Alle wichtigen juristischen Nachrichten – fortlaufend aktualisiert und zeitsparend im großen Überblick.
Juristische Nachrichten
VerkR 20/25: Bußgeldbescheid: Schriftform durch Ausdruck gewahrt - Einspruch per E-Mail wirksam
Büdingen/Berlin (DAV). Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid per Mail kann wirksam kann. Voraussetzung ist, dass eine unterschriebene PDF-Datei per E-Mail eingereicht und innerhalb der Frist von der Behörde ausgedruckt und zu den Akten genommen wird. In einem solchen Fall sei das Schriftformerfordernis gewahrt. Dies entschied das Amtsgericht (AG) Büdingen am 30. September 2024 (AZ: 60 OWi 86/24), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Dem Betroffenen war am 29. Juni 2024 ein Bußgeldbescheid wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zugestellt worden. Innerhalb der zweiwöchigen Frist legte er am 12. Juli 2024 per einfacher E-Mail Einspruch ein. Dieser E-Mail war ein PDF-Dokument angehängt, das den Einspruch mit Begründung und Unterschrift des Betroffenen enthielt. Das Regierungspräsidium druckte die E-Mail und das PDF-Dokument am 15. Juli 2024 aus und nahm es zur Akte. Dennoch verwarf die Behörde den Einspruch mit Bescheid vom 01. August 2024 als unzulässig, da er nicht den Formerfordernissen entspreche, wonach ein schriftliches Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder signiert auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müsse. Der Betroffene übersandte daraufhin sein Einspruchsschreiben erneut per Post und beantragte gegen den erneuten Verwerfungsbescheid gerichtliche Entscheidung.
Das Amtsgericht Büdingen hob die Bescheide auf und gab der Beschwerde des Betroffenen statt.
Das Gericht stellte klar: Zwar sei ein Einspruch per einfacher E-Mail formunwirksam. Doch wenn das beigefügte, unterschriebene PDF-Dokument ausgedruckt und zur Akte genommen wird, wird das Schriftformerfordernis dennoch erfüllt. Der Ausdruck verwandle das elektronische Dokument in ein Schriftstück. Da der Ausdruck innerhalb der Zweiwochenfrist erfolgte, sei der Einspruch auch fristgerecht eingegangen.
Zudem sei der zweite, per Post übersandte Einspruch inhaltlich so zu werten, dass der Betroffene gegen den ersten Verwerfungsbescheid Rechtsmittel eingelegt habe. Spätestens durch die Begründung seines gerichtlichen Antrags sei seine Absicht eindeutig geworden.
Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV betont die Bedeutung dieser Entscheidung für die Rechtspraxis. Sie stellt klar, dass auch bei der Übermittlung per einfacher E-Mail das Schriftformerfordernis gewahrt sein kann, wenn ein unterschriebenes Dokument eingescannt und als Anhang beigefügt wird und dieser Anhang fristgerecht ausgedruckt und zur Akte genommen wird. Dies stärkt die Rechte der Bürger im Bußgeldverfahren und vermeidet unnötige formelle Hürden.
Informationen: www.verkehrsanwaelte.de
VerkR 19/25: Gericht vergisst Verjährung: Verfahren gegen Verkehrssünder endet ohne Urteil
Naumburg/Berlin (DAV). Wird eine bereits anberaumte Hauptverhandlung aufgehoben und auf schriftlichem Wege entschieden, unterbricht dies die Verfolgungsverjährung nicht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg am 11. November 2024 (AZ: 1 ORbs 230/24) entschieden, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Dem Beschluss lag ein Ordnungswidrigkeitenverfahren zugrunde. Der Betroffene war am 14. März 2023 wegen eines Verkehrsverstoßes zur Verantwortung gezogen worden. Die Verjährung (in der Regel sechs Monate) wurde zunächst mehrfach unterbrochen, zuletzt durch die Verlegung eines Hauptverhandlungstermins auf den 11. März 2024. Kurz vor diesem Termin – am 7. März 2024 – beantragte der Verteidiger des Betroffenen eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Die zuständige Richterin hob daraufhin den Termin am 8. März 2024 auf und entschied am 4. September 2024 durch Beschluss.
Das OLG Naumburg stellte nun fest, dass durch die bloße Aufhebung des Gerichtstermins keine erneute Unterbrechung der Verjährung eingetreten sei. Die letzte wirksame Unterbrechung datiere auf den 19. Dezember 2023. Damit sei am 19. Juni 2024 Verjährung eingetreten – noch bevor das Amtsgericht seine Entscheidung gefällt hatte.
Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der klaren Gesetzeslage: Zwar könne die Anberaumung oder Verlegung eines Hauptverhandlungstermins die Verjährung unterbrechen, nicht aber dessen Aufhebung. Auch eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren könne nur dann eine Verjährungsunterbrechung begründen, wenn zuvor ein förmlicher Hinweis erteilt wurde. Ein solcher Hinweis war im vorliegenden Fall nicht erfolgt.
Die Unterrichtung des Verteidigers über die Entscheidung im Beschlussverfahren sei lediglich eine Mitteilung des weiteren Vorgehens und entfaltet keine unterbrechende Wirkung. Damit habe das Amtsgericht zu spät entschieden – das Verfahren wurde wegen eingetretener Verfolgungsverjährung eingestellt.
Informationen: www.verkehrsanwaelte.de
FamR 7/25: Witwe kann Herausgabe von eingefrorenem Sperma ihres Manns verlangen
Frankfurt a.M./Berlin (DAV). Eine Frau kann verlangen, dass die Klinik ihr das kryokonservierte Keimmaterial ihres verstorbenen Manns zur Verfügung stellt. Über eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Main vom 04. Februar 2025 (AZ: 2-04 O 29/25) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Der Mann hatte im Angesicht einer lebensbedrohlichen Krebserkrankung sein Sperma in Stickstoff einfrieren lassen. Nach seinem Tod wollte seine Frau sich mit diesem Sperma künstlich befruchten lassen. Die Klinik lehnte das ab und verwies auf den Vertrag, den sie mit dem Mann abgeschlossen hatte. Laut diesem musste das Sperma nach dem Tod des Mannes vernichtet werden. Außerdem verbiete das Embryonenschutzgesetz grundsätzlich die Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen.
Trotzdem bekam die Frau vor Gericht Recht. Die Richter meinten, der Vertrag zwinge die Klinik nicht zur Vernichtung des Spermas. Zwar schütze das Embryonenschutzgesetz das Recht beider Partner, über eine Elternschaft selbst zu entscheiden. Dieser Schutz sei aber nicht verletzt, da der Mann vor seinem Tod eingewilligt habe, dass seine Frau das Sperma verwenden darf. Es sei klar, dass beide ein gemeinsames Kind wollten – auch nach seinem Tod. Dies habe die Frau schlüssig nachgewiesen.
Das Gericht sah auch keine Gefahr für das Kind oder eine Straftat durch die Klinikmitarbeiter. Da der Wille des Mannes vorlag, sei die künstliche Befruchtung erlaubt.
Information: www.dav-familienrecht.de
PM 26/25: Fachanwaltschaften überarbeitungsbedürftig
Berlin (DAV). Anlässlich der anstehenden Satzungsversammlung plädiert der Deutsche Anwaltverein (DAV) für eine Reform im Rahmen der Fachanwaltschaft: Konkret geht es um die Verlängerung des Nachweiszeitraums für die praktische Fallbearbeitung von drei auf fünf Jahre. Dies sei nicht nur aufgrund generell veränderter Lebens- und Berufsrealitäten geboten. Auch die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern sei ein bedeutsamer Faktor des Phänomens, dass Rechtsanwältinnen seltener Fachanwaltstitel erwerben. Durch eine Verlängerung könne man hier positiv gegensteuern.
Ein Fachanwaltstitel erfordert nach der Fachanwaltsordnung (FAO) neben theoretischen Kenntnissen und entsprechenden Prüfungsleistungen auch eine Bearbeitung einer bestimmten Anzahl von Fällen innerhalb eines Regelzeitraumes von drei Jahren. Mit Blick auf die moderne, flexiblere Ausgestaltung der anwaltlichen Berufsausübung – Teilzeitmodelle, familiär bedingte Auszeiten – und allgemein gesunkene Fallzahlen ist die aktuelle Frist nach Auffassung des DAV nicht mehr zeitgemäß.
„Wir haben zum einen gesellschaftlich akzeptierte Unterbrechungen – mittlerweile für alle Geschlechter – wenn Nachwuchs oder Pflege ansteht. Zugleich beobachten wir aber auch einen generellen Rückgang der Fälle bei zugleich steigendem Aufwand pro Mandat“, erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Gasteyer, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Berufsrecht die veränderten Verhältnisse.
Es betrifft alle – aber nicht alle gleich
Sorgearbeit, Mental-Load: In der Lebenswirklichkeit bleibt der deutlich überwiegende Teil der unsichtbaren und unbezahlten Arbeit an Frauen hängen. Erwerbstätigkeit findet folglich häufiger in Teilzeit statt. Und selbst bei Vollzeittätigkeit bleibt durch die Mehrfachbelastung bei den weiblichen Berufsträgerinnen deutlich weniger Luft für berufliche Extras.
Denn obwohl Rechtsanwältinnen weitaus häufiger als ihre männlichen Kollegen in kleinen und mittleren Kanzleien tätig sind, in denen Fachanwaltstitel besonders oft vorkommen, sind sie bei den Fachanwaltschaften weiterhin unterrepräsentiert. Die bestehenden Härtefallregelungen reichen offenbar nicht aus, um dies auszugleichen.
Aus 3 mach 5
Der DAV hält eine Verlängerung von drei auf fünf Jahre für sinnvoll und sachgerecht. „Das verschafft den Betroffenen mehr Luft und senkt die Zugangshindernisse. Wir gehen auch nicht davon aus, dass der Maximalzeitraum von allen ausgenutzt wird, denn am Ende haben die Kolleginnen und Kollegen ja ein wirtschaftliches Interesse daran, schnellstmöglich die Fachanwaltschaft zu erwerben“, so Gasteyer.
Ein Qualitätsverlust ist nach Überzeugung des DAV durch die Verlängerung des Nachweiszeitraumes nicht zu befürchten: Die Gesamtzahl der nachzuweisenden Fälle bleibe gleich; und die Erinnerungen und Erfahrungen seien auch nach fünf Jahren noch hinreichend präsent.
Die Verlängerung in besonderen Fällen (§ 5 Abs. 3 FAO) soll als Härtefallklausel daneben bestehen bleiben. Die grundsätzliche Verlängerung des Nachweiszeitraums hätte aber für die Kammern den Vorteil, dass sich die besondere Prüfung von Härtefällen in vielen Fällen erübrigte.
Die Satzungsversammlung ist Satzungsgeber für die FAO, § 59a Abs. 2 Nr. 2 BRAO. Die Sitzung findet am 26. Mai 2025 in Berlin statt.
PM 25/25: US law firms in Germany and the independence of lawyers
Berlin (German Bar Association). How should the deals made between the Trump administration and some US law firms that have a presence in Germany be assessed under the German rules governing the legal profession? The independence of lawyers is one of the core professional obligations in Germany. With this in mind, the German Bar Association (DAV) has drawn up a position paper.
Revocation of security clearances, exclusion from government contracts: Those who have made themselves unpopular with the new US government – for example through representing political opponents – were recently faced with possible sanctions through executive orders. To avoid these, some US law firms struck deals with the US government, in which they agreed to provide pro bono legal advice, among other things. The total volume of legal services promised is said to amount to almost one billion US dollars. Whether these (undisclosed) agreements also contain the condition that the law firms concerned do not act against the Trump administration can only be assumed. It seems most likely.
“We have observed this very rapid development with great concern and asked ourselves what kind of impact such agreements have on US law firms operating in Germany, who are subject to German professional law, as well as on our colleagues working for them,” explains Dr. Ulrich Karpenstein, lawyer and Vice President of the German Bar Association. One of the core values of the legal profession in Germany is the independence of lawyers, laid down in the German Federal Code for Lawyers (BRAO). “The 'freedom of the legal profession', which was achieved in the 19th century with painstaking effort, primarily means freedom from dependence on the government,” emphasizes Karpenstein.
For Professor Dr. Thomas Gasteyer, Chairman of the German Bar Association’s Committee on Professional Practice, this entails consequences for US law firms active in Germany: “Agreements by which lawyers dispense of their independence from the state are likely to prove illegal under the German law on the legal profession.”
If there are indications that a lawyer’s obligation of independence has been violated, the competent bar association can initiate disciplinary proceedings, which can have serious consequences. However, even in the event of the most severe sanction against a US law firm – the withdrawal of the authorization to provide legal services in Germany by the Lawyers’ Courts – the impact on its lawyers working in Germany and their economic and social freedom of association would be serious but limited: “The individual admission and the possibility of working together in other professional partnerships would remain unaffected for our colleagues,” explains Gasteyer.
For detailed explanations please read the German Bar Association’s position paper “US law firms in Germany and the independence of lawyers”.
PM 25/25: US-Kanzleien und die anwaltliche Unabhängigkeit
Berlin (DAV). Wie sind die Deals einiger auch in Deutschland tätiger US-Kanzleien mit der Trump-Administration berufsrechtlich zu bewerten? Die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsausübung gehört in Deutschland zu den beruflichen Kernpflichten. Mit Blick darauf hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) ein Positionspapier verfasst.
Entzug von Sicherheitsfreigaben, Ausschluss von Regierungsaufträgen: Wer sich bei der neuen US-Regierung unbeliebt gemacht hat – etwa durch anwaltliche Vertretung politischer Gegner – sah sich jüngst möglichen Sanktionen durch Executive Orders ausgesetzt. Um diese abzuwenden, gingen einige US-Kanzleien Deals mit der Regierung ein, in denen sie unter anderem kostenlose Rechtsberatung zusagten. Das Gesamtvolumen der zugesagten Rechtsdienstleistungen soll sich auf fast eine Milliarde US-Dollar belaufen. Dass diese (nicht veröffentlichten) Vereinbarungen auch die Auflage enthalten, nicht gegen die Trump-Administration zu agieren, lässt sich nur mutmaßen, ist aber naheliegend.
„Wir haben diese sehr rasche Entwicklung mit großer Sorge beobachtet und uns gefragt, welche Auswirkungen solche Vereinbarungen eigentlich auf Niederlassungen oder Kolleginnen und Kollegen haben, die dem deutschen Berufsrecht unterworfen sind“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des DAV. Einer der anwaltlichen Core Values in Deutschland ist die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, normiert in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). „Die im 19. Jahrhundert mühevoll errungene ‚Freiheit der Advokatur‘ meint vor allem die Freiheit von staatlichen Bindungen“, betont Karpenstein.
Für Prof. Dr. Thomas Gasteyer, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Berufsrecht, bedeutet das mit Blick auf die hier aktiven US-Kanzleien: „Vereinbarungen, durch die sich Rechtsanwälte ihrer Unabhängigkeit vom Staat entledigen, dürften nach deutschem Berufsrecht rechtswidrig sein.“
Gibt es Anhaltspunkte für Verstöße gegen die Unabhängigkeitsverpflichtung, kann die zuständige Rechtsanwaltskammer ein berufsaufsichtsrechtliches Verfahren einleiten. Doch selbst im Falle der schärfsten Sanktion gegen eine US-Kanzlei – der Entzug der Rechtsdienstleistungsbefugnis nach der BRAO durch die Anwaltsgerichtsbarkeit – wären die Auswirkungen auf die in Deutschland tätigen Anwält:innen und ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenschlussfreiheit zwar schwerwiegend, aber begrenzt: „Die individuelle Zulassung und die Möglichkeit, in anderen Berufsausübungsgesellschaften zusammenzuarbeiten, blieben für die Kolleginnen und Kollegen unberührt“, erläutert Gasteyer.
Vertiefte Ausführungen können Sie dem vollständigen DAV-Positionspapier „US-Kanzleien in Deutschland und die anwaltliche Unabhängigkeit“ entnehmen.
PM 24/25: Open for Signature: Zeremonie zur Konvention zum Schutz des Anwaltsberufs
Berlin/Luxemburg (DAV). Seit Dienstag liegt die Konvention des Europarates zum Schutz des Anwaltsberufs zur Zeichnung durch die Vertragsstaaten aus. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die rasche Unterzeichnung durch die ersten 17 Staaten. Der DAV appelliert nun an die neue Bundesregierung, durch eine zeitnahe Unterzeichnung und Ratifikation ebenfalls ein wichtiges Zeichen für die unabhängige Anwaltschaft und rechtsstaatliche Grundwerte zu setzen.
Es ist ein historischer Moment: Seit dem 13. Mai 2025 liegt die Konvention des Europarates zum Schutz des Anwaltsberufs zur Zeichnung durch die Vertragsstaaten aus. Anlässlich der feierlichen Zeremonie in Luxemburg haben bereits 13 Staaten, darunter Frankreich, Polen und Italien, die Konvention unterzeichnet; vier weitere Staaten folgten gestern (siehe hierzu die Pressemitteilung des Europarates).
„Wir freuen uns, dass dieses wichtige Projekt, das der DAV lange gefordert hatte und in der Redaktionsphase aktiv begleitet hat, nun Realität geworden ist. Wir hoffen nun auf eine rasche Unterzeichnung und anschließende Ratifikation durch Deutschland und möglichst zahlreiche weitere Staaten weltweit“, betont Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV. Mit einer raschen Unterzeichnung und anschließenden Ratifikation könne Deutschland gerade in der aktuellen Zeit ein wichtiges Signal zur Stärkung rechtsstaatlicher Grundwerte senden sowie ein Zeichen der Solidarität mit der Anwaltschaft als zentralem Teil des Rechtsstaats setzen.
Die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Anwaltschaft, wie sie derzeit etwa in den USA und der Türkei zu beobachten sind, aber auch die Angriffe auf einzelne Anwältinnen und Anwälte in Ländern der EU zeigen, wie wichtig klare und verbindliche Regelungen zum Schutz der anwaltlichen Berufsausübung und Selbstverwaltung sowie zur Sicherung der Unabhängigkeit der Anwaltschaft sind.
Mehr zur Konvention des Europarates zum Schutz des Anwaltsberufs lesen Sie im Statement vom 12. März 2025 sowie in der Mai-Ausgabe des Anwaltsblatts.
PM 23/25: DAV: Ukraine als „Best-Friends-Staat“ anerkennen
Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) spricht sich für die Aufnahme der Ukraine in die Liste der sogenannten „Best Friends“-Staaten im Sinne der Beschäftigungsverordnung aus. Der erleichterte Zugang ukrainischer Arbeitskräfte zum deutschen Arbeitsmarkt würde nicht nur für die Betroffenen sichere Zukunftsperspektiven eröffnen; zugleich würden auch Verwaltung und Gerichte entlastet. Auch die politische Signalwirkung wäre bedeutsam.
Mit einer Initiativstellungnahme plädiert der DAV für die Aufnahme der Ukraine in § 26 Abs. 1 der Beschäftigungsverordnung (BeschV). „Die Aufnahme der Ukraine als ‚Best Friends‘-Staat wäre nicht nur ein Gebot der Solidarität, sondern auch ein dringend benötigter Schritt zur Stabilisierung unseres Arbeitsmarkts“, betont Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des DAV-Ausschusses Migrationsrecht. Es sei eine pragmatische Regelung, die sowohl Arbeitgebern als auch den Betroffenen Planungssicherheit und Perspektiven biete.
Laut Ausländerzentralregister leben derzeit über 1,2 Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge in Deutschland. Ab 2026 drohen massenhaft Rückkehrentscheidungen – mit erheblichen Belastungen nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Verwaltung. „Viele Ukrainerinnen und Ukrainer haben sich in den letzten Jahren mit großem Engagement in den deutschen Arbeitsmarkt integriert. Ein plötzlicher Ausschluss dieser Menschen wäre nicht nur menschlich hart, sondern auch wirtschaftlich kurzsichtig“, mahnt Seidler.
Der Spurwechsel in eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung setzt aktuell eine qualifizierte Beschäftigung sowie einen anerkannten beruflichen oder akademischen Bildungsabschluss voraus. Durch die angestrebte Neuregelung könnte auch für geringer qualifizierte Arbeitsverhältnisse oder bei fehlendem anerkannten Abschluss die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. „Der erleichterte Spurwechsel sichert Integration, entlastet die Behörden und stabilisiert die sozialen Sicherungssysteme“, erläutert die Rechtsanwältin.
Nicht zuletzt würde die Maßnahme auch ein klares politisches Signal senden: Deutschland steht weiterhin fest an der Seite der Ukraine – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt würde auch das Bekenntnis zu einer gemeinsamen europäischen Zukunft unterstreichen.
Details können Sie der DAV-Initiativstellungnahme Nr. 12/2025 entnehmen.
PM 22/25: Migrationspolitik: DAV unterzeichnet Appell an die neue Regierung
Berlin (DAV). Zum Amtsantritt der neuen Bundesregierung fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis eine verantwortungsvolle Migrations- und Asylpolitik und einen neuen Ton in der Debatte über Zuwanderung. Zusammen mit fast 300 anderen Organisationen setzt sich der DAV gegen Ausgrenzung und für eine Versachlichung der Diskussion ein.
„In Zeiten, in denen es welt- und europaweit besonders gilt, sich klar zur Rechtsstaatlichkeit zu positionieren, sollten auch im Bereich des Migrationsrechts nicht Ängste geschürt, sondern in sachlichen Debatten und im Rahmen des geltenden Europarechts konstruktive und praktikable Lösungen für die grossen Herausforderungen erarbeitet werden, die sich aus den weltweiten Flüchtlingsbewegungen ergeben. Das wird nur mit Besonnenheit und in einem engen europäischen Zusammenhalt gelingen“, erklärt Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Deshalb habe der DAV auch den Appell an die Bundesregierung unterzeichnet.
Die Ausgrenzung einzelner Gruppen schade dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und nutze nur den Feinden einer freiheitlichen Demokratie, so die Unterzeichnenden des Appells.
„Zugewanderte und hierher geflüchtete Menschen sind integraler Teil unserer Gesellschaft – sie gehören zu Deutschland“, erklärt das Bündnis. Nicht Geflüchtete und Zugewanderte spalteten die Gesellschaft, sondern eine Politik, die sich der strukturellen und sozialen Probleme zu lange nicht konsequent angenommen hat. Weiter kritisiert das Schreiben: „Für die hohe Belastung von Kommunen und einzelnen Berufsgruppen im Zusammenhang mit Migration werden allein Geflüchtete verantwortlich gemacht, anstatt die tatsächlichen sozialen, politischen und finanziellen Ursachen dieser Belastung anzugehen.“
Es brauche jetzt vor allem gute Konzepte für eine funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik, die Offenheit und Vielfalt schützt und stärkt. Hierzu zählen
- der Schutz individueller Rechte, insbesondere des Rechts auf Asyl, und damit auch ein Absehen von Zurückweisungen an der Grenze,
- der Erhalt legaler Zugangswege, wie Resettlement und Aufnahmeprogramme, und insbesondere des Familiennachzugs,
- Maßnahmen für eine erfolgreiche Integration aller, wie verlässliche und auskömmliche Investitionen in die Integrations- und Aufnahmestrukturen, beispielsweise die Entfristung des Chancen-Aufenthaltsrechts sowie ein Abbau der Hürden für die Arbeitsaufnahme Geflüchteter,
- die konsequente Nutzung aller vorhandenen Potentiale von hier ankommenden und lebenden Menschen zur Behebung des Fachkräftemangels.
Der Appell für eine menschenrechtsbasierte und verantwortungsvolle Migrationspolitik wurde vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), von PRO ASYL und vom Paritätischen Gesamtverband initiiert und von insgesamt 293 Organisationen und Verbänden unterzeichnet.
Zum gemeinsamen Appell
VerkR 18/25: Bemessung von Geldbußen bei wirtschaftlichem Vorteil
München/Berlin (DAV). Bei der Bemessung von Geldbußen wird auch der wirtschaftliche Vorteil aus dem Geschehen berücksichtigt. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat am 6. März 2024 (AZ: 202 ObOWi 168/24) die Anforderungen an die Bemessung von Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten mit wirtschaftlichem Vorteil präzisiert. Das Gericht entschied, dass der wirtschaftliche Vorteil nach dem Nettoprinzip, also dem tatsächlichen Gewinn, zu berechnen ist und lediglich die Untergrenze der Geldbuße markiert. Eine Addition des wirtschaftlichen Vorteils zur eigentlichen Geldbuße ist unzulässig, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen der vorsätzlichen Anordnung der Inbetriebnahme eines Lkw mit Anhänger verurteilt. Dabei wies das Gespann sowohl eine Überschreitung der zulässigen Achslast und des Gesamtgewichts auf als auch erhebliche Mängel an der Bereifung des Anhängers, die dessen Verkehrssicherheit maßgeblich beeinträchtigten. Das Amtsgericht verhängte eine Geldbuße von 2.450 Euro, wobei es zunächst eine für angemessen erachtete Buße festsetzte und anschließend den aus dem Transport erzielten Fuhrlohn von 525 Euro addierte. Der Betroffene legte gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde ein.
Das BayObLG stellte klar, dass der wirtschaftliche Vorteil, den der Täter durch die Ordnungswidrigkeit erzielt hat, lediglich die Untergrenze der Geldbuße darstellt. Die Vorgehensweise des Amtsgerichts, eine angemessene Geldbuße festzusetzen und darauf den wirtschaftlichen Vorteil zu addieren, sei fehlerhaft. Zudem dürfe das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße nur überschritten werden, wenn der wirtschaftliche Vorteil dieses übersteigt – was im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Entscheidend für die Bemessung des wirtschaftlichen Vorteils ist der Reingewinn, nicht der Bruttoerlös. Im konkreten Fall wurde der wirtschaftliche Vorteil auf Basis des durchschnittlichen Reingewinns eines Fuhrunternehmens geschätzt. Das BayObLG reduzierte die Geldbuße daher auf 1.900 Euro.
Informationen: www.verkehrsanwaelte.de
VerkR 17/25: Kein Schmerzensgeld der Verkehrsopferhilfe bei unklarem Unfall
Berlin (DAV). Nicht immer kann nach einem Unfall im Straßenverkehr der Verursacher ermittelt werden. Besonders tragisch wird es, wenn Unfallopfer schwer verletzt sind – aber niemand zur Rechenschaft gezogen werden kann. Für genau solche Fälle gibt es in Deutschland eine Institution, die vielen unbekannt ist: die Verkehrsopferhilfe e.V. Für eine Ersatzpflicht der Verkehrsopferhilfe e.V. nach einem Unfall mit einem nicht ermittelbaren Fahrzeug müssen strenge Beweisanforderungen erfüllt werden. So hat das Landgericht Berlin II am 11. Januar 2024 (AZ: 44 O 282/22) die Klage eines verletzten Fußgängers gegen die Verkehrsopferhilfe e.V. abgewiesen, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.
Der Kläger hatte an einem Abend im August an den Allgäuer Festwochen teilgenommen. Gegen 0:30 Uhr wurde er mit multiplen schweren Verletzungen – Schädelbruch, Beckenfrakturen und Atemstörungen – auf einem Gehweg neben einer etwa 2 bis 2,5 Meter hohen Steinmauer aufgefunden. Im Krankenhaus wurde bei ihm ein Blutalkoholwert von 2,33 Promille festgestellt.
Er behauptete, von einem flüchtigen, unbekannten Fahrzeug angefahren worden zu sein, und verlangte von der Verkehrsopferhilfe e.V. ein Schmerzensgeld von mindestens 200.000 Euro sowie den Ersatz weiterer Schäden. Diese lehnte den Anspruch ab – ebenso wie die vorgeschaltete Schiedsstelle. Es sei nicht bewiesen, dass ein Fahrzeug beteiligt gewesen sei.
Das Gericht folgte der Argumentation der Verkehrsopferhilfe e.V. und stellte klar: Für einen Anspruch müsse der Kläger den Nachweis erbringen, dass ein nicht ermittelbares Fahrzeug ursächlich für die Verletzungen war. Diesem strengen Beweismaßstab sei der Kläger nicht gerecht geworden.
Die vom Gericht beauftragte Sachverständige schloss eine Kollision mit einem Kraftfahrzeug aus: Die Art der Verletzungen passe vielmehr zu einem Sturz aus größerer Höhe. Die Kombination aus dem Verletzungsbild und dem hohen Alkoholkonsum lege nahe, dass der Kläger von der angrenzenden Steinmauer gefallen sei. Da somit keine Fahrzeugbeteiligung bewiesen werden konnte, sei die Verkehrsopferhilfe e.V. nicht eintrittspflichtig.
Informationen: www.verkehrsanwaelte.de
PM 21/25: Verschlüsselung: EU-Regulation nur mit Expertenbeteiligung!
Berlin (DAV). Mit der „Technology Roadmap on Encryption“ will die EU-Kommission Verschlüsselungstechnologien standardmäßig schwächen. Der DAV kritisiert das gemeinsam mit anderen Organisationen in einem Schreiben an die zuständige Vizepräsidentin der Kommission.
„Die ProtectEU-Strategie birgt große Gefahren“, erklärt Rechtsanwalt Dr. David Albrecht, Mitglied im Ausschuss Recht der Inneren Sicherheit des Deutschen Anwaltvereins. Ermittlungsbehörden Zugriff auf verschlüsselte Daten zu gewähren, sei nicht nur ein heftiger Eingriff in die Bürgerrechte.
„Wenn man bei einer Verschlüsselung Schlupflöcher für Behörden schafft, können diese auch von Kriminellen und anderen böswilligen Dritten ausgenutzt werden“, warnt Albrecht. Darüber herrsche große Einigkeit in der Wissenschaft. Auch die neuesten Verfahren – wie das Client-Side-Scanning – fielen bei Tests von Experten durch. „Digitale Massenüberwachung und das bewusste Kreieren von Schwachstellen schaffen nicht mehr Sicherheit. Im Gegenteil: Dadurch entstehen für die meisten Bürgerinnen und Bürger sogar mehr Risiken.“
Die Unterzeichner des Schreibens senden deshalb einen Appell an die EU-Kommission: An der Ausarbeitung von Gesetzgebung zur Cybersicherheit sollten dringend Vertreterinnen und Vertreter von Zivilgesellschaft und Wissenschaft, Technologieexperten sowie Digital- und Menschenrechtsanwält:innen beteiligt werden. „Gemeinsam können wir technische und nicht-technische, langfristige Lösungen für Probleme in der europäischen Cybersicherheit finden“, ist sich Rechtsanwalt Albrecht sicher.
Zum gemeinsamen Schreiben
ArbR 4/25: Kein Schmerzensgeld für versehentliche Namensnennung in Werbeflyer nach DSGVO
Koblenz/Berlin (DAV) – Die versehentliche Nennung des Namens einer ehemaligen Mitarbeiterin in einem Werbeflyer ihres früheren Arbeitgebers begründet keinen Anspruch auf Schmerzensgeld nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auf diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. August 2024 (AZ: 5 SLa 66/24) weist die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) hin.
Eine Pflegedienstleiterin hatte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geklagt, weil ihr ehemaliger Arbeitgeber ihren Namen und ihre dienstliche Telefonnummer in einem Werbeflyer für seine Senioreneinrichtung verwendet hatte.
Das Gericht bejahte zwar einen Verstoß gegen die DSGVO, da die Einwilligung der Klägerin in die Datenverarbeitung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen sei. Einen Anspruch auf Schmerzensgeld verneinte es jedoch, da der Klägerin durch die versehentliche Namensnennung kein konkreter Schaden entstanden sei. Insbesondere sei die Klägerin weder in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt noch in ihrer sozialen Geltung beeinträchtigt worden.
Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de