BGH, 16.02.1968 - V ZR 211/64
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. Oktober 1964 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Schwester des Beklagten. Der Vater der Parteien war Eigentümer des im Grundbuch von B. Band 30 Blatt 956 eingetragenen Hausgrundstücks in Größe von 563 qm. Er verstarb im Jahre 1926 und wurde von seiner Ehefrau und seinen neun Kindern beerbt, die als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen wurden. Inzwischen sind auch die Witwe des Erblassers und ihr Sohn Hermann gestorben. Erben wurden die Parteien und ihre sechs Geschwister.
Der Beklagte bemühte sich, das Haus von seinen Geschwistern zu Eigentum zu erwerben. Diese erteilten ihm in notariell beglaubigten Urkunden vom 17. März 1953, 11. März 1955 sowie 2. und 4. Juni 1956 Vollmacht, sie bei der Auseinandersetzung über den Grundbesitz der Erbengemeinschaft zu vertreten und den Grundbesitz an sich aufzulassen unter ausdrücklicher Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Mehrzahl der Urkunden enthielt zugleich einen der Bevollmächtigung entsprechenden Auftrag. Zwei Miterben erklärten sich in der Vollmachtsurkunde vom 17. März 1953 durch den Empfang von je 900 DM von dem gemeinschaftlichen Grundbesitz für abgefunden, während die übrigen Miterben den Wert in den Urkunden auf je 1.500 DM angaben.
Am 4. Juni 1956 erklärte der Beklagte zu notariellem Protokoll (Nr. 452/1956 der Urkundenrolle des Notars S. in B.) für die Erbengemeinschaft und sich selbst einen Auseinandersetzungsvertrag, durch den er den Grundbesitz als Alleineigentümer übernahm. In der Urkunde, die auch die Auflassung enthielt, verpflichtete sich der Beklagte, außer den an zwei Geschwister bereits geleisteten Zahlungen von je 900 DM an die übrigen fünf Geschwister je 1.500 DM zu zahlen. Unstreitig hat der Beklagte an seine Geschwister insgesamt 11.400 DM als Abfindung gezahlt. Auf Grund der Auflassung und der vorliegenden Vollmachten wurde der Beklagte am 25. Juni 1956 als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Später verstarb die Miterbin Anna L. geb. B., die von ihren beiden Kindern beerbt wurde. Im Januar 1961 verkaufte der Beklagte den von der Erbengemeinschaft übernommenen Grundbesitz zusammen mit weiteren Grundstücken in Große von 366 qm an die Stadt B. Er erhielt dafür zwei nebeneinanderliegende Bauparzellen von 1.600 bis 2.000 qm und 50.000 DM.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung eines Teilbetrages des Verkaufserlöses an die Erbengemeinschaft mit folgender Begründung: Die Miterben seien, obwohl man den ererbten Grundbesitz seinerzeit für 25.000 DM hätte verkaufen können, aus Entgegenkommen gegenüber dem damals kränklichen Beklagten auf dessen Drängen mit der Überlassung des Grundstücks an ihn einverstanden gewesen, nachdem er versprochen habe, das Grundstück im Familienbesitz zu erhalten und nicht weiter zu verkaufen. Da der Beklagte eine entsprechende Klausel nicht in den Auseinandersetzungsvertrag aufgenommen habe, müsse angenommen werden, daß er arglistig gehandelt und schon damals vorgehabt habe, das Grundstück mit Gewinn zu veräußern. Die Klägerin, die ihre Vollmachtserteilung auch angefochten hat, beziffert den der Erbengemeinschaft durch den interessewidrigen Gebrauch der Vollmachten entstandenen Schaden auf 12.100 DM, indem sie von einem damals zu erlangenden Verkaufserlös von 25.000 DM den vom Beklagten unter Berücksichtigung seines Anteils erbrachten Übernahmepreis von 12.900 DM abzieht, so daß auf jeden Miterben ein Betrag von (1/7 von 12.100 =) 1.728 DM entfalle. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihren Anspruch auch auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützt, weil der Auseinandersetzungsvertrag und die Auflassung mangels vorschriftsmäßiger Beurkundung der Vollmachten nicht wirksam geworden seien.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die (näher bezeichneten) Erben des Erblassers zu Händen der Klägerin 1.728 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Er räumt ein, es sei davon gesprochen worden, daß es der Wunsch der Eltern gewesen sei, das Haus möglichst in der Familie zu belassen; er bestreitet jedoch, daß er eine entsprechende Verpflichtung übernommen und vor Abschluß des Vertrages Verkaufsabsichten gehabt habe. Eine Beurkundung der Vollmachten hält der Beklagte nicht für erforderlich. Jedenfalls sei, so meint er, ein etwaiger Formmangel dadurch geheilt, daß die Miterben die Vertragsabschriften und die Abfindungen widerspruchslos in Empfang genommen hätten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht auf die Berufung der Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 1.728 DM nebst Zinsen an die Erbengemeinschaft verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Entscheidung hängt davon ab, ob die Vollmachtsurkunden der Miterben gemäß § 313 Satz 1 BGB der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedurften und, wenn dies der Fall ist, der Mangel der Form durch Auflassung und Eintragung geheilt ist oder ob eine etwaige schwebende Unwirksamkeit des Auseinandersetzungsvertrages und der Auflassung durch nachträgliche Genehmigung Wirksamkeit erlangt hat.
I.
Nach § 167 Abs. 2 BGB bedarf die Erteilung der Vollmacht nicht der Form, die für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. Infolgedessen kann eine die Veräußerung eines Grundstücks betreffende Vollmacht grundsätzlich formfrei in rechtswirksamer Weise erteilt werden. Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (vgl. z.B. Urteile des Senats vom 21. Mai 1965, V ZR 156/64, WM 1965, 1007 und 22. April 1966, V ZR 164/63, WM 1966, 761, jeweils mit Nachweisen) unterliegt die Vollmacht zur Veräußerung eines Grundstücks dann dem Formzwang des § 313 Satz 1 BGB, wenn ihre Erteilung sich nur als das äußere Gewand darstellt, in das die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung eingekleidet wird, und der Vollmachtgeber damit schon alles getan hat, was von seiner Seite zum Abschluß des Grundstücksveräußerungsvertrages erforderlich war, vor allem, wenn durch eine Vollmacht im Verhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten bereits die gleiche rechtliche oder tatsächliche Bindung eintreten soll und eintritt wie durch einen Veräußerungsvertrag, die Vollmacht also die Grundstücksveräußerung lediglich verdeckt. An dieser Auffassung, von der das Oberlandesgericht ausgeht, ist auch gegenüber den von der Revision hiergegen unter Bezugnahme auf Erörterungen im älteren Schrifttum (Gottschalk, JherJb 79, 212; Fischer, JW 1922, 191; Kiehl, Recht 1923, 121; Albrecht, HansRGZ 1930, 267; Rischawy, HansRGZ 1930, 271) erhobenen Bedenken festzuhalten.
Das Berufungsgericht hat eine Bindung der Vollmachtgeber im Sinne der Rechtsprechung bejaht, weil der Beklagte in den Vollmachtsurkunden zum Abschluß eines Auseinandersetzungsvertrages unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ermächtigt und - bis auf einen Fall - auch beauftragt worden sei, das Grundstück unter Festlegung von Auseinandersetzungsforderungen an sich aufzulassen. In zwei Fällen sei von Empfangsbekenntnis und Abfindungserklärung die Rede; bei den übrigen Miterben sei die Höhe der Abfindungen aus den in den Text der Urkunden aufgenommenen Wertangaben ersichtlich gewesen.
Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum. Die Formbedürftigkeit einer Vollmacht zur Grundstücksveräußerung wurde von jeher angenommen, wenn die Vollmacht unwiderruflich war. Der Ausschluß des Widerrufs braucht nicht ausdrücklich vereinbart zu werden; er kann sich aus dem der Vollmachtserteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ergeben (§ 168 Satz 2 BGB). Das Oberlandesgericht war deshalb, auch wenn die Vollmachtsurkunden keine ausdrückliche Bestimmung über die Unwiderruflichkeit der Vollmacht enthielten, nicht gehindert, eine Bindung der Vollmachtgeber zu bejahen. Die Tatsache allein, daß der Bevollmächtigte von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, vermag allerdings die Formbedürftigkeit der Vollmacht nicht zu rechtfertigen. Das hat das Oberlandesgericht nicht verkannt. Es hat nämlich, wie die Begründung des angefochtenen Urteils ergibt, eine Bindung der Miterben nicht nur aus der Befreiung des Beklagten von der Vorschrift des § 181 BGB, sondern in Verbindung hiermit aus dem den Vollmachten zugrunde liegenden Auftragsverhältnis hergeleitet, das auf die Herbeiführung der Erbauseinandersetzung gerichtet war. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu Urteil des Senats vom. 11. Juli 1952, V ZR 80/52, LM § 313 BGB Nr. 2 sowie das bereits erwähnte Urteil vom 21. Mai 1965). Gegenüber der Auffassung der Revision, die Miterben hätten mit der Vollmachtserteilung nicht die rechtliche Verpflichtung des Beklagten zur Auflassung des Grundstücks an sich selbst im Auge gehabt, vielmehr dem Beklagten durch die Vollmachten das Recht eingeräumt, das Grundstück an sich selbst zu veräußern und aufzulassen, ist darauf hinzuweisen, daß nicht eine Verpflichtung des Beklagten zur Grundstücksveräußerung, sondern eine Bindung der Miterben in Frage steht. Gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Annahme einer Bindung der Miterben im Sinne der Rechtsprechung zugrunde liegen, werden von der Revision keine Einwendungen erhoben.
Die Vollmachten der Miterben waren somit mangels Einhaltung der vorgeschriebenen Form nichtig. Dies hatte, da eine Vertretung ohne Vertretungsmacht im Sinne des § 177 Abs. 1 BGB auch bei einem Formmangel der Vollmacht vorliegt, die schwebende Unwirksamkeit der Auflassung zur Folge.
II.
Frei von Rechtsirrtum ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der den Vollmachten anhaftende Formmangel nicht durch Auflassung und Eintragung gemäß § 313 Satz 2 BGB geheilt worden sei; denn nur eine voll wirksame Auflassung kann (zusammen mit der Eintragung) zur Heilung des Formmangels führen. An dieser bereits im Urteil vom 21. Mai 1965 zum Ausdruck gebrachten Auffassung hält der Senat auch nach der von der Revision erbetenen Überprüfung fest. Ergänzend mag hierzu noch bemerkt werden, daß die Ansicht, auch eine schwebend unwirksame Auflassung sei zur Heilung des Formmangels der Vollmacht nach § 313 BGB geeignet, in dem von der Revision angeführten Schrifttum nicht vertreten wird. Vielmehr wird beispielsweise von Soergel/Siebert (BGB 9. Aufl. § 313 Anm. 30) und Staudinger/Werner (BGB 10./11. Aufl. § 313 Anm. 114) ausdrücklich betont, daß nur eine rechtswirksame Auflassung heilende Kraft habe.
III.
Auch die weitere Frage, ob der Auseinandersetzungsvertrag und die Auflassung durch Genehmigung der Miterben Wirksamkeit erlangt haben, hat das Oberlandesgericht ohne Rechtsirrtum verneint. Die Genehmigung eines Vertrages nach § 184 BGB setzt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, begrifflich voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewußt ist oder doch mit einer solchen Möglichkeit rechnet (BGHZ 2, 150; 47, 341) [BGH 17.04.1967 - II ZR 157/64]. Dieser Grundsatz findet nach dem Urteil des Senats vom 21. Mai 1965 auch auf eine von einem Bevollmächtigten erklärte Auflassung, die mangels ordnungsmäßiger Bevollmächtigung schwebend unwirksam war, Anwendung. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts haben die Miterben mit dem Erfordernis einer nachträglichen Genehmigung nicht gerechnet. Für die Annahme, daß die Klägerin und die übrigen Erben sich der schwebenden Unwirksamkeit des Auseinandersetzungsvertrages bewußt gewesen seien oder doch mindestens mit der Möglichkeit, daß er unwirksam sei, gerechnet hätten, hat der Beklagte in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen. Infolgedessen kann auch bei Berücksichtigung der "Besonderheit des vorliegenden Falles" aus der widerspruchslosen Entgegennahme der Vertragsabschriften und der Abfindungen durch die Miterben keine Genehmigung hergeleitet werden. Dabei ist es entgegen der Meinung der Revision ohne rechtliche Bedeutung, daß der Vertrag, wie er sich aus der notariellen Urkunde vom 4. Juni 1956 ergibt, dem Willen der Miterben entsprach. Auf die vom Beklagten in den Schriftsätzen vom 27. Juni 1963 und 24. August 1963 angetretenen Beweise, deren Nichterhebung von der Revision gerügt wird, kam es deshalb nicht an.
IV.
Der Klageanspruch erweist sich somit gemäß § 816 in Verbindung mit § 1011 BGB als gerechtfertigt. Die Hohe des der Klägerin zuerkannten Betrages wird von der Revision nicht beanstandet.
Die Revision war deshalb als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.