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Art. 6 GG - Schutz von Ehe, Familie, Kindern (Kommentar)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) ¹Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. ²Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Inhaltsverzeichnis 

1. Art. 6 Abs. 1 GG – Schutz von Ehe und Familie

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“

1.1. Einleitung

Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sichert den besonderen Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung. Diese Norm ist eine der zentralen Bestimmungen des Grundgesetzes und spiegelt die herausragende Bedeutung wider, die Ehe und Familie als grundlegende Institutionen für das gesellschaftliche Zusammenleben in der Bundesrepublik Deutschland genießen. Der Schutzauftrag des Staates bezieht sich sowohl auf die institutionelle Sicherung dieser Einrichtungen als auch auf die konkrete Förderung ihrer sozialen Funktionen.

Dieser Schutz ist nicht nur formal verfassungsrechtlich festgelegt, sondern hat auch eine tiefgreifende gesellschaftspolitische Dimension. Ehe und Familie werden als tragende Säulen der Gemeinschaft betrachtet, die sowohl die soziale als auch die ökonomische Stabilität fördern. Ihre herausragende Bedeutung spiegelt sich in verschiedenen Aspekten wider, wie der rechtlichen Ausgestaltung der Ehe, den Rechten der Familie und den daraus resultierenden Schutzpflichten des Staates.

1.2. Historische Entwicklung

Die Verankerung von Ehe und Familie als besonders schutzbedürftige Institutionen geht auf die Weimarer Reichsverfassung zurück, die den besonderen Schutz von Ehe und Familie im Verfassungsrecht vorsah.

Artikel 119 WRV
(1) Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Diese beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter.

Allerdings erfuhr der Schutz dieser Institutionen unter dem nationalsozialistischen Regime erhebliche Einschränkungen und ideologische Verzerrungen. Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Eingriffe in die Familienstruktur und der Zerstörung von individuellen Freiheitsrechten und Familienbanden kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Rückbesinnung auf die zentrale Rolle von Ehe und Familie in einer demokratischen Gesellschaft.

In den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde die Frage der Verfassungsnormierung von Ehe und Familie intensiv diskutiert. Eine der zentralen Überlegungen bestand darin, einen umfassenden Schutzmechanismus zu schaffen, der die Familie als Kern der sozialen Gemeinschaft sichert und gegen staatliche Eingriffe schützt. Gleichzeitig sollte durch die Formulierung von Art. 6 Abs. 1 GG ein klares Bekenntnis zu den traditionellen gesellschaftlichen Strukturen zum Ausdruck gebracht werden.

1.3. Ehe und Familie als Verfassungsbegriffe

1.3.1. Ehe

Der Begriff der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG bezieht sich traditionell auf die rechtliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. Diese Definition beruhte auf dem historischen Verständnis der Ehe, das auf die Gründung einer dauerhaften Lebensgemeinschaft abzielte, die auch potenziell auf die Fortpflanzung gerichtet war. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts im Jahr 2017 wurde diese Definition jedoch erweitert. Die Ehe wird nunmehr als rechtlich anerkannte Lebensgemeinschaft zwischen zwei Personen angesehen, unabhängig von ihrem Geschlecht.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung mehrfach betont, dass der besondere Schutz der Ehe nicht nur eine Verpflichtung zur Nichtbeeinträchtigung dieser Institution beinhaltet, sondern auch eine positive Schutzpflicht des Staates, Ehe als rechtliche Institution zu fördern und zu stärken. Dies bedeutet, dass der Staat Maßnahmen ergreifen muss, um die Institution der Ehe vor äußeren Einflüssen zu schützen, die sie schwächen oder in Frage stellen könnten.

1.3.2. Familie

Der Begriff der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG ist weiter gefasst als der Begriff der Ehe. Familie wird in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als eine soziale Einheit verstanden, die auf der Beziehung von Eltern und Kindern beruht. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie erstreckt sich dabei nicht nur auf die traditionelle Kernfamilie, sondern auch auf andere Familienformen, wie etwa Alleinerziehende und nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern.

Wichtig ist, dass der Schutz der Familie unabhängig von der rechtlichen Form der elterlichen Beziehung gilt. Das bedeutet, dass auch Kinder, die außerhalb der Ehe geboren werden, und ihre Eltern unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG stehen. Dieser umfassende Schutzansatz soll sicherstellen, dass der Staat nicht zwischen verschiedenen Familienmodellen differenziert, sondern allen Familienformen den gleichen rechtlichen Schutz zukommen lässt.

1.4. Schutzauftrag des Staates

Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat zu einem besonderen Schutz von Ehe und Familie. Dieser Schutzauftrag umfasst sowohl Abwehrrechte der Individuen gegenüber dem Staat als auch positive Verpflichtungen des Staates. Der Staat muss daher sowohl negative Eingriffe in die Institutionen von Ehe und Familie unterlassen als auch aktiv Maßnahmen ergreifen, um deren Fortbestand und Entwicklung zu fördern.

1.4.1. Abwehrrechte

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner ständigen Rechtsprechung betont, dass Art. 6 Abs. 1 GG den Staat verpflichtet, Eingriffe in die Institutionen von Ehe und Familie auf das absolut Notwendige zu beschränken. Jegliche Maßnahmen, die die Existenz oder den Bestand von Ehe und Familie gefährden, sind grundsätzlich verfassungswidrig. Dies betrifft vor allem die Ausgestaltung des Familienrechts sowie das Eingriffsrecht des Staates in familienrechtliche Belange.

Ein klassisches Beispiel für den Schutz von Ehe und Familie vor staatlichen Eingriffen ist der Schutz der elterlichen Erziehungsrechte. Nach Art. 6 Abs. 2 GG haben die Eltern das natürliche Recht zur Erziehung ihrer Kinder. Eingriffe des Staates in dieses Recht dürfen nur in Ausnahmefällen erfolgen, etwa wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

1.4.2. Positive Schutzpflichten

Neben den Abwehrrechten ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG auch eine positive Schutzpflicht des Staates. Diese umfasst die Pflicht, die rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Ehe und Familie sich frei entfalten und entwickeln können. Dies bedeutet, dass der Staat Maßnahmen ergreifen muss, um Ehe und Familie zu fördern. Beispiele für solche Fördermaßnahmen sind steuerliche Vergünstigungen für Ehepaare (sogenanntes Ehegattensplitting), finanzielle Unterstützung für Familien (Kindergeld) sowie der Ausbau von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder.

Ein zentrales Problem in diesem Zusammenhang ist die Frage, inwieweit der Staat verpflichtet ist, auch neue und nicht-traditionelle Formen der Familie zu schützen und zu fördern. Mit der zunehmenden Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Patchwork-Familien stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang diese neuen Familienformen ebenfalls unter den Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG fallen.

1.5. Die Bedeutung des Sittengesetzes und der verfassungsmäßigen Ordnung

Art. 6 Abs. 1 GG steht im Zusammenhang mit anderen Grundrechten und allgemeinen Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere Art. 2 GG, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und des Sittengesetzes garantiert. Diese Verbindung legt nahe, dass die Ehe und Familie nicht schrankenlos geschützt sind, sondern in den allgemeinen rechtlichen und sittlichen Rahmen eingebettet werden müssen.

Das Sittengesetz, das in der Verfassungsrechtslehre als unbestimmter Rechtsbegriff gilt, spielt vor allem im Hinblick auf das Verständnis von Ehe und Familie in unterschiedlichen gesellschaftlichen und historischen Kontexten eine Rolle. Was als „sittlich“ gilt, unterliegt einem historischen Wandel. Während im frühen 20. Jahrhundert noch eine streng konservative Vorstellung von Ehe und Familie vorherrschte, die auf der heterosexuellen Ehe und dem Leitbild der bürgerlichen Kernfamilie beruhte, hat sich das Verständnis von Familie im Laufe der Zeit deutlich diversifiziert.

2. Art. 6 Abs. 2 GG – Pflege und Erziehung der Kinder

„¹Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. ²Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

2.1. Einleitung

Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) zählt zu den zentralen Bestimmungen des deutschen Familien- und Verfassungsrechts. Der Absatz legt fest, dass Pflege und Erziehung der Kinder sowohl ein Recht als auch eine Pflicht der Eltern sind und erklärt dieses Elternrecht als „natürliches“ Recht. Gleichzeitig bestimmt die Norm, dass die staatliche Gemeinschaft über die Ausübung dieses Rechts und dieser Pflicht wacht, was einen bedeutenden Ausgleich zwischen dem elterlichen Erziehungsrecht und den Interessen des Staates, insbesondere zum Schutz des Kindeswohls, darstellt.

Das natürliche Elternrecht hat nicht nur einen hohen Stellenwert innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens, sondern spiegelt auch eine lange Tradition in der europäischen Rechtsgeschichte wider, wonach Eltern die primäre Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder tragen. Die staatliche Gemeinschaft übernimmt dabei die Rolle des Aufsehers und greift nur dann ein, wenn die Wahrnehmung des Elternrechts dem Kindeswohl zuwiderläuft oder andere schwerwiegende staatliche Interessen berührt sind.

2.2. Historische Entwicklung

Die Gewährleistung des Elternrechts als „natürliches Recht“ hat seine Wurzeln in der Weimarer Reichsverfassung (Art. 120 WRV), die ebenfalls die elterliche Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder betonte.

Artikel 120 WRV
Die Erziehung des Nachwuchses zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit ist oberste Pflicht und natürliches Recht der Eltern, über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft wacht.

Vor allem jedoch ist dieses Grundrecht eine Reaktion auf die autoritäre Familien- und Erziehungspolitik des Nationalsozialismus, die das elterliche Erziehungsrecht systematisch missachtete und durch staatliche Maßnahmen zu untergraben suchte. Das Grundgesetz von 1949 setzt hier bewusst einen Kontrapunkt, indem es das Elternrecht stärkt und klar verfassungsrechtlich verankert.

Der Parlamentarische Rat hat in den Beratungen zur Ausgestaltung von Art. 6 GG insbesondere die Erfahrungen des nationalsozialistischen Staates berücksichtigt, in dem Kindererziehung zu einem erheblichen Teil dem Einfluss des Staates unterworfen wurde, und betonte daher die Bedeutung der elterlichen Autonomie in Erziehungsfragen.

2.3. Schutzbereich von Art. 6 Abs. 2 GG

2.3.1. Natürliche Rechte und Pflichten der Eltern

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert das elterliche Erziehungsrecht als ein „natürliches“ Recht. Diese Formulierung hebt hervor, dass das Elternrecht nicht lediglich ein vom Staat gewährtes oder eingeräumtes Recht ist, sondern ein elementares, quasi „vorstaatliches“ Recht, das seine Legitimation aus der elterlichen Bindung zum Kind und nicht aus einer rechtlichen Konstruktion durch den Staat bezieht. Damit korrespondiert, dass der Staat den Eltern grundsätzlich das Primat in Erziehungsfragen einräumt. Die Eltern sind die primären Erziehungspersonen ihrer Kinder und bestimmen die Erziehungsinhalte sowie die Art und Weise der Erziehung.

Das Erziehungsrecht der Eltern geht dabei über das rein rechtliche Maß hinaus und umfasst auch die moralische und sittliche Erziehung sowie die Entscheidung darüber, in welcher Weltanschauung und religiösen Überzeugung das Kind aufwachsen soll. Dieser weite Schutzbereich wird auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, das das elterliche Erziehungsrecht als „wesentliche Grundlage für die Erziehung und Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ betrachtet (BVerfGE 24, 119).

2.3.2. Pflege und Erziehung als Pflicht

Neben dem Recht auf Erziehung formuliert Art. 6 Abs. 2 GG auch die elterliche Erziehungspflicht. Eltern sind also nicht nur berechtigt, ihre Kinder zu erziehen, sondern auch verpflichtet, für das Wohl des Kindes zu sorgen. Diese Pflicht umfasst sowohl die physische Pflege als auch die psychische und moralische Betreuung des Kindes. Die Pflicht zur Erziehung ist dabei untrennbar mit dem Recht auf Erziehung verbunden, was bedeutet, dass Eltern ihrer Erziehungspflicht nicht willkürlich entziehen können. Kommt es zu einer Vernachlässigung der elterlichen Pflichten, etwa durch Missbrauch oder Vernachlässigung, greift der Staat ein, um das Wohl des Kindes zu sichern.

2.4. Staatliches Wächteramt

2.4.1. Das Wächteramt des Staates

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG bestimmt, dass „die staatliche Gemeinschaft“ über die Betätigung des elterlichen Erziehungsrechts und der damit verbundenen Pflicht wacht. Dieser Verweis auf das Wächteramt des Staates bedeutet, dass der Staat nicht passiv bleibt, sondern im Rahmen seiner Schutzpflicht für das Kindeswohl aktiv wird, wenn das Elternrecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt wird oder das Kindeswohl gefährdet ist. Die Wahrnehmung des Wächteramtes erfolgt insbesondere durch die Jugendämter und die Familiengerichte, die in Fällen von Missbrauch, Vernachlässigung oder anderen Gefahren für das Kindeswohl eingreifen können.

Das Wächteramt ist jedoch nicht als generelle Aufsicht über die Erziehung anzusehen, sondern greift subsidiär ein, wenn der Schutz des Kindes notwendig ist. Grundsätzlich besteht also ein Primat der elterlichen Verantwortung, und das Eingreifen des Staates darf erst erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass das Kindeswohl gefährdet ist.

2.4.2. Grenzen und Anforderungen an staatliches Eingreifen

Der staatliche Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern ist an strenge Anforderungen gebunden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Eingriff nur dann gerechtfertigt, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und mildere Maßnahmen nicht ausreichen (BVerfGE 24, 119). Es gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Das staatliche Handeln muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um die Gefährdung des Kindes abzuwenden. Ein übermäßiger staatlicher Eingriff in die elterliche Erziehung, der das Elternrecht unverhältnismäßig einschränkt, ist verfassungswidrig.

Ein Beispiel für eine Gefährdung des Kindeswohls, die ein Eingreifen des Staates rechtfertigt, ist die Kindesmisshandlung oder die Vernachlässigung der körperlichen und seelischen Bedürfnisse des Kindes. In solchen Fällen kann der Staat Maßnahmen ergreifen, die bis zur Entziehung des Sorgerechts reichen können (§ 1666 BGB).

2.5. Verhältnis zu anderen Grundrechten und Gesetzen

2.5.1. Verhältnis zu Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit)

Das Erziehungsrecht der Eltern ist Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, das in Art. 6 Abs. 2 GG eine spezifische Ausprägung erfährt. Während Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Persönlichkeitsentfaltung schützt, garantiert Art. 6 Abs. 2 GG speziell das Recht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen. In Fällen, in denen es zu Konflikten zwischen der elterlichen Erziehungsfreiheit und der staatlichen Gemeinschaft kommt, ist daher eine Abwägung zwischen den verschiedenen verfassungsrechtlichen Interessen vorzunehmen.

2.5.2. Verhältnis zu Art. 7 GG (Schulwesen)

Das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG findet eine besondere Einschränkung in Art. 7 GG, der die staatliche Schulaufsicht regelt. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Erziehungsrecht der Eltern und der Schulpflicht ist ein häufiger Gegenstand verfassungsrechtlicher Diskussionen und Rechtsprechung. Eltern haben zwar das Recht, die religiöse und weltanschauliche Ausrichtung der Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen, müssen jedoch akzeptieren, dass der Staat im Rahmen der Schulpflicht Vorgaben macht, die für die Allgemeinheit gelten und den Zugang zu Bildung sicherstellen sollen.

In der Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Schulpflicht nicht gegen das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verstößt, sondern im Rahmen der staatlichen Gemeinschaft notwendig ist, um die Erziehungs- und Bildungsziele des Staates zu erreichen. Eltern haben zwar das Recht, Einfluss auf die schulische Erziehung zu nehmen, können jedoch nicht verlangen, dass ihre Kinder von der allgemeinen Schulpflicht befreit werden, wenn diese den staatlichen Bildungszielen entspricht (BVerfGE 41, 29).

3. Art. 6 Abs. 3 GG – Trennung der Kinder von der Familie

„Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.“

3.1. Einleitung

Artikel 6 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) garantiert den verfassungsrechtlichen Schutz der familiären Bindungen, insbesondere die enge Verbindung zwischen Eltern und ihren Kindern. Der Absatz normiert eine wesentliche Schranke für staatliche Eingriffe in das Familienleben: Kinder dürfen nur gegen den Willen der Erziehungsberechtigten von der Familie getrennt werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Erstens müssen die Erziehungsberechtigten versagen oder zweitens eine Verwahrlosung der Kinder drohen. Dabei ist ein Gesetzesvorbehalt verankert, d.h., solche Trennungen dürfen nur auf der Grundlage eines formellen Gesetzes vorgenommen werden. Dieser Schutzmechanismus balanciert zwischen den individuellen Rechten der Eltern und dem Kindeswohl, wobei letzteres oberste Priorität genießt.

Art. 6 Abs. 3 GG steht in engem Zusammenhang mit dem in Art. 6 Abs. 2 GG verankerten elterlichen Erziehungsrecht, das hier durch den Staat eingeschränkt werden kann, wenn die elterliche Erziehungspflicht nicht hinreichend erfüllt wird oder andere gravierende Umstände eintreten. Gleichzeitig ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von entscheidender Bedeutung, da jede staatliche Maßnahme in das Elternrecht besonders sorgfältig abzuwägen ist.

3.2. Historische Entwicklung

Die Entstehung von Art. 6 Abs. 3 GG ist eng mit den historischen Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. In dieser Zeit versuchte der Staat, die elterliche Erziehungshoheit zu untergraben und Kinder ideologisch zu beeinflussen, wobei Familien zerrissen und Kinder in staatliche Institutionen verbracht wurden. Dies führte in der Nachkriegszeit zu einem ausgeprägten verfassungsrechtlichen Schutz der familiären Bindungen im Grundgesetz.

Schon in der Weimarer Reichsverfassung war das Elternrecht und der Schutz der Familie in Art. 119 WRV verankert, allerdings war der Schutz dort weniger ausgeprägt als im Grundgesetz von 1949. Am ehesten entsprach Art. 122 WRV dem heutigen Art. 6 Abs. 3 GG.

Artikel 119 WRV
[...]
(2) Die Reinerhaltung, Gesundung und soziale Förderung der Familie ist Aufgabe der Staats und der Gemeinden. Kinderreiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge.

Artikel 122 WRV
(1) Die Jugend ist gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige oder körperliche Verwahrlosung zu schützen. Staat und Gemeinde haben die erforderlichen Einrichtungen zu treffen.
(2) Fürsorgemaßregeln im Wege des Zwanges können nur auf Grund des Gesetzes angeordnet werden.

Der Parlamentarische Rat betonte die Notwendigkeit, das Elternrecht stark zu schützen, stellte jedoch gleichzeitig klar, dass der Staat das Kindeswohl im Blick behalten muss und in gravierenden Fällen eingreifen darf. Diese Balance zwischen familiärer Autonomie und staatlichem Wächteramt findet sich in Art. 6 Abs. 3 GG wieder.

3.3. Schutzbereich

3.3.1. Persönlicher Schutzbereich

Art. 6 Abs. 3 GG schützt sowohl die Eltern als auch die Kinder. Eltern im Sinne der Norm sind primär die Erziehungsberechtigten, was grundsätzlich die leiblichen Eltern umfasst, aber auch Personen, die aufgrund anderer rechtlicher Konstruktionen das Sorgerecht innehaben, wie etwa Pflegeeltern oder Vormünder. Kinder sind alle minderjährigen Personen, die unter elterlicher Sorge stehen.

3.3.2. Sachlicher Schutzbereich

Der sachliche Schutzbereich von Art. 6 Abs. 3 GG betrifft die familiäre Einheit und das Recht der Eltern, über das Leben und die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden. Eine Trennung der Kinder von der Familie stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des elterlichen Erziehungsrechts dar, die nur unter engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zulässig ist. Diese Trennung darf nur erfolgen, wenn Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe „versagen“ oder wenn eine „Verwahrlosung“ des Kindes droht. Dabei ist der Begriff der Verwahrlosung weit auszulegen und umfasst physische, psychische und moralische Gefährdungen des Kindeswohls.

3.4. Eingriffsvoraussetzungen

Art. 6 Abs. 3 GG normiert zwei Hauptvoraussetzungen, die vorliegen müssen, damit ein Eingriff in die familiäre Einheit und die elterliche Erziehung möglich ist.

3.4.1. Versagen der Erziehungsberechtigten

Das Versagen der Erziehungsberechtigten stellt die erste mögliche Eingriffsvoraussetzung dar. Ein solches Versagen liegt vor, wenn die Eltern ihre Pflichten aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht erfüllen, das Kindeswohl also durch aktives oder passives Fehlverhalten der Eltern gefährdet wird. Typische Fälle des elterlichen Versagens sind Kindesmisshandlung, Vernachlässigung oder die Verweigerung notwendiger medizinischer Maßnahmen. Ein weiteres Beispiel kann die Überforderung der Eltern sein, die es ihnen unmöglich macht, die erforderliche Fürsorge zu gewährleisten.

Entscheidend ist hierbei, dass das elterliche Versagen eine hinreichend schwere Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellt, die einen staatlichen Eingriff erforderlich macht. Die Rechtsprechung betont, dass ein bloßes Abweichen von allgemein anerkannten Erziehungsstandards nicht genügt; vielmehr muss eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls vorliegen (vgl. BVerfGE 24, 119).

3.4.2. Drohende Verwahrlosung des Kindes

Die zweite Eingriffsvoraussetzung ist die drohende Verwahrlosung des Kindes. Verwahrlosung bedeutet eine erhebliche Vernachlässigung des Kindes in physischer, emotionaler oder moralischer Hinsicht, die zu einer nachhaltigen Schädigung der Entwicklung des Kindes führen kann. Dieser Begriff ist weit auszulegen und kann sowohl körperliche als auch seelische Verwahrlosung umfassen. Verwahrlosung droht etwa, wenn das Kind ohne ausreichende Nahrung, Kleidung oder medizinische Versorgung bleibt oder in einem Umfeld aufwächst, das seine geistige und sittliche Entwicklung gefährdet.

Die drohende Verwahrlosung muss dabei nicht bereits eingetreten sein; es genügt, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind ohne staatliches Eingreifen verwahrlosen wird. Dieser präventive Schutzmechanismus soll verhindern, dass das Kind nachhaltige Schäden erleidet, bevor der Staat eingreift.

3.5. Gesetzesvorbehalt

Art. 6 Abs. 3 GG stellt klar, dass die Trennung eines Kindes von seinen Eltern nur „auf Grund eines Gesetzes“ erfolgen darf. Dieser Gesetzesvorbehalt ist ein Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips und verlangt, dass der Staat für Eingriffe in das Elternrecht eine gesetzliche Grundlage benötigt. Solche Gesetze müssen die Voraussetzungen und das Verfahren für die Trennung klar regeln und sicherstellen, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.

In der Praxis wird Art. 6 Abs. 3 GG vor allem durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) konkretisiert. Hier sind insbesondere die Vorschriften über die elterliche Sorge (§§ 1666 ff. BGB) relevant, die Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vorsehen. Diese Bestimmungen ermöglichen es dem Familiengericht, auf Antrag des Jugendamts oder eines Elternteils Maßnahmen zu ergreifen, um das Kindeswohl zu schützen, bis hin zur Entziehung des Sorgerechts.

3.6. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und verfahrensrechtliche Anforderungen

Ein staatlicher Eingriff in das Elternrecht ist nur dann zulässig, wenn das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Das bedeutet, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen sein muss, um die Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. Der Staat hat daher vor einer Trennung der Kinder von ihren Eltern zu prüfen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen, etwa die Unterstützung der Eltern durch das Jugendamt oder die Anordnung weniger einschneidender Maßnahmen wie etwa Erziehungshilfen.

Das Verfahren muss außerdem den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG entsprechen, der das Recht auf rechtliches Gehör garantiert. Eltern haben somit das Recht, in einem gerichtlichen Verfahren angehört zu werden, bevor über die Trennung entschieden wird. Auch das Kind hat in Abhängigkeit von seiner Einsichts- und Urteilsfähigkeit ein eigenes Anhörungsrecht, das in familiengerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden muss (§ 159 FamFG).

3.7. Verhältnis zu anderen Grundrechten

3.7.1. Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit)

Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 und 3 GG steht in einem engen Zusammenhang mit der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. Die elterliche Freiheit, über die Erziehung und Pflege der Kinder zu entscheiden, ist eine spezifische Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit, die jedoch durch das Kindeswohl begrenzt wird. Bei einer Gefährdung des Kindeswohls muss das Elternrecht gegenüber dem Schutz des Kindeswohls zurücktreten.

3.7.2. Art. 2 Abs. 2 GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit)

Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG stellt ein weiteres wichtiges Abwehrrecht dar, das in Fällen der Misshandlung oder Vernachlässigung von Kindern besonders relevant wird. Das Kind hat einen Anspruch darauf, vor körperlichen und psychischen Schäden geschützt zu werden. Dieses Recht kann staatliche Eingriffe in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 3 GG rechtfertigen, wenn die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Kindes gefährdet ist.

4. Art. 6 Abs. 4 GG – Schutz von Müttern

„Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“

4.1. Einleitung

Art. 6 Abs. 4 GG enthält eine besondere Schutzvorschrift, die sich explizit auf den Schutz und die Fürsorge für Mütter bezieht. Diese Norm geht über den allgemeinen Schutz von Ehe und Familie hinaus, indem sie Müttern unabhängig von ihrem Familienstand ein Grundrecht auf staatliche Unterstützung gewährt. Art. 6 Abs. 4 GG unterstreicht die besondere Bedeutung der Mutterschaft im gesellschaftlichen Kontext und verlangt eine aktive Rolle der staatlichen Gemeinschaft, um den Schutz und das Wohlergehen von Müttern sicherzustellen. Dabei ist der Begriff "Gemeinschaft" weit auszulegen und umfasst sowohl staatliche als auch gesellschaftliche Institutionen.

Die Norm steht im Zusammenhang mit dem grundgesetzlichen Schutz der Familie und der Förderung von Rechten, die der Familie als Kernzelle der Gesellschaft zukommen. Insbesondere die Rolle der Mutter als Trägerin der Schwangerschaft, Geburt und Erziehung des Kindes verleiht dieser Verfassungsnorm eine besondere Bedeutung.

4.2. Historische Entwicklung

Die Aufnahme von Art. 6 Abs. 4 GG in das Grundgesetz reflektiert die besondere Wertschätzung, die der Mutterschaft nach den traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit in Deutschland zukam. Die soziale Lage der Mütter war insbesondere in der unmittelbaren Nachkriegszeit geprägt von Notlagen und häufigem Alleinerziehertum aufgrund von Kriegsverlusten und der allgemeinen wirtschaftlichen Not. Der Parlamentarische Rat erkannte die Notwendigkeit, Müttern einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz zu gewähren, um deren Lebenssituation zu stabilisieren und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu sichern.

Historisch gesehen knüpft die Regelung auch an das Sozialstaatsprinzip an, das im deutschen Verfassungsrecht tief verwurzelt ist. Bereits in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) fanden sich in Art. 119 WRV Grundsätze, die die besondere Bedeutung der Familie und der elterlichen Erziehung anerkannten, wenn auch nicht in der spezifischen Fassung des Schutzes für Mütter. Im Grundgesetz wurde dieser Schutz in Art. 6 Abs. 4 GG übernommen.

Artikel 119 WRV
[...]
(3) Die Mutterschaft hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staats.

4.3. Persönlicher Schutzbereich

4.3.1. Geschützter Personenkreis

Der persönliche Schutzbereich von Art. 6 Abs. 4 GG erstreckt sich ausschließlich auf Mütter. Der Begriff der „Mutter“ bezieht sich dabei auf Frauen, die ein Kind geboren haben, unabhängig davon, ob sie das Kind weiterhin betreuen oder welche Rolle sie im Erziehungsprozess spielen. Hierzu zählen sowohl verheiratete als auch unverheiratete, geschiedene oder alleinerziehende Mütter.

Es ist anzumerken, dass Art. 6 Abs. 4 GG nicht explizit den Vater erwähnt. Dennoch wird die Rolle der Väter durch andere verfassungsrechtliche Bestimmungen, insbesondere Art. 6 Abs. 2 GG, geschützt. Der explizite Bezug auf die Mutter in Art. 6 Abs. 4 GG basiert auf der besonderen körperlichen und psychischen Belastung durch Schwangerschaft und Geburt, die eine spezifische Fürsorge erfordert. Allerdings schließt dies nicht aus, dass auch Väter oder andere Betreuungspersonen in vergleichbaren Situationen über das allgemeine Sozialstaatsprinzip Unterstützung erhalten können.

4.3.2. Begünstigte durch Schutz- und Fürsorgeleistungen

Neben den Müttern selbst ist der Staat, als Garant des verfassungsmäßigen Schutzes, verpflichtet, die notwendigen rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für diesen Schutz zu schaffen. Dies betrifft nicht nur direkte staatliche Maßnahmen, sondern auch indirekte Förderungen durch die Zivilgesellschaft, z.B. über soziale Dienste und Einrichtungen. Der Staat hat die Verpflichtung, entsprechende Strukturen zu fördern und zu finanzieren, um die in Art. 6 Abs. 4 GG normierten Schutzansprüche zu verwirklichen.

4.4. Sachlicher Schutzbereich

4.4.1. Schutz der Mutterschaft

Der sachliche Schutzbereich von Art. 6 Abs. 4 GG umfasst den umfassenden Schutz der Mutter im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt und den Herausforderungen der frühen Mutter-Kind-Beziehung. Hierunter fallen sowohl die physische Unversehrtheit und Gesundheit der Mutter als auch ihre wirtschaftliche und soziale Absicherung.

Zu den wesentlichen Schutzmaßnahmen, die aus Art. 6 Abs. 4 GG abgeleitet werden können, gehören insbesondere:

  • Mutterschutzgesetze: Der gesetzlich verankerte Mutterschutz, insbesondere das Mutterschutzgesetz (MuSchG), gewährleistet den Schutz von werdenden und stillenden Müttern im Arbeitsverhältnis. Dazu zählen unter anderem Beschäftigungsverbote vor und nach der Geburt sowie besondere Regelungen für den Kündigungsschutz.
  • Elternzeit und Elterngeld: Art. 6 Abs. 4 GG gibt auch eine Grundlage für Maßnahmen wie Elternzeit und Elterngeld, die es Müttern (und zunehmend auch Vätern) ermöglichen sollen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Diese Instrumente sollen Mütter vor wirtschaftlicher Benachteiligung durch Schwangerschaft und Geburt schützen.
  • Soziale Unterstützung: Weitere Schutzmaßnahmen umfassen staatliche Sozialleistungen wie Kindergeld, Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) oder spezifische Unterstützungsleistungen für Alleinerziehende. Solche Leistungen gewährleisten die finanzielle Absicherung von Müttern und sollen insbesondere jene unterstützen, die keine ausreichende private Absicherung haben.

4.4.2. Fürsorge für Mütter

Der Begriff „Fürsorge“ im Sinne von Art. 6 Abs. 4 GG geht über den reinen Schutz hinaus und fordert die aktive Unterstützung von Müttern durch den Staat und die Gesellschaft. Hierzu zählen:

  • Gesundheitliche Versorgung: Eine flächendeckende und angemessene medizinische Versorgung während und nach der Schwangerschaft ist eine wesentliche Form der staatlichen Fürsorge. Dies umfasst sowohl präventive medizinische Maßnahmen als auch die Nachsorge.
  • Bildungs- und Betreuungsangebote: Der Staat hat sicherzustellen, dass Müttern ausreichend Zugang zu Bildungs- und Betreuungsangeboten für ihre Kinder zur Verfügung steht, um sie zu entlasten und gleichzeitig die frühkindliche Förderung zu unterstützen.
  • Wiedereinstieg in das Berufsleben: Ein weiterer Aspekt der Fürsorge ist die Unterstützung von Müttern beim Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Geburt eines Kindes. Dies kann durch Maßnahmen wie Weiterbildungsangebote oder eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschehen.

4.5. Eingriffsvoraussetzungen

4.5.1. Verpflichtung des Staates

Art. 6 Abs. 4 GG statuiert eine Schutzpflicht des Staates, die unmittelbar aus der Verfassung folgt. Diese Verpflichtung umfasst sowohl legislative als auch administrative Maßnahmen, um Müttern den verfassungsrechtlich garantierten Schutz zu gewähren. Es handelt sich um eine objektive Wertentscheidung des Grundgesetzes, die nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern auch eine Leistungspflicht des Staates beinhaltet.

4.5.2. Verhältnismäßigkeit und Abwägung

Jede Maßnahme, die zum Schutz von Müttern ergriffen wird, muss den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen. Dies bedeutet, dass der Staat geeignete, notwendige und angemessene Mittel wählen muss, um den Schutz zu gewährleisten. Maßnahmen, die über das erforderliche Maß hinausgehen oder unangemessen in andere Grundrechte eingreifen, wären verfassungsrechtlich problematisch.

4.6. Verhältnis zu anderen Grundrechten

4.6.1. Art. 2 Abs. 2 GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit)

Art. 6 Abs. 4 GG steht in engem Zusammenhang mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Müttern. Der Schutz von Schwangerschaft und Mutterschaft betrifft auch den Bereich der medizinischen Versorgung und des Arbeitsrechts, wo die körperliche Unversehrtheit der Mutter eine entscheidende Rolle spielt.

4.6.2. Art. 3 Abs. 2 GG (Gleichberechtigung)

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 Abs. 2 GG ist eine zentrale Grundlage, auf der Art. 6 Abs. 4 GG aufbaut. Obwohl Art. 6 Abs. 4 GG speziell Mütter schützt, steht diese Norm in keinem Widerspruch zu der Gleichberechtigung, sondern betont vielmehr die besondere Schutzbedürftigkeit von Frauen im Zusammenhang mit Mutterschaft, ohne dass dies eine Benachteiligung anderer Personen rechtfertigen würde.

4.6.3. Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie)

Art. 6 Abs. 4 GG ist auch im Kontext von Art. 6 Abs. 1 GG zu sehen, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Der spezifische Schutz der Mutter in Abs. 4 ergänzt den allgemeinen Schutz der Familie und konkretisiert diesen im Hinblick auf die besondere Stellung der Mutter.

5. Art. 6 Abs. 5 GG – Gleichstellung von unehelichen Kindern

„Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.“

5.1. Einleitung

Art. 6 Abs. 5 GG enthält eine ausdrückliche Anweisung an den Gesetzgeber, die rechtliche und gesellschaftliche Stellung unehelicher Kinder den ehelichen Kindern gleichzustellen. Diese Regelung reflektiert die historisch bedeutsame rechtliche Diskriminierung von unehelichen Kindern und hebt die Verpflichtung des Staates hervor, durch gesetzliche Maßnahmen dafür zu sorgen, dass alle Kinder, unabhängig vom Familienstand ihrer Eltern, gleiche Entwicklungs- und Lebenschancen haben. Der Artikel ist eine konkretisierende Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG und betont das Kindeswohl als oberste Maxime der familienrechtlichen Regelungen.

Die Formulierung des Abs. 5 als Aufforderung zur „Schaffung gleicher Bedingungen“ durch den Gesetzgeber verdeutlicht, dass der Verfassungsgesetzgeber von der Nachkriegszeit bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes in der BRD ein noch bestehendes Ungleichgewicht zwischen ehelichen und unehelichen Kindern sah, das durch rechtliche und gesellschaftliche Normen überwunden werden musste. Insofern hat Art. 6 Abs. 5 GG bis heute erhebliche Relevanz für das Familienrecht, insbesondere bei der Interpretation von Normen, die das Kindschaftsrecht und die Stellung des Kindes betreffen.

5.2. Historische Entwicklung

Die Aufnahme von Art. 6 Abs. 5 GG in das Grundgesetz ist eine direkte Reaktion auf die jahrhundertelange rechtliche Benachteiligung von unehelichen Kindern im deutschen Rechtskreis. In der Weimarer Zeit und in den Jahrhunderten davor galten uneheliche Kinder als „minderwertig“ und wurden sowohl rechtlich als auch sozial in vielerlei Hinsicht diskriminiert. Dies äußerte sich unter anderem in einer geringeren Erbrechtsstellung, sozialer Stigmatisierung und dem Ausschluss von bestimmten familienrechtlichen Ansprüchen.

Die Verfasser des Grundgesetzes erkannten diese Ungerechtigkeit und nahmen daher eine ausdrückliche Regelung auf, um den Staat zu verpflichten, die Gleichstellung unehelicher Kinder sicherzustellen. Art. 6 Abs. 5 GG sollte als eine Fortführung und Verstärkung der Weimarer Tradition verstanden werden, die in Art. 121 WRV (Weimarer Reichsverfassung) zwar den Schutz von unehelichen Kindern betonte, aber in der Praxis nicht weitreichend genug umgesetzt wurde.

Artikel 121 WRV
Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche, seelische und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

5.3. Persönlicher Schutzbereich

5.3.1. Schutzberechtigte: Uneheliche Kinder

Der persönliche Schutzbereich von Art. 6 Abs. 5 GG erfasst „uneheliche“ Kinder, also Kinder, deren Eltern bei ihrer Geburt nicht miteinander verheiratet waren. Heute ist dieser Begriff überholt und wird in der Regel durch den neutraleren Ausdruck „nichteheliche Kinder“ ersetzt. Diese Kinder stehen im Gegensatz zu „ehelichen“ Kindern, die während einer bestehenden Ehe der Eltern geboren werden.

Mit der Reform des Kindschaftsrechts durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von 1998 wurden viele rechtliche Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern abgeschafft. Vor dieser Reform bestanden noch zahlreiche Diskriminierungen, insbesondere im Bereich des Sorgerechts, Erbrechts und der Unterhaltspflichten. Die Reformen zogen einen erheblichen rechtlichen Wandel nach sich, wodurch viele Diskriminierungen beseitigt wurden. Dennoch bleibt Art. 6 Abs. 5 GG weiterhin von Bedeutung, um sicherzustellen, dass das Gesetzgeber weiterhin auf mögliche Ungleichbehandlungen achtet.

5.3.2. Verhältnis zu ehelichen Kindern

Der verfassungsrechtliche Schutz der unehelichen Kinder ist in direkter Konkurrenz zu den Rechten der ehelichen Kinder zu sehen, wobei das Ziel der Norm die Gleichstellung beider Gruppen ist. Art. 6 Abs. 5 GG fordert, dass den unehelichen Kindern „die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft“ geschaffen werden. Dies bedeutet, dass jede Diskriminierung aufgrund der ehelichen Abstammung aufgehoben werden muss. Hierzu gehören insbesondere Ansprüche auf Erziehung, Pflege, Unterhalt, Vermögensrechte und gesellschaftliche Anerkennung.

5.4. Sachlicher Schutzbereich

5.4.1. Gleiche Bedingungen für die leibliche und seelische Entwicklung

Art. 6 Abs. 5 GG verlangt, dass uneheliche Kinder die gleichen Bedingungen wie eheliche Kinder für ihre „leibliche und seelische Entwicklung“ erhalten. Der Begriff der leiblichen Entwicklung umfasst vor allem die körperliche Versorgung des Kindes, insbesondere seine Ernährung, medizinische Versorgung und allgemeine gesundheitliche Entwicklung. In der Vergangenheit hatten uneheliche Kinder oft nicht den gleichen Zugang zu diesen grundlegenden Rechten, da sie beispielsweise von staatlichen Fürsorgeleistungen ausgeschlossen oder ihre Väter seltener für den Unterhalt herangezogen wurden.

Die seelische Entwicklung umfasst die emotionale, psychische und geistige Förderung des Kindes. Hier steht insbesondere die gesellschaftliche Akzeptanz im Vordergrund. Uneheliche Kinder waren lange Zeit von Stigmatisierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung betroffen. Art. 6 Abs. 5 GG fordert daher, dass uneheliche Kinder in der Gesellschaft nicht mehr als „anders“ oder „minderwertig“ angesehen werden dürfen. Der Staat muss dem entgegenwirken, indem er durch gesetzliche Maßnahmen für eine Gleichbehandlung sorgt und Diskriminierung abbaut.

5.4.2. Gleiche gesellschaftliche Stellung

Neben der individuellen Entwicklung des Kindes bezieht sich Art. 6 Abs. 5 GG auch auf dessen „Stellung in der Gesellschaft“. Diese Norm soll sicherstellen, dass uneheliche Kinder dieselben gesellschaftlichen Rechte und Anerkennung erfahren wie eheliche Kinder. Historisch gesehen wurden uneheliche Kinder in vielen Gesellschaften stigmatisiert und hatten beispielsweise im Hinblick auf das Erbrecht oder die gesellschaftliche Akzeptanz Nachteile.

Die heutige gesellschaftliche Realität zeigt, dass uneheliche Kinder weitgehend gleichgestellt sind. Allerdings verbleiben einige Rechtsbereiche, in denen nichteheliche Kinder nach wie vor spezifische Herausforderungen erleben, beispielsweise in den Bereichen Sorgerecht oder Namensrecht, wenn die Eltern nicht verheiratet sind. In solchen Fällen verlangt Art. 6 Abs. 5 GG, dass der Gesetzgeber Lösungen findet, die eine Diskriminierung vermeiden und gleiche Bedingungen schaffen.

5.5. Gesetzgeberische Verpflichtung

5.5.1. Gesetzesvorbehalt und Schutzpflicht

Art. 6 Abs. 5 GG enthält eine ausdrückliche Verpflichtung des Gesetzgebers, durch geeignete gesetzliche Maßnahmen die Gleichstellung von unehelichen und ehelichen Kindern sicherzustellen. Dies beinhaltet nicht nur eine bloße Verpflichtung zum Abbau bestehender Diskriminierungen, sondern auch eine positive Verpflichtung, aktiv gleiche Bedingungen zu schaffen.

Der Gesetzgeber hat durch verschiedene Reformen, insbesondere durch die Kindschaftsrechtsreform 1998, viele der historischen Diskriminierungen abgeschafft. Dennoch bleibt Art. 6 Abs. 5 GG eine wichtige Richtschnur für zukünftige Gesetzgebungsvorhaben, die sicherstellen müssen, dass neue Regelungen keine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung unehelicher Kinder zur Folge haben.

5.5.2. Bestehende Ungleichbehandlungen

Obwohl die meisten rechtlichen Ungleichbehandlungen durch die Kindschaftsrechtsreform beseitigt wurden, gibt es nach wie vor Diskussionen über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder. Insbesondere im Bereich des Sorgerechts gibt es nach wie vor Fälle, in denen die Rechte der Väter nichtehelicher Kinder restriktiver gehandhabt werden, als dies bei verheirateten Vätern der Fall ist. Dies kann mittelbar auch die Entwicklung der Kinder betreffen. Der Staat hat daher sicherzustellen, dass jede Form der Diskriminierung oder Benachteiligung, sei sie direkt oder indirekt, beseitigt wird.

5.6. Verhältnismäßigkeit und Gleichheitsgebot

Art. 6 Abs. 5 GG steht in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, der eine Diskriminierung aufgrund der Abstammung, des Geschlechts oder anderer Merkmale verbietet. Art. 6 Abs. 5 GG konkretisiert dieses allgemeine Gleichheitsgebot im speziellen Bereich des Familienrechts und fordert eine umfassende Gleichstellung der unehelichen Kinder.

Jede gesetzliche Regelung, die zwischen ehelichen und unehelichen Kindern unterscheidet, muss sich daher an strengen Maßstäben der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Nur wenn eine unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, kann sie verfassungsgemäß sein. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat immer wieder betont, dass die Ungleichbehandlung von ehelichen und unehelichen Kindern nur in Ausnahmefällen zulässig ist und eine sehr hohe Rechtfertigungshürde zu überwinden hat.

5.7. Verhältnis zu anderen Grundrechten

5.7.1. Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz)

Wie bereits erwähnt, steht Art. 6 Abs. 5 GG in engem Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG. Während Art. 3 Abs. 1 GG die allgemeine Gleichheit vor dem Gesetz garantiert, konkretisiert Art. 6 Abs. 5 GG dieses Gebot für den speziellen Fall der Kindschaft. Unterschiede in der rechtlichen Behandlung von Kindern aufgrund des Familienstandes ihrer Eltern sind daher verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zulässig.

5.7.2. Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit)

Die Gleichstellung der unehelichen Kinder hat auch Auswirkungen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Die Benachteiligung von unehelichen Kindern könnte deren Persönlichkeitsentfaltung behindern und müsste daher auch unter diesem Grundrecht geprüft werden.

Literaturverzeichnis
Rechtsprechung: 

Zu Art. 6 Abs. 1 GG:

Zu Art. 6 Abs. 2 bis Abs. 5 GG: