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BGH, 09.07.1985 - VI ZR 244/83

Daten
Fall: 
Misslungener Schwangerschaftsabbruch bei Notlagenindikation
Fundstellen: 
BGHZ 95, 199; NJW 1985, 2752; MDR 1985, 1013; FamRZ 1985, 1011; VersR 1985, 965
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
09.07.1985
Aktenzeichen: 
VI ZR 244/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Bremen
  • Oberlandesgericht Bremen

a) Behauptet der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Arzt, es habe keine Indikation gemäß § 218a StGB für den von ihm versuchten Schwangerschaftsabbruch vorgelegen, hat er die dafür erforderlichen tatsächlichen Umstände darzulegen und zu beweisen.
b) Das Zivilgericht wird in der Regel nicht ohne sachverständige Beratung durch einen Arzt feststellen können, daß eine Notlagenindikation zum Schwangerschaftsabbruch trotz Bejahung der Indikation in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren nicht vorgelegen hat.
c) Im Falle des mißlungenen Schwangerschaftsabbruchs aufgrund einer sogenannten Notlagenindikation des § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB ist die Unterhaltsbelastung der Mutter durch das Kind dem Arzt nicht zuzurechnen, wenn und sobald sich die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter so günstig entwickelt haben, daß aus nachträglicher Sicht die Annahme einer schwerwiegenden Notlage nicht gerechtfertigt erscheint.

Tatbestand

Am 29. Juni 1978 stellte der Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. K. bei der damals 21jährigen, ledigen Klägerin eine Schwangerschaft in der 8. Woche fest. Er beriet sie über einen von ihr gewünschten Schwangerschaftsabbruch und erteilte ihr anschließend eine ärztliche Bescheinigung, in der es u. a. heißt:

»Die Patientin ist alleinstehend und berufstätig. Eine Ehe mit dem Kindsvater ist nicht möglich. Auch mit familiärer Unterstützung kann Frau F. nicht rechnen.

Aus Notlagenindikation befürworte ich den Schwangerschaftsabbruch.«

Nach einer Sozialberatung bei der örtlichen Beratungsstelle der Vereinigung »Pro Familia«, von der sie eine Formularbescheinigung über die Beratung erhielt, suchte die Klägerin den beklagten Frauenarzt auf. Dieser versuchte bei ihr vereinbarungsgemäß am 9. Juli 1978 einen Schwangerschaftsabbruch mittels Curettage, brach den Eingriff aber vorzeitig ab, weil er befürchtete, die Gebärmutter perforiert zu haben. Er unterrichtete die Klägerin von dieser Befürchtung und erklärte ihr, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß überhaupt keine Schwangerschaft vorgelegen habe. Näheres könne er ihr erst nach einer histologischen Untersuchung des Gewebes sagen. Vorsorglich händigte er ihr einen Krankenhauseinweisungsschein aus und empfahl ihr, sich zur Nachsorge an Dr. K. zu wenden. Am 10. Juli 1978 untersuchte dieser die Klägerin, ohne Auffälligkeiten festzustellen. Der Beklagte hatte inzwischen den Befund über die histologische Untersuchung erhalten, der für den erfahrenen Facharzt den Verdacht auf eine bestehende Schwangerschaft und das Mißlingen des Abbruches aufkommen lassen mußte. Inwieweit der Beklagte Dr. K. von den Befunden unterrichtet hat, ist unter den Parteien streitig. Dr. K. jedenfalls empfahl der Klägerin auf Anfrage, sich bei ihm wieder zu melden, wenn ihre Regel wieder eingetreten sei, sofern sich nicht früher Auffälligkeiten zeigten. Die Klägerin fuhr am 18. August 1978 in Urlaub, ohne daß sich ihre Regel eingestellt hatte. Am 10. September 1978 stellte Dr. K. bei ihr fest, daß sie in der 20. Woche schwanger war. Nunmehr entschloß sich die Klägerin, das Kind auszutragen, und gebar am 9. Januar 1979 den Sohn Bastian.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz des nicht durch Zahlungen des Erzeugers gedeckten Unterhalts für ihr Kind vom 9. Januar 1979 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres von monatlich 400 DM und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres von monatlich 300 DM in Anspruch und verlangt ferner Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, ihr in diesem Rahmen allen weiteren Schaden zu ersetzen. Sie wirft dem Beklagten vor, er habe den Schwangerschaftsabbruch nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Vor allem aber habe er weder sie noch Dr. K. über das Mißlingen des Schwangerschaftsabbruches unterrichtet. Hätte er das getan, hätte sie alsbald einen erfolgreichen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.

Der Beklagte bestreitet die Vorwürfe der Klägerin. Er hält Schadensersatzansprüche aus Rechtsgründen für ausgeschlossen und beruft sich vor allem darauf, bei der Klägerin hätten die Voraussetzungen für einen Schwangerschaftsabbruch wegen einer sogenannten Notlagenindikation nicht vorgelegen.

Das Landgericht hat die bezifferten Klageansprüche dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin 50 % ihres weiteren Schadens betreffend das Kind Bastian zu ersetzen, soweit nicht der leibliche Vater dafür aufzukommen habe. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin, die sich gegen die Teilabweisung ihrer Klage gewandt hatte, in vollem Umfange abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte nur teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht führt aus, es sei zwar mit dem Landgericht der Ansicht, daß der Beklagte die Klägerin weder direkt noch über Dr. K. mit der gebotenen Deutlichkeit über das Mißlingen des Schwangerschaftsabbruches und das Fortbestehen der Schwangerschaft unterrichtet habe und daß die Klägerin es deswegen unterlassen habe, alsbald einen erneuten Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Es hält indessen eine Haftung des Beklagten deswegen für ausgeschlossen, weil der Behandlungsvertrag zwischen den Parteien wegen Verstoßes gegen das Abtreibungsverbot des § 218 StGB gemäß § 134 BGB nichtig sei und auch sonst keine Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche der Klägerin gegeben sei. Dazu erwägt es insbesondere: Das Zivilgericht sei nicht daran gehindert, das Vorliegen der Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218 a StGB nachzuprüfen. Eine solche Prüfung ergebe, daß eine sogenannte medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch (§ 218 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) bei der Klägerin nicht vorgelegen habe. Bei ihr aufgetretene Ängste hätten keinen Krankheitswert gehabt. Der Vortrag der Klägerin rechtfertige auch nicht die Annahme einer Notlagenindikation gemäß § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB. Nur eine Notlage von außergewöhnlichem Gewicht könne die Indikation zum Schwangerschaftsabbruch begründen, aber nicht Belastungen, die allgemein mit einer Schwangerschaft verbunden seien, insbesondere nicht vorübergehende wirtschaftliche Engpässe, bloße Verschlechterung des Lebensstandards und dergleichen. Auf dieser Grundlage habe für die Klägerin nicht die Gefahr einer wirtschaftlichen Notlage bestanden, wie die weitere Entwicklung aufzeige. Die Klägerin habe in intakten Familienverhältnissen gelebt. Ihre Wohnverhältnisse seien beengt, aber nicht extrem schlecht gewesen. In Wahrheit habe sie sich den Belastungen einer Schwangerschaft und denen des Großziehens des Kindes nicht aussetzen wollen, weil sie »ihr freies, ungebundenes Leben sowie Berufsleben genießen wollte«. Der Beklagte könne sich auf die Nichtigkeit des Behandlungsvertrages berufen, weil nicht ersichtlich sei, daß er schon vor dem Eingriff erkannt habe oder habe erkennen müssen, daß die Voraussetzungen für einen erlaubten Schwangerschaftsabbruch bei der Klägerin tatsächlich gefehlt hätten. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung könne die Klägerin schon deswegen nicht stellen, weil der Schadenseintritt nur durch eine vom Gesetz verbotene Handlung habe verhindert werden können. Derartige wirtschaftliche Nachteile seien nicht zu ersetzen.

II.

Mit dieser Begründung hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt nicht dessen Annahme, bei der Klägerin hätten die Voraussetzungen für einen nach § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB erlaubten Schwangerschaftsabbruch nicht vorgelegen. Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten wegen Verletzung des Behandlungsvertrags über den Schwangerschaftsabbruch sind deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen.

1.

Für die Revisionsinstanz ist davon auszugehen, daß der Beklagte die Klägerin schuldhaft nicht alsbald über das Mißlingen des Schwangerschaftsabbruches und das Fortbestehen einer Schwangerschaft unterrichtet und diese so daran gehindert hat, den Schwangerschaftsabbruch alsbald erneut vornehmen zu lassen, wozu sie zu diesem Zeitpunkt entschlossen war. Das rechtfertigt, wie der Senat in seinem nach der Entscheidung des Berufungsgerichtes veröffentlichten Urteil vom 27. November 1984 - VI ZR 43/83 - = NJW 1985, S. 671 f. [BGH 27.11.1984 - VI ZR 43/83] mit Anm. Deutsch = JZ 1985, S. 331 f. mit Anm. Giesen = VersR 1985, 240 im Einzelnen ausgeführt hat, jedenfalls dann den Anspruch der Klägerin auf Ersatz für ihre Belastung mit dem Unterhalt für das Kind, dessen Geburt gerade auch zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage für die Mutter verhindert werden sollte, wenn eine sogenannte Notlagenindikation zum Schwangerschaftsabbruch i. S. von § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB vorgelegen hat. Auch das Berufungsgericht, das sich damit, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht ausführlich auseinandergesetzt hat, unterstellt mindestens, daß ein solcher Anspruch bestehen kann. Der Senat hat seinerzeit auch ausgeführt, daß der spätere Entschluß der Mutter, das Kind auszutragen - jedenfalls wenn er erst nach Ablauf der 12-Wochen-Frist des § 218 a Abs. 3 StGB gefaßt worden ist - den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vertragsverletzung durch den Beklagten und dem Schadenseintritt nicht unterbricht. Im Streitfall hat der Beklagte nicht geltend gemacht, daß die Klägerin später unabhängig von allem, was geschehen war, ein Kind haben wollte.

2.

Auch die Zivilgerichte sind, wie das Berufungsgericht im Grundsatz zu Recht ausgeführt hat, berechtigt zu prüfen, ob entsprechend den Behauptungen des beklagten Arztes tatsächlich keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch vorgelegen hat, mit der Folge, daß ein Schadensersatzanspruch der klagenden Frau wegen der Unterhaltsbelastung durch das Kind entfallen müßte. Weder die nach § 219 Abs. 1 StGB vorausgesetzte schriftliche Feststellung des hinzuzuziehenden zweiten Arztes darüber, daß die Voraussetzungen des § 218 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 StGB gegeben sind, noch die Entscheidung des den Eingriff vornehmenden Arztes zum Abbruch, die ebenfalls eine wenn auch nicht nach außen hin zu dokumentierende Feststellung der Indikation voraussetzt, sind Entscheidungen, die einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen sind. Für das Strafverfahren folgt das schon aus den Vorschriften der §§ 218 ff. StGB. Auch der Zivilrichter ist durch nichts daran gehindert, aufgrund des ihm von den Parteien unterbreiteten und von ihm festgestellten Sachverhalts das Vorliegen einer Indikation zum Schwangerschaftsabbruch zu verneinen. Eine Bindung an die Beurteilung der im Beratungsverfahren vor dem Eingriff beteiligten Institutionen und Personen, vor allem an die letztverantwortliche Entscheidung durch den Arzt, der den Abbruch vornimmt, ist nicht angeordnet und läßt sich dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht entnehmen.

Vor allem aus dem Umstand, daß in § 218 a StGB ausdrücklich auf die ärztliche Erkenntnis als Beurteilungsquelle für die Indikation zum Schwangerschaftsabbruch abgestellt wird, und zwar auch für die sogenannte Notlagenindikation im Sinne des § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB, ergeben sich indessen Grenzen für die Nachprüfbarkeit der ärztlichen Entscheidung. Diese hat das Berufungsgericht nicht richtig gesehen.

a) Soweit es um die Frage geht, ob die Voraussetzungen für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch gegeben waren, kommt es auf den Entscheidungskonflikt der schwangeren Frau im Zeitpunkt des Eingriffs an. Zu fragen ist mithin im Falle der Indikationsstellung des § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB (sog. Notlagenindikation, um die es im Streitfall geht), ob die wirtschaftlichen und sozialen Umstände der schwangeren Frau und ihre psychische und physische Verfassung insgesamt gesehen für sie die Gefahr einer Notlage schafften, die so schwer wog, daß von ihr die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden konnte, und ob diese Notlage nicht auf andere für die Schwangere zumutbare Weise abgewendet werden konnte. Der Entscheidungskonflikt der Schwangeren muß dabei ähnlich schwer sein wie in den anderen gesetzlichen Indikationsfällen (BVerfGE 39, 1, 52; zu den in der strafrechtlichen Rechtsprechung und dem Schrifttum entwickelten Kriterien, die in Einzelheiten umstritten sind, vgl. u. a. Eser und Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch 1980, S. 110 m. w. Nachw.; Eser in Schönke/Schroeder, StGB 21. Aufl. § 218 a StGB Rdn. 49 ff.; Jähnke in LK 10. Aufl. § 218 a StGB Rdn. 68 ff., jeweils m. w. Nachw.; aus ärztlicher Sicht Poettgen DÄrzt 1984, 1989 f.). Demnach müssen, wovon das Berufungsgericht im Grundsatz zutreffend ausgeht, die Belastungen der Schwangeren, die sie zum Abbruch der Schwangerschaft veranlassen, erheblich über diejenigen hinausgehen, die ohnehin mit jeder Schwangerschaft verbunden sind. Bloße wirtschaftliche Einbußen, die Befürchtung einer Verschlechterung des Lebensstandards, die Sorge, den Aufgaben als Mutter nicht gewachsen zu sein und ähnliche Beschwernisse, die im Interesse der Erhaltung und zum Schutze des werdenden Lebens der Mutter von der Gesellschaft zugemutet werden müssen, können nicht genügen. Indessen bedarf es im Einzelfall, wie nicht umstritten ist, der Abwägung, wie schwer die Schwangere betroffen ist, und dabei einer Gesamtschau aller sie belastenden Umstände.

b) Die Beurteilung, ob die genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Notlagenindikation vorliegen, hat das Gesetz dem nach §§ 218 b Abs. 1 Nr. 2, 219 Abs. 1 StGB einzuschaltenden beratenden Arzt (hier: dem Dr. K.) und dem den Abbruch vornehmenden Arzt (hier: dem Beklagten) überlassen. Neben der Beratung über die Möglichkeiten öffentlicher und privater Hilfe für die Schwangere und später für Mutter und Kind (sog. Sozialberatung), die von den dafür eingerichteten öffentlichen und privaten Beratungsstellen geleistet wird, die aber auch der beratende Arzt selbst vornehmen darf, steht im Vordergrund das Beratungsgespräch mit einem Arzt über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte des beabsichtigten Schwangerschaftsabbruches (§ 218 b Abs. 1 Nr. 2 StGB). Die schriftliche Feststellung darüber, daß die Voraussetzungen für einen Schwangerschaftsabbruch vorliegen (vgl. § 219 Abs. 1 StGB), ist das Ergebnis dieses vertraulichen Arztgespräches, bei dem es nicht nur um die wirtschaftliche und soziale Lage der Schwangeren, sondern auch um die Aufklärung der Schwangeren über die medizinischen Aspekte des Eingriffs und um die Erfassung und Bewertung der körperlichen und seelischen Belastung der Schwangeren durch die Schwangerschaft sowie um die Aussicht geht, das Kind unter den derzeit gegebenen und für die Zukunft vorauszusetzenden Umständen auszutragen und großzuziehen und dabei seinen Belangen gerecht zu werden. Weil die Erfassung und Bewertung aller dafür bedeutsamen Umstände letztlich auch bei der Notlagenindikation ärztliche Erkenntnisse und Erfahrungen verlangt, stellt § 218 a StGB ausdrücklich darauf ab, daß die Voraussetzungen für einen erlaubten Schwangerschaftsabbruch »nach ärztlicher Erkenntnis« vorliegen müssen. Nach denselben Grundsätzen hat der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch durchführt, zu beurteilen, ob eine Notlagenindikation besteht. Ihm obliegt die letzte, eigenverantwortliche Entscheidung darüber. Auf seine »ärztliche Erkenntnis« kommt es an, die er an den zum Schutze des werdenden Lebens strengen Voraussetzungen des § 218 a StGB auszurichten hat. Da die Erhebung aller relevanten Faktoren und die daraus folgende Diagnose und Prognose der Belastung der Schwangeren durch die Notlage sowie die Bewertung der Schwere ihres Entscheidungskonflikts zwangsläufig nicht durchweg objektivierbar sind, bleibt stets ein gewisser ärztlicher Beurteilungsspielraum.

Es kann letztlich nur nachgeprüft werden, ob die Indikationsstellung »nach ärztlicher Erkenntnis« in der damals gegebenen Situation vertretbar erscheint oder nicht.

c) Dem mit der zivilrechtlichen Schadensersatzklage der Mutter wegen eines fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruchs befaßten Zivilgericht wird deshalb in der Regel die eigene Sachkunde fehlen, ohne medizinische Beratung durch einen Arzt die Berechtigung der Indikationsstellung zu überprüfen. Ohne Hinzuziehung eines solchen Sachverständigen wird das Gericht nur in eindeutigen Fällen entscheiden können, etwa wenn die ärztliche Feststellung der Voraussetzungen für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch von der Schwangeren durch falsche Angaben erschlichen worden ist oder der den Abbruch vornehmende Arzt offensichtlich aus Gefälligkeit den Eingriff vorgenommen hat, obwohl die Schwangere sich in keiner sie bedrängenden Lage befand. Von derartigen eindeutigen Fallgestaltungen abgesehen stände es auch im Widerspruch zu der vom Gesetz dem Arzt übertragenen Aufgabe, wenn die Gerichte ohne genaue Kenntnis auch der medizinisch relevanten Umstände ihre Beurteilung an die Stelle der des abbrechenden Arztes setzen könnten. Der vom Gesetz besonders herausgestellten Aufgabe dieses Arztes, sich auf Grund der vorgenannten vielseitigen und erst in ihrem Zusammenwirken zutreffend erfaßten Faktoren in einer prognostischen Bewertung eigenverantwortlich eine persönliche Überzeugung über die Indikation zu bilden, wäre sonst weithin die Grundlage entzogen, wenn er nicht davor geschützt wäre, daß eine von ihm bejahte Indikation nachträglich allein aufgrund anderer Gewichtung der maßgebenden Faktoren als nicht bestehend und seine Entscheidung letztlich als rechtswidrig bewertet werden könnte. Die vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umstände im Streitfall lassen, wie unter II 3 dargelegt wird, seine Entscheidung über das Vorliegen der Notlagenindikation ex ante ohne weitere Aufklärung über die medizinisch bedeutsamen Umstände nicht zu.

d) Darüber hinaus obliegt, was das Berufungsgericht offenbar verkannt hat, im Schadensersatzprozeß die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen für einen erlaubten Schwangerschaftsabbruch nicht vorgelegen haben, dem beklagten Arzt jedenfalls dann, wenn die Schwangere entsprechend §§ 218 b, 219 StGB sich dem vorgeschriebenen Beratungs- und Prüfungsverfahren unterzogen hat. Es kann dabei offenbleiben, ob das bereits daraus folgt, daß, wer die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB geltend macht, die für diese negative Rechtsfolge erforderlichen Tatsachen vorzubringen und notfalls zu beweisen hat. Das mag deswegen hier nicht ganz zweifelsfrei sein, weil ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verboten und nur unter den in § 219 a StGB genannten Voraussetzungen straflos bleibt. Ist der Schwangeren indessen unter den Garantien des vom Gesetz dafür vorgeschriebenen Verfahrens eine Indikation zum Abbruch ärztlich attestiert worden, dann spricht jedenfalls die Vermutung dafür, daß die gesetzlichen Voraussetzungen dafür bei ihr auch tatsächlich gegeben waren. Die Indikationsstellung ist nämlich das Ergebnis der aus den Gesprächen mit der Schwangeren gewonnenen ärztlichen Erkenntnis. Auf deren Richtigkeit darf und muß zunächst vertraut werden, mögen in der Praxis zuweilen auch Gefälligkeitsabtreibungen vorgenommen werden. Alle äußeren Anzeichen sprechen im Streitfall jedenfalls zunächst für einen strafrechtlich erlaubten Schwangerschaftsabbruch, um so mehr, als auch der als beratender Arzt eingeschaltete Dr. K. die Notlagenindikation bejaht hat. Darüber hinaus verhielte sich der Arzt, der den mißlungenen Eingriff vorgenommen hat, widersprüchlich, wenn er nunmehr im Schadensersatzprozeß von der Schwangeren den Nachweis fordern wollte, daß die tatsächlichen Umstände die Bejahung einer Abbruchsindikation erlaubten; denn ohne sich nach diesen Umständen erkundigt zu haben und ohne sie für ausreichend gehalten zu haben, hätte er den Eingriff nicht vornehmen dürfen, sich vielmehr strafbar gemacht. Ihm, der die zur Beurteilung der Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruches erforderlichen Umstände über den beratenden Arztkollegen und von der Schwangeren selbst erfahren hat oder jedenfalls hätte erforschen müssen, ist es auch durchaus zuzumuten, im einzelnen darzulegen, warum nach seiner jetzigen, besseren Erkenntnis die Schwangerschaft nicht hätte abgebrochen werden dürfen.

3.

Im Streitfall tragen die Feststellungen des Berufungsgerichtes unter den dargelegten rechtlichen Gesichtspunkten nicht seine Entscheidung, es habe zur Zeit des vom beklagten Arzt vorgenommenen Eingriffs zum Zwecke des Schwangerschaftsabbruchs keine Notlagenindikation im Sinne des § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB bestanden (von der weiteren Darstellung wird abgesehen).

III.

Jedenfalls soweit die Unterhaltsbelastung der Klägerin in der auf die ersten sechs Monate nach der Geburt des Kindes folgenden Zeit in Frage steht, erweist sich indessen die Abweisung der Klageforderungen aus anderen Gründen als richtig; insoweit ist die Revision der Klägerin im Ergebnis unbegründet und zurückzuweisen (§ 563 ZPO).

1. Auch im Falle eines mißlungenen Schwangerschaftsabbruches, dem eine Notlagenindikation nach § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB zugrunde liegt, besteht ein ersatzfähiger Unterhaltsschaden der Mutter des Kindes nur dann, wenn sich die Gefahr, der mit dem straffreien Abbruch begegnet werden sollte und durfte, auch tatsächlich verwirklicht hat (vgl. für die Abbruchsindikation des § 218 a Abs. 2 Nr. 1 StGB die Senatsurteile BGHZ 86, 240, 248 - Rötelninfektion der Mutter - und BGHZ 89, 95, 105 f. - mongoloides Kind -).

a) Gegenstand der Beratung der Klägerin durch den Beklagten und des von den Parteien des Rechtsstreits abgeschlossenen Behandlungsvertrages über den Abbruch der Schwangerschaft war die Beseitigung einer vor allem für die Zukunft befürchteten schwerwiegenden Notlage der Klägerin im Sinne von § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB. Dabei ging es darum, der Mutter die mit dem Austragen und Haben des Kindes verbundenen Belastungen zu ersparen. Im Streitfall gehörte zu diesen Belastungen, die es abzuwenden galt, auch der Unterhaltsaufwand für das erwartete Kind. Wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits ausgesprochen hat, wird diese wirtschaftliche Seite deshalb grundsätzlich von dem Schutzzweck des Arztvertrages mitumfaßt mit der Folge, daß der Arzt, durch dessen Verschulden der Schwangerschaftsabbruch mißlingt, auch für solche Belastungen schadensrechtlich einzustehen hat (Senatsurteil vom 27. November 1984 - VI ZR 243/83 - NJW 1985, 671 [BGH 27.11.1984 - VI ZR 43/83] = VersR 1985, 240). Der Schutzumfang des Vertrages wird indessen durch seinen Zweck, im Rahmen des gesetzlich Erlaubten von der Mutter eine schwerwiegende Notlage abzuwenden, gleichzeitig begrenzt. Auch im Falle der Notlagenindikation hat der Arzt die Schwangere nur vor dem zu bewahren, was es ihr nach der Rechtsordnung unzumutbar machen kann, ihr Kind auszutragen. Stellt sich nach der Geburt des zunächst nicht gewollten Kindes heraus, daß die ungünstige Prognose, die die Grundlage für die Indikationsstellung war, sich nicht bewahrheitet hat, die Belastungen der Mutter durch das Haben des Kindes vielmehr nicht über das hinausgehen, was die Rechtsordnung im Interesse des Lebens des Kindes jeder Mutter zumutet, dann ist aus dem Fehlverhalten des Arztes kein von ihm abzunehmender Schaden der Mutter entstanden. Die Unterhaltsbelastungen, die mit der Geburt und dem Großziehen des Kindes verbunden sind, hatte der Arzt aus der Sicht im Zeitpunkt des Eingriffes nur insoweit zu verhindern, als sie im Blick auf die strengen Indikationsvoraussetzungen des § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB der Mutter, die sich zum Abbruch der Schwangerschaft entschlossen hatte, gegen ihren Willen nicht zugemutet werden konnten. Nur soweit diejenigen tatsächlichen Umstände auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, die die ungünstige Prognose rechtfertigen konnten, auch tatsächlich eingetreten sind, ist ein Ausgleich der für die Mutter nur schwer tragbaren Belastung mit den Unterhaltsaufwendungen für das Kind durch den Arzt, der sie davor zu bewahren hatte, geschuldet. Für mehr hat er nicht einzustehen.

Soweit es um die körperliche und seelische Belastung der Schwangeren im Zeitpunkt der Indikationsstellung geht, wird die Konfliktlage sich allerdings nachträglich nur schwer rekonstruieren und beurteilen lassen. Insbesondere verbietet es sich, für die Beurteilung, ob sich das Schadensersatzverlangen noch im Schutzbereich der den Schwangerschaftsabbruch gestattenden und dem Arztvertrag zugrundegelegten Ziele hält, die Konfliktlage, wie sie sich nach der Geburt des Kindes entwickelt hat, dahin zu überprüfen, ob und inwieweit, wäre diese spätere Entwicklung von den Ärzten zugrundezulegen gewesen, sie im damaligen Zeitpunkt zu einer Notlagenindikation hätte führen können und dürfen. Eine derartige »Indikationsstellung« wäre nicht nur zwangsläufig fiktiv und weitgehend spekulativ. Sie wäre auch deshalb ein unzutreffender Anhaltspunkt, weil es in diesem Zusammenhang nicht um eine zusätzliche Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruches als solchen gewissermaßen aus »nachgeburtlicher« Sicht, sondern nur um die Ermittlung und Eingrenzung der wirtschaftlichen Interessen geht, die zu schützen der beklagte Arzt insoweit mit dem Schwangerschaftsabbruch aus Notlagenindikation vertraglich übernommen hat. Dafür ist der Maßstab des § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB nur insoweit von Bedeutung, als zu beurteilen ist, ob die wirtschaftlichen und sozialen Belastungen, wie sie sich mit der Geburt des Kindes im konkreten Fall für die Mutter eingestellt haben, nach Art und Schwere von dem mit dem Schwangerschaftsabbruch aus Notlagenindikation verfolgten Schutzzweck umfaßt werden. Daran kann es fehlen, wenn sich die objektivierbaren wirtschaftlichen und sozialen Faktoren entgegen den Befürchtungen der Schwangeren und den Annahmen des Arztes in einer ins Gewicht fallenden Weise günstiger als vorgesehen entwickelt haben. Ist das der Fall, dann kann aus nachträglicher Sicht festgestellt werden, daß die Schwangere seinerzeit durch einen Abbruch der Schwangerschaft nicht vor untragbaren Belastungen gerade durch den Unterhalt des Kindes geschützt zu werden brauchte. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Arzt, der das Mißlingen des Abbruches zu verantworten hat, steht ihr dann nur für den Zeitraum zu, in dem sich diejenigen Belastungen, die noch im Schutzbereich des Behandlungsvertrags auf Abbruch der Schwangerschaft liegen, verwirklicht haben. Darüber hinaus kann kein Schadensersatz verlangt werden.

b) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz, seitdem sie nach ihrem eigenen Vorbringen entgegen den bei der Indikationsstellung zugrundegelegten in für sie erträglichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen lebt, die auch eine Belastung mit Unterhaltsleistungen für ihr Kind für sie ebenso wie für andere Mütter zumutbar erscheinen lassen. Dieser Zustand ist spätestens ein halbes Jahr nach der Geburt des Kindes der Klägerin eingetreten (von der weiteren Darstellung wird abgesehen).