danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

BGH, 29.05.1958 - III ZR 38/57

Daten
Fall: 
Staatsanwaltschaftliche Pressemitteilungen und Amtspflichten bei Haftbefehl
Fundstellen: 
BGHZ 27, 338; NJW 1959, 35; MDR 1958, 665; DB 1958, 868
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
29.05.1958
Aktenzeichen: 
III ZR 38/57
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Geiger, Pagendarm, Weber, Beyer, Hußla

1. Für die Entscheidung, ob eine von der Staatsanwaltschaft an die Presse erteilte Auskunft über den Stand eines Ermittlungsverfahrens zutrifft, kommt es nicht auf den reinen Wortlaut der Auskunft, sondern auf den Eindruck an, den eine solche zur Veröffentlichung in der Presse bestimmte Auskunft bei den Kreisen hervorruft, an die die Presse sich wendet.
2. Zur Frage, in welchem Umfange der Richter vor Erlaß eines Haftbefehls den Inhalt der Ermittlungsakten durcharbeiten muß, und zur Frage, wann bei der Stellung des Antrages auf Erlaß eines Haftbefehls, dem nicht stattgegeben wird, eine Amtspflichtverletzung der Beamten der Staatsanwaltschaft liegt.


hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 1958 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Prof. Dr. Geiger sowie der Bundesrichter Dr. Pagendarm, Dr. Weber, Dr. Beyer und Dr. Hußla

für Recht erkannt:

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 29. November 1956 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Leiter eines Pflegeheims für Dauerkranke. Er geriet in Verdacht, für den Selbstmord zweier Schwestern seiner Anstalt verantwortlich zu sein, die im Heim beschäftigten jugendlichen Pflegerinnen übermäßig beansprucht zu haben, über das Eigentum von Heiminsassen und deren Nachlaß unberechtigt verfügt sowie Arbeitern des Heims ihre Arheitsvergütung vorenthalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft Hanau (Main) leitete gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren ein. In diesem Verfahren erteilte der sachbearbeitende Staatsanwalt Dr. St. einem Pressevertreter auf Antrage eine Auskunft, auf Grund deren in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht wurde:

"Die Staatsanwaltschaft Hanau bestätigte am Montag auf Antrage, daß gegen den Leiter des Altersheims ..., G., ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. G. steht unter dem Verdacht, sich des Betrugs, der Unterschlagung und der Ausbeutung des Pflegepersonals schuldig gemacht zu haben. Gegen G. wird außerdem der Vorwurf erhoben, der Selbstmord zweier Schwestern des Pflegepersonals stehe mit schikanöser Behandlung im Zusammenhang."

Nachdem im Ermittlungsverfahren eine Anzahl Zeugen vernommen worden war, darunter auch einige jugendliche Zeuginnen, der Kläger aber mehrfach nach Vernehmung von Personal seiner Anstalt an dieses herangetreten war, ihm Erklärungen entlastenden Inhaltes abzugeben, und nachdem er deshalb von der Polizei verwarnt worden war und versprochen hatte, sich jeglicher Beeinflussungsversuche zu enthalten, ließ er eine der Hauptbelastungszeuginnen, die jugendliche Zeugin E., durch seinen Verteidiger, den Rechtsanwalt und Notar Dr. Ei. in H. zu Protokoll vernehmen. Polizei und Staatsanwaltschaft erhielten hiervon Kenntnis; der Staatsanwalt beantragte daraufhin am 20. August 1954 bei dem Amtsgericht Geinhausen den Erlaß eines Haftbefehls gegen den Kläger wegen Unterschlagung eines Schrankes, eines Goldstückes und einer Arbeitsvergütung (§ 246 StGB) und wegen Mißhandlung Abhängiger (§ 223 b StGB), weil der Kläger Jugendliche in unvertretbarer Weise zu schweren körperlichen Arbeiten eingesetzt habe. Der Amtsrichter vernahm die Zeugin E. nochmals, wobei diese ihre früheren Aussagen vor der Polizei ausdrücklich bestätigte und zu den anderslautenden Aussagen vor Notar Dr. Ei. im einzelnen Stellung nahm. Nach Beeidigung der Zeugin erließ er am gleichen Tage Haftbefehl gegen den Kläger mit der Begründung, der Kläger sei dringend verdächtig,

"mindestens ab 1. Juni 1950 bis 5. Februar 1954 im Pflegeheim ... als dessen Leiter die damals jugendlichen Christine E. und Käthe H., die als Bedienstete des Pflegeheims ihm als Direktor dieser Anstalt unterstanden und deshalb von ihm abhängig waren, gewissenlos, nämlich aus grobem Mangel an Pflichtgefühl, durch Überanstrengung in ihrer Arbeitskraft schwer gefährdet zu haben, indem er sie täglich länger als acht bis zu zehn Stunden und außerdem an Sonn- und Feiertagen beschäftigte, um Personal einzusparen (Vergehen nach § 24 Abs. 3 JSchG vom 30. April 1938 RGBl I, 437)."

und der weiteren Begründung, es bestehe Verdunkelungsgefahr

"da der Kläger bereits begonnen habe, die Zeugen zu beeinflussen, damit sie ihm günstig aussagen sollten und bereits erreicht hätte, daß die Zeugin E. vor dem Notar Dr. Ei. eine falsche Erklärung abgegeben habe, mit der sie richtige, aber den Beschuldigten belastende Angaben widerrufen habe."

Der Kläger wurde am 20. August 1954 in Haft genommen. Auf seine Beschwerde hob die Strafkammer des Landgerichts Hanau (Main) am 31. August 1954 den Haftbefehl mit der Begründung auf, selbst wenn der Kläger gegen die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes verstoßen haben sollte, so könne von einem besonders schweren Falle oder von einem gewissenlosen Handeln im Sinne des § 24 Abs. 2 und 3 JSchG nicht die Rede sein: selbst wenn die weiteren Ermittlungen die dem Kläger gemachten Vorwürfe in strafrechtlich erheblicher Hinsicht bestärken sollten, sei nach Ansicht der Strafkammer weder Verdunkelungsgefahr noch Fluchtverdacht begründet, da die bisher gemachten Angaben der Zeugen festständen und eine unzulässige Beeinflussung dieser Zeugen nach den ganzen Umständen kaum möglich sei. Der Kläger wurde am gleichen Tage aus der Haft entlassen.

Presse und Rundfunk teilten hierzu mit, die Strafkammer habe den Haftbefehl aufgehoben, weil zur Zeit keine Verdunkelungsgefahr mehr bestehe. Diese Pressenotiz beruhte auf einer Auskunft des Staatsanwalts K.. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen stellte der Oberstaatsanwalt in Darmstadt, an den die Sache inzwischen abgegeben worden war, am 7. Juni 1955 das Verfahren teils aus Rechtsgründen, teils mangels Nachweises einer strafbaren Handlung ein. Die Öffentlichkeit wurde seitens der Staatsanwaltschaft hierüber durch folgende Mitteilung unterrichtet:

"Das Ermittlungsverfahren gegen den 49 Jahre alten Leiter des Altersheims ..., Verwaltungsdirektor Werner G., ist von der Staatsanwaltschaft Darmstadt eingestellt worden. Wie Oberstaatsanwalt Dr. Erich Ho. mitteilte, seien die gegen G. gerichteten Vorwürfe zum Teil unrichtig, zum Teil nicht nachweisbar. In zwei Fällen sei des das Ermittlungsverfahren gegen G. auf Grund der beiden Straffreiheitsgesetze eingestellt worden."

Der Kläger behauptet, sowohl die ihn belastenden Mitteilungen an die Presse, wie der Antrag auf Erlaß des Haftbefehls und die Verhängung der Untersuchungshaft gegen ihn seien von den beteiligten Beamten und dem Haftrichter schuldhaft unter Verletzung der ihm gegenüber obliegenden Amtspflichten erfolgt. Die Mitteilungen an die Presse hätten den Sachverhalt zu seinen Ungunsten entstellt. Vor allem sei der Haftbefehl beantragt und erlassen worden, obgleich sich aus den damaligen Ermittlungsergebnissen so erhebliche Widersprüche ergeben hätten, daß ein dringender Tatverdacht nicht hätte bejaht werden dürfen. Der Staatsanwalt habe dem Haftrichter nicht die notwendige Zeit gelassen, die Akten sorgfältig durchzuarbeiten. Der Kaftrichter habe sich damit begnügt, die ihm vom Staatsanwalt gezeigten Stellen der Ermittlungsakten anzusehen.

Der Kläger hat zunächst hinsichtlich der Mitteilungen an die Presse Anträge gegen das beklagte Land und die beteiligten Beamten auf Zurücknahme gewisser in den Mitteilungen enthaltener Angaben gestellt sowie auf Veröffentlichung dieser Zurücknahme in bestimmten Zeitungen geklagt. Der Kläger hat behauptet, durch die ihm nachteiligen, angeblich unrichtigen Mitteilungen an die Öffentlichkeit sei ihm erheblicher Schaden entstanden. Vor allem verlangt er eine angemessene Entschädigung wegen der Freiheitsentziehung durch Verhängung der Untersuchungshaft. Er behauptet weiter, nach Entlassung aus der Untersuchungshaft sei er erholungsbedürftig gewesen. Seine Ehefrau habe, als sie ihn an seinem Erholungsort besucht habe, 36 DM Fahrtauslagen gehabt; ihm seien darüber hinaus etwa 164 DM Unkosten dadurch entstanden, daß er auch von Kollegen an seinem Erholungsort besucht worden sei und bei dieser Gelegenheit für seine Gäste habe Aufwendungen machen müssen.

Das Landgericht hat die Klage gegen das beklagte Land und die beteiligten Beamten abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger nur noch den Anspruch gegen das beklagte Land auf Verurteilung zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und wegen 36 DM Fahrtauslagen seiner Ehefrau weiter verfolgt Er hat die Klage durch den Antrag erweitert, festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet sei, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die zur Veröffentlichung bestimmten und auch in Tageszeitungen und im Rundfunk veröffentlichten Erklärungen zweier Beamter der Staatsanwaltschaft in Hanau und durch den Haftbefehl des Amtsgerichts in Gelnhausen vom 20. August 1954 in Zukunft entstehe.

Die Berufung des Klägers ist zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Kläger nur den Schmerzensgeldanspruch und den Antrag auf Zahlung von 36 DM weiter. Das beklagte Land bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Der Revisionskläger hat in der mündlichen Verhandlung auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Presseveröffentlichungen angegriffen, weil sie das materielle Recht verletzten. Der Kläger hat zwar im ersten Rechtszug die allein noch anhängigen Ansprüche nur aus der Verhängung der Untersuchungshaft hergeleitet. In der Berufungsbegründung hat er jedoch den Schmerzensgeldanspruch wie den Anspruch auf Zahlung von 36 DM Reisekosten auch daraus hergeleitet, "die körperliche, seelische und moralische Auswirkung" aller gegen ihn ergriffenen kaßnahmen, also einschließlich der Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft, sei noch nicht abgeklungen. Auch ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils hat der Kläger die jetzt noch anhängigen Ansprüche aus dem gesamten Verhalten der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes, also einschließlich der Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft, hergeleitet. Die schriftliche Revisionsbegründung ist zwar nur auf die Vorgänge, die den Antrag auf Erlaß des Haftbefehls und den Erlaß des Haftbefehls betreffen, im einzelnen eingegangen. Die Revision ist jedoch nicht gehindert, - im Rahmen ihrer Anträge - auch die Vorgänge anläßlich der Presseveröffentlichung zur Stützo für die Klage heranzuziehen, soweit sie insoweit Verletzung materiellen Rechts rügt: Rügen hinsichtlich materieller Rechtsverstöße brauchen in der schriftlichen Revisionsbegründung, wenn die Revision überhaupt nur rechtzeitig begründet worden ist, nicht sämtlich vorgebracht zu werden, sondern können jederzeit noch nachgeholt werden. Es bedarf daher der Prüfung sowohl der Vorgänge anläßlich der Presseveröffentlichungen, wie anläßlich des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Haftbefehls und der Verhängung der Untersuchungshaft.

I.

1)

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beamten der Staatsanwaltschaft seien nach dem Hessischen Gesetz über Freiheit und Recht der Presse vom 23. Juni 1949 (GVBl 75) "verpflichtet und berechtigt" gewesen, der Presse Auskünfte zu erteilen. Auf die insoweit erhobene Rüge der Revision, das Hessische Pressegesetz sei vom Berufungsgericht falsch angewendet worden, braucht nicht eingegangen zu werden. Ebenso wenig bedarf es der erneuten Prüfung der Frage, ob ein hessisches Gesetz revisibel ist. Selbst wenn die Beamten der Staatsanwaltschaft nicht zu den Auskünften an die Presse berechtigt und verpflichtet gewesen sein sollten, so würde ihnen die in der Auskunfterteilung etwa liegende Amtspflichtverletzung nicht zum Verschulden gereichen. Insoweit gilt der Grundsatz, daß das Verschulden eines Beamten in der Hegel dann zu verneinen ist, wenn ein Kollegialgericht das Verhalten des Beamten als objektiv gerechtfertigt angesehen hat; das hat das Oberlandesgericht getan. Zwar gilt dieser Grundsatz nicht schlechthin, Doch ist nicht ersichtlich, daß einer der Fälle vorliegt, in denen dieser Grundsatz nicht anzuwenden ist (z.B. handgreifliche Verkennung der Rechtslage seitens des Kollegialgerichts: Beurteilung von Spezialfragen, die dem tätig gewordenen Beamten aus der Praxis völlig vertraut, dem Kollegialgericht dagegen unbekannt sind; Beurteilung eines unzutreffenden Sachverhalts durch das Kollegialgericht).

2)

Allerdings hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen auch noch darauf abgestellt, die tätig gewordenen Beamten der Staatsanwaltschaft, vor allem Staatsanwalt Dr. St., der die erste Auskunft erteilt hat, seien für die Erteilung von Auskünften nicht zuständig gewesen. Das Berufungsgericht (U S. 9) hat dazu ausgeführt, die Zuständigkeit zur Erteilung von Auskünften an die Presse sei im vorliegenden Falle eine Frage der innerdienstlichen Regelung der Strafverfolgungsbehörden gewesen. Der Kläger könne daraus nichts zu seinen Gunsten herleiten.

Soweit das Berufungsgericht damit etwa sagen wollte, diese innerdienstliche Regelung begründe keine dem Kläger gegenüber obliegenden Amtspflichten im Sinne des § 839 BGB, erscheint dieser Satz bedenklich; denn es liegt nahe, daß die Regelung des § 13 Abs. 2 BBG vom 25. Juni 1948 (GVBl 101), wonach die Auskunft an die Presse durch die dafür bestimmten Beamten erfolgt, auch dem Schutz der Personen dient, deren Angelegenheiten durch die Auskunft an die Presse betroffen werden. Doch kann diese Frage hier dahingestellt bleiben.

Zwar kann dem Berufungsgericht auch insoweit nicht gefolgt werden, als es ausführt, "ein anderer (als der tätig gewordene Staatsanwalt) hätte auch keine andere Auskunft geben können." Denn die Auskünfte, die die Staatsanwälte gegeben haben, durften entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts objektiv nicht so wie geschehen erteilt werden, wie im einzelnen unter I 3 dieses Urteils ausgeführt werden wird. Infolgedessen könnte die Auskunfterteilung durch einen nach § 13 Abs. 2 HßG unzuständigen Staatsanwalt sehr wohl ursächlich dafür sein, daß hier in beiden Fällen inhaltlich unzutreffende Auskünfte erteilt worden sind, weil im allgemeinen damit gerechnet werden muß, daß der zuständige Beamte sachgerecht verfahren wäre. Aber auch dieser Frage braucht nicht abschließend nachgegangen zu werden.

Das beklagte Land hat nämlich auf S. 8 seines Schriftsatzes vom 22. Dezember 1955 vorgetragen: Der Oberstaatsanwalt A. der Staatsanwaltschaft in Hanau sei bei der Erteilung beider Auskünfte bei der Behörde nicht anwesend gewesen. Staatsanwalt K., der die zweite Auskunft erteilt hat, sei der ständige Vertreter des Oberstaatsanwalts gewesen und habe als solcher wegen der Abwesenheit des Behördenleiters für diesen tätig werden dürfen. Zur Zeit der Erteilung der ersten Auskunft sei auch Staatsanwalt K. bei der Behörde nicht anwesend gewesen; deshalb sei Staatsanwalt Dr. St. der die erste Auskunft erteilt hat, an Stelle des Behördenleiters und seines verhinderten Vertreters zur Auskunfterteilung an die Presse zuständig gewesen. Diese Darstellung ist vom Kläger nicht im einzelnen bestritten worden. War die Vertretung der nach § 13 Abs. 2 HBG auskunftberachtigten Beamten für den Fall ihrer Verhinderung nicht ausdrücklich geregelt, so durften die beteiligten Staatsanwälte mindestens schuldlos annehmen, daß sie wie auch sonst bei Verhinderung des vorgeordneten Beamten, so auch bei der Erteilung von Auskünften an die Presse vertretungsweise tätig werden durften; nur in diesem Rahmen sind aber die Staatsanwälte Dr. St. und K. tätig geworden. Daß die Vortretung hinsichtlich der Erteilung von Auskünften an die Presse ausdrücklich abweichend von der Vertretung hinsichtlich der anderen Dienstgeschäfte angeordnet gewesen sei, ist vom Kläger nicht behauptet worden.

Daraus, daß die Staatsanwälte Dr. St. oder K. vielleicht ihre Zuständigkeit hinsichtlich der Erteilung von Auskünften an die Presse überschritten haben, können daher Ansprüche nach § 839 BGB i.V.m. den Staatshaftungsgesetzen mangels Verschuldens dieser Staatsanwälte nicht hergeleitet werden.

3)

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die erste Auskunft über das Schweben eines Ermittlungsverfahrens gegen den jetzigen Kläger habe "Wort für Wort der Wahrheit entsprochen". Das ist nach dem reinen Wortlaut der erteilten Auskunft sicherlich richtig. Denn die in der Auskunft angeführten Deliktsarten wie Betrug, Unterschlagung, Ausbeutung des Pflegepersonals, Zusammenhang zwischen Selbstmord zweier Schwestern und schikanöser Behandlung durch den jetzigen Kläger bildeten in der Tat den Gegenstand des damals schwebenden Ermittlungsverfahrens. Durch diese Feststellungen ist aber noch nicht dargetan, daß die Auskunft, wie es das Berufungsgericht selbst verlangt, "nicht unwahr" ist. Entscheidend ist nämlich nicht der reine Wortlaut der Auskunft, auf den das Berufungsgericht abgestellt hat, sondern der Eindruck, den eine solche zur Veröffentlichung in der Presse bestimmte Auskunft bei den Kreisen hervorrufen muß, an die die Presse sich wendet. Das Berufungsgericht selbst weist darauf hin, daß die Presse sich an einen großen Bevölkerungskreis wendet, der hauptsächlich aus Nichtjuristen besteht; zutreffend folgert es daraus, daß die der Presse erteilten Auskünfte unter Beschränkung auf das Wesentliche in allgemeinverständlicher Form gegeben werden müssen. Die richtige Abschätzung der Wirkung einer an die Presse gegebenen Auskunft auf die Öffentlichkeit wird nicht immer leicht sein. Ganz besondere Vorsicht ist aber am Platze, wenn es sich, wie hier, um eine Auskunft über die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens handelt: Ein solches Verfahren wird bereits auf Verdacht hin eröffnet; wird die Auskunft gar noch - wie hier - in einem Stadium erteilt, in dem die Ermittlungen zwar begonnen, aber bei weitem noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis geführt haben, so ist sorgfältig darauf zu achten, daß die Öffentlichkeit durch die Auskunft kein falsches Bild von der Belastung des Betroffenen erhält, zumal der juristisch nicht vorgebildete Laie allzu leicht geneigt ist, die Eröffnung eines solchen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens beinahe mit dem Nachweis der zur Last gelegten Tat gleichzusetzen. Das unkritische Vertrauen, daß die Bevölkerung dem gedruckten Wort entgegenbringt, zwingt die Staatsanwaltschaft, wenn sie Auskünfte an die Presse gibt, im Interesse des Ehrenschutzes des Beschuldigten gerade im Anfangsstadium der Ermittlungen alle Formulierungen zu vermeiden, die geeignet sein können, in der Öffentlichkeit den Gegenstand der Ermittlungen belastender erscheinen zu lassen, als es dem wirklichen Gehalt der dem Beschuldigten gemachten Vorwürfe entspricht.

Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die hier der Presse erteilte erste Auskunft, so wird die von der Staatsanwaltschaft gewählte Auszählung von Deliktsbezeichnungen zur Umschreibung der dem jetzigen Kläger zur Last gelegten Straftaten der Verpflichtung, in allgemein verständlicher und nicht irreführender Form Auskunft zu geben, in keiner Weise gerecht. Wer in einer Presssverlautbarung einer Staatsanwaltschaft von Betrug, Unterschlagung und Ausbeutung liest, die dem Leiter einer Anstalt vorgeworfen werden, verbindet damit die Vorstellung von umfangreichen, schwerwiegenden, das Interesse der Öffentlichkeit herausfordernden strafbaren Handlungen, an deren rechtlicher Beurteilung nach dem Stand der Ermittlungen kaum mehr ein Zweifel möglich ist. In Wahrleit handelt es sich um die in ihrer rechtlichen Beurteilung zweifelhafte Verwendung eines gebrauchten Schrankes und die damals keineswegs geklärte Herkunft und beabsichtigte Verwendung eines Goldstückes, um die Vorenthaltung einer geringfügigen, den Wert eines reichlichen Trinkgeldes nicht übersteigenden Arbeitsvergütung und um die Art und Dauer der Beschäftigung minderjähriger Pflegerinnen. Die Öffentlichkeit mußte den falschen Eindruck, es handele sich um schwere Vorwürfe, die auf grobe Mißstände bei der Verwaltung des Siechenhauses, dessen Leiter der Kläger war, schließen ließen, um so mehr gewinnen, weil an der Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts geringfügiger Verfehlungen, wie sie hier Gegenstand des Ermittlungsverfahrens waren, kein berechtigtes Interesse bestand (vgl. auch § 3 Abs. 1 Ziff. 2 des Hess.Presseges.). Diese Wirkung der Auskunft und der auf ihr beruhenden Presseveröffentlichungen mußte die Staatsanwaltschaft bei Erteilung der Auskunft in Erwägung ziehen und bei Formulierung ihrer Auskunft berücksichtigen.

Deshalb kann der Beurteilung durch das Berufungsgericht, die von Staatsanwalt Dr. St. erteilte Auskunft sei in Ordnung, kein anderer Staatsanwalt habe eine andere Auskunft erteilen können, nicht gefolgt werden. Vielmehr durfte wegen des falschen Eindrucks, den diese Auskunft in der Öffentlichkeit hervorrufen mußte und unstreitig auch hervorgerufen hat, eine Auskunft in dieser Form nicht erteilt werden.

Jedoch kann die Erteilung dieser nicht sachgerechten Auskunft dem Staatsanwalt Dr. St. nicht zum Verschulden angerechnet werden, weil auch hier der oben zu Ziff. I 1 dieses Urteils bereits erörterte Grundsatz anzuwenden ist, daß im allgemeinen den mit einer Angelegenheit befaßten Beamten, hier dem Staatsanwalt Dr. St. nicht der Vorwurf schuldhaften Verhaltens gemacht werden kann, wenn ein Kollegialgericht, wie hier das Berufungsgericht, die von dem Beamten vorgenommene Amtshandlung als objektiv rechtmäßig angesehen hat. Zwar gilt dieser Grundsatz, wie gesagt, nicht schlechthin. Insbesondere wird eine Ausnahme zu machen sein, wenn das Kollegialgericht eine eindeutige Bestimmung handgreiflich falsch ausgelegt hat. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich hier um die Anwendung des auch vom Berufungsgericht nicht verkannten Rechtssatzes, daß eine von einer Behörde der Presse erteilte Auskunft wahrheitsgemäß sein und in einer pressegemäßen Form abgefaßt sein muß, auf einen konkreten Sachverhalt, wobei das Berufungsgericht nur insofern geirrt hat, als es nicht voll erkannt hat, welche Umstände bei Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sind, ob eine Auskunft pressegemäß so abgefaßt ist, daß sie das Persönlichkeitsrecht und die Ehre des von der Veröffentlichung Betroffenen ausreichend respektiert. Dem tätig gewordenen Beamten, hier dem Staatsanwalt Dr. St., kann deshalb kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er insoweit demselben Irrtum erlegen ist wie das Berufungsgericht.

Ansprache aus Amtshaftung wegen der von Staatsanwalt Dr. St. erteilten Auskunft sind daher vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint worden.

4)

Hinsichtlich der von Staatsanwalt K. der Presse erteilten Auskunft über die Aufhebung des gegen den Kläger ergangenen Haftbefehls vertritt das Berufungsgericht ebenfalls die Ansicht, die Auskunft sei objektiv zutreffend gewesen. Diese Auffassung begründet das Berufungsgericht damit, die Strafkammer habe "als Hauptgrund für die Aufhebung des Haftbefehls das Fehlen der Verdunkelungsgefahr angesehen"; es habe deshalb im Ermessen der Staatsanwaltschaft gestanden, ob sie sich mit der Mitteilung dieses Hauptgrundes an die Presse begnügen wollte oder auch die andere Erwägung der Strafkammer bekanntgeben wollte, die nach Auffassung der Strafkammer nur bedingt zutreffe, nämlich das Fehlen der Voraussetzung eines als Vergehen anzusehenden besonderen Falles der Verletzung der Arbeitsschutzbestimmungen für Jugendliche.

Auch dieser Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht gefolgt werden. Bei Betrachtung der Gründe des Beschlusses, durch den das Landgericht den Haftbefehl aufgehoben hat, unter den oben zu I 3 erörterten Gesichtspunkten ergibt sich, daß die Auskunft der Staatsanwaltschaft, wie sie in der Presse erschienen ist, nämlich der Haftbefehl sei mangels Verdunkelungsgefahr aufgehoben worden, ihrem wesentlichen Inhalt nach unzutreffend war. Die Strafkammer hatte in den Gründen des Aufhebungsbeschlusses ausgeführt, "keinesfalls könne von einem besonders schweren Fall oder einem gewissenlosen Handeln im Sinne des § 24 Abs. 2 und 3 JSchG die Rede sein, sondern allenfalls von einer Übertretung nach § 24 Abs. 1 JSchG, die aber verjährt sei". Nur für den Fall, "daß die weiteren Ermittlungen die dem Beschuldigten gemachten Vorwürfe in strafrechtlich erheblicher Hinsicht bestärken sollten", verneint die Strafkammer die Verdunkelungsgefahr. Klar und eindeutig ergab sich aus dieser Begründung, daß die Strafkammer für die damalige Zeit auch den für den Erlaß eines Haftbefehls erforderlichen hinreichenden Tatverdacht verneinte. Ob das der Hauptgrund des Landgerichts für die Aufhebung des Haftbefehls war, wofür nicht nur der Wortlaut und die Reihenfolge der Gründe, sondern auch der materielle Inhalt des landgerichtlichen Beschlusses sprechen, oder nur eine zusätzliche weitere Erwägung, wie das Berufungsgericht meint, bedarf hier keiner Entscheidung. Wenn die Öffentlichkeit nur erfuhr, der Haftbefehl sei mangels Verdunkelungsgefahr aufgehoben worden, so konnte und mußte das unter den obwaltenden Umständen zu der Annahme führen, der Kläger stehe auch weiterhin im Verdacht, die ihm zur Last gelegten und früher bekanntgegebenen Taten begangen zu haben. Das Bild hätte sich zu Gunsten des Klägers völlig geändert, wenn durch die Auskunft der Staatsanwaltschaft an die Presse der Öffentlichkeit mitgeteilt worden wäre, das Landgericht sehe den dringenden Tatverdacht nicht als gegeben an, und erst recht dann, wenn in der Auskunft die Formulierung des landgerichtlichen Beschlusses verwendet worden wäre, "keinesfalls liege ein schwerer, als Vergehen gegen die Jugendschutzbestimmungen zu ahnender Fall vor, sondern höchstens eine verjährte Übertretung dieses Gesetzes". Die in der Presse erschienene Mitteilung enthält nur einen Teil der Wahrheit, nicht den wirklichen Gehalt des den Haftbefehl aufhebenden Beschlusses des Landgerichts.

Die Auskunft wäre daher, wenn sie von Staatsanwalt K., so wie in der Presse veröffentlicht, erteilt worden wäre, inhaltlich unrichtig gewesen; sie würde eine schwere Verletzung der der Staatsanwaltschaft dem Kläger gegenüber obliegenden Amtspflichten enthalten.

Das beklagte Land hat jedoch behauptet, Staatsanwalt K. habe der Presse auch erklärt, der Kläger sei wegen anderer rechtlicher Qualifikation seiner Handlungen aus der Haft entlassen worden. Das könnte möglicherweise zu einer anderen, jedenfalls zu einer milderen Beurteilung des Verhaltens des Staatsanwalts K. führen. Jedoch bedarf es insoweit keiner weiteren Sachaufklärung, weil auch dann, wenn die Auskunft so wie in der Presse veröffentlicht, von Staatsanwalt K. erteilt worden wäre, ein Verschulden des Staatsanwalts K. zu verneinen wäre.

Auch insoweit greift der oben zu I 1 und 3 dieses Urteils erörterte Grundsatz durch, daß das Verhalten eines Beamten, diesem dann grundsätzlich nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn ein Kollegialgericht dieses Verhalten für objektiv richtig angesehen hat. Einer der Ausnahme fälle, bei denen dieser Grundsatz nicht durchgreift, liegt aus den oben zu Ziff. I 3 dieses Urteils erörterten Gründen auch bei diesen Vorgängen nicht vor.

Ansprüche aus Amtshaftung wegen der von Staatsanwalt K. erteilten zweiten Auskunft über die Aufhebung des Haftbefehls sind vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint.

II.

Auch soweit die Staatsanwaltschaft den Erlaß eines Haftbefehls beantragt und der Amtsrichter den Haftbefehl erlassen hat, sind schuldhafte Amtspflichtverletzungen vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint worden.

1)

Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 112 StPO (dringender Tatverdacht; sowie Fluchtverdacht oder Verdunkelungsgefahr) hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Insoweit werden Revisionsrügen auch nicht erhoben.

Das Berufungsgericht gelangt von diesem zutreffenden Ausgangspunkt aus zu dem Ergebnis, der Haftrichter habe auf Grund der am 20. August 1954, dem Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls, vorliegenden Ermittlungsergebnisse den Kläger eines Vergehens gegen § 24 Abs. 3 JSchG für dringend verdächtig halten dürfen. Wenn aber das Berufungsgericht als Kollegialgericht die Rechtslage so gesehen hat, dann greift der bereits mehrfach angezogene Grundsatz Platz, daß im allgemeinen dem mit einer Angelegenheit befaßten Beamten, hier dem Haftrichter, nicht der Vorwurf schuldhaften Verhaltens gemacht werden kann, wenn seine Rechtsauffassung von einem Kollegialgericht gebilligt worden ist.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß dem Haftrichter die Akten betreffend das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger vollständig vorgelegen haben, wie sie bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls entstanden waren, und daß der Haftrichter die Zeugin E. vor Erlaß des Haftbefehls nochmals selbst vernommen und beeidigt hat. Auf Grund des aus den Ermittlungsakten und der Vernehmung der Zeugin E. sich ergebenden Sachverhalts gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, der Haftrichter habe nach seiner freien richterlichen Überzeugung die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls bejahen können. Die von der Revision vorgetragenen Verfahrensrügen, insbesondere der Vorwurf, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt unter Verletzung des § 286 ZPO nicht erschöpfend gewürdigt, beziehen sich nicht auf die Feststellungen über das Material, das dem Haftrichter bei Erlaß des Haftbefehls vorlag. Insoweit besteht vielmehr Einigkeit darüber, daß dem Haftrichter das selbe Material vorgelegen hat, auf Grund dessen auch das Berufungsgericht die Überzeugung gewann, der Haftbefehl dürfte erlassen werden. Die Angriffe der Revision richten sich vielmehr nur gegen die Würdigung des Inhalts der Ermittlungsakten und der Aussage E. durch das Berufungsgerichts es wird vorgetragen, daß sich aus jenem Material ein dringender Tatverdacht entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht ergebe. Die Revision weist vor allem auf Bekundungen und Umstände hin, die Inhalt der Ermittlungsakten waren, aber vom Berufungsgericht bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt worden seien. Darauf kommt es aber nicht an; denn selbst wenn das Berufungsgericht, wie die Revision meint, den Inhalt der Ermittlungsakten nicht ausreichend gewürdigt und Aussagen einzelner Zeugen nicht beachtet haben sollte, so wurde sich daraus höchstens ergeben, daß das Berufungsgericht objektiv den gleichen Fehler, wie er vom Kläger dem Haftrichter zur Last gelegt wird, begangen hätte, indem es auf Grund des damals vorliegenden Sachverhalts die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls zu Unrecht bejaht hätte. Gerade aber der Umstand, daß selbst ein Kollegialgericht bei ruhiger Abwägung in einem Urteil den Sachverhalt ebenso beurteilt, wie ihn der Haftrichter bei der von ihm rasch zu treffenden Entscheidung über den Haftbefehlsantrag getroffen hat, schließt nach der angeführten Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Senats jedenfalls den Vorwurf eines Verschuldens des Haftrichters aus. Auf die von der Revision insoweit erhobenen Rügen kommt es daher nicht an.

2)

Nun hat allerdings der Kläger behauptet, der Haftrichter hätte von dem damaligen Inhalt der Ermittlungsakten nur unzureichend Kenntnis genommen; der Staatsanwalt hätte sich persönlich zum Haftrichter begeben, dem Richter die einzelnen Aktenstellen gezeigt, die nach seiner Ansicht zur Begründung des Haftbefehls ausreichten, und ihm nicht die nötige Zeit gelassen, sich in das Aktenmaterial zu vertiefen, und der Haftrichter habe sich mit der Kenntnisnahme der Aktenstellen begnügt, auf die ihn der Staatsanwalt hingewiesen habe. Er habe also ohne vollständige Kenntnisnahme des Akteninhalts den Haftbefehl erlassen.

Die Revision rügt insoweit Verletzung des § 286 ZPO, weil das Berufungsgericht die vom Kläger insoweit benannten Zeugen (Haftrichter und Staatsanwalt) nicht vernommen und sich mit diesem Sachverhalt überhaupt nicht auseinander gesetzt habe. In der Tat läßt das angefochtene Urteil insoweit jegliche Erörterung vermissen.

Ein Schuldvorwurf gegen den Haftrichter läßt sich insoweit nicht mit dem Hinweis darauf verneinen, daß er auch nach vollständiger Kenntnisnahme der Akten aus den zu Ziff. II 1 dieses Urteils erörterten Gründen den Haftbefehl schuldlos hätte erlassen können; denn es steht gerade für den hier unterstellten Fall, der Haftrichter habe die Akten nicht vollständig zur Kenntnis genommen, nicht fest, daß er bei vollständiger Durcharbeitung der Akten zum gleichen Ergebnis wie das Berufungsgericht gekommen wäre und den Haftbefehl erlassen haben würde. Es besteht die Möglichkeit, daß er den Haftbefehl nach vollständiger Kenntnisnahme vom Akteninhalt nicht erlassen hätte.

Jedoch erweist sich aus anderem Grund, daß der Haftrichter dadurch, daß er, wie zugunsten des Klägers zu unterstellen ist, den Haftbefehl erlassen hat, obgleich er nur in beschränktem Umfang vom Akteninhalt Kenntnis genommen hat, mindestens nicht schuldhaft gegen die ihm dem Kläger gegenüber obliegenden Amtspflichten verstoßen hat.

Zwar kann es in aller Regel nicht gebilligt werden, daß ein Haftrichter einen Haftbefehl erläßt, wenn er die Akten nur flüchtig durchgesehen hat, oder wenn er sich darauf beschränkt, die ihm von der Staatsanwaltschaft als wesentlich bezeichneten Teile der Akten anzusehen. Vielmehr ist der Haftrichter wegen der einschneidenden Folgen eines Haftbefehls gehalten, die Akten - trotz aller etwa gebotenen Eilesorgfältig und genau durchzuarbeiten, ehe er sich entschließen darf, einen Haftbefehl zu erlassen. Auch erscheint es bedenklich, allein wegen einer offensichtlich begründeten Verdunkelungsgefahr, wie sie im vorliegenden Fall gegeben war, wo der Beschuldigte wiederholt versucht hatte, Zeugen zu seinen Gunsten zu beeinflussen, den Haftrichter von der sorgfältigen Durcharbeitung der Ermittlungsakten auch nur teilweise freizustellen. Doch bedarf auch diese Frage hier keiner abschließenden Entscheidung.

Jedenfalls würde es dem Haftrichter im vorliegenden Falle nicht zum Vorwurf gemacht werden können, wenn er sich so verhalten hat, wie der Kläger behauptet. Der Kläger hatte in seinem Schriftsatz vom 28. Juli 1956 auf Seite 2/3 vorgetragen:

"Der Haftrichter hatte nicht die nötige Zeit, um die Rechtsfragen durchzuprüfen. Außerdem war der Staatsanwalt St. in seinem Richterzimmer zugegen und zeigte ihm in den Akten Steilen, die nach der Ansicht des Staatsanwalts für die Begründung eines Haftbefehls ausreichten. Der Haftrichter hat hierbei die richterliche Selbständigkeit nicht gewahrt; denn ein Richter, der sich vom Staatsanwalt derartig die einzelnen Seiten zeigen laßt, ohne die Akten ganz durchzulesen, handelt grob fahrlässig. Außerdem wußte der Richter, daß bezüglich der Vorfälle ein erheblicher Pressewirbel entstanden war, und daß die Staatsanwälte außergewöhnlich erregt waren."

Er hat sich weiter in seinem Schriftsatz vom 14. März 1956 auf Seite 6 folgende Stelle des Berichts des Haftrichters an den Landgerichtspräsidenten vom 17. November 1955 ausdrücklich zu eigen gemacht:

"Deren Durcharbeitung und insbesondere auch Auffindung war mir umso leichter, als Staatsanwalt Dr. St. mitgekommen war und mir nicht nur den Sachverhalt vorgetragen, sondern auch auf Rückfragen Auskunft geben und die notwendigen Aktenstellen aufweisen konnte. Ein besonderer Zeitbedarf über die tatsächlich aufgewendete Zeit hinaus bestand also nicht, konnte somit auch nicht unbefriedigt geblieben sein."

Er hat sich endlich auf S. 7 jenes Schriftsatzes eine weitere Stelle aus dem Bericht des Haftrichters - jedenfalls hinsichtlich der tatsächlichen Vorgänge - zu eigen gemacht:

"Die Darstellung dieses Zeugen (Wo.) hat der Beschuldigte in Bl. 70 der Akten praktisch in ihr Gegenteil verkehrt und hat versucht, seine Angaben dadurch glaubhaft zu machen, daß er den Zeugen Dr. Wo. als unglaubwürdig und unzurechnungsfähig hinstellt. Dies konnte dem Beschuldigten bei mir aber nicht gelingen, weil mir der Zeuge Dr. Wo. seit langer Zeit als ständiger Berichterstatter der hiesigen Tageszeitung "Gelnhäuser Tageblatt" persönlich genauestens bekennt war. Ich hatte deshalb trotz der Behauptungen des Beschuldigten keinen Anlaß, an der Glaubwürdigkeit und damit an der Vertrauenswürdigkeit des Zeugen Dr. Wo. zu zweifeln."

Aus diesem Sachvortrag des Klägers ergibt sich, daß der Haftrichter nicht nur die belastenden Stellen der Akten zur Kenntnis genommen hat, sondern daß er auch die eigene Einlassung des damaligen Beschuldigten, des jetzigen Klägers, wie z.B. dessen Aussage vom 16. März 1954 auf Bl. 70 der Straf akten gewürdigt hat. Auch ist allgemein von einer Durcharbeitung der Akten durch den Haftrichter die Rede sowie von Auskünften, die der Staatsanwalt auf Rückfragen erteilt hat. Auch daraus ergibt sich, daß der Haftrichter, mindestens in gewissem Umfang eine eigene kritische Durchsicht der Akten vorgenommen hat. Der Haftrichter hat unbestritten sich sogar die Zeit genommen, die Zeugin E. zu vernehmen und nach eingehender Anhörung über das Zustandekommen ihrer früheren Aussagen vor Polizei und vor Notar Dr. Ei., dem Verteidiger des Beschuldigten, zu beeiden. Die Zeugin E. war eine der Hauptbelastungszeuginnen. Der Haftrichter ersah auch aus dem von Notar Dr. Ei. mit dieser Zeugin aufgenommenen Protokoll, hinsichtlich welcher Punkte der Verteidiger des Beschuldigten die Bekundungen dieser Hauptbelastungszeugin in Zweifel zog. Endlich hat der Haftrichter den Sachverhalt auch einer eigenen rechtlichen Würdigung unterzogen; denn er hat den Haftbefehl nicht, wie beantragt, wegen Vergehens gegen § 223 b StGB (Mißhandlung Abhängiger), sondern wegen dringenden Tatverdachts eines Vergehens nach § 24 Abs. 3 JSchG (erschwerte Verletzung der zugunsten der Jugendlichen ergangenen Arbeitsschutzbestimmungen) erlassen. Zu dieser Sachlage trat noch hinzu, daß der Beschuldigte wiederholt den Versuch gemacht hatte, Zeugen zu seinen Gunsten zu beeinflussen, wie dem Haftrichter vor allem aus der ungewöhnlichen Vernehmung der Hauptbelastungszeugin zu Protokoll des Verteidigers ersichtlich war; daraus konnte mit einem gewissen Recht auf eine Schuld des Beschuldigten geschlossen werden, da Zeugenbeeinflussungen in der Regel nur von schuldigen Personen versucht werden. Wenn unter diesen zahlreichen gegen den Beschuldigten sprechenden Umständen der Haftrichter unter Berücksichtigung der eigenen Einlassung des Beschuldigten, die der Haftrichter nach der eigenen Darstellung des Klägers mindestens zum Teil berücksichtigt hat, der Ansicht gewesen ist, er dürfe den Haftbefehl erlassen, auch ohne von den Ermittlungsakten in vollem Umfang Kenntnis genommen zu haben, so würde es eine Überspannung der Anforderungen an einen Haftrichter bedeuten, würde ihm ein solcher Intum über die ihm obliegende Amtspflicht, die Ermittlungsakten vor Erlaß des Haftbefehls vollständig zur Kenntnis zu nehmen, unter diesen besonderen Umständen zum Vorwurf gemacht.

Eine schuldhafte Verletzung der dem Haftrichter dem Kläger gegenüber obliegenden Amtspflichten ist daher zu verneinen.

3)

Eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft, begangen durch den Antrag auf Erlaß des Haftbefehls trotz unzureichender Ermittlungen, ist entgegen der Annahme der Revision ebenfalls zu verneinen.

Die Revision meint, der Staatsanwalt habe bei dem Stand der Ermittlungen am 20. August 1954 einen Haftbefehl nicht beantragen dürfen, sondern zunächst weitere Ermittlungen anstellen müssen. Es kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, wieweit die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen, und zwar vor allem in Richtung auf die der Entlastung des Beschuldigten dienenden Umständen durchgeführt haben muß, ehe sie einen Haftbefehl beantragen darf.

Sicherlich kann aus dem Umstand, daß der Erlaß eines Haftbefehls mangels hinreichenden Tatverdachts und mangels Verdunkelungsgefahr abgelehnt wird oder ein erlassener Haftbefehl aufgehoben wird, wie das hier durch den Beschluß des Landgerichts geschehen ist, nicht ohne weiteres auf ein pflichtwidriges Verhalten der antragstellenden Staatsanwaltschaft geschlossen werden; pflichtwidrig handelt sie nur, wenn sie bei einer sachgerechten Würdigung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts nicht der Annahme sein durfte, die beantragte Maßnahme - der Erlaß des Haftbefehls - könne gerechtfertigt sein (vgl. Urteil vom 27. Mai 1957 - III ZR 21/56 S. 13/14). Selbst wenn diese Voraussetzung einer Haftung der Beamten der Staatsanwaltschaft objektiv erfüllt wäre, würde diese Amtspflichtverletzung den Beamten der Staatsanwaltschaft nicht zum Vorwurf gemacht werden können, weil auch das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls durch den Haftrichter als gegeben angesehen hat; insoweit kann auf die oben zu II 1 gemachten Ausführungen Bezug genommen werden.

Darin, daß die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Erlaß des Haftbefehls gestellt hat, obgleich der Sachverhalt noch nicht bis zum letzten geklärt war, liegt eine Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft nicht. Ein Haftbefehl kann gerade auch dann beantragt und erlassen werden, wenn die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist, die bisherigen Ermittlungen aber einen dringenden Tatverdacht ergeben, mag auch die Möglichkeit bestehen, daß bei weiteren Ermittlungen dieser Tatverdacht wieder zerstört wird.

Die Klage ist daher mangels Verschuldens des Haftrichters und der Beamten der Staatsanwaltschaft unbegründet. Die Revision des Klägers ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.