Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich einen Tag vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel erneut für eine Nutzung der eingefrorenen russischen Staatsvermögen für die Ukraine stark gemacht. Es gehe um Hilfen für die Ukraine, aber auch „um ein klares Signal an Russland, dass wir die Vermögenswerte, die hier liegen, auch dafür nutzbar machen, beizutragen, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden", sagte der Kanzler am Mittwoch, 17. Dezember 2025, in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Seiner Einschätzung nach würde die Nutzbarmachung der Mittel – laut EU-Kommission mehr als 200 Milliarden Euro – die ukrainische Armee „für mindestens zwei weitere Jahre finanzieren“. Für die Vorbehalte einiger EU-Staaten äußerte Merz Verständnis, fügte aber hinzu: „Der Vorschlag der Kommission steht auch nach meiner Einschätzung […] in völliger Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und auch in Übereinstimmung mit unseren internationalen Verpflichtungen." Merz wirbt für Abschluss des Mercosur-Abkommens Europäische Staats- und Regierungschefs hatten am Montagabend nach einem Treffen im Kanzleramt zudem eine „von Europa geführte, aus Beiträgen williger Nationen bestehende multinationale Truppe für die Ukraine“ vorgeschlagen. Dazu sagte Merz, Deutschland sei nach einer Friedenslösung bereit, einen Beitrag zu Sicherheitsgarantien zu leisten. Doch sei es zu früh zu sagen, welcher das konkret sein könnte. Schon in der Regierungsbefragung war Merz kurz zuvor der Frage ausgewichen, ob auch Bundeswehrsoldaten in der Ukraine eingesetzt werden könnten. Kurz vor der für Samstag geplanten Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay warb Merz im Bundestag überdies nachdrücklich für den Deal. „Die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union bemisst sich auch daran, ob wir nach 26 Jahren von Verhandlungen endlich in der Lage sind, dieses Handelsabkommen zu einem Abschluss zu bringen“, sagte der Kanzler und versicherte: „Wir stärken mit diesem Abkommen den europäischen Binnenmarkt“. AfD stellt sich in Ukraine-Frage gegen die Regierung In der anschließenden Aussprache warf AfD-Co-Fraktionschef Tino Chrupalla der Bundesregierung vor, mit Überlegungen zu einer multinationalen Truppe in der Ukraine „an der Eskalationsspirale in Europa“ zu drehen. „Es steht zu befürchten, dass Sie mit Ihrer Politik auf Sicht einen Spannungsfall initiieren oder initiieren wollen, um die Wehrdienstleistenden in der Ukraine einzusetzen“, sagte er in Richtung Merz. Er habe schon vor Jahren gesagt, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen könne und bleibe dabei: „Es war und ist nicht unser Krieg.“ Zu der Diskussion um die russischen Staatsvermögen sagte der AfD-Politiker, allein diese Ankündigung gieße weiteres Öl ins Feuer. SPD offen für deutsche Beteiligung in der Ukraine SPD-Fraktionschef Dr. Matthias Miersch zeigte sich hingegen offen für eine Beteiligung der Bundeswehr an einer internationalen Truppe in der Ukraine, um dort einen möglichen Waffenstillstand zu überwachen. „Wir schließen hier an dieser Stelle nichts aus, aber die Rahmenbedingungen werden entscheidend sein“, sagte er. Doch sei das „eine Frage, die sich augenblicklich nicht stellt“. Erst gelte es, die weiteren Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine genau zu verfolgen. Erst danach könne und müsse sich der Bundestag mit der Frage befassen, „wie, wann und wo deutsche Soldaten gegebenenfalls in Einsatz kommen“. Ohne auf die russischen Vermögen konkret einzugehen, betonte Miersch zur Frage der weiteren Unterstützung der Ukraine, „dass wir an Ihrer Seite sind, wenn Sie mit den europäischen Staats- und Regierungschefs darüber verhandeln, denn die Ukraine braucht Verlässlichkeit, gerade auch aus Europa“. Grüne: Ja zur Nutzung russischer Vermögen Für Bündnis 90/Die Grünen sagte Co-Fraktionschefin Katharina Dröge der Regierung die Unterstützung ihrer Partei zu, sollte der Bundestag über milliardenschwere Garantien für die Nutzung der russischen Vermögen entscheiden. Diese könne die EU nutzen, „um die Ukraine mehr zu unterstützen und zusätzlichen Druck auszuüben“. Dröge lobte außerdem die Friedensgespräche, zu denen der Bundeskanzler am Montag in Berlin eingeladen hatte, sagte aber auch, es sei „offen und unklar“, was daraus folge. Russland habe nicht mit am Tisch gesessen und ein Ja der USA zu einem gemeinsamen Kurs sei unberechenbar und unzuverlässig. Wichtig sei jedoch zu wissen: „Die EU kann handeln, unsere Entschlossenheit macht einen Unterschied.“ CDU/CSU fordert Entschlossenheit auf EU-Gipfel Auch CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn unterstützte die Nutzung der russischen Vermögen. Es sei richtig, dass diese „endlich dauerhaft eingefroren und damit dem russischen Einfluss entzogen sind“. Jetzt gelte es, sie nutzbar zu machen, was nach Ansicht von Spahn gleichwohl nicht ohne Risiken ist. Aber die Aufnahme gemeinsamer europäischer Schulden (Eurobonds) oder gar die Umnutzung sonst verfallener Corona-Schuldentitel zur Unterstützung der Ukraine „kommen für uns politisch und rechtlich nicht infrage“. Nun müsse geklärt werden, welche Mitgliedstaaten dies unterstützen, wofür die Gelder genutzt werden sollen „und auf welcher Grundlage nötige Garantien auch aus Deutschland gegebenen werden können“. Die Entscheidung darüber auf dem EU-Gipfel sei „ein Signal der Geschlossenheit Europas und es wäre vor allem ein Signal der Entschlossenheit gegenüber Putin, der nichts mehr fürchtet, als dass wir mit seinen Vermögenswerten die Ukraine verteidigungsfähig halten“. Linke: Nutzung russischer Vermögen rechtlich fragwürdig Die Linken-Co-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek nannte es zwar richtig, Russland finanziell für seinen Krieg in der Ukraine zur Verantwortung zu ziehen, die Nutzung der eingefrorenen russischen Staatsvermögen ist aus ihrer Sicht aber völkerrechtlich fragwürdig. „Einfacher wäre es, die massiven Vermögen der Oligarchen hinter Putin endlich konsequent zu konfiszieren.“ Die Idee, europäische Truppen zur Absicherung des Waffenstillstands in der Ukraine zu stationieren, bezeichnete sie als „Spiel mit dem Feuer“. Statt das Risiko einer direkten Auseinandersetzung zwischen russischen und Nato-Truppen einzugehen, sollten diese Aufgabe Blauhelmsoldaten der Vereinten Nationen übernehmen, schlug sie vor. Grüne scheitern mit Entschließungsantrag zum EU-Haushalt Im Anschluss an die Aussprache stimmte der Bundestag über einen von Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Entschließungsantrag (21/3298) ab. Er wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und Linken abgelehnt. Die Fraktion hatte darin unter anderem „einen moderneren, einfacheren und flexibleren Haushalt im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens der Europäischen Union für die Jahre 2028 bis 2034“ gefordert, der mehr in gemeinsame Zukunftsaufgaben sowie europäische öffentliche Güter für einen wettbewerbsfähigeren und widerstandsfähigeren Binnenmarkt investiert. (joh/17.12.2025)