt in dieser Hinsicht keinen Unterschied; denn die Blankourkunde ist nicht wegen der Zahl der zu beachtenden Punkte ungeeignet, der Schriftform zu genügen, sondern allein deshalb, weil damit der vom Gesetzgeber beabsichtigte Zweck verfehlt würde, den im Gesetz bezeichneten Personenkreis davor zu schützen, sich unüberlegt oder ohne ausreichende Information über Inhalt und Wirkung seiner Willenserklärung zu verpflichten. Eine vergleichbare Warnung beabsichtigt § 766 BGB für Bürgschaften von Personen, die keine Kaufleute sind, ganz allgemein.
4. Der Senat hat es nach § 766 BGB nicht für ausreichend erachtet, daß der Bürge dem Gläubiger seine Erklärung durch Telefax übermittelt (BGHZ 121, 224). In der Begründung dieser Entscheidung wird wesentlich darauf abgestellt, daß der Zweck der Vorschrift, den Bürgen zu größerer Vorsicht anzuhalten und ihn vor nicht ausreichend überlegten Erklärungen zu sichern, eine formenstrenge Auslegung erfordert (aaO. S. 229 f). Es läge ein deutlicher Wertungswiderspruch darin, das Telefax, welches alle erforderlichen Angaben enthält und mit Willen des Bürgen dem Gläubiger zugeht, für unwirksam zu halten, dagegen das bloße Blankett, verbunden mit einer mündlichen Ermächtigung, als ausreichend anzusehen.
5. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muß in entsprechender Anwendung des § 172 Abs. 2 BGB derjenige, der ein Blankett mit seiner Unterschrift aus der Hand gibt, den durch dessen Ausfüllung geschaffenen Inhalt einem gutgläubigen Dritten gegenüber als seine Erklärung gegen sich gelten lassen, unabhängig davon, ob der vervollständigte Text seinem Willen entspricht oder nicht (BGHZ 40, 65; 113, 48, 53) [BGH 20.11.1990 - XI ZR 107/89]. Diese Rechtsfolge trifft zu Recht auch einen Bürgen, der die Blanketturkunde einem andern ohne formgerechte Ermächtigung überläßt. Zwar entsteht in diesem Falle dadurch, daß die Urkunde ergänzt wird, keine formgerechte Verpflichtung; jedoch hat der Bürge durch sein Verhalten zurechenbar einen Rechtsschein gesetzt, auf den sich der redliche Geschäftspartner verlassen und kraft dessen er den Unterzeichnenden in Anspruch nehmen kann. Schutzbedürftig ist indessen nur derjenige, der eine vollständige Urkunde erhält und annehmen darf, die Erklärung stamme vom Bürgen selbst, der Urkunde also die Ergänzung durch den nicht wirksam ermächtigten Dritten nicht ansehen kann (vgl. BGHZ 40, 65, 68). Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin nicht; denn sie hat selbst die Urkunde in wesentlichen Punkten ergänzt, ohne dazu schriftlich ermächtigt worden zu sein.
6. Da im Streitfall nur eine mündliche Ermächtigung gegeben wurde, wird die Frage nicht entscheidungserheblich, welche inhaltlichen Anforderungen für die gebotene Schriftform gelten. Grundsätzlich sind diese an § 766 Satz 1 BGB auszurichten. Anzugeben sind daher die Personen des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie die gesicherte Forderung, soweit diese Merkmale aus der Bürgschaftsurkunde noch nicht ersichtlich sind. Hinsichtlich der Bezeichnung des Gläubigers ist die Beschränkung auf allgemeine Angaben, wie sie das Senatsurteil vom 14. November 1991 (IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448, 1449) zur Erleichterung des Rechtsverkehrs für ausreichend erachtet hat, auch in einer Ermächtigung nicht zu beanstanden.
III.
Da die Bürgschaft der Form des § 766 Satz 1 BGB nicht genügt, ist der Vertrag nichtig (§ 125 Satz 1 BGB).
1. Der Beklagte verstößt nicht dadurch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), daß er sich auf die Formunwirksamkeit beruft.
a) Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden (BGHZ 26, 142, 151; 121, 224, 233). Treuwidrig kann allerdings das Verhalten einer Partei sein, die über längere Zeit aus einem wichtigen Vertrag Vorteile gezogen hat und sich nunmehr ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen will. Bei einem Bürgen kommt dies insbesondere in Betracht, wenn er als Gesellschafter der Hauptschuldnerin aus der Gewährung des Kredits jahrelang mittelbar Vorteile gezogen, durch sein Handeln ein berechtigtes Vertrauen des Gläubigers auf die Wirksamkeit des Vertrages begründet und jener im Hinblick darauf seine Leistungen erbracht hat (BGHZ 26, 142, 151 f; 121, 224, 233 f).
b) An solchen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall. Zwar ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß die Klägerin den Kredit nur ausbezahlt hat, weil sie annahm, auch der Beklagte habe ihr eine wirksame Bürgschaft erteilt. Dies allein begründet jedoch nicht den Einwand des treuwidrigen Verhaltens, weil ein Kreditinstitut, das vor Gewährung des Darlehens bestimmte Sicherheiten fordert, diese in der Regel für selbstverständlich rechtswirksam begeben hält. Erforderlich ist daher ein zusätzliches Verhalten, das den Gläubiger zu einem dem Bürgen wenigstens mittelbar günstigen Verhalten veranlaßt hat. Über den Umstand hinaus, daß die Klägerin die Unterschrift des Beklagten auf der Urkunde trotz des daneben stehenden Firmenstempels als Erklärung einer persönlichen Haftung ansehen durfte, sind dem Beklagten keine in dieser Hinsicht bedeutsamen Handlungen zuzurechnen. Zwar hat die Klägerin behauptet, der Beklagte habe bei Verhandlungen Ende des Jahres 1992 über eine Krediterhöhung für die Dresdener Filiale der Sachbearbeiterin der Klägerin gegenüber auf die gegebene Bürgschaft hingewiesen. Diese Verhandlungen blieben jedoch ohne Auswirkung; denn die Klägerin hat nicht behauptet, einen zusätzlichen Kredit gewährt oder den bestehenden Darlehensvertrag deshalb zugunsten der Hauptschuldnerin geändert zu haben.
Das Berufungsgericht hält es zudem für möglich, daß der Beklagte tatsächlich nur namens der GmbH eine Bürgschaft für einen zugunsten der Filiale bestehenden Kredit leisten wollte und irrig annahm, dies sei rechtlich möglich. Die entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht angegriffen. Auch deshalb steht die Rechtsverteidigung des Beklagten nicht in einem mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch zu seinem früheren Verhalten.
2. Die mit diesem Urteil vorgenommene Änderung einer jahrzehntelangen höchstrichterlichen Rechtsprechung hat nicht nur Bedeutung für die Zukunft; sie betrifft in gleicher Weise früher begründete, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen. Verfassungsrechtliche Gründe stehen dem nicht entgegen.
a) Höchstrichterliche Urteile sind Gesetzen nicht gleichzustellen und erzielen auch keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Durch das Abweichen von einer früher vertretenen Rechtsansicht verstößt der Richter grundsätzlich nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Er bedarf dazu insbesondere nicht des Nachweises, daß sich tatsächliche Verhältnisse oder allgemeine Anschauungen in einer bestimmten Hinsicht geändert haben (BVerfGE 84, 212, 227). Gerichtliche Entscheidungen, die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts betreffen, wirken als Akt wertender Erkenntnis schon ihrer Natur nach auf einen in der Vergangenheit liegenden, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein. Diese sogenannte unechte Rückwirkung ist, ebenso wie bei gesetzlichen Vorschriften, grundsätzlich rechtlich unbedenklich (BVerfGE 74, 129, 155 [BVerfG 14.01.1987 - 1 BvR 1052/79]; BGH, Urt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 69/95, z.V. in BGHZ best.). Die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Regeln über die Begrenzung rückwirkender Änderung von Gesetzen (vgl. dazu BVerfGE 63, 152, 175; 71, 255, 273; 88, 384, 406 f) können nicht ohne weiteres auf die höchstrichterliche Rechtsprechung übertragen werden; denn Gerichte sind in der Regel nicht an eine feststehende Rechtsprechung gebunden, die sich im Licht besserer Erkenntnis als nicht mehr haltbar erweist (BVerfGE 59, 128, 165). Daraus folgt, daß Beschränkungen unechter Rückwirkung bei gerichtlichen Entscheidungen seltener als bei Gesetzen geboten sind.
b) Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Hinsicht bisher keine allgemein gültigen Regeln aufgestellt (vgl. BVerfGE 84, 212, 227 f), sondern sich mit Entscheidungen im Einzelfall begnügt. Danach können sich Schranken der Rückwirkung aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit ergeben. Diese bedeutet für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz. Durfte die von der Rückwirkung betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, greift die Rückwirkung in rechtlich geschützte Positionen ein (BVerfGE 72, 175, 196 [BVerfG 13.05.1986 - 1 BvR 1542/84]; BGH, Urt. v. 18. Januar 1996, S. 10). Bei der danach zu treffenden Abwägung ist insbesondere zu beachten, daß die materielle Gerechtigkeit einen dem Grundsatz der Rechtssicherheit mindestens ebenbürtigen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips verkörpert (vgl. BVerfGE 7, 89, 92 [BVerfG 24.07.1957 - 1 BvL 23/52]; 194, 196; 22, 322, 329; 35, 41, 47; 74, 129, 152) [BVerfG 14.01.1987 - 1 BvR 1052/79].
c) Zudem gewährleistet im Privatrecht schon die Generalklausel des § 242 BGB, daß der Richter sich nie mit einer formalen Betrachtungsweise begnügen darf, wenn diese Treu und Glauben widerspricht. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das schutzwürdige Vertrauen einer Partei auf den Fortbestand eines Rechts angemessen zu berücksichtigen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zu diesem Zweck eine Reihe von Rechtsinstituten (z.B. unzulässige Rechtsausübung, Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage, Verwirkung) erarbeitet, die es im allgemeinen ermöglichen, die berechtigten Belange beider Parteien ausreichend zu berücksichtigen (vgl. auch Medicus NJW 1995, 2577, sowie ders. bei A. Weber WM 1996, 49, 51). Diese Regeln begründen ihrerseits einen gesetzesähnlichen Vertrauensschutz. Infolgedessen hat in privatrechtlichen Rechtsstreitigkeiten eine Prozeßpartei - in den Grenzen der gesetzlichen Verfahrensordnungen - grundsätzlich einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, daß der Richter die ihr nach materiellem Recht - unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben - zustehenden Ansprüche zuerkennt und in gleicher Weise zu Unrecht gegen sie erhobene Forderungen abweist. Einer Partei ist nur dann zuzumuten, ein ihr ungünstiges Urteil hinzunehmen, obwohl sie nach gegenwärtiger höchstrichterlicher Erkenntnis das Recht auf ihrer Seite hat, wenn die daraus für den Gegner erwachsenden Folgen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens auf die Fortdauer der bisherigen Rechtsprechung zu unbilligen, ihm nicht zumutbaren Härten führen würden.
Die unechte Rückwirkung infolge einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde daher im Bereich des Privatrechts aus guten Gründen bisher nur in solchen Fällen eingeschränkt, in denen es um den Fortbestand eines - häufig Versorgungscharakter tragenden - Dauerschuldverhältnisses ging und die Rückwirkung für den davon Betroffenen möglicherweise existenzbedrohende Auswirkungen hatte (vgl. BVerfGE 74, 129 [BVerfG 14.01.1987 - 1 BvR 1052/79]; BAGE 66, 228, 236 ff; BGHZ 65, 190, 194 f [BGH 23.10.1975 - II ZR 90/73]; 114, 127, 136 f). In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall erhielten die von der Beschränkung der Rückwirkung betroffenen Arbeitnehmer zudem durch eine verfassungskonforme Auslegung den Pensionssicherungs-Verein als Ersatzschuldner, so daß sie im Endergebnis das im Rechtsstreit erstrebte Ziel erreichten.
d) Ein mit jenen Fällen vergleichbarer Vertrauensschutz ist der Klägerin im Streitfall nicht zuzubilligen.
Im Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts waren die höchstrichterlichen Entscheidungen, die für das richtige Verständnis des § 766 Satz 1 BGB sowie der §§ 126, 167 BGB Bedeutung haben, längst ergangen (vgl. BGH, Urt. v. 21. Mai 1965 - V ZR 156/64, WM 1965, 1006, 1007; v. 23. Februar 1979 - V ZR 171/77, NJW 1979, 2306). Die Rechtsprechung hatte lediglich versäumt, die sich daraus bei Blankobürgschaften aufdrängenden Rechtsfolgen auszusprechen. Dagegen steht die weitgehend erst nach Abschluß des Rechtsgeschäfts einsetzende Änderung in der höchstrichterlichen Bewertung von Bürgschaften vermögensloser naher Angehöriger sowie der Zulässigkeit von Formularklauseln zum Umfang der Verpflichtung in keinerlei Beziehung zur Auslegung der hier einschlägigen Formvorschriften. Die Entscheidung des Senats ist von dem dort festzustellenden Beurteilungswandel nicht beeinflußt. Sie müßte in demselben Sinne ausfallen, wenn die in jenen Bereichen zu beobachtenden Änderungen nicht eingetreten wären.
Die mit der Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Klägerin verbundenen Rechtsfolgen sind denen nicht annähernd vergleichbar, die sich ergeben, wenn es um den Eingriff in Versorgungszusagen, Anstellungsverträge oder ähnliche Dauerschuldverhältnisse geht. Die Wirkung beschränkt sich im Streitfall auf eine von drei für denselben Darlehensvertrag geleisteten Bürgschaften. Die Entscheidung erzielt zudem keine "Breitenwirkung" bei der Klägerin; denn diese hat selbst vorgetragen, in ihrem Hause werde grundsätzlich nicht blanko unterschrieben. Damit hat sie zugleich eingeräumt, daß die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung sie bei der Hereinnahme von Bürgschaften in keiner Hinsicht zu einer Handhabung veranlaßt hat, die nach der nunmehr geltenden Auslegung den Bestand einer größeren Anzahl von Bürgschaften gefährdet. Schon im Hinblick darauf wäre es auch mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren, den Beklagten, der sich im Prozeß, vor allem in der Revisionsbegründung, mit dem rechtlich zutreffenden Einwand verteidigt hat, die Bürgschaft genüge der Formvorschrift des § 766 Satz 1 BGB nicht und sei deshalb unwirksam, zur Zahlung zu verurteilen.
Schließlich stand hier - weil sich neben der Unterschrift des Beklagten der Firmenstempel befindet - selbst auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung nicht von vornherein zweifelsfrei fest, daß die Blankounterschrift in Verbindung mit der mündlichen Ermächtigung den Anforderungen des § 766 BGB genügte und die Klägerin darauf vertrauen durfte, sie besitze eine wirksame Bürgschaft. Damit fehlt es an jedem einleuchtenden Grund dafür, daß die Klägerin aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwas zu ihren Gunsten herleiten kann.