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BVerfG, 23.07.1963 - 1 BvL 1/61, 1 BvL 4/61

Daten
Fall: 
Leitende Krankenhausärzte
Fundstellen: 
BVerfGE 16, 286; NJW 1963, 1667; MDR 1963, 903; DVBl 1964, 46; DÖV 1964, 463
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
23.07.1963
Aktenzeichen: 
1 BvL 1/61, 1 BvL 4/61
Entscheidungstyp: 
Urteil

Aus Art. 12 Abs. 1 GG läßt sich ein Rechtsanspruch der leitenden Krankenhausärzte auf Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung nicht herleiten.

Beschluß

des Ersten Senats vom 23. Juli 1963
-- 1 BvL 1, 4/61 --
in den Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 368 a Absatz 8 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 (Bundesgesetzbl. I S. 513) -- 1. Vorlagebeschluß des Bundessozialgerichts vom 24. November 1960 -- 6 RKa 22/60 -- 2. Vorlagebeschluß des Sozialgerichts Schleswig vom 21. Dezember 1960 -- S 14 -- Ka 29/58.

Entscheidungsformel:

  1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
  2. § 368 a Absatz 8 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 (Bundesgesetzbl. I S. 513) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

I.

In der sozialen Krankenversicherung ist die ambulante Behandlung der Versicherten in erster Linie den freipraktizierenden Ärzten vorbehalten. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß der Kassenarzt den Kassenmitgliedern grundsätzlich voll zur Verfügung stehen müsse. § 20 Abs. 1 der Zulassungsordnung für Ärzte (ZO) vom 28. Mai 1957 (BGBl. I S. 572) bestimmt daher:

Für die Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit ist nicht geeignet ein Arzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen anderer nicht ehrenamtlicher Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht.

Damit sind die Chefärzte (Leiter der Krankenhäuser oder ihrer selbständigen Fachabteilungen) in aller Regel von der "Zulassung" zu den Krankenkassen ausgeschlossen.

Um die besonderen Erfahrungen von Chefärzten und die ihnen in den Krankenhäusern zur Verfügung stehenden Einrichtungen den Kassenmitgliedern auch dann zugute kommen zu lassen, wenn sie nicht ins Krankenhaus eingeliefert, sondern ambulant behandelt werden, hat der Gesetzgeber die "Beteiligung" geschaffen. § 368 a Abs. 8 Reichsversicherungsordnung (RVO) bestimmt hierzu:

Die angestellten oder im Beamtenverhältnis stehenden leitenden Krankenhausärzte (Chefärzte und Leiter selbständiger Fachabteilungen) sind vom Zulassungsausschuß auf ihren Antrag hin für die Dauer ihrer Tätigkeit an dem Krankenhause an der kassenärztlichen Versorgung auf Überweisung durch Kassenärzte zu beteiligen, sofern eine Beteiligung notwendig ist, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Voraussetzung für die Beteiligung ist die Eintragung des Krankenhausarztes in das Arztregister. Für die Dauer und den Umfang ihrer Beteiligung haben diese Ärzte die Rechte und Pflichten der Kassenärzte.

Der beteiligte Chefarzt kann also vom Kassenpatienten nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden, sondern nur dann, wenn der Kassenarzt die Überweisung vorgenommen hat. Dabei ist die Beteiligung gemäß § 29 ZO auf gewisse Leistungen beschränkt, und zwar auf Untersuchungen zum Zwecke der Krankheitserkennung, konsiliarische Beratung des Kassenarztes bei der Behandlung, Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und -- im Einvernehmen mit dem Kassenarzt -- ambulante Nachbehandlung nach Krankenhausaufenthalt.

Der Chefarzt ist an den Überweisungsauftrag des Kassenarztes gebunden und muß sich bei seiner Tätigkeit im Rahmen dieses Auftrages halten.

"Beteiligt" werden nicht das Krankenhaus oder seine Abteilungen, sondern der Chefarzt persönlich. Dementsprechend erhält er seine Vergütung unmittelbar von der Kassenärztlichen Vereinigung. Allerdings gilt seine Beteiligung nur für die Dauer seiner Tätigkeit am Krankenhaus und erlischt mit dem Anstellungsverhältnis. Die Beteiligung hat subsidiären Charakter; sie soll eine Lücke schließen und tritt daher nur ein, wenn sie notwendig ist, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Beteiligung liegt nicht im Ermessen des Zulassungsausschusses. Ob sie notwendig ist, ist Tatfrage. Ist die Notwendigkeit zu bejahen, dann hat der Chefarzt einen (gegebenenfalls einklagbaren) Anspruch auf Beteiligung. Umgekehrt kann diese vom Zulassungsausschuß zurückgenommen werden, wenn ihre Voraussetzungen fortfallen, z.B. eine Notwendigkeit für die Heranziehung des Chefarztes nicht mehr besteht, weil sich am gleichen Ort Kassenfachärzte desselben Fachs neu niedergelassen haben.

Auch ohne Beteiligung von Chefärzten können die besonderen Einrichtungen eines Krankenhauses für die Kassenpraxis dadurch nutzbar gemacht werden, daß auf Grund besonderer Vereinbarung zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenhausträger gemäß § 368 n Abs. 2 Satz 2 RVO das Krankenhaus auf Anforderung von Kassenärzten besondere ärztliche Sachleistungen ausführt, die dann außerhalb der Gesamtvergütung unmittelbar zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Krankenhausträger verrechnet werden.

II.

1.

Das Bundessozialgericht hat durch Beschluß vom 24. November 1960 ein Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 (BGBl. I S. 513) mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ein Chefarzt (im folgenden als Kläger bezeichnet) war vom Zulassungsausschuß an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt worden. Auf Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung hob der Berufungsausschuß den Beschluß auf und wies den Beteiligungsantrag ab, weil der Kläger nicht in der Lage sei, die überwiesenen Patienten persönlich zu betreuen. Das Sozialgericht verpflichtete den Berufungsausschuß, den Kläger wenigstens teilweise zu beteiligen. Das Landessozialgericht wies die Berufung des Klägers zurück; auf die Berufung der Kassenärztlichen Vereinigung wies es die Klage in vollem Umfange ab, da ein Bedürfnis für die Beteiligung des Klägers nicht bestehe. Mit der Revision rügte der Kläger neben der Verletzung materiellen Rechts, daß das Landessozialgericht eine Reihe wesentlicher Stellungnahmen von Sachverständigen, Ärzten, der Kassenärztlichen Vereinigung und Verbänden der Krankenkassen unberücksichtigt gelassen und damit gegen die Verpflichtung verstoßen habe, sich seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung zu bilden (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -- SGG). Es habe ferner seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 103 SGG), da es wegen der ärztlich-medizinischen Fragen nur mit Hilfe eines Sachverständigen hätte entscheiden dürfen.

Das Bundessozialgericht hält § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG und daher für nichtig. Es möchte deshalb ohne Prüfung der Verfahrensrügen der Klage stattgeben. Müßte es dagegen von der Gültigkeit der Bestimmung ausgehen, dann würde es die gerügten Verfahrensmängel prüfen und, falls eine der Rügen durchgreift, zurückverweisen, andernfalls die Revision als unbegründet zurückweisen.

Das Bundessozialgericht geht davon aus, daß § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO nicht schon von der Feststellungswirkung des "Kassenarzt-Urteils" erfaßt werde. Die Gleichbehandlung der Ärzte gebiete jedoch, die Grundgedanken dieses Urteils auch hier anzuwenden. Für die freiberufliche Tätigkeit des Chefarztes gelte Art. 12 Abs. 1 GG uneingeschränkt. Sie gehöre typisch zu seinem Berufsbild, da sich seine Tätigkeit nicht in der stationären Behandlung der Krankenhauspatienten erschöpfe. Zum Bereich seiner freiberuflichen Betätigung gehörten auch die ärztlichen Leistungen, die er auf Grund der Beteiligung erbringe. Sie seien so bedeutsam, daß die Verfassungsgrundsätze über die Beschränkung der Berufsfreiheit freipraktizierender Ärzte Anwendung finden müßten.

Freilich bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen Beteiligung und Zulassung. Die Regelung der Beteiligung beschränke nicht wie die Verhältniszahl bei der Zulassung zugleich die Freiheit der Berufs wahl ; sie sei eine einfache Regelung der Berufsausübung, da der Beruf des Chefarztes ohne Beteiligung ausgeübt werden könne. Beschränkungen der Beteiligung seien daher zulässig, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen ließen. Aber selbst diesen bescheidenen Anforderungen genüge § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO nicht. Es seien keine Gründe des Gemeinwohls für die Beschränkung der Beteiligung ersichtlich, vielmehr liege die Beteiligung gerade im Interesse der Allgemeinheit. Die Mitwirkung der regelmäßig besonders qualifizierten Chefärzte bei schwierigen Behandlungen von Versicherten sei erwünscht und oft notwendig, selbst wenn eine ausreichende Zahl anderer Fachärzte zur Verfügung stehe. Von besonderer Bedeutung sei, daß der Chefarzt durch die Form der Beteiligung ohnehin in der Behandlung von Kassenpatienten beschränkt sei, weil er nur auf Überweisung und nur in deren Umfang tätig werde. Wenn schon die Bedürfnisfrage überhaupt gestellt werden dürfe, dann allenfalls bei der Vollzulassung der Krankenhausärzte zu den Kassen, keinesfalls aber bei der ohnehin beschränkten Behandlung auf Überweisung durch Kassenärzte, die gerade das besondere Können und die spezifischen Möglichkeiten des Chefarztes in Anspruch nehmen wollten. Damit sei auch den Interessen der freipraktizierenden Kassenärzte in vollem Umfang Rechnung getragen. Sie seien sicher ungleich stärker als die Chefärzte auf die Einnahmen aus der kassenärztlichen Praxis angewiesen, auch habe die Allgemeinheit ein Interesse an einem freiberuflichen wirtschaftlich ausreichend gesicherten Ärztestand. Es könne jedoch keine Rede davon sein, daß durch die Beteiligung der Chefärzte eine Gefährdung der Existenz der freipraktizierenden Ärzte eintrete.

Schließlich sei auch die Befürchtung unbegründet, die Chefärzte könnten im Falle der Beteiligung ihrer Hauptaufgabe als Krankenhausarzt nicht mehr in genügendem Umfang nachkommen. Die freie Praxis auch im Rahmen der Beteiligung sei Nebentätigkeit, die nur insoweit ausgeübt werden dürfe, als die Krankenhausarbeit dafür Zeit lasse. Eine hierfür erteilte Erlaubnis könne jederzeit aus triftigen Gründen widerrufen werden. Mißbräuchen müßte gegebenenfalls durch vertragliche Regelung begegnet werden. Einer Einschränkung des Grundrechts durch den Gesetzgeber bedürfe es nicht.

2.

Das Sozialgericht Schleswig hat durch Beschluß vom 21. Dezember 1960 ein Verfahren wegen Widerrufs einer Beteiligung infolge Fortfalls der Notwendigkeit ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit von § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO mit dem Grundgesetz erbeten. Das Sozialgericht hält die Bestimmung für verfassungswidrig. Sie sei auch als Beschränkung der Berufsausübung nur statthaft, wenn sie durch vorrangige Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt werde; solche Interessen lägen nicht vor.

3.

Die Kläger der Ausgangsverfahren vertreten die Auffassung, daß § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO von der Nichtigkeit des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO unmittelbar erfaßt werde. Dies ergebe sich aus dem engen Zusammenhang von Zulassung und Beteiligung. Im Rahmen der Beteiligung sei der Chefarzt freipraktizierender Arzt wie jeder Kassenarzt und habe die gleichen Rechte und Pflichten. § 368 a Abs. 1 und 8 RVO seien voneinander abhängig und korrespondierten miteinander. Die Beteiligung sei zudem nur mit Rücksicht auf die Einschränkung der Zulassung geschaffen worden. Diese innere Rechtfertigung sei jetzt entfallen.

Auch wenn § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1960 nicht unmittelbar erfaßt werde, sei er wegen Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG für nichtig zu erklären. Zwischen stationärer und ambulanter Tätigkeit des Chefarztes bestehe nur ein äußerlicher Zusammenhang. Er übe zwei verschiedene Berufe aus, den des angestellten Krankenhausarztes und den des freiberuflichen Arztes. Der Antrag auf Beteiligung sei also ein Akt der Berufswahl. Das gleiche ergebe sich, wenn man beide Tätigkeiten als Funktionen eines einzigen Berufes ansehe, denn auch der Wechsel und der Ausbau eines Berufes durch Hinzunahme weiterer Tätigkeiten werde von Art. 12 Abs. 1 GG als Berufswahl geschützt (vgl. BVerwGE 4, 167). Für eine Beschränkung der Berufswahl gebe es aber keine zureichenden Gründe. Nehme man aber eine bloße Beschränkung der Berufsausübung an, so liege hier einer der Fälle vor, in denen sie einer Beschränkung der Berufswahl nahekomme, weil die ärztliche Betätigungsfreiheit übermäßig eingeengt werde.

Ein von den Klägern überreichtes Gutachten von Professor Dr. Küchenhoff kommt zu dem Ergebnis, daß der Chefarzt nur einen Beruf ausübe und die Beteiligung kein Akt der Berufswahl sei. Der nach Beteiligung strebende Chefarzt wolle nicht nur seine Arbeitskraft voll ausnützen, sondern auch alle Möglichkeiten ärztlicher Erfahrung nützen und den Sinn seiner Existenz durch Hilfe für die leidende Menschheit voll erfüllen. Dieses Streben nach einer umfassenden Berufsausübung komme für den Schutzgedanken des Art. 12 Abs. 1 GG einer Berufswahl nahe und seine Einschränkung sei hiermit nur vereinbar, wenn sie aus Gründen des Gemeinwohls unbedingt erforderlich sei. Dies sei aber nicht der Fall.

4.

Die in den Ausgangsverfahren beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen sind der Meinung, § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO werde vom Kassenarzt-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht betroffen. Die verschiedene Lage des freipraktizierenden Kassenarztes und des Chefarztes rechtfertige die hier getroffene Regelung der Berufsausübung.

5.

Die Bundesregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen.

III.

1.

Die Vorlage des Bundessozialgerichts ist zulässig. Für die Entscheidung, die das Bundessozialgericht zu treffen hat, kommt es auf die Gültigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm an. Ist sie gültig, so wird das Bundessozialgericht auf die formellen Revisionsrügen eingehen und, wenn es eine von ihnen für begründet hält, die Sache an das Landessozialgericht zurückverweisen, andernfalls -- d. h. wenn diese Rügen unbegründet sind -- wird es die Norm anwenden und die Revision zurückweisen. Im Falle der Ungültigkeit der Norm dagegen will es der Revision stattgeben und im Ergebnis zugunsten des Klägers entscheiden.

2.

Gegen die Zulässigkeit der Vorlage des Sozialgerichts Schleswig bestehen keine Bedenken.

IV.

1.

Das Bundessozialgericht nimmt zutreffend an, daß § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO nicht schon deshalb nichtig ist, weil er von der Feststellungswirkung des Kassenarzt-Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1960 erfaßt werde. Jenes Urteil räumt nur dem freipraktizierenden Arzt einen Rechtsanspruch auf Zulassung ein. § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO wurde, soweit er sich auf Ärzte bezieht, für nichtig erklärt, weil er die Zulassung "niedergelassener" Ärzte zu den RVO-Kassen von einer Verhältniszahl abhängig machte. In der Begründung sind ferner alle Vorschriften für gegenstandslos erklärt worden, die dem Vollzug des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO in seiner verfassungswidrigen Funktion als Mittel der Zulassungsbeschränkung dienen. § 368 a Abs. 8 RVO gehört dazu nicht.

Wegen ihres subsidiären Charakters und ihres geringeren Umfangs war die Beteiligung von Anfang an von einer Verhältniszahl unabhängig. Sie ist nicht an einen Kassenarztsitz gebunden. Die beteiligten Ärzte wurden bei Ermittlung der Verhältniszahl nicht eingerechnet. Die Beteiligung selbst erfolgte ohne Rücksicht auf die Zahl der bereits zugelassenen und der beteiligten Ärzte. Sie hat also mit der Verhältniszahl, die im Kassenarzt-Urteil für verfassungswidrig erklärt wurde, nichts zu tun. § 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO dient daher nicht dem Vollzug des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO. Ob er mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar ist, muß selbständig geprüft und entschieden werden.

2.

Die Kläger meinen, ein Chefarzt, der neben der Krankenhaustätigkeit Privatpraxis betreibe, übe zwei Berufe nebeneinander aus; der Antrag auf Beteiligung sei ein Akt der Berufswahl. Er dürfe nur abgelehnt werden, wenn dringende Interessen des Gemeinwohls es erforderten. Dies trifft jedoch nicht zu.

a) Schon die Auffassung, der Chefarzt übe im Hinblick auf seine Privatpraxis zwei verschiedene Berufe aus, begegnet erheblichen Bedenken. Dem Chefarzt wird in der Regel vom Krankenhausträger die Befugnis belassen, eine Privatpraxis zu betreiben, soweit hierdurch seine Krankenhaustätigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. die zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Verband der Leitenden Krankenhausärzte vereinbarten "Grundsätze für die Gestaltung von Verträgen zwischen Krankenhausträgern und leitenden Abteilungsärzten (Chefärzten)", abgedruckt in "Der Krankenhausarzt", 1957 S. 89). Der Vorlagebeschluß des Bundessozialgerichts bezeichnet diese Privatpraxis als typisch für das Berufsbild des Chefarztes. Sie als freiberuflich zu bezeichnen ist jedoch irreführend. Zum Wesen des freien Berufes gehört die Unabhängigkeit in der gesamten Berufsgestaltung: der Angehörige eines freien Berufes hat die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, kann insbesondere seine Arbeitszeit frei einteilen, er trägt aber auch das volle wirtschaftliche Berufsrisiko. Diese Merkmale treffen beim freipraktizierenden Arzt zu. Er leistet keine "abhängige Arbeit". Der Chefarzt dagegen ist angestellter Arzt und dadurch weitgehend gebunden. Wenn er auch bei seinen ärztlichen Entscheidungen keinen Weisungen unterliegt, so hat er doch seine Arbeitskraft in erster Linie der stationären Behandlung der Krankenhauspatienten zu widmen. Dadurch wird seine Arbeitszeit im wesentlichen in Anspruch genommen, auch wenn er sie im einzelnen frei einteilen kann. Seine Privatpatienten darf er nur ausnahmsweise außerhalb des Krankenhauses behandeln. Im Regelfall stellt ihm auch für diesen Teil seiner Tätigkeit das Krankenhaus die Praxisräume, das Personal und die erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung. Das Krankenhaus hat auch ein finanzielles Interesse an der Privatpraxis des Chefarztes, da er für die Benutzung von Räumen, Personal und Einrichtungen einen Teil seines Honorars abführen muß. Im Anstellungsvertrag wird deshalb der Chefarzt regelmäßig verpflichtet, für die Privatpraxis Einrichtungen und Personal des Krankenhauses zu verwenden. So gesehen, stellt sich die Privatpraxis des Chefarztes nicht als selbständige, freiberufliche Tätigkeit, sondern als Nebenfunktion der Krankenhaustätigkeit dar, zumal auch das Berufsrisiko praktisch ausgeschaltet ist, da der Chefarzt die Unkosten für Praxisräume, Hilfspersonal und Einrichtung nicht selbst aufzubringen braucht. Seine Existenz ist durch die Vergütung für die stationäre Behandlung der Krankenhauspatienten gesichert.

b) Einer abschließenden Prüfung der Frage, ob der Privatpraxis betreibende Chefarzt nur einen oder zwei Berufe ausübe, bedarf es jedoch nicht, denn keinesfalls wäre die auf Grund der Beteiligung ausgeübte Tätigkeit (ambulante Behandlung von Kassenpatienten) ein zusätzlicher dritter Beruf. Sie hat, wenn auch dem Umfang nach beschränkt, die gleichen Tätigkeiten zum Inhalt wie die Privatpraxis: Diagnose, Anwendung besonderer Behandlungsmethoden und Nachbehandlung nach Krankenhausaufenthalt. Dazu tritt die konsiliarische Beratung des behandelnden Kassenarztes. Sie gehört zum ambulanten Tätigkeitsbereich und damit zur Privatpraxis des Chefarztes. Das Entgelt wird ihm unmittelbar von der Kassenärztlichen Vereinigung aus der Gesamtvergütung bezahlt. Selbst wenn man annimmt, daß der Chefarzt mit Privatpraxis zwei verschiedene Berufe ausübe, ist die Beteiligung als Erweiterung seiner Privatpraxis nur die Ausdehnung eines bereits ausgeübten Berufes.

c) Damit ist auch die Auffassung der Kläger unvereinbar, die Beteiligung sei als Ausbau des Chefarztberufes der Berufswahl zuzurechnen. Eine Berufswahl trifft der Arzt jedenfalls bereits mit der Entscheidung, ob er seinen Beruf in freier Praxis oder im Anstellungsverhältnis zu einem Krankenhaus ausüben will. Die Erweiterung der Berufstätigkeit ist im allgemeinen nicht als Berufswahl anzusehen, sie ist ein Vorgang, der sich innerhalb der Berufsausübung abspielt. So hat das Bundesverfassungsgericht das Apothekenmonopol für Arzneifertigwaren u. a. damit gerechtfertigt, daß für den Drogisten der Verkauf von Arzneifertigwaren nur Nebentätigkeit seines Drogistenberufs sei (vgl. BVerfGE 9, 73). Ebenso ist angenommen worden, daß das Verhandeln vor Gericht für den Prozeßagenten kein eigener Beruf, sondern die Erweiterung seiner Berufstätigkeit als Rechtsbeistand sei und § 157 Abs. 3 ZPO deshalb keinen Eingriff in die Berufswahl, sondern nur eine Regelung der Berufsausübung enthalte (BVerfGE 10, 185). Das Kassenarzt-Urteil schließlich hat die Tätigkeit des Kassenarztes nicht als besonderen Beruf, sondern als Ausübungsform des Berufs eines freipraktizierenden Arztes angesehen und die Zulassung zur Kassenpraxis als Berufsausübungsregelung aufgefaßt (BVerfGE 11, 30). Nicht anders liegt es hier. Dem steht nicht entgegen, daß im Beschluß vom 17. Dezember 1958 (BVerfGE 9, 39) die Hinzunahme des Vertriebs von loser Milch auch für denjenigen, der bereits andere Milcherzeugnisse vertreibt, nicht als Erweiterung des Warensortiments, sondern als Wahl eines zweiten Berufes gewertet worden ist; hier hatte der Gesetzgeber durch besondere Zulassungsvoraussetzungen den Handel mit loser Milch zu einem Sonderberuf ausgestaltet.

3.

Die Vorschriften über die Beteiligung stellen also eine Berufsausübungsregelung dar. Im Gegensatz zur Kassenzulassung der freien Ärzte greift sie nicht so stark in die Berufausübung der Chefärzte ein, daß sie die Berufswahl beeinträchtigte. Der Schwerpunkt der Berufstätigkeit des Chefarztes liegt in der stationären Behandlung der in das Krankenhaus eingelieferten Patienten. Hier erfüllt er bereits seinen "Existenzsinn". Privatpraxis und Ambulanz im Rahmen der Beteiligung sind im Verhältnis zum eigentlichen Beruf des Chefarztes nur Nebentätigkeiten. Ein Vergleich mit der Situation des nicht zu den Kassen zugelassenen freien Arztes ist deshalb nicht zulässig. Bei ihm kommt in der Tat die Regelung der Berufsausübung einer Beschränkung der Berufswahl nahe, weil der freie Arzt seinen Beruf ohne Kassenzulassung nicht sinnvoll und erfolgreich ausüben kann. Der Chefarzt dagegen ist als solcher auch finanziell gesichert.

Die Beschränkung der Beteiligung ist also lediglich eine Regelung der Berufsausübung und deshalb bereits zulässig, wenn sich vernünftige Gründe des Gemeinwohls dafür finden lassen. Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sind ausreichend, wenn die Regelung für die Betroffenen zumutbar und nicht übermäßig belastend ist (vgl. BVerfGE 7, 377 [406]).

4.

Wenn allerdings die Chefärzte aus Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf volle Zulassung geltend machen könnten, dann könnte ein Anspruch auf bloße Beteiligung schwerlich verneint werden. Während der "freie" Arzt nach dem Kassenarzt-Urteil einen Anspruch auf Zulassung zu den RVO-Kassen besitzt, hat der Gesetzgeber den Chefarzt für den Regelfall hiervon ausgeschlossen. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der Gesamtregelung. Bereits § 368 a Abs. 8 RVO deutet darauf hin, daß eine Zulassung für Chefärzte im allgemeinen nicht in Frage kommt, daß sie vielmehr in der Regel nur in der Form der Beteiligung zur Behandlung von Kassenmitgliedern zugelassen werden können. § 20 Abs. 1 ZO bestimmt dann eindeutig, daß ein Arzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses den Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht, für die Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ist. Diese Bestimmung betrifft vor allem die Chefärzte, die hiernach regelmäßig "nicht geeignet" und von der Zulassung als Kassenarzt ausgeschlossen sind.

Diese Regelung ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Kassenarzt-Urteil stellt ausdrücklich auf den freipraktizierenden Arzt ab, der das ganze wirtschaftliche Risiko seines Berufes selbst trägt, dem die Kassenärztliche Vereinigung weder die Sorge um die Existenz noch um die Alterssicherung abnimmt. Es beruht darauf, daß die Tätigkeit des Kassenarztes auch im Rahmen der Kassenzulassung freiberuflich bleibt, ja, daß das Kassenarztsystem geradezu auf dem Arztberuf als einem freien Beruf aufbaut. Da die Kassenzulassung nicht die Zulassung zu einem besonderen Beruf "Kassenarzt", sondern eine Regelung innerhalb der Berufssphäre des einheitlichen Berufs "freipraktizierender Arzt" ist, stellt sie eine Berufsausübungsregelung dar. Die Zulassung zu den Kassen ist von solcher Bedeutung, daß regelmäßig erst sie dem freiberuflichen Arzt die Verwirklichung seines Berufes ermöglicht. Dies trifft auf den Chefarzt in der Regel nicht zu. Zur Verwirklichung seines Berufes ist seine Zulassung zu den Kassen nicht erforderlich.

Auf der anderen Seite können die Krankenkassen die ärztliche Versorgung ihrer Mitglieder nur mit Hilfe einer großen Zahl von Ärzten sicherstellen, die sich dieser Aufgabe wenigstens mit dem überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft widmen. Die Kassen brauchen sich nicht darauf einzulassen, daß der zugelassene Arzt die Kassenpatienten nur nebenbei behandelt, so daß es von seiner sonstigen Beanspruchung im Einzelfall abhängt, in welchem Umfang er Zeit und Kraft in den Dienst der Kassenpatienten stellt. Eine Berufsausübungsregelung, die vom Arzt verlangt, daß er sich der ärztlichen Versorgung der Kassenmitglieder in vollem Maße widmet, und also solche Ärzte von der Zulassung ausschließt, die "nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung stehen", ist hiernach sachgemäß und im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden.

5.

Aus diesen Gründen besteht auch kein uneingeschränkter Anspruch der Chefärzte auf Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung. Es handelt sich um eine Regelung der Berufsausübung. Hierbei vermag jeder sachliche Grund eine Begrenzung zu rechtfertigen.

Der Schwerpunkt der kassenärztlichen Versorgung im Sinne des § 368 Abs. 2 RVO liegt in der ambulanten ärztlichen Behandlung. Demgegenüber ist die stationäre ärztliche Betreuung im Rahmen der Krankenhauspflege die Ausnahme. Sie muß in jedem Fall vom behandelnden Kassenarzt angeordnet werden. Die ambulante ärztliche Versorgung verlangt ein engeres Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Sie "setzt ihrer Natur nach schon voraus, daß der Arzt für diese Tätigkeit voll und uneingeschränkt zur Verfügung steht und nicht durch andere Aufgaben in der vollverantwortlichen Ausübung dieser Tätigkeit behindert ist" (Heß/Venter, Das Gesetz über Kassenarztrecht, Anm. VII Ziff. 1 zu § 368 a RVO). Das Rechtsverhältnis des freien Arztes zum Patienten -- auch zum Kassenpatienten -- ist ein Dienstverhältnis höchstpersönlicher Natur. Der Grundsatz des § 613 BGB, wonach der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste im Zweifel in Person zu leisten hat, ist für den zugelassenen Kassenarzt durch die Zulassungsordnung dahin präzisiert: "Der Kassenarzt hat die kassenärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben" (§ 32 Abs. 1 Satz 1). Deshalb darf er Assistenten nur zu Ausbildungszwecken beschäftigen; ihre Einstellung bedarf der Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung. Auch die Heranziehung von Vertretern oder Assistenten zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung bedarf solcher Zustimmung. Die Dauer der Beschäftigung ist zu befristen; sie darf nicht der Vergrößerung der Praxis oder Erhaltung eines übermäßigen Praxisumfanges dienen (§ 32 Abs. 3). Die rechtliche Ordnung des Verhältnisses von Arzt und Kassenpatient bei der ambulanten Behandlung geht also davon aus, daß der Arzt den Patienten persönlich behandelt.

Ganz anders ist die Arbeitsweise des Chefarztes. Er ist für den ärztlichen Betrieb seiner Abteilung oder des ganzen Krankenhauses verantwortlich. So verschieden die Verhältnisse im einzelnen liegen, laufen sie doch immer darauf hinaus, daß der Chefarzt infolge seiner umfangreichen Beanspruchung auch durch verwaltungsmäßige und organisatorische Aufgaben seine persönliche Mühewaltung auf besondere Fälle beschränken muß und darf, die ärztliche Versorgung im übrigen aber -- unter seiner Verantwortung und Aufsicht -- weitgehend den Ober- und Assistenzärzten überläßt. Selbst für seine Privatpraxis stehen ihm üblicherweise Ärzte und Hilfspersonal des Krankenhauses vertragsgemäß zur Verfügung.

Hiernach mag mit dem Grundrecht der Chefärzte aus Art. 12 Abs. 1 GG sogar eine Regelung vereinbar sein, die sie von der ambulanten Behandlung der Kassenmitglieder überhaupt ausschließt, diese also den freiberuflichen Ärzten vorbehält. Jedenfalls aber ist es mit der Verfassung vereinbar, wenn das Gesetz im Interesse der bestmöglichen ärztlichen Versorgung der Kassenmitglieder, also aus objektiven Gründen des öffentlichen Wohles, die Chefärzte insoweit -- und nur insoweit -- heranzieht, als ein Bedürfnis besteht.

6.

Auch die von den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgetragenen Bedenken gegen eine Ausdehnung der Beteiligung sind nicht von der Hand zu weisen.

a) Dabei mag dahingestellt bleiben, ob durch eine Ausdehnung der Beteiligung der Chefärzte ein erheblicher Teil der Fachärzte in ihrer Existenz gefährdet würde. Die Kassenärztlichen Vereinigungen weisen darauf hin, daß schon jetzt zahlreiche neu zugelassene Fachärzte nur schwer ihr Auskommen finden könnten. Dies mag daran liegen, daß nach der Verkündung des Kassenarzt-Urteils sich Fachärzte in besonders großer Zahl niedergelassen haben und dadurch vorübergehend Störungen eingetreten sind. Dem Bundessozialgericht ist darin beizupflichten, daß durch die Beteiligung aller Chefärzte noch nicht der gesamte freie Ärztestand in seiner Existenz bedroht würde. Es wäre aber schon von Bedeutung, wenn auch nur ein erheblicher Teil der Kassenfachärzte wesentlich beeinträchtigt würde, denn auch an der Erhaltung und Förderung eines in seiner Existenz gesicherten Standes von Fachärzten besteht ein allgemeines Interesse. Eine erhebliche Gefahr für die Gesamtheit der Fachärzte dürfte jedoch kaum bestehen, da der größere Teil der Chefärzte bereits seit längerer Zeit beteiligt ist, so daß auch die Beteiligung der übrigen keine nennenswerte Auswirkung auf die allgemeine Situation der Kassenfachärzte haben würde.

b) Stärkeres Gewicht hat der Einwand, die Chefärzte seien infolge ihrer Uberbeanspruchung im Krankenhaus bei einer Beteiligung oft nicht in der Lage, allen ihren Pflichten nachzukommen; entweder müßten sie ihre Pflicht gegen die Krankenhauspatienten vernachlässigen und diese mehr als erträglich der Obhut der nachgeordneten Ärzte überlassen oder sie könnten die überwiesenen Patienten nicht persönlich behandeln und müßten hier ihre Assistenzärzte weitgehend heranziehen. Über die Überbelastung wird auch in ärztlichen Zeitschriften von Ärzten -- Kassenärzten und Chefärzten -- Klage geführt. So wird in Nr. 20 der Ärztlichen Mitteilungen vom 18. Mai 1963 (S. 1142) in einem Beitrag, der die Belastung der leitenden Ärzte chirurgischer Abteilungen behandelt, die Forderung erhoben, daß "die kleine Chirurgie und Unfallchirurgie in allen kassenärztlichen Überweisungsfällen wie auch Durchgangsarztfälle auch von den dort beschäftigten Assistenzärzten nach Einteilung durch den leitenden Arzt unter Berücksichtigung der jeweiligen Kenntnisse des Assistenzarztes ausgeführt werden könne, ja müsse". Hieraus ist zu schließen, daß nicht nur -- dem Sinn der Beteiligung entsprechend -- besonders schwierige Überweisungsfälle an die Chefärzte kommen, sondern auch Patienten überwiesen werden, die ebensogut von den Kassenfachärzten behandelt werden könnten. Dafür sprechen auch die statistischen Angaben der Kassenärztlichen Vereinigungen über die hohe Zahl der von Chefärzten bei ihnen abgerechneten Uberweisungsfälle.

Mit Rücksicht auf diese tatsächliche Situation ist der Standpunkt vertreten worden, der Chefarzt brauche die im Rahmen der Beteiligung überwiesenen Kassenpatienten nicht persönlich zu behandeln; er dürfe vielmehr ihre Behandlung weitgehend Assistenzärzten überlassen. Dies entspricht jedoch nicht der gegenwärtigen Rechtslage. Der beteiligte Krankenhausarzt hat gemäß § 368 a Abs. 8 Satz 3 RVO die gleichen Rechte und Pflichten wie der Kassenarzt. Dies gilt auch von der Pflicht der persönlichen Behandlung. Das ist auch sinnvoll; denn es ist gerade der Zweck der Beteiligung, die besonderen persönlichen Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten des Chefarztes den Pflichtversicherten zugute kommen zu lassen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn der Chefarzt die Behandlung der Beteiligungsfälle nicht grundsätzlich selbst durchführte, sondern sie nachgeordneten Ärzten überließe und sich auf die Aufsicht und auf die ausnahmsweise persönliche Behandlung besonders schwieriger Fälle beschränkte.

c) Die Kassenärztlichen Vereinigungen befürchten von der Ausdehnung der Beteiligung eine Entwicklung, die letzten Endes zu einem Krankenhausambulatorium führen könnte, bei dem der Patient im Krankenhaus vom jeweils diensttuenden Krankenhausarzt auch ambulant behandelt würde. Damit würde die Freiheit des Arztberufs bedroht und auch dem Patienten nicht gedient sein, da das persönliche Vertrauensverhältnis zum Arzt aufhörte.

Tendenzen in der Richtung auf ein Krankenhausambulatorium sind bei den Krankenhausträgern nicht zu übersehen. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (BT Drucks. IV/816) trug die Deutsche Krankenhausgesellschaft, unterstützt von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, den Wunsch vor, das Krankenhaus als Institution stärker als bisher in die ambulante Versorgung der Versicherten einzuschalten (vgl. die Protokolle der gemeinsamen Sitzungen der Ausschüsse für Sozialpolitik und Gesundheitswesen vom 21. Februar 1963 [S. 69] und 7. März 1963 [S. 74, 75]). In der Krankenhausumschau vom Juli 1961 (S. 340) schlägt ein Sprecher der Krankenhausträger u. a. vor, den "Umfang der Beteiligung dahingehend auszuweiten, daß die ambulante Untersuchung und Behandlung auch vor der stationären Krankenhausbehandlung oder gegebenenfalls an Stelle der stationären Behandlung ermöglicht wird. Die Erlaubnis zur ambulanten Behandlung und Untersuchung soll... auch den Vertretern der leitenden Krankenhausärzte erteilt werden." Der 66. Deutsche Ärztetag 1963 hat sich mit einer Entschließung gegen derartige Bestrebungen gewandt, in der es u. a. heißt:

Der Deutsche Ärztetag stellt mit ernster Besorgnis fest, daß in zunehmendem Maße Einrichtungen für ambulante ärztliche Versorgung in Krankenanstalten geschaffen und erweitert werden. Der Deutsche Ärztetag hat ferner mit Bestürzung von dem Antrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft und einiger Krankenkassenverbände zum KVNG mit dem Ziel der Erweiterung der diagnostischen und therapeutischen Ambulanz für die Krankenanstalten Kenntnis genommen. Er hat gegen die hier sichtbar werdenden Entwicklungstendenzen ernste Bedenken.

Bei Verwirklichung der Pläne der Krankenhausgesellschaft würde die individuelle Leistung des einzelnen, in freier ärztlicher Praxis tätigen und vom Patienten freigewählten Arztes durch eine unpersönliche Institutsbehandlung abgelöst. Damit würde sich das Krankenhaus mehr und mehr zu einem Ambulatorium entwickeln. Der Vorschlag macht erschreckend deutlich, in welchem Umfange man gewillt ist, auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient als Grundvoraussetzung allen ärztlichen Handelns zu verzichten.

Daß in einer solchen Entwicklung gewisse Gefahren für den freien Arztberuf liegen, ist nicht zu leugnen. Es ist deshalb verständlich und jedenfalls von der Verfassung her nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber solchen Tendenzen entgegenwirken will und deshalb die Beteiligung von Krankenhausärzten in Grenzen hält.

7.

§ 368 a Abs. 8 Satz 1 RVO ist deshalb insoweit mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, als er die Beteiligung der Chefärzte auf den Fall der Notwendigkeit beschränkt.

V.

1.

Die Beschränkung der Beteiligung ist auch unter dem Gesichtspunkt der freien Arztwahl der Versicherten vertretbar. Es mag dahinstehen, ob der Sozialversicherte aus Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf freie Arztwahl herleiten kann. Die Reichsversicherungsordnung wie auch die auf Grund ihrer Ermächtigung erlassenen Zulassungsordnungen sind Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und vermögen daher das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG einzuschränken. Im Rahmen der sozialen Krankenversicherung hat der Versicherte nur einen Anspruch auf ausreichende ärztliche Versorgung. Der Gesetzgeber durfte deshalb das Recht der freien Arztwahl grundsätzlich auf den Kreis der zugelassenen Ärzte beschränken und hier wiederum grundsätzlich auf den Kassenarzt, in dessen Bereich der Versicherte wohnt. Dem Interesse an freier Arztwahl trägt die Reichsversicherungsordnung ausreichend Rechnung, indem sie dem Versicherten die Möglichkeit gibt, auch Kassenärzte außerhalb des Kassenarztsitzes in Anspruch zu nehmen, wenn er die hierdurch entstehenden Mehrkosten trägt.

2.

Auch das Sozialstaatsprinzip ist nicht verletzt. Bei der Regelung der sozialen Krankenversicherung hat der Gesetzgeber zwischen zwei Erfordernissen abzuwägen. Auf der einen Seite soll er den Sozialversicherten eine möglichst gute ärztliche Versorgung verschaffen; auf der anderen Seite dürfen die Beiträge nicht übermäßig hoch werden. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Patient, der die Wohltaten der sozialen Krankenversicherung genießt, auch sachgemäße Beschränkungen in Kauf nehmen muß.

Der Gesetzgeber hat sich bemüht, den Versicherten einen möglichst großen Kreis von Ärzten zur Auswahl zu stellen. Diesem Ziel dient gerade auch der beanstandete § 368 a Abs. 8 RVO, der diesen Kreis noch um die Zahl der beteiligten Chefärzte vermehrt. Es ist der Zweck dieser Bestimmung, den Bereich der freien Arztwahl für die Versicherten so zu erweitern, daß ihnen die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen dieses Ärztekreises zugänglich gemacht werden, soweit dies für ihre sachgemäße ärztliche Versorgung erforderlich ist. Eine Regelung, die in dieser Weise die Interessen aller Beteiligten sorgfältig gegeneinander abwägt, verstößt nicht gegen das Sozialstaatsprinzip.