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Art. 7 GG - Schulwesen (Kommentar)

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) ¹Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. ²Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. ³Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) ¹Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. ²Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. ³Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. ⁴Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

Inhaltsverzeichnis 

1. Absatz 1

1.1. Einleitung

Art. 7 Abs. 1 GG legt fest, dass das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht. Diese Vorschrift begründet die staatliche Schulhoheit und bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für die umfassende staatliche Verantwortung und Kontrolle im Bereich der Schulbildung. Art. 7 GG als Ganzes beschäftigt sich mit der schulischen Bildung und dem Verhältnis von Staat, Eltern und privaten Bildungsträgern, wobei der Absatz 1 die allgemeine Staatsaufsicht über das Schulwesen regelt. In diesem Kommentar werden die verfassungsrechtlichen, historischen und systematischen Grundlagen von Art. 7 Abs. 1 GG ausführlich erörtert sowie die Auswirkungen auf die Praxis der Schulaufsicht untersucht.

1.2. Historie

Art. 7 Abs. 1 GG ist stark in der Tradition der deutschen Bildungsgeschichte verankert, insbesondere in der Vorstellung der staatlichen Verantwortung für die Erziehung und Bildung der Bürger. Bereits in den verschiedenen deutschen Staaten des 19. Jahrhunderts war das Schulwesen weitgehend verstaatlicht. Besonders hervorzuheben ist das preußische Allgemeine Landrecht von 1794, das die Schulaufsicht dem Staat zuwies und den Grundstein für das Prinzip der staatlichen Schulhoheit legte.

Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919 enthielt in Art. 144 WRV ebenfalls eine Regelung zur staatlichen Aufsicht über das Schulwesen, wobei diese Vorschrift bereits das Prinzip der staatlichen Kontrolle über den Bildungssektor verankerte. Art. 7 Abs. 1 GG knüpft an diese Tradition an, erweitert aber die staatliche Verantwortung durch eine umfassendere Definition des Schulwesens und durch die Einbindung in das föderale System der Bundesrepublik Deutschland.

1.3. Verfassungsrechtliche Bedeutung

Art. 7 Abs. 1 GG sichert die staatliche Aufsicht über das gesamte Schulwesen und manifestiert damit die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, das Bildungssystem zu überwachen und zu gestalten. Die Vorschrift betont, dass Bildung nicht ausschließlich eine private oder elterliche Angelegenheit ist, sondern eine öffentliche Aufgabe darstellt, die dem Gemeinwohl dient. Der Begriff „Schulwesen“ umfasst dabei alle Formen schulischer Bildungseinrichtungen, von den Grundschulen bis hin zu den weiterführenden Schulen und Berufsschulen. Hierunter fallen sowohl öffentliche als auch private Schulen.

Die Staatsaufsicht in Art. 7 Abs. 1 GG umfasst zwei wesentliche Komponenten:

  • Regulierung und Gestaltung: Der Staat hat das Recht und die Pflicht, das Schulwesen durch gesetzliche Rahmenbedingungen zu gestalten. Dies betrifft insbesondere die Festlegung von Lehrplänen, Schulformen, Lehrinhalten und Ausbildungsstandards der Lehrkräfte.
  • Überwachung und Kontrolle: Der Staat ist verpflichtet, die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben im Schulwesen zu überwachen. Diese Aufsichtspflicht schließt sowohl die Kontrolle der Lehrinhalte als auch die Überprüfung der personellen und sachlichen Voraussetzungen in den Schulen ein.

Die Staatsaufsicht über das Schulwesen ist daher umfassend und schließt alle Bereiche der schulischen Bildung ein. Der Staat fungiert als Garant für eine qualitativ hochwertige Bildung und für die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben im Schulwesen.

1.4. Verhältnis von Staat und privaten Schulen

Art. 7 Abs. 1 GG erfasst nicht nur öffentliche, sondern auch private Schulen, die ebenfalls der staatlichen Aufsicht unterliegen. Der Staat hat das Recht, private Schulen zu kontrollieren und sicherzustellen, dass diese die gesetzlichen Bildungsstandards einhalten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Staat private Schulen nach Belieben einschränken darf. Vielmehr muss die Aufsicht in einem verhältnismäßigen Rahmen ausgeübt werden, sodass die Eigenständigkeit der privaten Schulen, insbesondere von Ersatzschulen nach Art. 7 Abs. 4 GG, gewahrt bleibt.

Die staatliche Aufsicht über private Schulen dient primär dem Schutz der Schüler und der Sicherstellung einer gleichwertigen Bildung im Vergleich zu öffentlichen Schulen. Der Staat ist daher berechtigt, die pädagogische Qualität, die personellen Voraussetzungen sowie die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der privaten Schulen zu überprüfen.

1.5. Föderale Struktur der Schulaufsicht

Das Schulwesen fällt in der Bundesrepublik Deutschland in den Bereich der Kulturhoheit der Länder. Dies bedeutet, dass die Länder die Hauptverantwortung für das Schulwesen tragen. Art. 7 Abs. 1 GG ist daher im Kontext des föderalen Systems zu verstehen, in dem die Aufsichtspflicht in erster Linie bei den Ländern liegt. Die Länder sind befugt, eigene Gesetze zu erlassen, die das Schulwesen regeln und die Staatsaufsicht konkretisieren.

Der Bund hat grundsätzlich nur begrenzte Kompetenzen im Bereich der Schulbildung. Er kann lediglich Rahmenvorgaben setzen, die die Länder dann umsetzen müssen. Dies führt zu einer föderalen Vielfalt im Schulwesen, wobei jedes Bundesland eigene Schulgesetze, Bildungspläne und Prüfungsordnungen hat. Diese föderale Struktur ist Ausdruck der im Grundgesetz verankerten Subsidiarität und des Prinzips der Selbstverwaltung der Länder.

1.6. Verfassungsrechtliche Schranken der Staatsaufsicht

Obwohl Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat eine weitreichende Aufsichtspflicht über das Schulwesen einräumt, ist diese nicht unbegrenzt. Die staatliche Schulaufsicht muss stets im Einklang mit anderen Grundrechten und verfassungsrechtlichen Prinzipien stehen, insbesondere mit dem Grundrecht auf Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG, dem Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG sowie den individuellen Freiheitsrechten der Schüler und Lehrer.

Das Elternrecht gewährt den Eltern das natürliche Recht, über die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen. Dieses Recht wird durch die staatliche Schulaufsicht nicht aufgehoben, sondern ergänzt. Der Staat darf die elterliche Erziehungsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränken, sondern muss bei der Gestaltung des Schulwesens Rücksicht auf die Vorstellungen der Eltern nehmen. Ein prominentes Beispiel für diese Balance ist das Recht der Eltern, ihre Kinder auf eine private Schule zu schicken, die ihren Erziehungsvorstellungen besser entspricht.

Zudem darf die staatliche Schulaufsicht nicht in die Grundrechte der Lehrer und Schüler eingreifen, etwa das Recht auf Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 GG. Der Staat muss daher bei der Ausgestaltung des Schulwesens eine Abwägung zwischen der Sicherstellung einer objektiven und neutralen Bildung und der Wahrung individueller Grundrechte vornehmen.

1.7. Die Rolle der Schulaufsichtsbehörden

Die konkrete Umsetzung der Staatsaufsicht erfolgt durch die Schulaufsichtsbehörden der Länder. Diese Behörden sind dafür zuständig, die Einhaltung der schulischen Vorgaben zu überwachen und bei Verstößen einzuschreiten. Die Schulaufsicht gliedert sich dabei in verschiedene Ebenen:

  • Fachaufsicht: Diese bezieht sich auf die inhaltliche und methodische Gestaltung des Unterrichts sowie die pädagogische Arbeit der Lehrkräfte.
  • Dienstaufsicht: Hierbei handelt es sich um die Kontrolle der disziplinarischen und dienstrechtlichen Belange der Lehrer.
  • Rechtsaufsicht: Diese umfasst die Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Schulen arbeiten.

Die Schulaufsichtsbehörden haben das Recht, Schulen zu inspizieren, Berichte zu verlangen und Maßnahmen zur Sicherung der Bildungsstandards anzuordnen. Allerdings müssen diese Maßnahmen verhältnismäßig sein und dürfen nicht in die pädagogische Autonomie der Schulen eingreifen, sofern diese die staatlichen Vorgaben einhalten.

2. Absatz 2

2.1. Einleitung

Art. 7 Abs. 2 GG gewährt den Erziehungsberechtigten das Recht, über die Teilnahme ihrer Kinder am Religionsunterricht zu entscheiden. Diese Vorschrift ergänzt die Regelungen über den Religionsunterricht in Art. 7 Abs. 3 GG und stellt sicher, dass das elterliche Erziehungsrecht, das in Art. 6 Abs. 2 GG verankert ist, auch im Bereich des Religionsunterrichts gewahrt bleibt. Die Norm zielt darauf ab, ein Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Schulhoheit und elterlichem Erziehungsrecht zu verhindern und eine klare Kompetenzverteilung sicherzustellen. In diesem Kommentar werden die historischen, verfassungsrechtlichen und systematischen Aspekte des Art. 7 Abs. 2 GG eingehend untersucht.

2.2. Historie

Das Verhältnis zwischen Staat, Schule und Religion hat in Deutschland eine lange und teils konfliktreiche Tradition. Bereits in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919 war der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen festgelegt, Art. 149 WRV. Auch die WRV gewährte den Eltern ein Mitspracherecht über die religiöse Erziehung ihrer Kinder, was Ausdruck des grundrechtlich geschützten elterlichen Erziehungsrechts war. Die Regelung des Art. 7 Abs. 2 GG knüpft an diese Tradition an und verdeutlicht die duale Verantwortung zwischen Staat und Eltern im Bereich der religiösen Bildung.

Die historische Bedeutung dieser Norm wird besonders vor dem Hintergrund der religiösen Pluralität in Deutschland und der Konflikte zwischen Kirche und Staat im 19. und frühen 20. Jahrhundert deutlich. Während in der Weimarer Republik die Kooperation zwischen Kirche und Staat in der schulischen Bildung betont wurde, stellt Art. 7 Abs. 2 GG eine klare Kompetenzaufteilung sicher, indem das elterliche Recht zur Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht verfassungsrechtlich garantiert wird.

2.3. Verfassungsrechtlicher Kontext und Stellung im Grundgesetz

Art. 7 Abs. 2 GG steht in engem Zusammenhang mit mehreren anderen verfassungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere mit Art. 6 Abs. 2 GG, der das elterliche Erziehungsrecht schützt, sowie Art. 4 GG, der die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit garantiert. Diese Regelungen bilden zusammen den verfassungsrechtlichen Rahmen für den Umgang mit religiöser Bildung und religiöser Freiheit in der Schule.

Durch Art. 7 Abs. 2 GG wird der Staat verpflichtet, den Erziehungsberechtigten das letzte Wort bei der Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht einzuräumen. Damit wird ein Konflikt zwischen staatlicher Schulhoheit (Art. 7 Abs. 1 GG) und dem Erziehungsrecht der Eltern vermieden. Zugleich trägt die Norm zur Sicherstellung der negativen Religionsfreiheit bei, die es Schülern und ihren Erziehungsberechtigten ermöglicht, eine religiöse Bildung abzulehnen.

2.4. Begriffliche Klärung

2.4.1. Erziehungsberechtigte

Art. 7 Abs. 2 GG verwendet den Begriff der „Erziehungsberechtigten“. Dieser Begriff umfasst im rechtlichen Sinne in erster Linie die Eltern, da ihnen nach Art. 6 Abs. 2 GG das natürliche Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder zukommt. In besonderen Konstellationen können auch andere Personen erziehungsberechtigt sein, z. B. Vormünder oder Pflegeeltern, wenn sie gesetzlich die Erziehungsverantwortung übernehmen. Dies ergibt sich aus den Vorschriften des Familienrechts (§ 1626 BGB).

2.4.2. Religionsunterricht

Der Begriff des Religionsunterrichts in Art. 7 Abs. 2 GG ist in systematischer Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 GG zu verstehen. Dieser definiert den Religionsunterricht als „ordentliches Lehrfach“ an öffentlichen Schulen, wobei der Unterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt wird. Religionsunterricht im Sinne von Art. 7 Abs. 2 GG ist somit der konfessionell gebundene Unterricht, der im Rahmen des staatlichen Schulsystems angeboten wird. Es handelt sich nicht um Ethik- oder Weltanschauungsunterricht, die religiös neutral gestaltet sind.

2.5. Das Erziehungsrecht der Eltern

Art. 7 Abs. 2 GG konkretisiert das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG, indem es den Erziehungsberechtigten ausdrücklich das Recht gibt, über die Teilnahme ihrer Kinder am Religionsunterricht zu entscheiden. Dies steht im Einklang mit der Vorstellung, dass Eltern das primäre Recht haben, die religiöse und weltanschauliche Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen.

Das elterliche Bestimmungsrecht umfasst sowohl das Recht, die Teilnahme am Religionsunterricht zu erlauben, als auch das Recht, diese zu verweigern. Letzteres stellt eine Konkretisierung der negativen Religionsfreiheit dar, die gewährleistet, dass niemand gegen seinen Willen oder den Willen seiner Erziehungsberechtigten zu einer religiösen Handlung oder einem religiösen Unterricht gezwungen werden kann. Dieses elterliche Entscheidungsrecht gilt unabhängig davon, ob die Eltern selbst einer Religion angehören oder nicht.

Die Freiheit der Eltern zur Bestimmung über die Teilnahme am Religionsunterricht kann jedoch eingeschränkt sein, wenn das Kind die sogenannte „Religionsmündigkeit“ erreicht hat. Diese wird in der Regel mit dem 14. Lebensjahr erlangt (§ 5 RelKErzG). Ab diesem Zeitpunkt entscheidet das Kind selbst über seine Teilnahme am Religionsunterricht, wobei das elterliche Entscheidungsrecht entfällt.

2.6. Religionsfreiheit und negative Religionsfreiheit

Art. 7 Abs. 2 GG muss im Lichte der in Art. 4 GG gewährleisteten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit interpretiert werden. Art. 4 Abs. 1 GG schützt nicht nur das Recht, einen Glauben zu haben und auszuüben, sondern auch das Recht, keinen Glauben zu haben oder auszuüben. Art. 7 Abs. 2 GG stellt somit eine spezifische Ausprägung der negativen Religionsfreiheit im schulischen Kontext dar.

Die negative Religionsfreiheit gewährleistet, dass niemand gezwungen werden kann, an einem Religionsunterricht teilzunehmen, wenn dies gegen seinen Glauben oder seine Weltanschauung verstößt. Art. 7 Abs. 2 GG stellt sicher, dass Eltern diese Entscheidung für ihre Kinder treffen können, solange die Kinder noch nicht religionsmündig sind. Dies verhindert, dass der Staat eine bestimmte religiöse Bildung aufzwingt, was mit der Neutralitätspflicht des Staates unvereinbar wäre.

2.7. Verhältnis zu Art. 7 Abs. 3 GG

Art. 7 Abs. 2 GG steht in einem engen Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 GG, der festlegt, dass der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ein ordentliches Lehrfach ist. Der Religionsunterricht ist somit integraler Bestandteil des staatlichen Schulcurriculums, wird jedoch in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaften erteilt. Diese Struktur verdeutlicht, dass der Staat zwar den organisatorischen Rahmen für den Religionsunterricht bietet, die inhaltliche Gestaltung jedoch in den Händen der Religionsgemeinschaften liegt.

Während Art. 7 Abs. 3 GG die Teilnahme am Religionsunterricht als Regelfall betrachtet, gewährleistet Art. 7 Abs. 2 GG, dass die Erziehungsberechtigten über die tatsächliche Teilnahme entscheiden können. Damit wird eine klare Grenze zwischen staatlicher Schulpflicht und elterlicher Erziehungsfreiheit gezogen, sodass das konfessionell gebundene Lehrfach nicht gegen den Willen der Eltern durchgesetzt werden kann.

2.8. Systematische Einordnung in das Grundgesetz

Art. 7 Abs. 2 GG steht im Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Bildungsauftrag und dem Grundrecht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder. Die Norm verdeutlicht, dass der Staat im Bereich des Religionsunterrichts eine gewisse Zurückhaltung üben muss, um die elterlichen Erziehungsrechte nicht zu beeinträchtigen. Zugleich stellt sie sicher, dass die Eltern aktiv in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des elterlichen Entscheidungsrechts unterstreicht die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips im deutschen Bildungssystem, das den Vorrang der familiären Erziehung gegenüber staatlichen Eingriffen betont. Der Staat hat zwar die Verantwortung, eine qualitativ hochwertige Bildung anzubieten, darf jedoch nicht in die religiöse oder weltanschauliche Erziehung der Kinder eingreifen, solange die Erziehungsberechtigten in der Lage sind, diese Aufgabe selbst zu erfüllen.

2.9. Einschränkungen und Grenzen des Erziehungsrechts

Das elterliche Bestimmungsrecht über die Teilnahme am Religionsunterricht wird durch die Religionsmündigkeit des Kindes begrenzt. Mit Vollendung des 14. Lebensjahres tritt die Religionsmündigkeit des Kindes ein, womit dieses selbst über seine Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden kann. Diese Grenze des elterlichen Entscheidungsrechts folgt aus der persönlichen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Kindes, die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützt ist.

Des Weiteren hat das elterliche Bestimmungsrecht keine Wirkung im Bereich des Ethik- oder Weltanschauungsunterrichts, der in einigen Bundesländern als Ersatz für den Religionsunterricht angeboten wird. Die Entscheidung über die Teilnahme am Ethikunterricht liegt grundsätzlich beim Staat, da dieser Unterricht als religionsneutraler Teil des allgemeinen Bildungsauftrags gilt.

3. Absatz 3

3.1. Einleitung

Art. 7 Abs. 3 GG regelt die Stellung des Religionsunterrichts im Rahmen des staatlichen Schulwesens. Diese Norm verankert den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen und schafft zugleich die Grundlage für die staatliche Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften. Zugleich wird der Religionsunterricht jedoch unter das staatliche Aufsichtsrecht gestellt und durch das Verbot, Lehrer zur Erteilung des Religionsunterrichts gegen ihren Willen zu verpflichten, ergänzt.

Dieser Kommentar widmet sich der genauen Auslegung des Art. 7 Abs. 3 GG, insbesondere im Hinblick auf das Zusammenspiel von Religionsfreiheit, staatlicher Schulaufsicht und der Rolle der Religionsgemeinschaften. Zudem werden historische, verfassungsrechtliche und systematische Zusammenhänge ausführlich dargestellt.

3.2. Historie

Die Wurzeln der verfassungsrechtlichen Regelungen zum Religionsunterricht reichen zurück in die Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919. Bereits dort war der Religionsunterricht in Art. 149 WRV als ordentliches Lehrfach verankert, und es wurde die Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in Bezug auf den Inhalt und die Durchführung des Unterrichts betont. Das Grundgesetz (GG) hat diese Regelung nahezu unverändert übernommen, was die historische Kontinuität unterstreicht.

Der Religionsunterricht war schon im Kaiserreich ein zentraler Streitpunkt zwischen säkularen und religiösen Kräften, besonders in der Debatte über die Trennung von Kirche und Staat. Nach dem Ende des Nationalsozialismus und der Wiederherstellung der Demokratie in Deutschland wurde die Position der Religionsgemeinschaften erneut gestärkt. Art. 7 Abs. 3 GG sollte sicherstellen, dass der Religionsunterricht unter der staatlichen Schulaufsicht bleibt, jedoch inhaltlich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird. Diese duale Struktur reflektiert die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche, garantiert aber gleichzeitig die enge Einbindung religiöser Institutionen in den Bildungsbereich.

3.3. Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach (Satz 1)

3.3.1. Begriff des „ordentlichen Lehrfachs“

Art. 7 Abs. 3 GG legt fest, dass der Religionsunterricht ein ordentliches Lehrfach ist. Dies bedeutet, dass der Religionsunterricht in den regulären Stundenplan der öffentlichen Schulen integriert und gleichrangig mit anderen Fächern behandelt wird. Der Begriff „ordentliches Lehrfach“ verweist darauf, dass der Religionsunterricht obligatorisch im Fächerkanon der Schule verankert ist, wobei die Teilnahme jedoch im Ermessen der Erziehungsberechtigten (Art. 7 Abs. 2 GG) bzw. ab dem 14. Lebensjahr im Ermessen der Schüler selbst (Religionsmündigkeit, § 5 RelKErzG) steht.

Religionsunterricht ist damit kein fakultativer Zusatzunterricht, sondern wird im Regelfall in allen Schulformen (Grundschulen, Sekundarstufen) angeboten. Der Religionsunterricht unterscheidet sich jedoch von anderen Fächern dadurch, dass er inhaltlich von den jeweiligen Religionsgemeinschaften geprägt wird, was seine Sonderstellung innerhalb des öffentlichen Bildungswesens verdeutlicht.

3.3.2. Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen

Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG schließt bekenntnisfreie Schulen von der Verpflichtung aus, Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach anzubieten. Bekenntnisfreie Schulen sind solche, die bewusst keine konfessionelle Bindung aufweisen und keinen Religionsunterricht in das Curriculum aufnehmen müssen. Dies steht im Einklang mit der Neutralitätspflicht des Staates im Bereich der Religion und ermöglicht es, Schulen zu schaffen, die weltanschaulich neutral agieren und keine religiöse Erziehung anbieten.

In der Praxis ist der Begriff der „bekenntnisfreien Schule“ vor allem auf staatliche Schulen zu beziehen, die sich in besonderer Weise der weltanschaulichen Neutralität verschrieben haben. Diese Schulen sind allerdings in Deutschland eher selten, da der konfessionelle Religionsunterricht in den meisten Bundesländern ein zentraler Bestandteil des Schulwesens ist.

3.4. Erteilung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften (Satz 2)

3.4.1. Grundsätze der Religionsgemeinschaften

Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG verlangt, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaften erteilt wird. Dies bedeutet, dass die inhaltliche Gestaltung und Ausrichtung des Unterrichts nicht vom Staat, sondern von den Religionsgemeinschaften vorgegeben wird. Diese Regelung sichert den religiösen Charakter des Unterrichts und stellt sicher, dass der Unterricht inhaltlich authentisch und glaubenskonform bleibt.

Die Religionsgemeinschaften haben daher das Recht, Einfluss auf die Lehrpläne, Unterrichtsmaterialien und die Ausbildung der Religionslehrer zu nehmen. In der Praxis geschieht dies durch enge Kooperationen zwischen staatlichen Behörden und den Religionsgemeinschaften, wobei letztere oft in Beratungsgremien auf Landesebene eingebunden sind. Beispiele hierfür sind die katholische und evangelische Kirche, aber auch andere anerkannte Religionsgemeinschaften wie die jüdischen Gemeinden und, in einigen Bundesländern, muslimische Organisationen.

3.4.2. Rolle des Staates und staatliches Aufsichtsrecht

Gleichzeitig bleibt der Religionsunterricht trotz der inhaltlichen Bindung an die Grundsätze der Religionsgemeinschaften unter staatlicher Aufsicht, wie Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG klarstellt („unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts“). Das staatliche Aufsichtsrecht umfasst die formale Kontrolle darüber, ob der Religionsunterricht den gesetzlichen Vorgaben und den allgemeinen Bildungszielen entspricht. Der Staat hat jedoch keine Befugnis, in die inhaltliche Gestaltung des Religionsunterrichts einzugreifen, solange diese in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erfolgt.

Das staatliche Aufsichtsrecht beschränkt sich auf organisatorische und administrative Aspekte, wie z. B. die Sicherstellung, dass der Religionsunterricht im Rahmen des staatlichen Bildungsauftrags erteilt wird, dass er von qualifizierten Lehrkräften unterrichtet wird und dass der Unterricht mit den allgemeinen schulrechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Der Staat darf jedoch keine inhaltlichen Vorgaben machen, die im Widerspruch zu den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften stehen.

3.5. Freiheit der Lehrkräfte (Satz 3)

3.5.1. Schutz der negativen Religionsfreiheit der Lehrer

Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG schützt die Lehrkräfte, indem er festlegt, dass kein Lehrer gegen seinen Willen verpflichtet werden darf, Religionsunterricht zu erteilen. Diese Bestimmung ist eine wichtige Ausprägung der negativen Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG), die sicherstellt, dass Lehrkräfte, die aus persönlichen Glaubens- oder Gewissensgründen keine religiöse Unterweisung erteilen wollen, hierzu nicht gezwungen werden können.

Der Staat darf also Lehrkräfte nicht verpflichten, ein Fach zu unterrichten, dessen Inhalte sie aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen ablehnen. Diese Freiheit wird insbesondere dann relevant, wenn Lehrer selbst keiner Religionsgemeinschaft angehören oder einer Religionsgemeinschaft angehören, deren Grundsätze sie persönlich nicht teilen. Diese Regelung vermeidet Konflikte zwischen der beruflichen Verpflichtung zur Lehre und der persönlichen Glaubens- und Gewissensfreiheit der Lehrer.

3.5.2. Bedeutung für konfessionsgebundene Lehrkräfte

Für Lehrkräfte, die sich freiwillig entscheiden, Religionsunterricht zu erteilen, gilt hingegen eine besondere Bindung an die Grundsätze der Religionsgemeinschaften. Solche Lehrer müssen in der Regel von der jeweiligen Religionsgemeinschaft anerkannt werden und unterliegen bei der Erteilung des Religionsunterrichts einer inhaltlichen Kontrolle durch die Gemeinschaft. Diese Lehrer agieren also in einem besonderen Spannungsfeld zwischen ihrer Rolle als Staatsbedienstete und ihrer religiösen Verpflichtung gegenüber der Religionsgemeinschaft.

In der Praxis haben Religionsgemeinschaften, insbesondere die großen Kirchen, das Recht, Lehrkräfte für den Religionsunterricht zu beauftragen oder auch abzulehnen. Dies bedeutet, dass die Erteilung des Religionsunterrichts im Wesentlichen eine freiwillige Entscheidung der Lehrkraft ist, die sich auf eine spezifische religiöse Bildung festlegt. Gleichzeitig sichert Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG ab, dass diese Entscheidung immer frei von Zwang bleibt.

3.6. Systematische Einordnung und verfassungsrechtliche Bezüge

Art. 7 Abs. 3 GG steht in engem Zusammenhang mit den Grundrechten der Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG) sowie dem elterlichen Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG). Der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach reflektiert das Spannungsfeld zwischen dem staatlichen Bildungsauftrag und der Autonomie der Religionsgemeinschaften in Bezug auf die religiöse Erziehung.

Darüber hinaus ist Art. 7 Abs. 3 GG im Kontext des allgemeinen Neutralitätsgebots des Staates in Religionsfragen zu sehen. Während der Staat sich inhaltlich aus der Gestaltung des Religionsunterrichts heraushält, wahrt er durch das staatliche Aufsichtsrecht seine Funktion als Hüter des Bildungswesens. Diese duale Struktur verdeutlicht die verfassungsrechtliche Position des Religionsunterrichts als Bereich, in dem staatliche und religiöse Kompetenzen in besonderer Weise verflochten sind.

4. Absatz 4

4.1. Einleitung

Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet das Recht zur Errichtung privater Schulen und regelt deren Verhältnis zu den öffentlichen Schulen. Diese Norm schafft einen wichtigen Ausgleich zwischen dem staatlichen Bildungsmonopol und der Freiheit des Einzelnen, alternative Bildungsangebote zu schaffen. Private Schulen werden als legitime Ergänzung des öffentlichen Schulwesens anerkannt, unterliegen jedoch staatlichen Genehmigungsvoraussetzungen, die die Einhaltung bestimmter Standards sicherstellen. Gleichzeitig wird durch das Verbot der Sonderung nach den „Besitzverhältnissen der Eltern“ die Chancengleichheit der Schüler betont.

Dieser Kommentar analysiert Art. 7 Abs. 4 GG im historischen, systematischen und verfassungsrechtlichen Kontext. Dabei wird auf die rechtlichen Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb privater Schulen eingegangen, die Bedeutung des staatlichen Genehmigungsvorbehalts erläutert und die verfassungsrechtliche Stellung der privaten Schulen in der deutschen Bildungslandschaft bewertet.

4.2. Historie

Die verfassungsrechtliche Gewährleistung privater Schulen hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Bereits in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) war in Art. 147 WRV ein vergleichbarer Schutz der privaten Schulgründung vorgesehen. Die Idee hinter dieser Regelung war es, eine Balance zwischen staatlichem Bildungsauftrag und der individuellen Freiheit der Eltern und Religionsgemeinschaften zu schaffen, alternative Bildungseinrichtungen zu gründen, die spezifischen pädagogischen, religiösen oder weltanschaulichen Vorstellungen entsprechen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde diese Tradition im Grundgesetz wieder aufgenommen, um die Pluralität im Bildungswesen zu wahren und den Einfluss des Staates in Bildungsfragen zu beschränken. Zugleich dient Art. 7 Abs. 4 GG dem Schutz vor einer möglichen Übermacht des Staates im Bildungsbereich und garantiert das Recht, private Schulen als Alternative zum staatlichen Schulwesen zu errichten.

4.3. Gewährleistung des Rechts zur Errichtung privater Schulen (Satz 1)

4.3.1. Grundsatz der Freiheit zur Errichtung privater Schulen

Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet ausdrücklich das Recht zur Errichtung privater Schulen. Diese Garantie steht in engem Zusammenhang mit der in Art. 6 Abs. 2 GG verankerten elterlichen Erziehungsfreiheit und der in Art. 4 GG gewährleisteten Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Die Errichtung privater Schulen ermöglicht es Eltern, eine Schulbildung zu wählen, die ihren individuellen pädagogischen Vorstellungen, religiösen Überzeugungen oder weltanschaulichen Grundsätzen entspricht. Damit wird die pluralistische Bildungslandschaft in Deutschland verfassungsrechtlich abgesichert.

Die Formulierung „gewährleistet“ in Satz 1 bedeutet, dass der Staat verpflichtet ist, die Errichtung privater Schulen zuzulassen und dieses Recht zu schützen. Dies umfasst nicht nur das Recht von natürlichen und juristischen Personen, private Schulen zu gründen, sondern auch die Verpflichtung des Staates, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, private Schulen zu betreiben.

4.3.2. Abgrenzung zu öffentlichen Schulen

Private Schulen stellen eine Alternative zu den öffentlichen Schulen dar, unterliegen aber bestimmten Anforderungen, die im weiteren Verlauf des Art. 7 Abs. 4 GG ausgeführt werden. Während öffentliche Schulen direkt vom Staat organisiert und finanziert werden, basieren private Schulen auf dem Engagement privater Träger, darunter konfessionelle Einrichtungen, Vereine, Stiftungen oder Privatpersonen. Dieser Unterschied verdeutlicht den Spannungsbogen zwischen der staatlichen Bildungshoheit und der Privatschulfreiheit, der durch die im weiteren Text normierten Einschränkungen und Voraussetzungen der Genehmigung reguliert wird.

4.4. Genehmigungspflicht und staatliche Kontrolle (Satz 2)

4.4.1. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen

Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG unterscheidet zwischen verschiedenen Arten privater Schulen. Besonders relevant sind die privaten Schulen, die als „Ersatz für öffentliche Schulen“ fungieren. Diese Ersatzschulen bieten eine vergleichbare Ausbildung wie öffentliche Schulen und übernehmen somit eine ähnliche Funktion im Bildungswesen. Sie müssen die gleichen Bildungsziele verfolgen und dieselben Bildungsabschlüsse ermöglichen wie öffentliche Schulen.

4.4.2. Genehmigungspflicht durch den Staat

Private Ersatzschulen bedürfen einer staatlichen Genehmigung, bevor sie ihren Betrieb aufnehmen dürfen. Diese Genehmigungspflicht dient der Sicherstellung, dass private Schulen bestimmten pädagogischen, organisatorischen und rechtlichen Standards genügen und keine Gefahr für das staatliche Bildungswesen darstellen. Die Genehmigungspflicht stellt sicher, dass private Schulen in das staatliche Bildungssystem integriert sind und keine Parallelstrukturen entstehen, die dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) und dem staatlichen Bildungsauftrag zuwiderlaufen könnten.

Die Normierung der Genehmigungspflicht stellt somit eine Ausprägung des staatlichen Schulmonopols dar, das im Grundgesetz jedoch zugunsten der pluralistischen Bildungslandschaft geöffnet ist. Die staatliche Kontrolle über die Genehmigung von Privatschulen wird auf Länderebene durchgeführt, da das Schulwesen nach Art. 30 GG den Ländern untersteht.

4.5. Voraussetzungen für die Genehmigung privater Ersatzschulen (Satz 3)

4.5.1. Vergleichbarkeit der Lehrziele und Einrichtungen

Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG legt fest, dass eine Genehmigung privater Ersatzschulen zu erteilen ist, wenn diese „in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte“ nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen. Diese Regelung stellt sicher, dass private Schulen ein vergleichbares Bildungsniveau wie öffentliche Schulen gewährleisten.

Die Lehrziele der privaten Schulen müssen mit den allgemeinen Bildungszielen des öffentlichen Schulwesens übereinstimmen, das bedeutet insbesondere, dass private Schulen die Anforderungen an Schulabschlüsse und die allgemeine Schulbildung erfüllen müssen. Die Vergleichbarkeit der „Einrichtungen“ bezieht sich auf die organisatorische und materielle Ausstattung der Schulen, wie etwa die Verfügbarkeit von Lehrmaterialien, Räumlichkeiten und didaktischen Mitteln.

4.5.2. Wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die „wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte“. Private Schulen dürfen nur dann genehmigt werden, wenn die Qualifikation der Lehrer den Anforderungen des öffentlichen Schulwesens entspricht. Dies dient der Sicherstellung eines vergleichbaren Bildungsniveaus. Lehrer an privaten Ersatzschulen müssen daher über eine adäquate wissenschaftliche Ausbildung verfügen, die mit der Ausbildung von Lehrkräften an öffentlichen Schulen vergleichbar ist. In der Regel müssen auch private Schulen die staatlichen Vorgaben für Lehrerausbildung und Qualifikation erfüllen.

4.5.3. Verbot der Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern

Ein zentraler Aspekt der Genehmigungsvoraussetzungen ist das Verbot der „Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern“. Dieses Verbot zielt darauf ab, soziale Selektion und eine Bevorzugung wohlhabender Schüler in privaten Schulen zu verhindern. Private Schulen dürfen nicht dazu führen, dass Kinder aus wohlhabenden Familien bevorzugt oder finanziell benachteiligte Schüler ausgeschlossen werden.

Das Verbot der Sonderung bedeutet jedoch nicht, dass private Schulen keine Schulgelder erheben dürfen. Vielmehr ist es ihnen erlaubt, angemessene Gebühren zu verlangen, solange dies nicht zur Ausgrenzung von Kindern aus ärmeren Familien führt. In der Praxis wird dies oft dadurch erreicht, dass private Schulen Stipendien oder Ermäßigungen für einkommensschwache Familien anbieten. Ziel dieser Regelung ist es, die Chancengleichheit im Bildungswesen zu wahren und zu verhindern, dass der Zugang zu Bildung allein von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängt.

4.6. Sicherung der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung der Lehrkräfte (Satz 4)

4.6.1. Sicherung der Lehrerstellung als Genehmigungsvoraussetzung

Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG stellt klar, dass die Genehmigung privater Ersatzschulen versagt werden muss, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht ausreichend gesichert ist. Diese Regelung soll verhindern, dass private Schulen Lehrkräfte zu schlechteren Bedingungen als an öffentlichen Schulen beschäftigen, was zu einem Missbrauch des Lehrberufs führen könnte. Die wirtschaftliche Stellung bezieht sich vor allem auf die Vergütung der Lehrer, während die rechtliche Stellung etwa Fragen des Kündigungsschutzes, der Sozialversicherung und der Arbeitsbedingungen umfasst.

4.6.2. Bedeutung für den Bildungssektor

Die Absicherung der Lehrer ist ein wichtiger Aspekt der Qualitätssicherung im privaten Schulwesen. Private Schulen sollen nicht als Instrument genutzt werden, um Kosten im Bildungsbereich zu senken oder die Rechte von Lehrkräften zu untergraben. Stattdessen soll sichergestellt werden, dass die Arbeitsbedingungen an privaten Ersatzschulen den Standards an öffentlichen Schulen entsprechen, was sowohl der Qualität des Unterrichts als auch der Attraktivität des Lehrerberufs zugutekommt.

5. Absatz 5

5.1. Einleitung

Art. 7 Abs. 5 GG regelt die Voraussetzungen, unter denen private Volksschulen zugelassen werden können. Der Artikel stellt eine spezifische Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Zulassung privater Schulen dar, der in Art. 7 Abs. 4 GG verankert ist. Während Art. 7 Abs. 4 GG das Recht zur Errichtung privater Schulen allgemein gewährleistet, enthält Art. 7 Abs. 5 GG zusätzliche Beschränkungen, die ausschließlich für private Volksschulen gelten. Volksschulen umfassen in der Tradition des deutschen Bildungssystems die Primarstufe und gegebenenfalls auch die unteren Stufen der Sekundarstufe. Diese Einschränkung verdeutlicht das besondere staatliche Interesse an der Sicherstellung einer qualitätsvollen und gleichwertigen Grundbildung für alle Kinder, da die Volksschule historisch die grundlegende Bildungseinrichtung war.

Dieser Kommentar untersucht die Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Bestimmung in Art. 7 Abs. 5 GG und analysiert, inwiefern das Grundgesetz hier dem Schutz des öffentlichen Schulwesens Vorrang vor der Freiheit zur Errichtung privater Schulen einräumt. Gleichzeitig wird der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Gemeinschafts-, Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen hervorgehoben.

5.2. Historie

Die Regelung des Art. 7 Abs. 5 GG hat ihre Wurzeln in der Weimarer Republik, deren Bildungsordnung in Art. 147 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) bereits den privaten Schulsektor normierte. Die Volksschule als Grundbildungseinrichtung sollte weitgehend in staatlicher Hand bleiben, um die Chancengleichheit zu gewährleisten und sozialen Unterschiede entgegenzuwirken. Die Idee, den privaten Schulsektor für Volksschulen besonders einzuschränken, spiegelt das Anliegen wider, einerseits eine Vereinheitlichung der Grundbildung zu sichern und andererseits dem Einfluss von sozialen oder religiösen Gruppierungen im schulischen Bereich Schranken zu setzen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Regelung von Art. 7 Abs. 5 GG Teil des umfassenden staatlichen Interesses, ein einheitliches und für alle zugängliches Schulsystem aufzubauen. Vor allem die in Art. 7 Abs. 5 GG erwähnten Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen tragen zur Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt in Deutschland bei, dürfen jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen errichtet werden, um Parallelstrukturen und soziale Segregation zu verhindern.

5.3. Begriffsklärungen

5.3.1. Volksschulen

Der Begriff „Volksschule“ ist in der Geschichte des deutschen Bildungssystems mit der primären Grundbildung für Kinder verknüpft. Auch wenn der Begriff „Volksschule“ in vielen Bundesländern durch modernere Begriffe wie „Grundschule“ ersetzt wurde, bezieht sich Art. 7 Abs. 5 GG eindeutig auf die schulischen Einrichtungen, die die Grundbildung sicherstellen. Die Beschränkung der Errichtung privater Volksschulen beruht auf der staatlichen Verpflichtung, eine einheitliche Grundbildung für alle Kinder zu gewährleisten, unabhängig von sozialem oder ökonomischem Hintergrund.

5.3.2. Gemeinschafts-, Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen

Diese Begriffe differenzieren private Volksschulen nach ihrer Ausrichtung:

  • Gemeinschaftsschulen sind Schulen, die nicht an eine bestimmte religiöse oder weltanschauliche Orientierung gebunden sind und somit eine neutrale Bildungsstätte darstellen.
  • Bekenntnisschulen sind Schulen, die sich an den Grundsätzen einer bestimmten religiösen Konfession ausrichten. Sie spielen in Deutschland, insbesondere im konfessionellen Schulwesen, eine bedeutende Rolle, etwa bei katholischen oder evangelischen Schulen.
  • Weltanschauungsschulen basieren auf weltanschaulichen Überzeugungen, die nicht notwendigerweise religiös sein müssen. Hier können Schulen mit humanistischen, anthroposophischen oder anderen weltanschaulichen Ausrichtungen erfasst sein.

5.4. Zulassungsvoraussetzungen für private Volksschulen

5.4.1. Besonderes pädagogisches Interesse

Die erste Voraussetzung für die Zulassung einer privaten Volksschule ist das „besondere pädagogische Interesse“, das von der staatlichen Unterrichtsverwaltung anerkannt werden muss. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass es dem Staat obliegt, über die Zulassung privater Volksschulen nach pädagogischen Gesichtspunkten zu entscheiden. Dieses besondere Interesse könnte etwa dann vorliegen, wenn die private Schule innovative pädagogische Ansätze verfolgt, die im öffentlichen Schulsystem nicht umgesetzt werden. Beispiele hierfür könnten alternative Schulformen wie Waldorfschulen oder Montessorischulen sein, die aufgrund ihrer spezifischen pädagogischen Konzepte eine Bereicherung des schulischen Angebots darstellen.

Der Begriff des „besonderen pädagogischen Interesses“ ist jedoch weit auszulegen. Es muss sich nicht notwendigerweise um ein völlig neues oder innovatives Konzept handeln. Auch die Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse bestimmter Schülergruppen, wie etwa bei Schulen für Hochbegabte oder Kinder mit besonderen Förderbedarfen, könnte ein solches Interesse rechtfertigen. Die Unterrichtsverwaltung hat hier einen gewissen Ermessensspielraum, der jedoch durch das verfassungsrechtlich garantierte Recht zur Errichtung privater Schulen (Art. 7 Abs. 4 GG) begrenzt wird.

5.4.2. Antrag von Erziehungsberechtigten

Die zweite Möglichkeit zur Errichtung einer privaten Volksschule besteht, wenn Erziehungsberechtigte einen entsprechenden Antrag stellen und die Schule als Gemeinschaftsschule, Bekenntnisschule oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll. Diese Regelung stellt einen Ausgleich zwischen dem staatlichen Interesse an einer einheitlichen Grundbildung und der individuellen Freiheit der Eltern dar, ihre Kinder entsprechend ihren religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen zu erziehen.

Diese Regelung greift jedoch nur dann, wenn in der betreffenden Gemeinde keine öffentliche Volksschule dieser Art existiert. Damit wird verhindert, dass parallele Schulstrukturen entstehen, die die Einheitlichkeit der Grundbildung gefährden könnten. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass den Erziehungsberechtigten in Gemeinden ohne entsprechende öffentliche Schulen die Möglichkeit eröffnet wird, eine private Schule entsprechend ihren Überzeugungen zu gründen.

5.5. Bedeutung der Regelung für die Praxis

Art. 7 Abs. 5 GG stellt einen wichtigen Baustein des deutschen Schulsystems dar, indem er die Errichtung privater Volksschulen einschränkt, ohne das Grundrecht auf Errichtung privater Schulen (Art. 7 Abs. 4 GG) vollständig zu unterbinden. Der Artikel dient in erster Linie der Sicherstellung der Chancengleichheit und Einheitlichkeit der Grundbildung. Indem der Staat die Genehmigung privater Volksschulen an besondere pädagogische Interessen oder an den Bedarf nach Gemeinschafts-, Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen knüpft, wird verhindert, dass das Schulsystem durch private Volksschulen zersplittert wird oder dass soziale Unterschiede im Bildungswesen zementiert werden.

Die Regelung trägt auch dazu bei, dass der Staat die Aufsicht über die Qualität und Ausrichtung der Grundbildung behält, während er gleichzeitig Raum für pädagogische Innovationen und die pluralistische Vielfalt im Schulwesen lässt. Die Zulassung privater Volksschulen ist daher ein Balanceakt zwischen dem Schutz der staatlichen Bildungshoheit und der Freiheit zur Errichtung alternativer Schulangebote.

5.6. Verfassungsrechtliche Abwägung

5.6.1. Verhältnis zu Art. 6 Abs. 2 GG

Art. 7 Abs. 5 GG steht in engem Zusammenhang mit der elterlichen Erziehungsfreiheit, die in Art. 6 Abs. 2 GG garantiert ist. Eltern haben grundsätzlich das Recht, über die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden, einschließlich der Frage, welche Schule ihre Kinder besuchen sollen. Dieses Grundrecht wird durch Art. 7 Abs. 5 GG eingeschränkt, da die Errichtung privater Volksschulen an zusätzliche Bedingungen geknüpft ist. Diese Einschränkung ist jedoch gerechtfertigt, da der Staat ein legitimes Interesse daran hat, eine einheitliche und qualitativ hochwertige Grundbildung für alle Kinder sicherzustellen.

5.6.2. Verhältnis zu Art. 4 GG

Der Schutz von Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen in Art. 7 Abs. 5 GG ist eng mit der in Art. 4 GG garantierten Religionsfreiheit verbunden. Durch die Möglichkeit, private Bekenntnisschulen zu gründen, wird den Eltern ermöglicht, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren religiösen Überzeugungen zu erziehen. Diese Freiheit wird jedoch durch das Erfordernis begrenzt, dass eine solche Schule nur dann errichtet werden kann, wenn in der betreffenden Gemeinde keine entsprechende öffentliche Schule vorhanden ist. Diese Einschränkung dient dem Schutz der Einheitlichkeit des öffentlichen Schulwesens, ist aber unter dem Gesichtspunkt der Religionsfreiheit problematisch, da sie in bestimmten Fällen die Ausübung der Religionsfreiheit erschweren könnte.

6. Absatz 6

6.1. Einleitung

Art. 7 Abs. 6 GG enthält eine kurze, aber in ihrer historischen und bildungspolitischen Bedeutung gewichtige Regelung: die Aufhebung der sogenannten „Vorschulen“. Der Wortlaut der Vorschrift erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, es handle sich um eine veraltete und möglicherweise überholte Bestimmung. Tatsächlich ist diese Regelung jedoch von erheblichem verfassungsrechtlichen Interesse, da sie nicht nur bildungspolitische Fragen betrifft, sondern auch in einem größeren Kontext der Bildungs- und Chancengleichheit sowie der sozialen Integration steht.

Dieser Kommentar analysiert die historische Entstehung und Entwicklung der Vorschulen, beleuchtet die Beweggründe für deren Aufhebung sowie die verfassungsrechtlichen und pädagogischen Konsequenzen dieser Maßnahme. Art. 7 Abs. 6 GG wird vor diesem Hintergrund im Kontext des allgemeinen Schulwesens, der sozialen Gerechtigkeit und des Bildungsföderalismus betrachtet.

6.2. Historie

Die Vorschulen, deren Aufhebung Art. 7 Abs. 6 GG verfassungsrechtlich fixiert, entstanden im deutschen Bildungssystem des 19. Jahrhunderts. Es handelte sich dabei um schulische Einrichtungen, die zwischen der Elementarschule (also der Schule für die breite Bevölkerung) und dem Gymnasium angesiedelt waren. Vorschulen dienten als Vorbereitungsanstalten für höhere Schulen, insbesondere Gymnasien. Die Schüler stammten häufig aus bürgerlichen oder wohlhabenden Familien, was dazu führte, dass die Vorschulen maßgeblich dazu beitrugen, soziale Unterschiede im Bildungsbereich zu verstärken.

In der Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurde bereits ein erster Schritt unternommen, diese Vorschulen abzuschaffen. Art. 147 Abs. 3 WRV bestimmte: „Private Vorschulen sind aufzuheben.“ Damit wurde das Ziel verfolgt, den Zugang zu höherer Bildung nicht länger von der sozialen Herkunft abhängig zu machen und die Chancengleichheit im Schulwesen zu stärken. Das Ziel dieser Vorschrift lag somit in der Vereinheitlichung des Bildungssystems und in der Beseitigung von bildungspolitisch privilegierten Strukturen. Diese Überlegungen wurden schließlich auch ins Grundgesetz übernommen und in Art. 7 Abs. 6 GG verankert.

6.3. Systematische Einordnung und Ziel der Vorschrift

Art. 7 GG beschäftigt sich umfassend mit der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung des Schulwesens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Regelungen betreffen sowohl das staatliche Aufsichtsrecht (Art. 7 Abs. 1 GG), den Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 GG) als auch die Zulässigkeit privater Schulen (Art. 7 Abs. 4 und Abs. 5 GG). Art. 7 Abs. 6 GG bildet den Abschluss dieser Vorschriften und stellt eine historische Kontinuität zur Weimarer Reichsverfassung her, indem er die Aufhebung der Vorschulen festschreibt.

Das Ziel dieser Regelung ist primär die Vermeidung sozialer Segregation im Bildungssystem. Vorschulen waren in der Vergangenheit ein Instrument, das Kindern aus wohlhabenden Familien den Zugang zu Gymnasien und höheren Bildungsanstalten erleichterte, während Kinder aus sozial schwächeren Schichten zumeist auf die Volksschule angewiesen blieben. Die Aufhebung der Vorschulen sollte sicherstellen, dass der Bildungsweg aller Kinder mit der Grundschule bzw. Volksschule beginnt und erst danach eine Differenzierung nach Leistungsfähigkeit und Neigung erfolgt.

Der Verfassungsgeber wollte mit dieser Bestimmung verhindern, dass das Bildungssystem von vornherein soziale Unterschiede reproduziert und damit die Chancenungleichheit verstärkt. Art. 7 Abs. 6 GG ist daher Ausdruck eines zentralen bildungspolitischen Ziels der Bundesrepublik: die Sicherung der Chancengleichheit im Zugang zu höherer Bildung.

6.4. Verfassungsrechtliche Bedeutung und Bezug zur Chancengleichheit

Die Verankerung der Aufhebung der Vorschulen im Grundgesetz zeigt, dass es sich hierbei nicht nur um eine einfache bildungspolitische Entscheidung handelt, sondern um ein verfassungsrechtlich abgesichertes Prinzip. Der Staat hat die Aufgabe, für ein gerechtes und chancengleiches Bildungssystem zu sorgen. Art. 7 Abs. 6 GG soll sicherstellen, dass der Zugang zu weiterführender Bildung nicht durch eine elitäre Vorschulausbildung vorgeprägt wird, die nur einer bestimmten sozialen Schicht vorbehalten ist.

Die Aufhebung der Vorschulen ist dabei ein Baustein im Gesamtkontext des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots, das in Art. 3 GG festgelegt ist. Art. 3 Abs. 1 GG garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz, was auch im Bildungsbereich gilt. Die Vorschriften in Art. 7 GG, insbesondere Abs. 6, müssen im Licht dieses Gleichheitsgebots interpretiert werden. Ein Schulsystem, das soziale Unterschiede von vornherein verstärkt, steht im Widerspruch zu diesem Verfassungsgebot.

Zusätzlich wird durch Art. 7 Abs. 6 GG das Recht der Eltern, über die schulische Ausbildung ihrer Kinder zu entscheiden (Art. 6 Abs. 2 GG), in einer Weise eingeschränkt, die dem Gemeinwohl und dem Prinzip der Chancengleichheit Rechnung trägt. Zwar bleibt den Eltern das Recht, ihre Kinder in bestimmte Schulen zu schicken, erhalten, doch wird durch die Aufhebung der Vorschulen sichergestellt, dass der Zugang zu höherer Bildung nicht durch soziale Herkunft vorbestimmt ist.

6.5. Pädagogische Überlegungen

Aus pädagogischer Sicht war die Aufhebung der Vorschulen ebenfalls eine notwendige Maßnahme. Vorschulen trennten Kinder in sehr jungen Jahren und sortierten sie de facto nach der sozialen Herkunft ihrer Eltern. Dadurch wurde die Möglichkeit einer integrativen Pädagogik, die alle Kinder unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund gemeinsam fördert und fordert, von vornherein unterlaufen.

Durch die Aufhebung der Vorschulen sollte sichergestellt werden, dass alle Kinder zunächst gemeinsam in der Grundschule (bzw. Volksschule) unterrichtet werden und erst im Anschluss eine Differenzierung nach Leistungsfähigkeit, Interessen und Neigungen erfolgt. Die einheitliche Grundschule wird somit zum Ausgangspunkt für eine faire und gerechte Bildungslaufbahn. Die Idee der „Durchlässigkeit“ im Bildungssystem, wonach Kinder je nach ihrer Entwicklung und Leistung den für sie besten Bildungsweg einschlagen können, steht ebenfalls im Einklang mit dieser Regelung.

Darüber hinaus betont die Aufhebung der Vorschulen den Grundsatz, dass Bildung keine elitäre Angelegenheit sein soll, sondern allen Mitgliedern der Gesellschaft offenstehen muss. Vorschulen hätten in diesem Sinne eine Spaltung der Gesellschaft in „Bildungseliten“ und „Bildungsferne“ zementiert.

6.6. Bezug zum Bildungsföderalismus

Die in Art. 7 Abs. 6 GG verankerte Aufhebung der Vorschulen ist auch in den Kontext des deutschen Bildungsföderalismus einzubetten. Die Länder haben in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 30 und Art. 70 ff. GG die Kulturhoheit und damit auch die Gesetzgebungskompetenz für das Schulwesen. Art. 7 GG setzt jedoch als grundrechtliche Vorgabe den Rahmen für die Gestaltung des Schulwesens, den die Länder bei ihrer Gesetzgebung zu beachten haben.

Die Aufhebung der Vorschulen durch Art. 7 Abs. 6 GG ist damit eine bundesrechtliche Vorgabe, die von den Ländern nicht unterlaufen werden kann. Vorschulen, wie sie in der Zeit vor der Weimarer Republik existierten, dürfen heute nicht wieder eingeführt werden, da sie dem verfassungsrechtlichen Ziel der Chancengleichheit widersprechen. Die Länder können zwar weiterhin eigene Bildungsgesetze erlassen, müssen aber sicherstellen, dass diese in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben stehen.

6.7. Kritische Stimmen und aktuelle Relevanz

Obwohl Art. 7 Abs. 6 GG eine eindeutige Regelung enthält, gab und gibt es immer wieder Diskussionen über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieser Vorschrift. Kritiker argumentieren, dass das Verbot von Vorschulen in einer Zeit, in der sich das Schulsystem ständig weiterentwickelt, möglicherweise anachronistisch wirkt. So wird etwa die Frage gestellt, ob spezielle Vorschulformen, die Kinder besonders fördern, nicht auch im Sinne der Chancengleichheit von Vorteil sein könnten, wenn sie etwa benachteiligten Kindern zugutekommen.

Gleichzeitig bleibt die Vorschrift angesichts der aktuellen bildungspolitischen Diskussionen über frühkindliche Bildung und Chancengerechtigkeit relevant. Programme wie die vorschulische Sprachförderung oder andere frühkindliche Bildungsmaßnahmen könnten in einen Konflikt mit der Aufhebung der Vorschulen geraten, wenn sie sozial selektiv gestaltet werden. Die zentrale Herausforderung besteht darin, Maßnahmen zu entwickeln, die Kinder fördern, ohne eine elitäre Trennung von Bildungseinrichtungen zu schaffen.