Alle wichtigen juristischen Nachrichten – fortlaufend aktualisiert und zeitsparend im großen Überblick.

Juristische Nachrichten

Apothekerverband: Rabatte ausländischer Versandhändler unterwandern Preisbindung

beck-aktuell - Mo, 18.08.2025 - 11:39

Der Deutsche Apothekerverband warnt vor einem ruinösen Preiswettbewerb: Die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten dürfe nicht durch Boni von ausländischen Versandapotheken unterlaufen werden.



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"Laut gegen Nazis" sichert sich Rechte an Nazi-Shop "Druck18"

beck-aktuell - Mo, 18.08.2025 - 11:22

Der Hamburger Verein Laut gegen Nazis hat sich die Markenrechte am Namen des bekannten rechtsextremen Onlineshops Druck18 gesichert. Die Eintragung beim Europäischen Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) erfolgte Anfang 2025.



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Stadt Hamburg verliert Rechtsstreit: Versetzung einer kritischen Hamburger Amtsleiterin war rechtswidrig

LTO Nachrichten - So, 17.08.2025 - 13:33

Eine Hamburger Amtsleiterin pocht auf Einhaltung des Rechts und wird wenig später versetzt. Das VG Hamburg stuft die Abordnung als rechtswidrig ein, doch nun könnten der Beamtin Gespräche ihres Anwalts mit der Presse zum Verhängnis werden.

PM 36/25: Selbstbestimmungsgesetz: Datensammlung unnötig und gefährlich

Berlin (DAV). Das Bundesinnenministerium (BMI) will bei Änderungen nach dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) die früheren Eintragungen dauerhaft speichern und bei zahlreichen behördlichen Vorgängen als Information zur Verfügung stellen lassen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert diesen Vorstoß scharf: Datenschutzrechtlich und mit Blick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist dieses Vorhaben höchst bedenklich. Die Notwendigkeit ist nicht ersichtlich. Dafür erhöht sich die Gefahr einer wiederholten Diskriminierung.

In einem Verordnungsentwurf hat das BMI vorgeschlagen, im Falle von Änderungen des Vornamens und Geschlechtseintrags nach dem SBGG die früheren Eintragungen in gesonderten Datenblättern zu speichern. Diese Informationen sollen beispielsweise bei jedem Umzug gegenüber der jeweiligen Anmeldebehörde mitgeteilt werden – um Personen leichter identifizieren zu können.

„Nicht alles, was ‚praktisch‘ wäre, ist auch rechtmäßig – gerade in puncto Datensammlung“, betont Prof. Niko Härting, Vorsitzender des Ausschusses Informationsrecht sowie Vielfaltsbeauftragter des DAV. Es gelte der Grundsatz der Datensparsamkeit – vor allem bei solchen Daten, die eine hohe Gefahr in sich tragen, für Diskriminierungen missbraucht zu werden.

Die geschlechtliche Identität gehört zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne der DSGVO, geschützt durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine zu sorglose Streuung solcher Informationen kann großen Schaden anrichten. „Viele irrationale Ängste wurden in den vergangenen Jahren auf trans, inter und nicht-binäre Menschen projiziert – Ängste, die zunehmend in Hass und Gewalt umschlagen. Der Staat sollte es unbedingt vermeiden, diese vulnerable Gruppe von Menschen systematisch zu outen, wenn er seiner Schutzpflicht nachkommen möchte“, mahnt Härting.

Es fehle auch schlicht an der Notwendigkeit einer gesonderten Datensammlung und -übermittlung, die sich durch die Einführung des SBGG ergeben haben könnte, wie der DAV-Vielfaltsbeauftrage erläutert: „Änderungen von Geschlechtseinträgen und Vornamen sind bereits seit dem Inkrafttreten des damaligen Transsexuellengesetzes im Jahr 1981 möglich und Realität. An der Identifizierbarkeit dieser Personen hat es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gemangelt – auch weil sich etwa die Steuer-ID nicht ändert.“ Ein Mehrwert durch die zusätzlichen Datenblätter und die wiederkehrende Streuung dieser Daten sei nicht erkennbar – eine Diskriminierungsgefahr umso mehr.

Auch die Regelung im Verordnungswege ist bedenklich, da es an parlamentarischer Kontrolle fehlt.

PM 35/25: Sicherheitspaket: Überbordende Befugnisse stellen Bürger unter Generalverdacht

Berlin (DAV). Im Rahmen eines neuen „Sicherheitspakets“ will Bundesinnenminister Dobrindt Software für biometrische Gesichtserkennung und das umstrittene Datenanalyseprogramm „Gotham“ von Palantir für die Polizei verfügbar machen. Das Bundeskabinett soll den Entwurf heute auf den Weg bringen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt eindringlich.

Biometrische Gesichtserkennung ist ein schwerer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, erklärt Rechtsanwältin Lea Voigt, Vorsitzende des Ausschusses Recht der Inneren Sicherheit des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Die Kameras würden nicht nur gesuchte Personen erfassen, sondern alle, die den Aufnahmebereich betreten. „Wir haben schon in der Vergangenheit vor solchen Maßnahmen gewarnt. Mit ihnen wird die Möglichkeit, sich anonym im öffentlichen Raum zu bewegen, in Frage gestellt. Und zwar für alle Bürgerinnen und Bürger“, erinnert Voigt. Gesichtserkennung werde bereits in einigen Bundesländern wie Sachsen verwendet. Mangels Statistiken zum Erfolg der Technik sei der tatsächliche Nutzen jedoch kaum zu beurteilen.

Bedenken hat die Rechtsanwältin auch beim geplanten Einsatz der Analysesoftware „Gotham“ des Anbieters Palantir: „Mit den Daten, die Palantir erfasst, könnten ‚auf Knopfdruck‘ Persönlichkeitsprofile von Bürgerinnen und Bürger erstellt werden.“ Das berge erhebliche grundrechtliche Problematiken. „Noch dazu ist die Funktionsweise der Algorithmen völlig intransparent“, bemängelt Lea Voigt. Es sei kaum nachvollziehbar, auf welchen Wegen die gigantischen Datenmengen miteinander verknüpft würden.

„Immer neue Überwachungsmaßnahmen unter dem Label der ‚Sicherheit‘ zu bewerben, macht sie nicht zu sinnvollen und verhältnismäßigen Instrumenten im Rechtsstaat“, so Anwältin Voigt. Sie gibt außerdem zu bedenken, dass viele Maßnahmen sich kaum rückgängig machen lassen. Es bedürfe daher einer sorgfältigen Abwägung, bevor Befugnisse immer weiter ausgeweitet werden.

VerkR 28/25: Staat haftet für Unfall bei Straßenreinigung

Brandenburg/Berlin (DAV). Der Fahrer einer Straßenkehrmaschine haftet nicht persönlich für einen Verkehrsunfall. Das Brandenburgische Oberlandesgerichts hob am 6. Mai 2024 (AZ: 12 U 144/23) ein Urteil des Landgerichts auf, das den Fahrer zu Schadensersatz verurteilt hatte. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) weist aber darauf hin, dass Geschädigte nicht auf dem Schaden sitzen bleiben: Die Haftung entfällt nicht – sie geht auf die öffentliche Hand über.

Die Klägerin verlangte Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall mit einer Straßenkehrmaschine. Der Mitarbeiter steuerte das Kehrfahrzeug und beabsichtigte, mit geringer Geschwindigkeit nach links abzubiegen. Dabei kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug der Klägerin, das gerade überholte. Das Landgericht sah eine überwiegende Haftung beim Fahrer der Kehrmaschine und verurteilte ihn und die Betreiberfirma zu 80 Prozent Schadensersatz. Gegen dieses Urteil legte der Fahrer Berufung ein.

Das OLG Brandenburg stellte klar: Der Fahrer war zur Unfallzeit mit Straßenreinigungsarbeiten beschäftigt und handelte im Rahmen eines öffentlichen Amtes. Der Landkreis hatte die Straßenreinigung durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag an ein Unternehmen übertragen. Der Fahrer war für dieses Unternehmen tätig – und somit hoheitlich beauftragt. Eine persönliche Haftung des Fahrers sei ausgeschlossen, so das Gericht. Stattdessen haftet der Staat beziehungsweise der Landkreis – der Geschädigte geht also nicht leer aus. Diese gesetzlich vorgesehene Haftungsüberleitung schützt sowohl den Amtsträger vor persönlichen Forderungen als auch den Geschädigten vor einem zahlungsunfähigen Gegner. Der Staat übernimmt als „solventer Schuldner“ die Verantwortung.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

VerkR 27/25: Wenn der Unfall abgesprochen war – Kein Geld von der Versicherung

Lübeck/Berlin (DAV). Bei einem gestellten Unfall besteht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Auf die Entscheidung des Landgerichts Lübeck vom 2. Mai 2025 (AZ: 10 O 228/23) weist die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Der Kläger stellte seinen Transporter am Abend am rechten Fahrbahnrand in einem Gewerbegebiet ab. Zur gleichen Zeit fuhr ein Bekannter von ihm mit seinem Fahrzeug – das bei der Beklagten haftpflichtversichert war – rückwärts gegen den Transporter. Der Kläger ließ ein Sachverständigengutachten erstellen und rechnete den Schaden fiktiv ab. Die Versicherung verweigerte jedoch die Zahlung, da sie von einer Unfallabsprache ausging. Im Laufe des Prozesses wurde eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge durchgeführt. Das Landgericht Lübeck wies die Klage nach der Beweisaufnahme ab.

Das Gericht bestätigte, dass zwar unstreitig eine Kollision stattgefunden hatte. Aufgrund einer Vielzahl gewichtiger Indizien sei aber davon auszugehen, dass der Kläger in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt habe. Damit entfalle die Rechtswidrigkeit – ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht.

Zu den entscheidenden Faktoren zählten:

  • Ort und Zeit des Unfalls: Abendzeit im unbeleuchteten Gewerbegebiet, kaum Zeugen zu erwarten.
  • Persönliche Beziehung: Kläger und Fahrer des schädigenden Fahrzeugs kannten sich.
  • Ungewöhnlicher Unfallhergang: Rückwärtsfahrt mit streifender Beschädigung über eine große Fahrzeuglänge.
  • Art der Abrechnung: fiktive Schadensabrechnung ohne tatsächliche Reparatur.
  • Fahrzeuge: Fast neuwertiger Transporter trifft auf altes, stark gefahrenes Auto.

In der Gesamtschau sah das Gericht die Unfallmanipulation als erwiesen an und wies die Klage ab.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

PM 34/25: Blitzer-Marathon: Marketing-Gag ohne Wirkung

Berlin (DAV). Auch 2025 setzt die Polizei wieder auf verstärkte Geschwindigkeitskontrollen im Rahmen des sogenannten Blitzermarathons. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) stellt klar: Einen Mehrwert für die Verkehrssicherheit bringt diese Aktion nicht. Stattdessen spüle sie den Kommunen Geld in die Kassen.

Die behördliche Verkehrsüberwachung sollte zum Ziel haben, unsere Straßen für alle Verkehrsteilnehmenden sicherer zu machen“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins (DAV). An einigen wenigen Tagen im Jahr verstärkt zu kontrollieren, habe maximal eine symbolische Wirkung und werde diesem Zweck nicht gerecht.

„Eine nachhaltige positive Wirkung des Blitzermarathons auf das Fahrverhalten der geblitzten Fahrerinnen und Fahrer ist höchst unwahrscheinlich“, konstatiert Ruge. Ohnehin seien Verstöße gegen das Tempolimit nur für einen vergleichsweise geringen Teil der Unfälle im Land verantwortlich. „Viel häufiger ist das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit die Unfallursache. Dabei bewegen sich die Autofahrer zwar im Rahmen des Tempolimits, versäumen es aber, ihre Geschwindigkeit an äußere Umstände wie Regen, Nebel oder die persönlichen Fähigkeiten anzupassen“, so die DAV-Hauptgeschäftsführerin. Blitzer könnten das nicht kontrollieren.

Ohnehin scheint die tatsächliche Motivation hinter dem Blitzermarathon nicht die Verkehrssicherheit zu sein: „Die Kommunen nehmen immense Summen über Geschwindigkeitskontrollen ein“, erklärt die Anwältin. Die DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht ermittelte mindestens fünfundzwanzig Städte, die im Jahr 2024 über eine Million Euro aus Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen generierten.

„Geschwindigkeitskontrollen können zur Sicherheit auf unseren Straßen beitragen“, macht Dr. Sylvia Ruge klar. Doch dafür müssten sie an den richtigen Stellen durchgeführt werden und nicht einnahmenorientiert in einer Woche im Jahr. „Der Begriff des ‚Marathons‘ ist für diese Aktionswoche ungeeignet. Vielmehr handelt es sich um einen kurzen Sprint, bei dem die Kommunen von der Strecke abgekommen sind“, meint die Rechtsanwältin.

PM 33/25: Appell des EuGH: Sicherer Herkunftsstaat nur bei Sicherheit für alle Personengruppen

Berlin/Brüssel (DAV). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinen heute gefällten Urteilen die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen die Mitgliedstaaten einen Drittstaat als sicheren Herkunftsstaat bestimmen können. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten deren volle gerichtliche Überprüfbarkeit gewährleisten und dazu die Quellen für die Bestimmung als sicheren Drittstaat offenlegen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die Klarstellung, dass „Sicherheit“ überall und für alle gelten muss.

Mit der heutigen Entscheidung bestätigt der EuGH seine bisherige Linie: Das Konzept des sicheren Herkunftsstaats setzt die landesweite Sicherheit wie auch die Sicherheit für alle Personengruppen voraus“, erklärt Rechtsanwalt Christoph Tometten, Mitglied des Ausschusses Migrationsrecht des DAV. Die Bundesregierung könne und müsse aus dem heutigen Urteil die Schlussfolgerung ziehen, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten im Verordnungswege (§ 29a Abs. 3 AsylG) unverzüglich anzupassen.

Beispiele für den Anpassungsbedarf finden sich auch in der jüngsten Rechtsprechung in Deutschland: In Georgien werden queere Menschen den jüngsten Urteilen des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Mai 2025 zufolge politisch verfolgt. Die von Russland kontrollierten Landesteile Abchasien und Südossetien sind nicht sicher. In Ghana und Senegal droht schwulen Männern die Haft und Frauen sind einer erheblichen Gefahr der Genitalverstümmelung ausgesetzt. Moldau hat keine Kontrolle über das abtrünnige Transnistrien. „Diese Staaten sind keine sicheren Herkunftsstaaten. Die Bundesregierung darf die unionsrechtlichen Vorgaben im Asylrecht nicht länger ignorieren“, unterstreicht Tometten.

Hintergrund der heutigen Entscheidung sind die Verfahren von zwei Antragstellern aus Bangladesch, das von Italien als sicheres Herkunftsland eingestuft worden war und deren Verfahren im Rahmen des von Italien angestrengten „Albanien-Modells“ geführt werden sollten. Dass die Bestimmung eines Drittstaats als sicherer Herkunftsstaat das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für das gesamte Territorium voraussetzt, hatte der EuGH bereits in seinem Urteil vom 4. Oktober 2024 entschieden (Rs. C-406/22).

Siehe hierzu auch:

FamR 12/25: Unterhaltsvorschussverfahren: Keine Prozesskostenhilfe – Angaben zu vage

Schleswig/Berlin (DAV). Eine Mutter, die Unterhaltsvorschuss erhalten will, muss aktiv zur Klärung der Vaterschaft beitragen. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein lehnte in einem aktuellen Fall die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, da die Mutter ihre Mitwirkungspflichten nicht ausreichend erfüllt und widersprüchliche Angaben gemacht hatte (Entscheidung vom 23. Januar 2025; AZ: 3 O 5/23). Damit fehlte es an der nötigen Erfolgsaussicht für das Verfahren, so die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Die Frau hatte Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Sie meinte, Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu haben. Das Gericht wies ihren PKH-Antrag jedoch zurück. Es sah keine Aussicht, dass die Frau Erfolg haben könnte. Die Ablehnung ihres Antrags auf Unterhaltsvorschuss sei nach aktuellem Stand der Akten rechtmäßig. Die Frau sei ihrer so genannten Mitwirkungspflicht nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht nachgekommen. Sie habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie den Vater des Kinds nicht kenne. Ihre Angaben hierzu seien widersprüchlich und nicht überzeugend.

Die Mutter erfülle ihre Mitwirkungspflicht dann, wenn sie glaubhaft darlege, dass sie die Identität des Vaters nicht kenne. Außerdem müsse sie nachweisen, dass sie alle zumutbaren und möglichen Schritte unternommen habe, um den Vater zu ermitteln. Das heißt, sie muss nicht nur mitteilen, was sie weiß, sondern auch in zumutbarem Umfang aktiv nach weiteren Informationen suchen – also Recherchen anstelle, die ihr „ohne größere Schwierigkeiten“ möglich sind.

Im vorliegenden Fall habe die Mutter unter anderem einmal angegeben, das Kind sei in einer Disco entstanden, sie wisse aber nicht, in welcher und an welchem Tag. Der Vater sei „irgendwer aus Berlin oder so“. Später habe sie ausgesagt, sie könne zwar den Ort nennen, aber zum Vater gar keine Angaben machen. Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs habe sie wiederum angegeben, weder den Ort noch den Tag oder die Uhrzeit zu kennen. Ihr älterer Sohn sei an dem Abend bei einer Freundin gewesen, zu der wolle sie aber keine Angaben machen.

Information: www.dav-familienrecht.de

ErbR 7/25: Durchgerissenes Testament steht gesetzlicher Erbfolge nicht entgegen

Frankfurt/Berlin (DAV). Ein einmal verfasstes Testament kann vom Ersteller gemäß § 2255 S. 1 BGB durch Vernichtung widerrufen werden. Doch wann gilt ein Testament als vernichtet? Kann eine im Bankschließfach hinterlegte, durchgerissene Testamentsurkunde die gesetzliche Erbfolge aushebeln? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet über einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt, Beschl. v. 29.4.2025 (21 W 26/25).

Nach dem Tod eines Mannes wird zunächst kein Testament vorgefunden. Das Nachlassgericht stellt einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erfolge zugunsten der Ehefrau und Mutter aus. Später wird im Bankschließfach des Erblassers ein handschriftliches Testament aus dem Jahr 2011 gefunden, in welchem dieser seinen damaligen besten Freund als Alleinerben einsetzt. Das Schriftstück ist längs in der Mitte durchgerissen. Das Nachlassgericht lehnt es ab, den ausgestellten Erbschein einzuziehen.

Zu Recht, wie das OLG nun entscheidet. Der Erbschein sei durch Vorlage des Testaments nicht unrichtig geworden. Das Testament sei durch Zerreißen vernichtet worden und somit nichtig. Das Gericht hatte keine Zweifel daran, dass das Testament durch den Erblasser selbst zerrissen wurde. Dadurch sei es gemäß § 2255 BGB wirksam widerrufen worden. Die erforderliche Absicht, das Testament wird nach § 2255 gesetzlich vermutet. Vorliegend seien keine Indizien erkennbar, die diese Vermutung widerlegen würden. Zwar sei nicht nachvollziehbar, warum der Erblasser die beiden Schrifthälften über einen längeren Zeitraum im Schließfach aufbewahrte. Dieser Umstand genüge aber nicht, um die gesetzliche Vermutung der Widerrufsabsicht zu widerlegen.

Informationen: www.erbrecht-dav.de

PM 32/25: Neuer Pakt für den Rechtsstaat: Die Uhren ticken

Berlin (DAV). Mit der Erneuerung des „Paktes für den Rechtsstaat“ soll die Justiz der Bundesländer weiter digitalisiert und mit mehr Personal ausgestattet werden. Der DAV begrüßt die Modernisierungsvorhaben, stellt jedoch auch klar: Der Rechtsschutz darf darunter nicht leiden.

„Die deutsche Justiz ist technisch nicht auf der Höhe der Zeit“, hält Rechtsanwalt Swen Walentowski, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins (DAV), fest. Eigentlich soll ab Januar 2026 an deutschen Gerichten flächendeckend die elektronische Akte eingeführt werden – doch ob das gelingt, ist noch unklar. Im Juli wurden Pläne bekannt, eine Fristverlängerung um ein weiteres Jahr zu ermöglichen. „Dass der Bund nun also weiter unterstützen will, um die Entwicklung voranzutreiben, ist konsequent“, erklärt der Anwalt.

Dafür sei die Modernisierung der Landesgerichtsbarkeiten und -staatsanwaltschaften von großer Bedeutung. „Sich im Koalitionsvertrag auf die Schaffung einer einheitlichen digitalen Umgebung sowie einer Bundesjustizcloud zu einigen, war ein wichtiger Schritt“, so Walentowski. Auch unterstützende KI-Anwendungen müssten in einer zeitgemäßen Gerichtsbarkeit eine Rolle spielen, zum Beispiel bei der Textanalyse.

Noch seien sowohl Hardware als auch Software bei den Gerichten im Bundesgebiet nicht auf dem gleichen Stand. Gerade für die bundesweit tätige Anwaltschaft entstünden dadurch häufig unnötig Komplikationen. „Mündliche Verhandlungen per Videokonferenz müssen technisch bei allen Gerichten möglich sein“, fordert der Rechtsanwalt.

Keine Einschränkung des Rechtsschutzes!

Bei allem Streben nach einer effizienteren Justiz dürfe aber eines nicht vergessen werden: „Die Reformen sollen den Rechtsuchenden dienen und sie nicht einschränken“, mahnt Walentowski. Vorschläge aus dem Koalitionsvertrag wie die Erhöhung der Rechtsmittelstreitwerte, die Begrenzung des Zugangs zur zweiten Instanz, die Ausweitung der Präklusionsfristen oder die Stärkung der Schätzungs- und Pauschalisierungsbefugnisse der Gerichte würden in der Praxis den Rechtsschutz schwächen.

Der DAV sieht bessere Instrumente: „Die Prozessleitungsbefugnis der Richterinnen und Richter erlaubt eine rechtzeitige Verfahrensstrukturierung, die die Effizienz der Justiz erheblich steigern könnte.“

FamR 11/25: W oder v: Gericht sieht keinen Grund für Namensänderung

Saarlouis/Berlin (DAV). Eine Frau wollte die Schreibweise ihres Nachnamens ändern. Sie begründete dies mit psychischen Belastungen und praktischen Problemen im Alltag. Doch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes lehnte die Namensänderung ab, berichtet die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Die Begründung reiche nicht aus, ein öffentliches Interesse am bisherigen Namen überwiege (Entscheidung vom 10. Februar 2025; AZ: 2 A 134/23).

Die Frau wollte eine Änderung der Schreibweise ihres Nachnamens „A.“ mit „v“ statt mit „w“ erreichen. Da sie kaum gebräuchlich sei, führe die Schreibweise ihres Nachnamens mit „w“ zu erheblichen Problemen. So führe es etwa bei Auslandsreisen zu massiven Verwicklungen, da sich der Name vom Personalausweis unterscheide. Immer wieder würden Bestellungen nicht durchgeführt und von der Post nicht zugeordnet. Sie habe aufgrund der Schreibweise ihres Familiennamens psychische Beeinträchtigungen.

Das Gericht sah keinen ausreichenden Grund für eine Namensänderung. Der Familienname dürfe jedoch nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund dies rechtfertige. Das könne eine seelische Belastung sein – aber nur, wenn sie verständlich und nachvollziehbar sei. Sei die seelische Belastung dagegen nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, zähle sie nicht als ausreichender Grund für eine Namensänderung.

Bei der Entscheidung über eine Namensänderung müsse bedacht werden, dass der Nachname ein wichtiges Merkmal zur Identifikation sei. Deshalb bestehe ein öffentliches Interesse daran, den bisherigen Namen zu behalten. Besonders bei Erwachsenen wie der Frau, die seit 42 Jahren unter ihrem Nachnamen auftrete, sei das Festhalten am bisherigen Namen wichtiger als bei Kindern oder Jugendlichen.

Ein Namenswechsel sei auch nicht nötig, nur weil Behörden ihren Namen manchmal mit „v“ statt „w“ schreiben. Solche kleinen Schreibfehler oder Missverständnisse bei der Aussprache reichten nur dann als Grund aus, wenn sie zu ernsthaften Problemen führten – und das habe die Frau nicht überzeugend gezeigt. Sie habe nur von alltäglichen Unannehmlichkeiten berichtet.

Es fehle darüber hinaus eine klare und verständliche Erklärung, warum der Name sie psychisch so stark belaste, dass nur eine Namensänderung helfen würde. Die fachärztliche Bescheinigung sei nicht aussagekräftig genug. Die Richter hatten erhebliche „Zweifel daran, dass einzig die Änderung des Namens in Gestalt der Änderung eines Buchstabens … für die Heilung einer psychischen Krankheit erforderlich und ausreichend ist“.

Information: www.dav-familienrecht.de

VerkR 26/25: Verwirrt nach Unfall: Keine einstweilige Anordnung gegen „Idiotentest“ (MPU)

München/Berlin (DAV). Eine Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) kann nicht mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz angegriffen werden. Dies entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 2. Juni 2025 (AZ: 11 CE 25.519), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Damit bestätigte das Gericht die vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg.

Die Antragstellerin, eine erfahrene Kraftfahrerin mit vielfachen Fahrerlaubnisklassen, verursachte am 8. August 2023 einen Unfall auf einem Parkplatz, als sie beim Ausparken ein nebenstehendes Fahrzeug mit der kompletten rechten Seite ihres Autos streifte. Polizeibeamte berichteten von einer stark verwirrten und teilnahmslosen Fahrerin, die keine Erklärung für das Geschehen abgeben konnte. Sie verneinte zunächst die Einnahme von Alkohol oder Medikamenten, nannte jedoch später die Einnahme verschiedener Psychopharmaka.

In der Folge holte das Landratsamt Würzburg mehrere ärztliche Stellungnahmen und ein fachärztliches Gutachten ein. Diese bescheinigten der Antragstellerin eine seit 1999 bestehende rezidivierende depressive Erkrankung und eine zeitweise Überdosierung des Medikaments Lithium, welche kognitive Einschränkungen hervorgerufen haben soll. Trotz der positiven Aussagen über ihre aktuelle Fahreignung durch Fachärzte ordnete das Landratsamt am 22. November 2024 eine MPU an. Die Antragstellerin kam dieser Aufforderung nicht nach und versuchte im Wege eines Eilantrags, die Anordnung außer Kraft zu setzen.

Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde als unzulässig zurück. Nach ständiger Rechtsprechung stelle eine MPU-Anordnung lediglich eine vorbereitende Verfahrenshandlung zur Sachverhaltsaufklärung dar und sei kein selbstständig anfechtbarer Verwaltungsakt im Sinne. Ein Antrag auf einstweilige Anordnung sei daher nicht statthaft.

Zudem liege keine schwerwiegende, nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin vor, da sie im Rahmen des regulären Rechtsschutzes gegen die später ergangene Fahrerlaubnisentziehung vorgehen könne. Der Schutz der Allgemeinheit im Straßenverkehr habe Vorrang, insbesondere da im konkreten Fall hinreichende Zweifel an der psychophysischen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin bestünden. Das Gericht betonte, dass die Anordnung der MPU aufgrund der konkreten Umstände sachgerecht erfolgt sei und sich die Zweifel trotz ärztlicher Gutachten nicht eindeutig ausräumen ließen.

Die DAV-Verkehrsrechtsanwälte drängen schon länger darauf, dass es auch ein Rechtsmittel gegen die Anordnung einer MPU geben muss.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

FamR 10/25: Adoption abgelehnt: Gericht erkennt kein Eltern-Kind-Verhältnis

Köln/Berlin (DAV). Die Adoption eines Volljährigen setzt eine Eltern-Kind-Beziehung voraus, mindestens aber muss diese im Entstehen sein. Ein herzliches verwandtschaftliches Verhältnis ist nicht ausreichend, berichtet die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Blick auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Januar 2025 (AZ: 14 UF 6/25).

Der Mann wollte seinen volljährigen Neffen adoptieren. Der Vater des Neffen ist sein Zwillingsbruder. Der Onkel berät den Neffen in Ausbildungsfragen und finanziert unter anderem sein Studium. Nach eigenen Angaben ist er Millionär.

Das Gericht lehnte die Adoption ab. Zwar hätten sich die Richter davon überzeugen können, dass das Verhältnis zwischen Onkel und Neffen sehr herzlich sei, doch bestünden Zweifel, dass der Adoption ein rein familienbezogenes Motiv zugrunde liege. Sie sahen unter anderem auch steuerrechtliche Motive. Durch die Adoption würden dem Staat Steuereinnahmen in beträchtlicher Höhe entgehen.

Darüber hinaus hatten die Richter Zweifel, dass zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehe oder sich entwickle. Das Gericht konnte nicht erkennen, dass sich das Verhältnis zwischen Onkel und Neffen klar von einer engen Freundschaft oder engen Verbundenheit zwischen Verwandten unterscheide. Ebenso bleibe offen, inwiefern der Neffe aktuell für den Annehmenden die besondere Stellung eines Kinds habe, also einer Person, die aufgrund einer langen familiären Bindung jederzeit bereit sei, für den Elternteil "einzuspringen", ihn emotional zu unterstützen oder einfach zu lieben.

Information: www.dav-familienrecht.de

PM 31/25: Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission 2025

Berlin/Brüssel (DAV). Die Europäische Kommission hat gestern ihren sechsten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht. Wesentlicher Kritikpunkt der EU-Kommission gegenüber Deutschland ist die noch nicht ausreichende Aufstockung der Ressourcen der Justiz, gerade auch im Bereich der Digitalisierung, worauf auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) im Rahmen seiner Stellungnahme hingewiesen hatte.

Laut dem diesjährigen Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission funktioniert die Justiz in Deutschland weiterhin insgesamt effizient und wird von der breiten Öffentlichkeit als unabhängig wahrgenommen.

Wir unterstützen die Empfehlung der EU-Kommission, unter Berücksichtigung der europäischen Standards die Ressourcen der Justiz aufzustocken und die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Personaleinstellung anzugehen. Ich freue mich überdies sehr, dass die EU-Kommission die Rolle der Anwaltschaft als wichtiger Akteur im Rechtsstaat hervorhebt und ausdrücklich die Konvention des Europarates zum Schutz der Anwaltschaft als wichtiges Instrument zu deren Absicherung zitiert“, betont Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV.

Auch der DAV hatte in seiner Stellungnahme erneut ausreichende personelle wie finanzielle Ressourcen durch Bund und Länder angemahnt und im Bereich der Digitalisierung auf die Umsetzung wichtiger Initiativen wie die Dokumentation der Hauptverhandlung hingewiesen.

Detailliert geht das Länderkapitel zu Deutschland auf die erfolgreiche Initiative zur stärkeren Resilienz des Bundesverfassungsgerichts als wichtigen Schritt zur Sicherung von dessen Unabhängigkeit ein und verweist auch hierzu auf den Deutschen Anwaltverein. Erfreulich sei laut Stefan von Raumer, „dass der Bericht auch hier unsere zuletzt beim Deutschen Anwaltstag in Berlin thematisierte Forderung widerspiegelt, beim Schutz der Resilienz aber nicht bei der Reform des Bundesverfassungsgerichts stehen zu bleiben“.

Der jährlich erscheinende Bericht zur Rechtsstaatlichkeit der EU-Kommission ist Teil des EU-Rechtsstaatlichkeitsmechanismus. Der Bericht umfasst zur Evaluierung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in der gesamten EU als auch in den einzelnen Mitgliedstaaten die Themenbereiche Justizsystem, Korruptionsbekämpfung, Medienpluralismus und sonstige institutionelle Fragen der Gewaltenteilung. In den Bericht fließen neben den Informationen, die die Mitgliedstaaten selbst übermitteln, die Konsultationen verschiedener Interessenvertreter sowie das jährliche EU-Justizbarometer ein.

Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission 2025
Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland
DAV-Stellungnahme Nr. 1/2025 im Rahmen der Konsultation der EU-Kommission

PM 30/25: EU-Chatkontrolle: „Big Brother“ im Wolfspelz

Berlin/Brüssel (DAV). Immer wieder werden im Ministerrat neue Textvorschläge zur Chatkontrolle eingebracht – einem Instrument, mit dem Online-Kommunikation auf der Suche nach strafbaren Inhalten pauschal durchleuchtet werden soll. Nun liegt ein neuer, rechtsstaatlich hochproblematischer Vorschlag der dänischen EU-Ratspräsidentschaft vor. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt entschieden vor den enthaltenen Maßnahmen und appelliert an die Bundesregierung, die Verordnung abzulehnen.

Neue Vorstöße in Sachen Chatkontrolle gab es in den letzten Jahren regelmäßig. Ziel der geplanten Verordnung zur elektronischen Kommunikationsdurchleuchtung ist die Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch. Der Deutsche Anwaltverein betont seither, dass trotz der Bedeutung des verfolgten Ziels eine derartige anlasslose Massenüberwachung keinesfalls gerechtfertigt ist. „Auch berechtigte strafrechtliche Anliegen können wir nicht mit Maßnahmen verfolgen, die gegen die Grundprinzipien des Rechtsstaats verstoßen“, so Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Dazu gehöre die massenhafte Durchleuchtung der Kommunikation Unbescholtener.

Der nun vorgelegte Text der dänischen Ratspräsidentschaft enthalte mehrere massiv grundrechtsverletzende Maßnahmen „Die Einführung dieses Instruments würde die systematische und flächendeckende Überwachung privater Kommunikation bedeuten“, so der DAV-Präsident. Es sei vergleichbar mit einem Postamt, in dem jeder versandte Brief geöffnet und kontrolliert würde. „Mit den Grundrechten auf Datenschutz, Achtung des Privatlebens und Vertraulichkeit der Kommunikation ist das unvereinbar.“ Das EU-Parlament hätte sich für eine Chatkontrolle nur im Verdachtsfall ausgesprochen, die polnische Ratspräsidentschaft immerhin die verpflichtende Chatkontrolle zu einer freiwilligen umgestalten wollen. „Mit dem neuen Vorschlag macht die Diskussion einen Rückschritt, und wir sind annähernd wieder beim Vorschlag der EU-Kommission, der zu Recht von unzähligen nationalen und europäischen Parlamenten und weiteren Interessenträgern aufs Allerschärfste kritisiert worden ist.“

Angriff auf verschlüsselte Kommunikation

Dass auch Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger in die Maßnahmen einbezogen werden sollen, bedeutet faktisch eine Umgehung wirksamer Verschlüsselungstechnologien. „Statt für mehr Sicherheit zu sorgen, würden neue Gefahren geschaffen“, erklärt von Raumer. Die Aushebelung der Verschlüsselung würde zwangsweise Lücken in der IT-Sicherheit nach sich ziehen und so beispielsweise das Berufsgeheimnis von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in unvertretbarer Weise gefährden.

Zukünftig auch Text- und Sprachnachrichten betroffen?

Die Inhalte, die durchsucht werden sollen, beschränken sich (noch) auf Bildmaterial und Links; über eine Öffnungsklausel zum sogenannten „Grooming“ könnten die Scans allerdings künftig auch auf Text- und Sprachnachrichten ausgeweitet werden.

Appell an Bundesregierung

In einem Schreiben an den Bundesminister des Innern appelliert der DAV deshalb an die Regierung, sich im Rat der Europäischen Union klar gegen den neuen Vorschlag auszusprechen und der Verordnung eine endgültige Absage zu erteilen. „Der Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft würde eine anlasslose Massenüberwachung privater Kommunikation ermöglichen, die der Europäische Gerichtshof gleich wieder kippen würde – die EU würde den Grundsätzen ihres ‚Better Regulation‘-Ansatzes nicht gerecht“, so Stefan von Raumer.

VerkR 25/25: Umgestoßener Blitzer kann Straftat sein und teuer werden

Hamm/Berlin (DAV). Wer einen Blitzer umstößt, kann sich strafbar machen. Dies gilt auch dann, wenn das Gerät nicht beschädigt wird. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) weist auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Juni 2025 (AZ: 4 ORs 25/25) hin. Sie verdeutlicht, dass bereits das Verhindern oder Stören des Betriebs einer Geschwindigkeitsmessanlage eine Straftat darstellt, unabhängig von einer physischen Beschädigung des Geräts.

Am Karfreitag 2023 hatte sich der Angeklagte in Paderborn gezielt dazu entschlossen, einen mobilen Blitzer durch einen Fußtritt zu Fall zu bringen. Dabei wurden die Seiten- und Frontkamera des Geräts umgestoßen. Der Messvorgang wurde unterbrochen, die Anlage war rund eine Stunde lang außer Betrieb. Zwar wurde die Technik selbst nicht beschädigt, dennoch konnte das Gerät keine weiteren Geschwindigkeitsmessungen mehr durchführen.

Das Amtsgericht verurteilte den Mann zunächst zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.200 Euro. Das Landgericht Paderborn reduzierte die Strafe im Berufungsverfahren auf 1.600 Euro. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein, die jedoch vom Oberlandesgericht Hamm als unbegründet verworfen wurde. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Kernpunkt der juristischen Auseinandersetzung war die Auslegung von § 316b StGB. Danach macht sich strafbar, wer den Betrieb einer der öffentlichen Sicherheit dienenden Einrichtung – wie etwa einer Radarkontrolle – dadurch verhindert oder stört, dass er sie „unbrauchbar macht“. Das Gericht stellte klar: Auch wenn die Messanlage äußerlich unversehrt geblieben sei, sei durch das gezielte Umstoßen der Kameras deren Funktionsfähigkeit faktisch unterbunden worden. Der Betrieb sei somit verhindert worden – das reiche für eine Strafbarkeit aus. Die Tat sei daher als vorsätzliche Sabotage zu bewerten.

Mit seiner Entscheidung folgt das Oberlandesgericht Hamm der bereits gefestigten Rechtsprechung, wonach auch Eingriffe, die nicht zu physischen Schäden führen, strafrechtlich relevant sein können, wenn sie den Betrieb öffentlicher Einrichtungen stören oder verhindern.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

VerkR 24/25: Radler stürzt an offener Baustelle: Baufirma muss 300 Euro Schmerzensgeld zahlen

München/Berlin (DAV). Ein Fahrradfahrer, der auf dem Weg zur Arbeit an einer nicht ordnungsgemäß gesicherten Baustelle stürzte, hat gegen die verantwortliche Baufirma Anspruch auf Schmerzensgeld. Das Amtsgericht München sprach am 11. Oktober 2024 (AZ: 231 C 10902/24) dem Kläger 300 Euro zu. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über das Urteil.

Ein Radfahrer fuhr in München auf dem Weg zur Arbeit in einer Straße, in der sich eine Baustelle befand. Dort verlief ein mit Schotter gefüllter, etwa 133 Zentimeter breiter und 4 bis 5 Zentimeter tiefer Spalt quer zur Fahrbahn. Aufgrund von Gegenverkehr wich der Kläger leicht nach rechts aus und überquerte die Stelle diagonal – dabei stürzte er. Schürfwunden an Ellenbogen, Hüfte und Knie waren die Folge.

Obwohl der Kläger den Spalt kannte, weil er die Strecke seit Monaten täglich nutzte, machte er geltend, dass die Baustelle nicht ausreichend abgesichert gewesen sei. Zudem seien der Stadt München bereits mehrere Beschwerden über die Gefahrenstelle bekannt gewesen. Der Kläger verlangte von der Baufirma 1.000 Euro Schmerzensgeld.

Das Amtsgericht München kam nach Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass der Sturz des Klägers tatsächlich auf den offenen Spalt zurückzuführen war. Es sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld von 300 Euro zu. Zwar hatte die Baufirma ihre Verkehrssicherungspflichten an einen Subunternehmer übertragen, jedoch blieb sie weiterhin verpflichtet, die Arbeiten zu überwachen. Dass die Stadt die Beklagte mehrfach zur Beseitigung des Spalts aufgefordert hatte, ließ auf ein erhebliches Organisationsverschulden schließen.

Gleichzeitig stellte das Gericht ein erhebliches Mitverschulden des Klägers fest. Dieser habe ein für jedermann sichtbares Risiko bewusst in Kauf genommen, indem er die mit Kies gefüllte Rille diagonal überquerte – obwohl ihm die Gefahr bekannt war. Eine vorsichtigere Fahrweise oder ein kurzes Anhalten vor der Spaltüberquerung wären zumutbar gewesen. Daher beließ es das Gericht bei 300 Euro statt der gewünschten 1.000 Euro.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

VerkR 23/25: OLG Celle: Mitverschulden eines jungen Radlers bei Crash auf Gehweg – 70:30 Haftungsverteilung rechtens

Celle/Berlin (DAV). Fährt ein jugendlicher Radfahrer entgegen der zugelassenen Fahrtrichtung auf einem Gehweg und kollidiert mit einem aus einer Grundstückausfahrt kommenden Pkw, haftet er zu 70 Prozent mit. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Celle vom 15. Oktober 2024 (AZ: 14 U 143/24).

Dem Hinweis des Gerichts lag ein Verkehrsunfall zugrunde, bei dem ein jugendlicher Kläger (nicht volljährig, aber über 10 Jahre) als Radfahrer verletzt wurde. Er befuhr den Gehweg entgegen der zugelassenen Fahrrichtung. Als der Pkw der Beklagten aus einer Grundstücksausfahrt auf den Gehweg einfuhr, kam es zur Kollision.

Das Landgericht hatte festgestellt, dass der Radfahrer falsch fuhr. Auf dem Gehweg war das Fahrradfahren lediglich in der Fahrtrichtung erlaubt. Gleichwohl sah das Landgericht (LG) eine erhöhte Betriebsgefahr bei dem Pkw, da dieser aus einem Grundstück über einen Gehweg ausfuhr. Dennoch musste der Radfahrer zu 70 Prozent haften.

Das OLG bestätigte die Auffassung des LG, wonach kein grobes Verschulden des Jugendlichen vorlag, das eine vollständige Haftungsfreistellung des Pkw rechtfertigen würde. Das Gericht betonte, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen Erwachsenen, sondern um einen Jugendlichen handele, der aufgrund seiner noch nicht abgeschlossenen Entwicklung und geringeren Lebenserfahrung sorgloser und weniger umsichtig im Straßenverkehr agiert. Zudem war der Gehweg in Fahrtrichtung für Fahrradfahrer freigegeben, sodass dort grundsätzlich mit Radfahrern zu rechnen war.

Informationen: www.verkehrsanwaelte.de