CMS Hasche Sigle Blog

Inhalt abgleichen
Aktuelle Rechtsthemen und was eine Großkanzlei sonst bewegt
Letztes Update: vor 2 Minuten 18 Sekunden

OLG Köln: KI-Training mit Nutzerdaten ist zulässig

Mi, 17.09.2025 - 13:01

Am 23. Mai 2025 hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Az. 15 UKl 2/25) im Eilverfahren eine medienwirksame Entscheidung zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) getroffen: Es wies den Antrag der Verbraucherzentrale NRW zurück, der Meta die Nutzung öffentlich geteilter Nutzerdaten von Facebook und Instagram zum Training eines KI-Large-Language-Modells (LLM) untersagen sollte. Konkret ging es um die auf ihren sozialen Netzwerken öffentlich eingestellten Daten volljähriger Nutzer*, wie z.B. Kommentare, Fotos oder Videos (sog. First Party Data). Ein entsprechendes Vorhaben hatte Meta am 14. April 2025 angekündigt. 

Die Verbraucherzentrale NRW sah hierin unter anderem Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)sowie gegen das Verbot der Datenzusammenführung nach Art. 5 Abs. 2 lit. b) Digital Markets Act (DMA). Sie beantragte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Nutzung zu untersagen. Im Ergebnis wies das OLG Köln den Antrag zurück. 

Keine „Zusammenführung“ im Sinne des DMA

Das OLG Köln sah keinen Verstoß gegen das Verbot der Zusammenführung personenbezogener Daten aus verschiedenen Plattformdiensten im Sinne des DMA. Der DMA verbietet es u.a. Torwächtern, personenbezogene Daten aus verschiedenen zentralen Plattformdiensten zusammenzuführen, sofern keine Einwilligung der Nutzer vorliegt. Das Gericht stellte jedoch klar: Die von Meta geplante Einbringung öffentlich zugänglicher Inhalte aus Facebook und Instagram in ein unstrukturiertes Trainingsdatenset stelle keine „Zusammenführung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. b) DMA dar, da keine gezielte personenbezogene Verknüpfung derselben Nutzer erfolgt. Vielmehr handele es sich um eine nicht-personalisierte Datenverwendung ohne Nutzerprofilbildung.

Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO

Das OLG Köln hielt die Datenverarbeitung durch Meta im Rahmen des KI-Trainings für zulässig – und stützte sich dabei auf das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO. Nach Ansicht des Gerichts verfolgt Meta mit dem Aufbau eines regional angepassten KI-Modells ein legitimes wirtschaftliches Ziel.

Ist die Datenverarbeitung erforderlich? 

Die Frage der Erforderlichkeit bejahte das Gericht ebenfalls. Die Verarbeitung sei geeignet, den verfolgten Zweck zu erreichen – und es gebe kein milderes, die Privatsphäre weniger beeinträchtigendes Mittel. Gerade bei der Frage der Erforderlichkeit wird der Charakter eines Eilverfahrens deutlich: Zwar befasste sich das Gericht mit alternativen Mitteln, wie den Einsatz anonymisierter oder synthetischer Daten. Allerdings wird im Eilverfahren lediglich eine summarische Prüfung durch das Gericht vorgenommen, sodass nach Aktenlage entschieden wird und die Glaubhaftmachung der Beklagten an Bedeutung gewinnt. Nach Auffassung des Gerichts hatte Meta dabei glaubhaft gemacht, dass es „keine andere sinnvolle Alternative“ gebe, um ihre Interessen ebenso wirksam zu erreichen. Nach summarischer Prüfung erschien dies dem Senat als überwiegend wahrscheinlich. Gleichwohl wurde auf die „Diskrepanz zwischen dem Datenhunger des KI-Trainings und dem Grundsatz der Datenminimierung“ hingewiesen, die jedoch aufgrund der summarischen Prüfung nicht weiter aufgefächert wurde.

Abwägung der Interessen: Öffentliche Inhalte und Nutzererwartungen im Fokus

Besonderes Gewicht legte das Gericht auf die Interessenabwägung. Zwei Faktoren standen im Mittelpunkt: Zum einen die berechtigten Erwartungen der Betroffenen, zum anderen die möglichen Auswirkungen der Verarbeitung auf sie.

Von Bedeutung war zunächst, dass es sich um Inhalte handelt, die Nutzer bewusst öffentlich in ihren Profilen bei Facebook oder Instagram eingestellt haben und damit für jedermann zugänglich und über Suchmaschinen auffindbar sind. Diese freiwillige öffentliche Verfügbarkeit senkt aus Sicht des Gerichts das Schutzniveau im Vergleich zu nicht-öffentlichen Inhalten deutlich.

Zudem berücksichtigte das Gericht die von Meta implementierten Schutzmechanismen. Auf Grundlage der Empfehlungen der zuständige irische Datenschutzbehörde (DPC) und der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) zum Training von KI-Modellen mittels personenbezogener Daten, hatte Meta eine Reihe technischer Maßnahmen zur De-Identifizierung ergriffen, um die Auswirkungen der Datenverarbeitung abzumildern. Dazu zählen unter anderem die Möglichkeit, den Sichtbarkeitsstatus des Kontos auf „privat“ zu ändern, sowie ein einfach auszuübendes Widerspruchsrecht gegen die Verwendung der Daten für das KI-Training.

In Bezug auf die berechtigten Erwartungen der Nutzer stellte das OLG Köln fest, dass aufgrund der öffentlichen Mitteilung von Meta vom 10. Juni 2024, in der die Nutzung öffentlich eingestellter Daten zum Zwecke des KI-Trainings angekündigt wurde, die Nutzer vernünftigerweise mit einer Nutzung ihrer Daten rechnen mussten. Nach dem Gericht gelte dies zumindest für alle Inhalte, die der Nutzer ab dem 26. Juni 2024 selbst öffentlich eingestellt habe. Für ältere Inhalte, die vor dieser Ankündigung veröffentlicht wurden, sowie für Daten von Dritten sei eine solche Erwartung hingegen nicht gegeben.

Trotz dieser Unterschiede kam das OLG Köln zu dem einheitlichen Ergebnis, dass auch bei älteren Inhalten sowie bei Daten Dritter, die Interessen von Meta überwiegen. Zur Begründung verwies das Gericht auf die Zielsetzung der neuen KI-Verordnung (KI-VO). Diese betont in ihren Erwägungsgründen die führende Rolle, die Europa bei der Entwicklung einer sicheren, vertrauenswürdigen und ethisch verantwortbaren KI einnehmen will. Eine pauschale Untersagung der Nutzung öffentlich geteilter Inhalte würde dieses Ziel konterkarieren.

Verarbeitung von Daten Dritter

Problematisch bleibt aus Sicht des Gerichts der Umgang mit Daten Dritter – etwa dann, wenn Nutzer Inhalte veröffentlichen, die auch andere Personen betreffen. Diese betroffenen Personen haben häufig keine direkte Möglichkeit, der Datenverarbeitung zu widersprechen, vor allem dann nicht, wenn sie selbst kein Konto auf der entsprechenden Plattform besitzen. Besonders sensibel wird diese Situation, wenn es sich bei den betroffenen Personen um Minderjährige handelt. Trotzdem bewertete das Gericht die Gesamtintensität des Eingriffs in die Rechte der Betroffenen als eher gering. 

Zur Begründung führt das Gericht an, dass ein konkreter hinausgehender Nachteil für die betroffenen Personen durch die Datenverarbeitung eher unwahrscheinlich sei. Anders als etwa beim Profiling gemäß Art. 4 Nr. 4 DSGVO stehe beim Training von KI-Modellen nicht die gezielte Verarbeitung personenbezogener Daten einzelner Personen im Vordergrund. Stattdessen würden große Datenmengen verarbeitet, ohne dass dabei die Identität der Betroffenen eine zentrale Rolle spiele. In diesem Zusammenhang hebt das Gericht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit, eine einzelne Person identifizieren zu können, gering sei. Einzelne Informationen gehen in der großen Datenmasse typischerweise unter, es sei denn, sie würden mehrfach im Training verwendet.

Wahrung aller Betroffenenrechte?

Das OLG Köln setzte sich auch mit den Rechten der betroffenen Personen auseinander. Hervorzuheben war dabei die Frage, wie das Recht auf Löschung nach Art. 17 DSGVO im Zusammenhang mit dem Training von KI-Modellen künftig gewahrt werden kann. Diesbezüglich hat Meta glaubhaft gemacht, solche Daten bei künftigen Trainingsvorgängen nicht mehr zu nutzen.

Verarbeitung von sensiblen Daten im Lichte der KI-VO

Besondere Kategorien personenbezogener Daten – etwa zu Gesundheit, Religion oder ethnischer Herkunft – unterliegen gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich einem Verarbeitungsverbot. Dennoch hielt das OLG Köln die Nutzung solcher sensiblen Daten im Rahmen des KI-Trainings unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Personenbezogene Daten, die Nutzer selbst veröffentlicht hätten, fielen unter den Ausnahmefall des Art. 9 Abs. 2 lit. e) DSGVO, da davon auszugehen sei, dass die Nutzer die Inhalte in Kenntnis ihrer Sichtbarkeit online gestellt hätten. Dieser Ausnahmetatbestand greife jedoch ausschließlich für eigene Daten und nicht für Inhalte über Dritte, die ohne deren Zutun veröffentlicht wurden.

Gerade bei solchen Drittdaten verfolgte das Gericht einen pragmatischen Ansatz: In umfangreichen Datensätzen, wie sie für das Training großer Sprachmodelle verwendet werden, lassen sich sensible Inhalte nicht vollständig ausschließen. Da es im konkreten Fall nicht um eine gezielte Verarbeitung sensibler Daten ging, hielt der Senat eine sogenannte teleologische Reduktion, d.h. eine am Zweck orientierte Auslegung, des Verarbeitungsverbots für gerechtfertigt. 

Zur Begründung verwies das OLG Köln auf das Ziel der europäischen KI-VO, wonach die Europäische Union eine führende Rolle in der KI-Entwicklung übernehmen soll. Ein strikt verstandenes Verbot der Verarbeitung sensibler Daten würde diesem Ziel entgegenstehen. Zudem schaffe die KI-VO in Art. 10 Abs. 5 eine eigene Rechtsgrundlage für die gezielte Verarbeitung sensibler Daten im Rahmen des KI-Trainings – eine entsprechende Regelung für nicht zielgerichtete Datenverarbeitung fehle jedoch.

Das Gericht verwies zudem auf die doppelte Schutzfunktion der DSGVO. Sie dient gemäß Art. 1 Abs. 1 DSGVO nicht nur dem Schutz personenbezogener Daten, sondern auch dem freien Datenverkehr innerhalb der EU und darf laut Art. 1 Abs. 3 DSGVO nicht ohne Weiteres eingeschränkt oder verhindert werden. Angesichts der Tatsache, dass KI-Modelle auf große, teils unstrukturierte Datenmengen angewiesen sind, gewinne dieser Aspekt nach Auffassung des Gerichts zunehmend an Gewicht.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Köln zählt zu den ersten gerichtlichen Entscheidungen zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von KI-Training und könnte Signalwirkung entfalten. Besonders interessant ist die sich abzeichnende Verschränkung verschiedener europäischer Rechtsakte, etwa der DSGVO, der KI-VO und des DMA. Wie diese Regelwerke künftig zusammenspielen, bleibt mit Spannung zu beobachten.

Ob der Europäische Gerichtshof die Auffassung des OLG Köln teilt, lässt sich im Eilverfahren nicht klären – eine Vorlage ist nur im Hauptsacheverfahren möglich. Das OLG Schleswig hat in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 12.08.2025 ebenfalls eine einstweilige Verfügung gegen Meta abgelehnt und dabei auf das Urteil des OLG Köln verwiesen. Entscheidungsgrund war jedoch ausschließlich die Unzulässigkeit der Klage. Es bleibt also abzuwarten, ob sich die Argumentation des OLG Köln auch in der weiteren Rechtsprechung durchsetzen wird.

In unserem CMS-Blog halten wir Sie mit unserer Blog-Serie „Künstliche Intelligenz“ zu diesem Thema auf dem Laufenden. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge benachrichtigt. Bereits online sind u.a. Beiträge zu diesen Themen: Cybersicherheit von Hochrisiko-KI und der Cyber Resilience Act„KI-Systeme“ i.S.d. KI-VO: Begriff und DefinitionErstes Urteil Deutschlands zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des KI-Trainings ergangenDie KI-Pläne der EU-Kommission. Sehen Sie zudem gern: Eigene KI-Sprachmodelle von Unternehmen (cms.law).

Haben Sie Anregungen zu weiteren Themen rund um KI, die in unserer Blog-Serie „Künstliche Intelligenz“ nicht fehlen sollten? Schreiben Sie uns gerne über blog@cms-hs.com.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Der Beitrag OLG Köln: KI-Training mit Nutzerdaten ist zulässig erschien zuerst auf CMS Blog.

Corona-Hilfen: Rückforderung bei verbundenen Unternehmen

Mi, 17.09.2025 - 08:46

Bis zum 30. September 2024 war von den Empfängern* der Corona-Hilfen eine Schlussabrechnung bei der zuständigen Bewilligungsbehörde einzureichen. Nach einer Prüfung der Schlussabrechnungen haben die zuständigen Bewilligungsbehörden gegenüber Unternehmen in verschiedenen Einzelfällen Rückforderungsbescheide erlassen. Die Rückforderungsbescheide werden häufig vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegriffen, sodass hierzu in jüngster Zeit auch obergerichtliche Entscheidungen ergangen sind.

Das Oberverwaltungsgericht Münster erklärte mit Urteilen vom 15. Mai 2025 (Az.: 4 A 2550/22, 4 A 2551/22, 4 A 274/23) die Gewährung von Corona-Hilfen an mehrere Unternehmen eines Unternehmensverbunds für rechtswidrig. Damit setzt das Gericht seine bereits mit Urteil vom 6. März 2024 (Az.: 4 A 1581/23) vorgezeichnete Rechtsprechungslinie zu verbundenen Unternehmen fort. Verbundene Unternehmen seien als ein Unternehmen zu behandeln und deshalb lediglich einmalig zum Empfang der jeweiligen Corona-Hilfen berechtigt. Verbundene Unternehmen müssten außerdem gemeinsam die Anforderungen des beihilferechtlichen Rahmens und der nationalen Förderbedingungen erfüllen. Ob auch das Bundesverwaltungsgericht über diese Fragen zu befinden haben wird, ist offen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die Revision nicht zugelassen, sodass den Klägern nur die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offen steht.

Gewährung von Corona-Soforthilfen

Ab dem Frühjahr 2020 reagierte die Bundesregierung mit der Einführung von Corona-Hilfen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der staatlichen Corona-Beschränkungen. Ziel war es, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen für einen befristeten Zeitraum schnell finanzielle Unterstützung zu bieten, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken und die Existenz der Unternehmen zu sichern.

Die Corona-Hilfen wurden als Fixkostenzuschüsse des Bundes in verschiedenen Programmen gewährt. Zu den Programmen gehörten die außerordentlichen Wirtschaftshilfen, d.h. die Novemberhilfe und die Dezemberhilfe für Umsatzausfälle im November und Dezember 2020 sowie die Überbrückungshilfen I, II, III, III Plus und IV, die Umsatzausfälle in den Monaten Juni 2020 bis Juni 2022 abdecken sollten. Die Corona-Hilfen wurden allerdings in der Regel nur vorläufig und vorbehaltlich einer endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid bewilligt. Die Zuwendungsempfänger waren daher verpflichtet, Schlussabrechnungen einzureichen, auf deren Grundlage die Bewilligungsbehörden Schlussbescheide erlassen. Erlässt die Bewilligungsbehörde aufgrund der endgültigen Festsetzung der Förderhöhe im Schlussbescheid einen Rückforderungsbescheid, können hiergegen Rechtsbehelfe (Widerspruch oder Klage) eingelegt werden. Dabei sollte sowohl der Schluss- als auch der Rückforderungsbescheid angegriffen werden. Nur wenn die Behörde die beiden Bescheide miteinander verbindet, genügt ein einziger Rechtsbehelf.

Grundlage der nationalen Regelwerke war die Mitteilung der Europäischen Kommission „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19“ (2020/C 91 I/01) vom 20. März 2020. Darin erklärte die Europäische Kommission die Gewährung staatlicher Beihilfen für einen befristeten Zeitraum mit dem Binnenmarkt vereinbar. 

Aktuelle Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster 

Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster haben Rückforderungsbescheide von Corona-Hilfen zum Gegenstand. Anders als in der Vorinstanz bestätigte das Oberverwaltungsgericht Münster die Rücknahme bewilligter Corona-Hilfen in mehreren Fällen. Die Rücknahme betraf Unternehmen, die Corona-Hilfen als Einzelunternehmen beantragt hatten, nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Münster tatsächlich jedoch Teil eines größeren Unternehmensverbundes waren. Diese Zusammenhänge hatten die Unternehmen im Antragsformular nicht oder nur unvollständig offengelegt. Laut dem Oberverwaltungsgericht Münster stellt dies einen Verstoß gegen die beihilferechtlich genehmigte Bundesregelung Kleinbeihilfen dar, wonach nur ein einziges Unternehmen eines Unternehmensverbundes Corona-Hilfen erhalten durfte. Aus diesem Grund stufte das Oberverwaltungsgericht Münster die zugrunde liegenden Bescheide als rechtswidrig ein.

Begriff des verbundenen Unternehmens

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in seinen Urteilen angenommen, dass für die Prüfung eines Unternehmensverbunds die beihilferechtliche Betrachtung maßgeblich sei, ob mehrere Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden. Das Gericht lehnt sich dabei an Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Definition des „verbundenen Unternehmens“ aus Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Anhang I der Gruppenfreistellungsverordnung (VO (EU) 651/2014) an. Ausschlaggebend sei dabei nicht die formale rechtliche Selbstständigkeit oder die Art der Finanzierung der einzelnen Unternehmen. Maßgeblich dafür, ob eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, sei das Bestehen von Kontrollbeteiligungen und anderer funktioneller, wirtschaftlicher und institutioneller Verbindungen zwischen den Unternehmen. Insbesondere könnten Unternehmen bereits aufgrund der Rolle einer Person oder einer Gruppe mehrerer Personen als verbunden angesehen werden, auch wenn diese Unternehmen formal nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Anhang I der Gruppenfreistellungsverordnung (VO (EU) 651/2014) aufgeführten Beziehungen zueinanderstehen. Dies sei nach dem Oberverwaltungsgericht Münster der Fall, wenn eine Person oder eine Gruppe mehrerer Personen durch gemeinsames Handeln und Abstimmen Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen ausüben würden.

So genügte in dem aktuell vom Oberverwaltungsgericht Münster mit Urteil vom 15. Mai 2025 entschiedenen Fall bereits die Beherrschung durch einen Einzelunternehmer über mehrere rechtlich getrennte Gesellschaften, um die Antragsberechtigung wegen fehlender Unabhängigkeit zu verneinen und einen Unternehmensverbund zu bejahen. In dem anderen, ebenfalls vom Oberverwaltungsgericht Münster mit Urteil vom 6.3.2024 entschiedenen Verfahren, wurde ein Unternehmen als Teil eines verbundenen Unternehmens betrachtet, weil eine Muttergesellschaft Anteile an mehreren Tochtergesellschaften hielt und die zentrale Steuerung der Gesellschaften übernahm.

Kein Vertrauensschutz oder Ermessensfehler

Die betroffenen Unternehmen beriefen sich auf Vertrauensschutz und verwiesen auf Ermessensfehler der Behörde. Man habe in gutem Glauben gehandelt, das Antragsformular sei missverständlich gewesen, und die Verwaltung habe dies im Einzelfall nicht beanstandet. Das Oberverwaltungsgericht Münster ließ diese Argumente nicht gelten.

Verwaltungsakte, die durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden seien, könnten mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer unionsrechtswidrig gewährten Beihilfe sei laut Oberverwaltungsgericht Münster nach ständiger EuGH-Rechtsprechung nur dann schutzwürdig, wenn klare, unbedingte und von einer zuständigen Unionsbehörde stammende Zusicherungen vorliegen – was in keinem der Fälle gegeben war. Auch die teilweise missverständliche Gestaltung der Antragsformulare änderte nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Münster nichts an der unionsrechtlichen Verpflichtung der Behörde zur Rücknahme. Dies unterstreicht das umfassende Gebot der Rückforderung staatlicher Zuwendung bei Verstößen gegen das Europarecht. Die Frage einer Amtshaftung der Behörde, die die missverständlichen Antragsformulare vorgegeben hatte, erörtert das Oberverwaltungsgericht Münster hingegen nicht.

Geltung auch für andere Corona-Hilfen

Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster haben große Bedeutung für Unternehmen, die Corona-Hilfen für mehrere Betriebsteile oder Tochtergesellschaften getrennt beantragt und erhalten haben. Aus der Definition des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit und der Anwendung des europäischen Beihilfenrechts folgt, dass im Zusammenhang mit Corona-Hilfen auch formal unabhängige Gesellschaften in einem Konzern- oder Beteiligungsgefüge gemeinsam zu betrachten sind. Für Unternehmen drohen vor diesem Hintergrund Rückforderungsrisiken.

Wenn die Bewilligungsbehörde aus diesen Gründen bei Unternehmen eine Rückforderung festsetzt, sollte der betroffene Zuwendungsempfänger die Rechtmäßigkeit der Rückforderung überprüfen und gegebenenfalls rechtzeitig von seinen Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch machen, um seine Rechte zu wahren. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster um Entscheidungen im Einzelfall handelt und sich abhängig vom Sachverhalt jedes Einzelfalls unterschiedliche Verteidigungsmöglichkeiten gegen Rückforderungen ergeben können.

Wir freuen uns, dass Sie unsere Blogserie „Fördermittel und Subventionen“ begleiten. Weitere Beiträge folgen!

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Der Beitrag Corona-Hilfen: Rückforderung bei verbundenen Unternehmen erschien zuerst auf CMS Blog.

Betriebsratswahl 2026: Ablauf, Fristen und typische Fallstricke 

Di, 16.09.2025 - 07:53

Die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen stehen im Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2026 an – und für viele Unternehmen beginnt damit eine Phase, in der rechtliche, organisatorische und kommunikative Herausforderungen aufeinandertreffen. Wer mit dem Ablauf grundsätzlich vertraut ist, weiß: Die Wahl folgt einem strengen, formalisierten Verfahren. Fehler können gravierende Folgen haben – bis hin zur Wahlanfechtung oder, wenn auch selten, sogar Nichtigkeit.

In unserer neuen Blogserie beleuchten wir aktuelle Rechtsfragen, Handlungsoptionen und Fallstricke rund um Betriebsstruktur, Wahlverfahren und Kommunikation. Ein Must-read für alle, die diesen Wahlzyklus gut vorbereitet bestreiten möchten. Zum Einstieg finden Sie hier zunächst eine Übersicht über den Wahlablauf und zentrale To-dos.

Vor der Betriebsratswahl: Betriebe und sonstige betriebsratsfähige Einheiten 

Grundvoraussetzung für die Durchführung einer Betriebsratswahl ist das Vorliegen eines betriebsratsfähigen Betriebs im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG. Ein Betrieb ist dabei eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit Hilfe von Arbeitnehmern* bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. 

In Konzern- oder Unternehmensstrukturen ist stets genau zu prüfen, wo einzelne Betriebe beginnen und enden – insbesondere bei geschäftsbereichsübergreifenden Standorten, gemeinsamen Servicegesellschaften oder Matrixstrukturen – und welche Arbeitnehmer welchem Betrieb zuzuordnen sind. Dem Thema Wahlberechtigung in Matrixstrukturen widmen wir in unserer Serie aufgrund der großen Aktualität einen eigenen Beitrag.

Unabhängig von den herkömmlichen Betriebsgrenzen besteht nach § 3 BetrVG die Möglichkeit, durch Tarifvertrag oder unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Betriebsvereinbarung abweichende Einheiten für die Wahl festzulegen. Zulässig sind etwa Vereinbarungen über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats, die Zusammenfassung mehrerer Betriebe oder die Einrichtung von Spartenbetriebsräten. Da solche Vereinbarungen die Grundlage für die Wählerliste und die Größe des künftigen Betriebsrats bilden, sind sie möglichst vor der Einleitung der Wahl zu treffen bzw. an aktuelle Entwicklungen oder Bedürfnisse anzupassen. Was nach § 3 BetrVG in solchen Strukturvereinbarungen zulässig ist und wo diese an ihre Grenzen kommen, werden wir Ihnen im Rahmen unserer Blogserie vertieft darstellen.

Tipp für Unternehmen: In komplexen Konzern- und/oder Unternehmensstrukturen empfiehlt sich eine frühzeitige Analyse der betrieblichen Organisation, um bei Bedarf noch rechtzeitig nachzujustieren und zu vermeiden, dass Betriebszuschnitt und Zuordnung nach der Wahl infrage gestellt werden. CMS unterstützt Sie dabei gerne.

Einleitung des Wahlverfahrens: Bestellung des Wahlvorstands

Das Verfahren beginnt nicht automatisch: Zunächst muss ein Wahlvorstand bestellt werden – zuständig ist der amtierende Betriebsrat, der dies spätestens zehn Wochen vor Ende seiner Amtszeit tun muss (§ 16 Abs. 1 BetrVG). Gibt es noch keinen Betriebsrat – und auch keinen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat – kann die Einleitung auch über eine Betriebsversammlung erfolgen, indem dort ein Wahlvorstand gewählt wird (§ 17 BetrVG).

Tipp für Unternehmen: Die Bestellung des Wahlvorstands ist Aufgabe des Betriebsrats, aber die Personalabteilung sollte mit Rat und Tat bereitstehen – ohne jedoch die Unabhängigkeit des Wahlvorstands zu gefährden.

Wählerliste: Grundlage nicht nur für das Wahlverfahren

Zentraler Baustein jeder Betriebsratswahl ist die Wählerliste. Sie muss spätestens sechs Wochen vor dem Wahltag veröffentlicht werden und enthält alle aktiv und passiv wahlberechtigten Arbeitnehmer (§§ 7, 8 BetrVG). Von der Zahl der Wahlberechtigten hängt nicht nur die Größe des zu wählenden Betriebsrats ab (§ 9 BetrVG), sondern auch das anzuwendende Wahlverfahren: 

  • Regelwahlverfahren: Bei mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb
  • Vereinfachtes Wahlverfahren: Verpflichtend bei bis zu 50 Wahlberechtigten, optional bei bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 14a BetrVG).
Wahlausschreiben als Startschuss für die eigentliche Wahlphase des Betriebsrats

Spätestens sechs Wochen vor dem Wahltermin hat der Wahlvorstand das Wahlausschreiben zu erlassen. Dieses muss alle in § 3 Abs. 2 der Wahlordnung (WO) aufgeführten Eckdaten enthalten, insbesondere:

  • Zahl der zu wählenden Mitglieder
  • Frist und Abgabeort für Einsprüche gegen die Wählerliste
  • Frist und Voraussetzungen für die Einreichung von Wahlvorschlägen
  • Wahltermin und Ort 

Tipp für Unternehmen: Nach dem Erlass des Wahlausschreibens beginnt die „heiße Phase“. Das Unternehmen sollte auf Neutralität achten, auch subtile Einflussversuche können zu einer Wahlanfechtung oder Schlimmerem führen. Nicht jede Intervention ist aber bereits eine Behinderung der Wahl oder eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Was zulässig ist und was nicht, wird Gegenstand eines weiteren Beitrags unserer Blog-Serie sein.

Einreichung von Wahlvorschlägen und Prüfung durch den Wahlvorstand

An die Bekanntmachung des Wahlausschreibens schließt sich die Phase der Kandidatenaufstellung an: Innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens können wahlberechtigte Arbeitnehmer Wahlvorschläge beim Wahlvorstand einreichen. Dabei sind bestimmte Formerfordernisse einzuhalten (z.B. persönliche Angaben der Bewerber). Bei Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern sind ferner Unterstützungsunterschriften erforderlich – wie viele, hängt von der Betriebsgröße ab. 

Der Wahlvorstand prüft die eingereichten Vorschläge auf Gültigkeit, Vollständigkeit und Fristwahrung. Sofern nach Ablauf der Einreichungsfrist nicht mindestens ein gültiger Wahlvorschlag vorliegt, muss der Wahlvorstand eine Nachfrist setzen. Ist die Vorschlagsliste in Ordnung, so muss er diese spätestens eine Woche vor der Wahl bekanntmachen.

Durchführung der Wahl

Am Wahltag findet die Stimmabgabe grundsätzlich in Präsenz im Betrieb statt (Urnenwahl). Alternativ besteht die Möglichkeit, die Stimme per Briefwahl abzugeben. Dass hierbei einige Fallstricke zu beachten sind, zeigen wir in einem gesonderten Beitrag unserer Serie. Letzteres ist z. B. bei räumlich getrennten Arbeitsstätten oder mobilem Arbeiten ein Thema – hier kann das Unternehmen unterstützen, indem es dem Wahlvorstand verlässliche Informationen zur Belegschaft und zum Arbeitsort bereitstellt. Bislang sind Online-Wahlen nicht zulässig. Dass sich das noch kurzfristig ändert, ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. 

Nach dem Abschluss der Wahl zählt der Wahlvorstand die Stimmen öffentlich aus und erstellt ein Protokoll über das Wahlergebnis. Zudem benachrichtigt er die gewählten Arbeitnehmer über ihre Wahl und macht das Wahlergebnis im Betrieb bekannt, wobei auch im Betrieb vertretene Gewerkschaften zu informieren sind (§ 18 WO).

Konstituierende Sitzung

Nach der Wahl muss der Wahlvorstand die neu gewählten Betriebsratsmitglieder innerhalb von einer Woche zu einer konstituierenden Sitzung einladen, im Rahmen derer dann ein Vorsitzender und sein Stellvertreter gewählt werden. Mit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters ist die konstituierende Sitzung beendet und der Betriebsrat kann seine Arbeit aufnehmen.  

Rolle des Arbeitgebers – Betriebsratswahl unterstützen, nicht steuern

Arbeitgeber sollten sich ihrer unterstützenden, aber neutralen Rolle bei der Betriebsratswahl bewusst sein. Insbesondere folgende Punkte sind wichtig: 

  • Zuschnitt des Betriebs und Zuordnung der wahlberechtigten Arbeitnehmer
  • Bereitstellung aktueller Arbeitnehmerdaten (z. B. für die Wählerliste)
  • Organisation von Räumen, IT, Briefwahlunterlagen etc.
  • Keine Einflussnahme auf Kandidaten oder den Ablauf
  • Sensibilität bei „Wahlkampf“-Kommunikation im Betrieb
Nun kann die Wahl des Betriebsrats losgehen! 

Betriebsratswahlen sind kein Pappenstiel. Für Unternehmen gilt es, das Verfahren effizient und rechtssicher zu begleiten, ohne in die Autonomie des Wahlvorstands einzugreifen. Eine gute Vorbereitung hierfür bieten wir mit unserer neuen Blogserie – und natürlich auch gerne individuell in der Beratung.

This article is also available in English.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Der Beitrag Betriebsratswahl 2026: Ablauf, Fristen und typische Fallstricke  erschien zuerst auf CMS Blog.

Vorinsolvenzliche Sanierung in CEE – Chancen nutzen

Mo, 15.09.2025 - 09:13

Die vorinsolvenzliche Sanierung hat in den Ländern der CEE-Region durch die EU-Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023) an Bedeutung gewonnen. Zahlreiche Staaten haben ihre Gesetze reformiert, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, eine Krise frühzeitig und außerhalb der klassischen Insolvenzverfahren zu bewältigen.

Polen gilt dabei als Vorreiter. Bereits seit 2016 stehen dort vier verschiedene Restrukturierungswege zur Verfügung – vom außergerichtlichen Vergleich bis zur gerichtlichen Sanierung. Besonders verbreitet ist das vereinfachte Verfahren. Es verschafft Schuldnern sofortigen Schutz vor Zwangsvollstreckungen, während sie ihre Geschäfte fortführen können. Die Gläubiger stimmen strukturiert über den Plan ab und die Veröffentlichung im Restrukturierungsregister sorgt für Transparenz.

Tschechien setzt hingegen weiterhin auf das Reorganisationsverfahren im Insolvenzgesetz. Dieses erlaubt eine Sanierung unter enger gerichtlicher Begleitung und setzt die Zustimmung von Gläubigerklassen voraus. Seit 2023 arbeitet der Gesetzgeber jedoch an einer eigenständigen Umsetzung der EU-Richtlinie, um mehr Flexibilität zu schaffen.

Rumänien hat 2022 ein eigenständiges Restrukturierungsverfahren eingeführt und damit umfassende Reformen umgesetzt. Dieses ähnelt stark dem deutschen StaRUG, bindet das Gericht jedoch von Beginn an stärker ein. Während des gesamten Prozesses gilt ein Vollstreckungsschutz, wodurch die Chancen einer erfolgreichen Sanierung steigen.

Ungarn hat bislang noch kein eigenständiges Restrukturierungsrecht. Zwar existieren erste Entwürfe, doch eine Umsetzung ist frühestens für das Jahr 2025 zu erwarten. Bis dahin bleibt nur das klassische Insolvenzverfahren.

Vorinsolvenzliche Sanierung in CEE eröffnet Chancen für Gläubiger

Diese Verfahren sind nicht nur für Schuldner, sondern auch für Gläubiger attraktiv. Ein frühzeitiger Einstieg in die Sanierung ist aussichtsreicher als ein reguläres Insolvenzverfahren.

  • Höhere Quoten: Durch frühes Eingreifen lassen sich Forderungen oft besser durchsetzen.
  • Gläubigerklassen: Die Struktur verhindert einseitige Benachteiligungen und macht Entscheidungen planbarer.
  • Fortbestehende Verträge: Unternehmen bleiben geschäftsfähig und Lieferketten sowie Kooperationen können gesichert werden.

Ein Beispiel: Ein deutscher Zulieferer, dessen polnischer Geschäftspartner das vereinfachte Sanierungsverfahren nutzt, hat eine realistische Chance, einen Großteil seiner Forderungen über den Restrukturierungsplan zurückzuerhalten, statt in der Insolvenz nur geringe Quoten zu erhalten.

Investoren profitieren von vorinsolvenzlicher Sanierung in CEE

Auch Investoren profitieren. Restrukturierungsverfahren bieten die Möglichkeit, sich frühzeitig in Unternehmen einzukaufen.

  • Distressed Investments ermöglichen Beteiligungen mit hohen Preisabschlägen.
  • Debt-to-Equity-Swaps bieten die Chance, Forderungen in Unternehmensanteile umzuwandeln.

In Ländern wie Polen und Rumänien können Investoren zudem aktiv in die Plangestaltung eingebunden werden. So kann ein Investor durch die Beteiligung an einem rumänischen Restrukturierungsplan nicht nur günstig einsteigen, sondern auch Einfluss auf die strategische Neuausrichtung des Unternehmens nehmen.

Unterschiede zwischen StaRUG und vorinsolvenzlicher Sanierung in CEE

Das deutsche Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gilt europaweit als Maßstab. Es zeichnet sich durch Diskretion aus. Im Wesentlichen wird das Gericht nur bei der Planbestätigung einbezogen, sodass der Schuldner weitgehend die Kontrolle behält.

In der CEE-Region zeigen sich Unterschiede:

  • Polen: flexible Kombination von außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren.
  • Rumänien: stärker gerichtsbegleitet, automatischer Vollstreckungsschutz.
  • Tschechien: Sanierung ist eng mit dem Insolvenzrecht verknüpft.

Für deutsche Unternehmen ist Folgendes entscheidend: Während das StaRUG Diskretion und Eigensteuerung ermöglicht, sind die Verfahren in der CEE-Region transparenter, aber mitunter auch formaler und gerichtslastiger.

Vorinsolvenzliche Sanierung in CEE aktiv nutzen

Die Reformen zeigen: Die vorinsolvenzliche Sanierung ist in CEE längst mehr als ein Randthema. Deutsche Unternehmen sollten ihre Geschäftspartner in Polen, Rumänien oder Tschechien genau beobachten und frühzeitig prüfen, ob ein Sanierungsverfahren läuft.

Empfehlungen:

  • Frühzeitig lokale Berater einschalten.
  • Die eigene Position im Restrukturierungsplan aktiv vertreten.
  • Beteiligungsmöglichkeiten ausloten – sowohl zur Sicherung eigener Forderungen als auch für strategische Investments.

So lassen sich Risiken minimieren und Chancen nutzen. Wer rechtzeitig handelt, kann aus der Krise sogar gestärkt hervorgehen.

Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zu Restrukturierung in CEE fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Den Auftakt zur Blogserie hat der Einführungsbeitrag gemacht, weitere Beiträge folgen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Der Beitrag Vorinsolvenzliche Sanierung in CEE – Chancen nutzen erschien zuerst auf CMS Blog.

Die Schweiz: Eine Büchse der Pandora für ausländische Insolvenzverwalter 

Fr, 12.09.2025 - 08:17

Hintergrund dieses Vorgehens ist, dass das schweizerische internationale Insolvenzrecht noch immer vom Prinzip der passiven Territorialität beherrscht wird. Infolgedessen können ausländische Insolvenzverfahren (und dies trifft auch auf Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung zu) ohne gerichtliche Anerkennung des Insolvenzeröffnungsentscheids durch ein Schweizer Gericht keine Wirkungen auf in der Schweiz gelegene Vermögenswerte haben. Ausländischen Insolvenzverwaltern werden daher unter anderem die Befugnisse abgesprochen, in der Schweiz gelegene Vermögenswerte ins Ausland zu transferieren, Ansprüche klageweise vor Schweizer Gerichten geltend zu machen oder Forderungen in einem Schweizer Insolvenzverfahren anzumelden. Schliesslich verfügen ausländische Insolvenzverwalter auch nicht über die Befugnis, Auskunft über mögliche Vermögenswerte bei Schweizer Banken einzuholen. Machen sie es dennoch (was in der Praxis nicht selten vorkommt) riskieren sie gar eine Verurteilung nach Art. 271 des Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937, SR 311.0 (StGB), dem Tatbestand der verbotenen Handlungen für einen fremden Staat. Ausländischen Insolvenzverwaltern sind somit – vor der der gerichtlichen Anerkennung eines ausländischen Insolvenzeröffnungsentscheids – in der Schweiz die Hände gebunden. 

Nachfolgend wird dargestellt, welche Hürden ein ausländischer Insolvenzverwalter überwinden muss, um Vermögenswerte an die ausländische Insolvenzmasse abführen zu können. 

Rechtsgrundlagen

Art. 166-174c des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987, SR 291 (IPRG), regelt die Anerkennung ausländischer Konkurseröffnungsentscheide sowie die diesbezüglichen Rechtsfolgen. Für die Anerkennung ausländischer Nachlassverfahren und Nachlassverträge, d.h. gerichtlicher Sanierungsverfahren und Sanierungspläne, sieht Art. 175 IPRG vor, dass die Art. 166-170 sowie die Art. 174a-c IPRG sinngemäss gelten. Durch diesen – aus verschiedenen Gründen – in sich nicht stimmigen Verweis, sind bedauerlicherweise zahlreiche Rechtsfragen zur Anerkennung ausländischer Sanierungsverfahren und -pläne sowie den diesbezüglichen Wirkungen ungeklärt.

Die Wirkungen ausländischer Insolvenzeröffnungsentscheide insbesondere über Banken, Versicherungsunternehmen, Investmentgesellschaften mit variablem Kapital (SICAV), Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen sowie Investmentgesellschaften mit festem Kapital (SICAF) richten sich nach Spezialbestimmungen, die in verschiedenen Bundesgesetzen enthalten sind. Allen Regelungen ist gemeinsam, dass die Wirkungserstreckung des ausländischen Insolvenzverfahrens der Anerkennung durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) bedarf. 

Schließlich bestehen drei sehr alte Staatsverträge im Verhältnis der Schweiz bzw. verschiedener Schweizer Kantone zu einzelnen Teilen Deutschlands (namentlich zur „Krone Württemberg“, zum „Königreich Bayern“ sowie zum „Königreich Sachsen“). Diese Staatsverträge führen zu einer Art gegenseitig anerkannter Universalität der Konkursverfahren und haben damit eine wesentliche Bevorzugung jener deutscher Insolvenzverwalter zur Folge, die vom Anwendungsbereich einer dieser Staatsverträge erfasst sind. 

Anerkennungsverfahren

Im Anwendungsbereich des IPRG wird ein ausländischer Insolvenzeröffnungsentscheid auf Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters, des Schuldners oder eines Gläubigers des Schuldners durch das zuständige Schweizer Gericht anerkannt, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 166 Abs. 1 IPRG):

  1. Der Insolvenzeröffnungsentscheid ist im Staat, indem er ergangen ist, vollstreckbar.
  2. Es liegt kein Verweigerungsgrund nach Art. 27 IPRG vor, d.h. die Anerkennung verstößt nicht gegen den formellen oder materiellen ordre public.
  3. Der Insolvenzeröffnungsentscheid ist entweder im (Wohn-)Sitzstaat des Schuldners oder im Staat des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen des Schuldners ergangen, vorausgesetzt dieser hatte im Zeitpunkt der Eröffnung des ausländischen Verfahrens seinen (Wohn-)Sitz nicht in der Schweiz.
Rechtsfolgen der Anerkennung

Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzeröffnungsentscheids, zieht, soweit das IPRG nichts anderes vorsieht, die insolvenzrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich (vgl. Art. 170 Abs. 1 IPRG sowie Art. 175 i.V.m. Art. 170 Abs. 1 IPRG). Dies hat zur Folge, dass der Anerkennung folgend, ein Partikularinsolvenzverfahren, in der Form eines Partikularkonkurs- oder eines Partikularnachlassverfahrens, durch das Anerkennungsgericht eröffnet wird. 

Verzicht auf die Durchführung des Partikularinsolvenzverfahrens

Seit einigen Jahren kann ein ausländischer Insolvenzverwalter beantragen, dass auf die Durchführung des Partikularinsolvenzverfahrens zu verzichten sei (Art. 174a Abs. 1 IPRG). Voraussetzung für die gerichtliche Bewilligung des Verfahrensverzichts ist die ausbleibende Anmeldung bevorrechtigter Forderungen im Sinne von Art. 172 Abs. 1 IPRG (d.h. keine Eingabe von (a) pfandgesicherten Forderungen nach Art. 219 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung- und Konkurs vom 11. April 1889, SR 281.1 (SchKG), (b) nicht pfandgesicherten, aber privilegierten Forderungen von Gläubigern mit (Wohn-)Sitz in der Schweiz und (c) Forderungen aus Verbindlichkeiten, die auf Rechnung einer im Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung des Schuldners eingegangen worden sind) im Schweizer Partikularinsolvenzverfahren (Art. 174a Abs. 1 IPRG). Haben Gläubiger, die ihren (Wohn-)Sitz in der Schweiz haben, andere als die in Art. 172 Abs. 1 IPRG erwähnten Forderungen angemeldet, kann das Gericht auf die Durchführung des Partikularinsolvenzverfahrens verzichten, wenn die Forderungen dieser Gläubiger im ausländischen Insolvenzverfahren angemessen berücksichtigt werden (Art. 174a Abs. 2 IPRG).

In Anlehnung an die in Art. 21 der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) enthaltene Regelung sieht Art. 174a Abs. 4 IPRG vor, dass im Falle des Verzichts auf die Durchführung des Partikularinsolvenzverfahrens der ausländische Insolvenzverwalter unter Beachtung des schweizerischen Rechts alle Befugnisse ausüben darf, die ihm nach dem Recht des Staates der ausländischen Insolvenzeröffnung, d.h. nach der lex fori concursus, zustehen. Der ausländische Insolvenzverwalter darf insbesondere Vermögenswerte ins Ausland verbringen und Prozesse führen. Die ihm infolge des Verfahrensverzichts zukommenden Befugnisse umfassen jedoch nicht die Vornahme hoheitlicher Handlungen, die Anwendung von Zwangsmitteln oder das Recht, Streitigkeiten zu entscheiden. 

Anzumerken ist an dieser Stelle, dass von Gesetzes wegen die Anerkennung zwingend zur Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens führt (vgl. Art. 170 Abs. 1 IPRG bzw. Art. 175 i.V.m. Art. 170 Abs. 1 IPRG). Auf dessen Durchführung kann erst nach dem Schuldenruf verzichtet werden, sofern die für einen Verzicht erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Gerichtspraxis einiger Kantone hat sich nun dahingehend entwickelt, dass mit dem Anerkennungsentscheid einstweilen auf die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens verzichtet wird und über den Verfahrensverzicht nach Durchführung des Schuldenrufs entschieden wird. Hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Konkurseröffnungsentscheide hat die dargestellte Gerichtspraxis zur Folge, dass nicht das Konkursamt, sondern das Anerkennungsgericht den Schuldenruf durchführt.

Durchführung des Partikularinsolvenzverfahrens 

Sind die Voraussetzungen für einen Verfahrensverzicht nicht erfüllt oder wird ein solcher gar nicht erst beantragt, führt dies zur Durchführung des Partikularinsolvenzverfahrens. Infolgedessen verfügt der ausländische Insolvenzverwalter in der Schweiz über nahezu keine Befugnisse. Die auf Schweizer Territorium gelegenen Vermögenswerte betreffenden Handlungen erfolgen durch das das Schweizer Partikularinsolvenzverfahren administrierende Organ, d.h. im Falle der Anerkennung eines ausländischen Konkurseröffnungsentscheids durch das zuständige Konkursamt.

Erst nach Befriedigung der bevorrechtigten Gläubiger und der Anerkennung des ausländischen Kollokationsplans (der in etwa der Insolvenztabelle deutscher Insolvenzverfahren entspricht) durch das zuständige Schweizer Gericht können etwaige Vermögenswerte an den ausländischen Insolvenzverwalter ausgehändigt werden.

Eingeschränkte Anerkennungsmöglichkeit ausländischer Anfechtungsentscheide

Eine weitere Erschwerung trifft ausländische Insolvenzverwalter mit der äusserst eingeschränkten Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit ausländischer Anfechtungsentscheide. Bis vor einigen Jahren war die Rechtslage noch viel ausschliessender. So war vor 2019 mangels gesetzlicher Grundlage die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheide über Anfechtungsansprüche in der Schweiz schlicht nicht möglich. Auf den 1. Januar 2019 wurde Ar. 174c IPRG in Kraft gesetzt, der unter eingeschränkten Voraussetzungen die Anerkennung und Vollstreckung solcher Entscheide ermöglicht. So können nun ausländische Entscheide über Anfechtungsansprüche und andere gläubigerschädigende Handlungen, die in einem engen Zusammenhang mit einem in der Schweiz anerkannten Insolvenzeröffnungsentscheid stehen, anerkannt werden, wenn sie im Ursprungsstaat des Insolvenzeröffnungsentscheids ergangen sind oder in diesem Staat anerkannt werden und der Beklagte seinen (Wohn-)Sitz nicht in der Schweiz hatte. Voraussetzung für eine Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Anfechtungsentscheids ist aber einmal mehr zunächst die gerichtliche Anerkennung des ausländischen Insolvenzeröffnungsentscheids im Sinne der vorstehend dargestellten Grundsätze.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass durch die weiterhin fehlende indirekte Anerkennungszuständigkeit im Falle des schweizerischen (Wohn-)Sitzes des Anfechtungsschuldners der Anwendungsbereich von Art. 174c IPRG erheblich eingeschränkt ist. Dies hat zur Folge, dass im Ausland erstrittene Anfechtungsentscheide hinsichtlich in der Schweiz ansässiger Anfechtungsschuldner, soweit die Vollstreckung in der Schweiz gelegene Vermögenswerte erfassen soll, ausgeschlossen ist. In diesen Konstellationen soll die Zuständigkeit für Anfechtungsverfahren zwingend bei den Schweizer Gerichten liegen. 

Gewisse deutsche Insolvenzverwalter erfahren eine bevorzugte Behandlung

Die folgenden Staatsverträge bzw. Übereinkünfte gewähren Handlungsfreiheit für gewisse deutsche Insolvenzverwalter, wobei zahlreiche Fragen zum Anwendungsbereich umstritten sind:

  • Übereinkunft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg betreffend die Konkursverhältnisse und gleiche Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 12. Dezember 1825/13. Mai 1826;
  • Übereinkunft zwischen den schweizerischen Kantonen Zürich, Bern, Luzern, Obwalden, Nidwalden, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf sowie Appenzell-Ausserrhoden und dem Königreich Bayern über gleichmäßige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 11. Mai/27. Juni 1834;
  • Übereinkunft zwischen den schweizerischen Kantonen Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf sowie Appenzell-Ausserrhoden einerseits und dem Königreich Sachsen andererseits über die gleichmäßige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 4./18. Februar 1837.

Nachdem die Gültigkeit der vorgenannten Staatsverträge umstritten und die Aufhebung bzw. Kündigung durch die schweizerischen Behörden angedacht war, davon jedoch wieder Abstand genommen wurde, hat das Bundesgericht vor Kurzem die Gültigkeit der Übereinkunft mit dem Königreich Bayern ausdrücklich bestätigt (BGer, Urteil v. 29. April 2024 – 5A_751/2023, 4.5.2). Infolgedessen ist im Anwendungsbereich der Übereinkunft mit dem Königreich Bayern für die Erstreckung der Wirkung des deutschen Insolvenzverfahrens die Anerkennung des deutschen Insolvenzeröffnungsentscheids nach Art. 166 ff. IPRG nicht erforderlich. In Anbetracht der neusten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass dies auch für die Übereinkunft mit der Krone Württemberg und die Übereinkunft mit dem Königreich Sachen gilt. Entsprechend verfügen Insolvenzverwalter, die in Insolvenzverfahren über Schuldner eingesetzt wurden, welche in den örtlichen Zuständigkeitsbereich der vorgenannten Staatsverträge fallen, über weitreichende Befugnisse auf Schweizer Territorium, ohne dass eine gerichtliche Anerkennung des Insolvenzeröffnungsentscheids erforderlich ist.

Der Beitrag Die Schweiz: Eine Büchse der Pandora für ausländische Insolvenzverwalter  erschien zuerst auf CMS Blog.

Verbindliche Haltungskennzeichnung – Was gibt es Neues im Bereich Tierwohl? 

Do, 11.09.2025 - 10:51

Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG) war bereits 2023 unter der Ampelregierung beschlossen worden. Mit dem staatlichen Label „Tierhaltung“ soll für mehr Transparenz und Klarheit in Bezug auf die Haltungsform von Tieren gesorgt werden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen dadurch in die Lage versetzt werden, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen. Was sich seit unserem Beitrag „Startschuss für verbindliche Tierhaltungskennzeichnung gefallen“ geändert hat und wie die weiteren Pläne der Bundesregierung im Bereich Tierwohl aussehen, erfahren Sie in diesem Beitrag. 

Tierhaltungskennzeichnung: Was war bisher geplant?

Das nach dem TierHaltKennzG vorgesehene stattliche Tierhaltungslabel gibt Auskunft über fünf Haltungsformen:

  • Stall: Erfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen.
  • Stall + Platz: Die Tiere sollen mindestens 12,5 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben erhalten. Die Ställe sind entweder durch verschiedene Elemente strukturiert oder den Tieren steht jederzeit ein Auslauf zur Verfügung.
  • Frischluftstall: Die Tiere haben die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Klimabereichen aufzuhalten. Dabei wird den Tieren entweder innerhalb des Stalls ein dauerhafter Kontakt zum Außenklima oder ein Auslauf ermöglicht.
  • Auslauf/Weide: Die Tiere haben 50 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und entweder Auslauf und einen Liegebereich oder sie leben dauerhaft im Freien und haben einen geschützten Liegebereich.
  • Bio: Die Tiere haben mindestens 150 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben, es gibt Auslaufmöglichkeiten und sie erhalten biologisches Futter (= Haltung entsprechen der EU-Ökoverordnung).

Begonnen werden sollte mit einer verpflichtenden Kennzeichnung für frisches Schweinefleisch aus Deutschland ab dem 1. August 2025. Zu einem späteren Zeitpunkt sollte diese Kennzeichnungspflicht dann auf andere Fleischarten wir Rind und Geflügel ausgeweitet werden. 

Neben dem staatlichen Tierhaltungskennzeichen „Tierhaltung“ existiert bereits seit 2019 die freiwillige, farblich gestaltete „Haltungsform“-Kennzeichnung. Diese umfasst neben Schweinen auch weitere Tierarten wie Hähnchen, Rinder, Puten, Kaninchen, Pekingenten und Milchkühe. Hierbei handelt es sich um ein freiwilliges Label von Handel und Landwirtschaft, das ausschließlich bei den teilnehmenden Händlerinnen und Händlern zu finden ist. Ursprünglich unterschied die „Haltungsform“-Kennzeichnung nur zwischen 4 Haltungsformen. Seit Sommer 2024 wurden diese auf die staatliche Tierhaltungskennzeichnung abgestimmt und inhaltlich angeglichen, sodass nun auch die freiwillige Kennzeichnung zwischen den oben genannten fünf Kategorien unterscheidet. 

Anwendungsbeginn des verpflichtenden Tierhaltungslabels auf 2026 verschoben

Ende Mai 2025 hat das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) in einer Pressemitteilung darüber informiert, dass die Übergangsregelung zur Tierhaltungskennzeichnung angepasst und die Frist zu Umsetzung bis zum 1. März 2026 verlängert werden. Hierum hatte die Agrarministerkonferenz gebeten. Der Bundesminister Alois Rainer hat dies damit begründet, dass die verpflichtende Kennzeichnung von Beginn an funktionieren müsse und die Länder noch Zeit benötigen würden, um das Gesetz umzusetzen. Die Verlängerung wurde inzwischen gesetzlich umgesetzt: Das entsprechende Erste Gesetz zur Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes wurde am 17. Juli 2025 beschlossen und ist am 23. Juli 2025 in Kraft getreten.

Grundlegende Reform soll mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen

Die Koalition aus CDU/CSU und SPD plant zudem eine grundlegende Reform des TierHaltKennzG. Ziel ist es, die bestehenden Regelungen praxistauglicher zu gestalten und stärker auf das Tierwohl auszurichten. Dabei sollen alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette von der Landwirtschaft über den Handel bis hin zur Gastronomie einbezogen werden. Auch sei eine Schwachstelle der derzeitigen Regelungen, dass die bisherige Kennzeichnung nur den maßgeblichen Haltungsabschnitt (die Mastphase) umfasse.

Die gesetzlichen Entwicklungen sollten von den Wirtschaftsakteuren aufmerksam verfolgt und die Kennzeichnungssysteme rechtzeitig an die neuen Anforderungen angepasst werden.

Weitere Pläne der neuen Koalition – Ambitioniertere Regelungen zu tierwohlgerechtem Stallbau, Online-Handel und Tierversuchen

Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien zudem verschiedene weitere Vorhaben zur Stärkung von Tierschutz und Tierwohl angekündigt. 

Weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungen sollen tierfreundlichere Haltungsformen erleichtern

Ein zentrales Vorhaben betrifft den tierwohlgerechten Stallbau. Um Landwirtinnen und Landwirten den Umstieg auf tierfreundlichere Haltungsformen zu erleichtern, sollen genehmigungsrechtliche Hürden abgebaut und Verfahren beschleunigt werden. Weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungen stehen dabei im Fokus. 

  • Ein wesentlicher Bestandteil ist der geplante Bestandsschutz: Neu- und umgebaute Tierwohlställe sollen für mindestens 20 Jahre rechtlich abgesichert sein. Ziel ist es, Investitionen in bessere Haltungsbedingungen durch mehr Planungssicherheit zu fördern.
  • Auch der Wechsel der Tierart innerhalb bestehender Ställe soll künftig erleichtert werden. So soll es möglich sein, etwa von der Schweine- zur Hühnerhaltung zu wechseln, ohne dafür ein vollständig neues Genehmigungsverfahren durchlaufen zu müssen.
  • Darüber hinaus ist ein einmaliges Prüf- und Zulassungsverfahren für neue Stallsysteme vorgesehen. Innovative Konzepte sollen so schneller in die Praxis überführt und moderne, tiergerechte Haltungssysteme flächendeckend etabliert werden können.

Landwirtschaftliche Betriebe sollten diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen und sich frühzeitig mit Möglichkeiten zur Modernisierung ihrer Stallanlagen beschäftigen, um von den geplanten gesetzlichen Neuerungen zu profitieren.

Verbot des anonymen Handels mit Tieren im Internet und im öffentlichen Raum

Der Onlinehandel mit Haus- und Heimtieren nimmt weiter zu – häufig jedoch zulasten des Tierschutzes. Dem möchte die neue Koalition nun entgegenwirken: Geplant ist ein Verbot des anonymen Handels mit Tieren im Internet sowie im öffentlichen Raum. Eine entsprechende Änderung des Tierschutzgesetzes wurde bereits von der Ampelkoalition angestoßen. Der Gesetzesentwurf sah unter anderem vor, dass Anbieter von Tieren auf Online-Plattformen eindeutig identifizierbar sein müssen. Das sollte unseriöse Händler abschrecken und den illegalen Tierhandel eindämmen. Gleichzeitig sollte so der Schutz der Tiere verbessert werden, die häufig unter schlechten Bedingungen transportiert und gehalten werden. Dieser Gesetzesentwurf blieb nach dem Bruch der Ampelkoalition in der ersten Lesung stecken. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die schwarz-rote Koalition einschlagen wird.

Gesetz für Tierversuche geplant

Im aktuellen Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD ein eigenes Gesetz für Tierversuche angekündigt. Bislang waren die entsprechenden Regelungen auf verschiedene Gesetze verteilt. Mit dem neuen Gesetz sollen einheitliche, transparente und rechtssichere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auffallend ist, dass die Koalitionsparteien diese Gesetzesinitiative unter dem Titel „Innovationsfreiheitsgesetz“ und nicht im Kontext „Nutztierhaltung und Tierschutz“ eingeordnet haben. Dies lässt die Frage offen, ob der Fokus des Gesetzes zukünftig stärker auf dem Tierwohl oder auf der Förderung wissenschaftlicher Innovationen liegen wird.

Aus Sicht der Wissenschaft wird das Vorhaben zum Teil schon jetzt positiv bewertet: Forscherinnen und Forscher erwarten von einem solchen Gesetz mehr Rechtssicherheit und eine langfristige Stärkung der Qualität und Effizienz der Forschung in Deutschland. Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sollten die weitere Ausgestaltung des Gesetzes aufmerksam verfolgen. 

Fazit: Ein klares Signal für mehr Tierwohl

Die Pläne der Koalition enthalten mehrere Ansätze, um den Tierschutz und das Tierwohl zu stärken – darunter Maßnahmen zur Kennzeichnung von Tierhaltungsformen, zum Stallumbau sowie zur Regulierung des Tierhandels und von Tierversuchen. Konkreter Handlungswille zeigt sich vor allem beim Abbau bürokratischer Hürden. In anderen Bereichen bleiben viele Fragen offen, etwa zur Ausweitung der Kennzeichnungspflichten oder zur Ausgestaltung eines Tierversuchsgesetzes. Die weitere gesetzgeberische Entwicklung bleibt abzuwarten und sollte aufmerksam verfolgt werden.

Der Beitrag Verbindliche Haltungskennzeichnung – Was gibt es Neues im Bereich Tierwohl?  erschien zuerst auf CMS Blog.

Data Act: Ab 12. September 2025 gelten die Pflichten verbindlich

Mi, 10.09.2025 - 18:37

Der Data Act ist das Herzstück der europäischen Datenökonomie. Er ist am 11. Januar 2024 in Kraft getreten, seine wesentlichen Bestimmungen gelten ab dem 12. September 2025. Mit ihm wird ein umfassender Rechtsrahmen geschaffen, der den Zugang zu und die Nutzung von Daten unionsweit harmonisiert

Das Tempo bei der Digitalregulierung war in den letzten Jahren sehr hoch, von vielen wurde und wird es als zu hoch empfunden. Beim Data Act scheint dieses Tempo auch die Mitgliedstaaten zu überfordern. Mit dem Data Act entsteht ein komplexes und völlig neues Regelungswerk mit neuen Vorgaben und Pflichten. Im Mittelpunkt steht das Konzept der Nutzerzuordnung: Nutzer erhalten ein umfassendes Recht, auf die von Ihren IoT-Geräten erzeugten Daten zuzugreifen und diese auch Dritten zugänglich zu machen. Darüber hinaus schafft der Data Act Regeln für die Weitergabe von Daten an Behörden in besonderen Fällen, für faire Vertragsbedingungen bei der Datennutzung sowie für mehr Wettbewerb und Interoperabilität im Bereich von Cloud- und Dateninfrastrukturen.

Für Unternehmen sind insbesondere folgende Pflichten aus dem Data Act zentral:  

  • Nutzer von IoT-Produkten haben einen Anspruch auf Zugriff auf die durch die Nutzung ihrer Produkte und Services erzeugten Daten; das gilt sowohl für Endkunden als auch Industrienutzer. Für die Nutzung von Daten der Nutzer benötigen Hersteller eine Datenlizenz. Auf Verlangen der Nutzer ist zudem eine Weitergabe dieser IoT-Daten an Dritte sicherzustellen (Kapitel 2 Data Act). 
  • Der Data Act führt eine Art Sonder-AGB-Recht für Datenaustauschverträge ein. Vertragsklauseln, die insbesondere kleinere Unternehmen unangemessen benachteiligen, gelten künftig als unwirksam (Kapitel 4 Data Act). 
  • Anbieter von Cloud- und Edge-Diensten müssen Daten Portabilität gewährleisten und Lock-in-Effekte abbauen, um Wechsel und Interoperabilität zu erleichtern (Kapitel VIII Data Act). 
Die EU prescht mit dem Data Act vor, die nationale Umsetzung stockt

Viele Unternehmen beschäftigen sich bereits seit zwei Jahren intensiv mit der Umsetzung des Data Acts und sind am 12. September startbereit. Anders sieht es auf der Behördenseite aus. In Deutschland, wie auch den meisten anderen Mitgliedstaaten, ist die praktische Umsetzung der durch den Data Act vorgesehenen Aufsichtsstrukturen bislang nicht abgeschlossen. 

Obwohl der Data Act ab dem 12. September 2025 gilt, befindet sich das deutsche Durchführungsgesetz, das die Bundesnetzagentur (BNetzA) als zuständige Behörde vorsieht, noch im Entwurfsstadium. Zwar hat sich die BNetzA bereits bei verschiedenen Veranstaltungen an Diskussionen zum Data Act beteiligt, mangels formaler Zuständigkeit (da es noch kein deutsches Umsetzungsgesetz zum Data Act gibt), ist sie aber noch nicht zur Umsetzung und Durchsetzung befugt.

Für Unternehmen bedeutet dies: Sie müssen eine weitreichende neue und komplexe Regulierung beachten und umsetzen, ohne derzeit auf verbindliche nationale Vorgaben oder behördliche Hilfestellungen zurückgreifen zu können. Die Unsicherheit bleibt – und der Zeitdruck wächst.

Data Act Non-Compliance als Risiko ab 12. September 

Dieser „Still ruht der See“-Eindruck darf nicht täuschen. Dass die Umsetzung bislang stockt ändert nichts an der rechtlichen Lage: Ab dem 12. September 2025 ist der Data Act unmittelbar anwendbar. Seine Vorgaben gelten verbindlich – unabhängig davon, ob die Aufsichtsstruktur im Mitgliedsstaat steht. 

Unternehmen müssen dann insbesondere den neuen Datenzugangsrechten Rechnung tragen – Nutzer von IoT-Produkten können ab dem 12. September ihren Anspruch geltend machen, ihre Daten kostenlos, unverzüglich und in Echtzeit abzurufen oder an Dritte weiterleiten zu lassen. Es gibt zwar Schranken, aber diese müssen im Einklang mit dem Data Act ausgestaltet sein. Will ein Hersteller Nutzer-Daten eines IoT-Geräts (weiter-) verwenden, benötigt er eine Datenlizenz. Und bei alldem muss das Zusammenspiel mit Datenschutzrecht, Kartellrecht und anderen Gesetzen sichergestellt sein.

In der Anfangsphase ist nicht mit einem raschen behördlichen Durchgreifen zu rechnen. Gleichwohl bleibt das Risiko hoch: Zum einen ist privates Enforcement denkbar, zum Beispiel von Nutzern die gegen unbefugte Nutzung ihrer Daten vorgehen oder ihre Ansprüche auf Datenzugang durchsetzen. Zum anderen sind alle Sachverhalte ab September 2025 relevant, sobald Behörden künftig Verfahren aufnehmen. Verstöße können dabei empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. Der aktuelle deutsche Referentenentwurf sieht Bußgelder von bis zu EUR 5 Millionen oder 4 % des weltweiten Jahresumsatzes vor. In anderen Mitgliedstaaten werden teilweise sogar noch höhere Obergrenzen diskutiert.

Unternehmen sollten sich daher nicht in trügerischer Sicherheit wiegen. Umso dringlicher ist es, dass der Gesetzgeber das nationale Durchführungsgesetz vorantreibt und die BNetzA Unternehmen klare Guidance sowie praxisnahe Leitlinien zur Verfügung stellt.

Auch wenn die nationale Umsetzung stockt, sollten Unternehmen die Pflichten des Data Acts kennen und umsetzen

Der Data Act ist ein Musterbeispiel für das hohe Tempo europäischer Digitalregulierung. Er ist besonders komplex, weil er eine völlig neue Materie betrifft und einen grundlegend neuen Ansatz zur Nutzung und Zuordnung von Daten einführt. Dieses Tempo überfordert nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern wohl auch viele Marktteilnehmer.

Gleichwohl gilt: Die Regeln des Data Act gelten ab dem 12. September 2025 und ihre Einhaltung ist zwingend. Unternehmen sollten deshalb frühzeitig sicherstellen, dass sie die zentralen Compliance-Pflichten erfüllen – alles andere wäre ein erhebliches Risiko.

Mit unserer CMS Blog-Serie „#CMSdatalaw“ geben wir Ihnen einen Überblick über das Datenrecht wie z.B. den Data Act und den Data Governance Act. Den in unsere Blog-Serie einführenden Beitrag finden Sie hier. Besuchen Sie zum Datenrecht zudem gern unsere CMS Insight-Seite „Data Law“. Ergänzend ermöglicht die Video­reihe „Der Data Act Unlocked“ eine anschauliche und praxisorientierte Vertiefung zentraler Themenfelder des Data Act – von Datenzugangsrechten über Interoperabilität bis hin zu Aufsichtsstrukturen.

Der Beitrag Data Act: Ab 12. September 2025 gelten die Pflichten verbindlich erschien zuerst auf CMS Blog.

Tarifwerk GVP/DGB: Kündigungsfristen und Probezeit

Di, 09.09.2025 - 09:12

Die Tarifwerke BAP/DGB und iGZ/DGB sehen – jeweils in Anknüpfung an eine Probezeit – kurze Kündigungsfristen in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses vor (§ 9.3 MTV BAP/DGB; § 2.2. MTV iGZ/DGB). Danach gelten die „normalen“ gesetzlichen Kündigungsfristen.

Der MTV GVP/DGB (dort: 2.4) übernimmt dabei für befristete und unbefristete Arbeitsverhältnisse das bisherige Fristenregime des MTV BAP/DGB, das mit Änderungen für die bisherigen iGZ-Anwender* verbunden ist.

Danach kann das Arbeitsverhältnis in den ersten drei Monaten mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden. Nach dem vollendeten dritten bis zum vollendeten sechsten Monat gilt eine Kündigungsfrist von zwei Wochen. Ab dem siebten Monat gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Bei Neueinstellungen kann die Kündigungsfrist für die ersten zwei Wochen des Arbeitsverhältnisses auf einen Tag verkürzt werden. Diese muss arbeitsvertraglich gesondert vereinbart werden (§ 2.4 Abs. 2 MTV GVP/DGB); ansonsten gilt die tarifliche  „Grundkündigungsfrist“ nach § 2.4 Abs. 1 MTV GVP/DGB. Eine Neueinstellung liegt bei Arbeitsverhältnissen mit Arbeitnehmern vor, die mindestens drei Monate lang nicht in einem Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitsunternehmen standen.

Interessant ist dabei, dass im MTV GVP/DGB – in Abweichung zu den Tarifwerken BAP/DGB und iGZ/DGB – darauf verzichtet wird, die verkürzten Kündigungsfristen an eine Probezeit zu koppeln. Eine solche ist im MTV GVP/DGB schlicht nicht mehr vorgesehen und wird für die Nutzung der kurzen Kündigungsfristen auch nicht benötigt. Hintergrund ist, dass die Tarifvertragsparteien gem. § 622 Abs. 4 BGB berechtigt sind, die gesetzlichen Kündigungsfristen in einem Tarifvertrag abweichend von den gesetzlichen Vorgaben zu regeln, ohne dass dies mit einer Probezeit verknüpft werden müsste.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Probezeit folglich nicht mehr gesondert, z.B. im Arbeitsvertrag, vereinbart werden muss, um auf die verkürzten (tariflichen) Kündigungsfristen zurückgreifen zu können. Damit erledigt sich auch noch ein anderes, durch § 15 Abs. 3 TzBfG vermitteltes Problem. Die Vorschrift wurde mit Wirkung zum 1. August 2024 in das Gesetz aufgenommen und regelt, dass eine vereinbarte Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen muss. Wie dieses  „Verhältnis“ zu bestimmen ist, ist vollkommen offen und von der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt. Im Rahmen von Prüfungen der BA ist dieser Aspekt bei der Arbeitsvertragsgestaltung vielfach aufgegriffen und beanstandet worden – dies wird sich unter der Geltung des neuen MTV GVP/DGB erledigen. 

Aufgrund der Gesetzesänderung, die zur Einführung von § 15 Abs. 3 TzBfG führte, wurden – manch einer wird sich erinnern – die Musterverträge von BAP und iGZ angepasst, um dem neuen gesetzlichen Erfordernis gerecht zu werden, ohne zulasten des Zeitarbeitnehmers von den tariflichen Vorgaben abzuweichen – durchaus ein Balanceakt. Dieser entfällt zukünftig, da es einer Probezeit nicht mehr bedarf. Eine Kündigung mit kurzer Frist ist auch ohne eine solche möglich und zulässig.

ACHTUNG: Ein Zeitarbeitnehmer kann einen Kündigungsschutz nach dem KSchG erst für sich reklamieren, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht (sog. Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG). Dies muss aber nicht gesondert vereinbart werden, erst recht ist dafür keine Probezeit erforderlich. Der Verzicht auf eine solche führt also nicht dazu, dass der Zeitarbeitnehmer in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses einen Kündigungsschutz nach dem KSchG geltend machen kann. Das Zeitarbeitsunternehmen ist vielmehr berechtigt, in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses (sog. Wartezeit) mit den tariflich vorgesehenen kurzen Kündigungsfristen zu kündigen – und zwar ohne Probezeit und ohne den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Der Beitrag Tarifwerk GVP/DGB: Kündigungsfristen und Probezeit erschien zuerst auf CMS Blog.

Planungsrechtliche Voraussetzungen für H2-Hochlauf

Mo, 08.09.2025 - 09:36

Die Bundesregierung sieht Wasserstoff als eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 an. Die sichere Versorgung von Verbrauchszentren mit Wasserstoff sowie der Im- und Export von Wasserstoff erfordern ausreichende Transport- und Speicherkapazitäten. Wir erläutern in diesem Beitrag kurz die legislativen Entwicklungen seit 2021, bevor wir auf die wesentlichen Neuerungen des derzeit geplanten Gesetzespakets mit dem Wasserstoffbeschleunigungsgesetz (WasserstoffBG-E) und weiteren wasserstoffrelevanten Änderungen eingehen.

Neuer Genehmigungsrahmen für Wasserstoffnetze

Bis 2021 erfasste das EnWG Wasserstoff nicht als Energieträger und sah keine Regelungen für reine Wasserstoffnetze vor. Daher war es auf dem Weg zur Errichtung einer Wasserstoff-Infrastruktur ein bedeutender Schritt, dass in der EnWG-Novelle von 2021 erstmals ein planungsrechtlicher Genehmigungsrahmen für eine Wasserstoffinfrastruktur eingeführt wurde. Diese Novelle nahm Wasserstoff als Energieträger in das EnWG auf (§ 1 EnWG) und enthielt u.a. regulatorische Vorschriften (heutige §§ 28j–28p EnWG), Vorschriften zum Auf- und Ausbau von Wasserstoffnetzen (§ 43l EnWG) sowie den Verweis auf Sicherheitsanforderungen (§ 113c EnWG). 

Die Errichtung, der Betrieb und die Änderung von Wasserstoffleitungen mit einem Durchmesser von mehr als 300 mm sind planfeststellungspflichtig (§ 43l Abs. 2 Satz 1 EnWG). Zur Gewährleistung der technischen Sicherheit sind die Sicherheitsvorgaben des § 49 EnWG zu berücksichtigen (§ 113c Abs. 2 EnWG). Die bisherigen behördlichen Zulassungen für Gasversorgungsleitungen gelten für den Wasserstofftransport fort (§ 43l Abs. 4 Satz 1 EnWG). Ein erneutes Planfeststellungsverfahren ist für die bloße Umstellung von einer Gasversorgungsleitung auf eine Wasserstoffleitung somit nicht mehr erforderlich.

Genehmigung von Elektrolyseuren 

Hinsichtlich der Erzeugung von Wasserstoff war bei der Errichtung eines Elektrolyseurs nach früherer Rechtslage regelmäßig ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG zu durchlaufen. 

Elektrolyseure unterliegen nunmehr seit 2024 nach Anhang I Nr. 6.6 der Industrieemissions-Richtlinie 2010/75/EU erst dann der Genehmigungspflicht und nach Nr. 10.26.1 der 4. BImSchV erst dann dem förmlichen Genehmigungsverfahren, wenn die Produktionskapazität mehr als 50 t pro Tag beträgt. Für Elektrolyseure unterhalb dieser Schwelle, aber mit einer elektrischen Nennleistung größer als 5 MW greift das vereinfachte Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 19 BImSchG (Nr. 10.26.2 der 4. BImSchV).

Im Hinblick auf die UVP-Vorprüfung gilt für kleine Elektrolyseure mit einer elektrischen Nennleistung bis 5 MW keine Vorprüfungspflicht mehr. Mittelgroße Elektrolyseure zwischen 5 MW und weniger als 50 MW bedürfen ebenfalls seit 2024 nach Anlage 1 Nr. 10.8 UVPG einer standortbezogenen Vorprüfung gemäß § 7 Abs. 2 UVPG; ab 50 MW gilt eine allgemeine Vorprüfung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVPG.

Wasserstoff-Kernnetz

Essentieller Bestandteil einer Wasserstoffinfrastruktur soll das mittlerweile durch die BNetzA genehmigte Wasserstoff-Kernnetz werden. Das Wasserstoff-Kernnetz verbindet als ersten Schritt wesentliche Wasserstoffstandorte. Im zweiten Schritt wird das Kernnetz in eine fortlaufende integrierte Netzentwicklungsplanung für Gas und Wasserstoff überführt. Die Leitungen des Kernnetzes sollen sukzessive bis 2032 in Betrieb genommen werden.

Eine größtenteils Ende 2023 in Kraft getretene EnWG-Novelle hat zur Regelung eines Wasserstoff-Kernnetzes den heutigen § 28q EnWG eingeführt. Die Fernleitungsnetzbetreiber mussten einen gemeinsamen Antrag zur Genehmigung eines Wasserstoff-Kernnetzes bei der BNetzA stellen (§ 28q Abs. 2 Satz 1 EnWG). Sind die Anforderungen des § 28q EnWG erfüllt, ist die BNetzA verpflichtet, das Wasserstoff-Kernnetz zu genehmigen (§ 28q Abs. 8 Satz 1 EnWG). Die Genehmigung des Wasserstoff-Kernnetzes hat zur Folge, dass die betreffenden Projekte unabhängig von einer Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit der zwingenden Regulierung unterfallen (§ 28j Abs. 1 Satz 1 EnWG). Den Antrag der Fernleitungsnetzbetreiber an die BNetzA vom 22.7.2024 zur Genehmigung eines Wasserstoff-Kernnetzes hat die BNetzA am 22.10.2024 mit Änderungen genehmigt.

Referentenentwurf Wasserstoffbeschleunigungsgesetz

Von hoher Relevanz für den H2-Hochlauf ist das geplante Gesetzespaket, das den Erlass eines WasserstoffBG und weitere wasserstoffrelevante Änderungen beinhaltet. Der im Juli 2025 veröffentlichte Referentenentwurf wird derzeit (Stand August 2025) überarbeitet, bevor der Kabinettsbeschluss erfolgt und das parlamentarische Verfahren beginnt. Im Vergleich zum Ampel-Gesetzentwurf von 2024 beinhaltet der WasserstoffBG-E u.a. die wichtige Änderung, dass er mit der Abstellung auf den „klimaneutral produzierten Wasserstoff“ grünen und blauen Wasserstoff gleichbehandelt.

Vereinfachung und Beschleunigung des H2-Hochlaufs

Das WasserstoffBG bezweckt, den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur zu vereinfachen und zu beschleunigen. Ziel ist zum einen die Sicherstellung der Wasserstoffversorgung, zum anderen die Sicherung einer treibhausgasneutralen, sicheren und umweltverträglichen Erzeugung. Der WasserstoffBG-E adressiert mit Elektrolyseuren zur Erzeugung von Wasserstoff und Anlagen zum Import von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten wie Ammoniak und Methanol sowie zur ober- sowie unterirdischen Speicherung und zum Transport von Wasserstoff Vorhaben der gesamten Wasserstoff-Lieferkette.

Überragendes öffentliches Interesse und kürzere behördliche Fristen

Die Errichtung, der Betrieb oder die Änderung eines in § 2 Abs. 1 WasserstoffBG-E genannten Vorhabens (Wasserstoffvorhaben) liegen gemäß § 4 Abs. 1 WasserstoffBG-E im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. In Schutzgüterabwägungen sollen sie als vorrangiger Belang eingebracht werden. Dies gilt nicht in wasserrechtlichen Zulassungsverfahren über die Wasserentnahme durch Elektrolyseure und Anlagen zur Wasserstoffspeicherung, wenn durch die Wasserentnahme die öffentliche Wasserversorgung oder der Wasserhaushalt erheblich beeinträchtigt werden kann. Anders als im Ampel-Gesetzentwurf gilt das überragende öffentliche Interesse auch bei Elektrolyseuren unabhängig vom genutzten Strom.

Der WasserstoffBG-E beinhaltet ferner Digitalisierungsvorgaben und die Einführung oder Verkürzung behördlicher Fristen bei der Bearbeitung der Antragsunterlagen. Bei UVP-pflichtigen Wasserstoffvorhaben endet gemäß § 5 WasserstoffBG-E die Einwendungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV und endet gemäß § 7 WasserstoffBG-E die Äußerungsfrist des § 21 Abs. 2 UVPG im jeweiligen Fall bereits zwei Wochen nach Ablauf der Frist für die Auslegung der Unterlagen. Zudem hat der Vorhabenträger bei Wasserstoffvorhaben den UVP-Bericht gemäß § 16 Abs. 9 UVPG ausschließlich elektronisch vorzulegen (§ 6 WasserstoffBG-E).

Die Regelungen des WasserstoffBG sind auf Verwaltungsverfahren über die Zulassung eines Wasserstoffvorhabens anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begonnen, aber nicht abgeschlossen wurden (§ 11 WasserstoffBG-E).

Geändertes Zulassungsregime im Immissionsschutz-, Wasser- und Energierecht

Das Gesetzespaket adressiert mit dem immissionsschutzrechtlichen, dem wasserrechtlichen und dem Planfeststellungsverfahren nach dem EnWG die für die Genehmigung von Wasserstoffvorhaben maßgeblichen Zulassungsregime.

Die Regelungen zu immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in §§ 10 und 23b BImSchG sind bei der Genehmigung eines Wasserstoffvorhabens mit den Maßgaben anzuwenden, dass das Genehmigungsverfahren elektronisch durchzuführen ist, Einwendungen, die nicht von der betroffenen Öffentlichkeit erhoben werden, ausgeschlossen sind und ein Erörterungstermin nicht stattfindet (§ 16c Abs. 1 BImSchG-E). Bei der Zulassung vorzeitigen Beginns besteht für ein Wasserstoffvorhaben ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG.

In wasserrechtlichen Verfahren wird die Nutzung einer einheitlichen Stelle für Wasserstoffvorhaben ermöglicht, das elektronische Verfahren angeordnet und eine Frist für die behördliche Prüfung der Antragsunterlagen normiert (§ 11c Abs. 1 WHG-E). Die zuständige Behörde entscheidet bei Wasserstoffvorhaben über die Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung innerhalb von sieben Monaten nach Bestätigung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen (§ 11c Abs. 2-3 WHG-E). Ferner enthält § 70b WHG-E Modifikationen der Vorschriften zur Planfeststellung/Plangenehmigung. Es findet kein Erörterungstermin statt und die Entscheidung über den Planfeststellungsbeschluss erfolgt innerhalb einer Frist von zwölf Monaten, die Entscheidung über die Plangenehmigung nach sieben Monaten ab Bestätigung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen (§ 70b Abs. 2-3 WHG-E).

Die §§ 43a, 43l EnWG-E sehen Modifikationen der Vorschriften zur Planfeststellung/Plangenehmigung und UVP vor. Im Anhörungsverfahren reicht der Vorhabenträger den Plan elektronisch bei der Anhörungsbehörde ein (§ 43a Abs. 2 EnWG-E) und wird der Plan jeder Behörde sowie jedem betroffenen Träger öffentlicher Belange elektronisch zugänglich gemacht (§ 43a Abs. 4 EnWG-E). Ein Erörterungstermin findet nicht statt (§ 43a Abs. 9 EnWG-E). Ferner bedürfen Wasserstoffleitungen einschließlich der Anbindungsleitungen von Anlagen zur Erzeugung, zur Speicherung und zum Import von Wasserstoff – nach geltendem Recht sind lediglich Anbindungsleitungen von Anlandungsterminals für Wasserstoff erfasst – mit einem Durchmesser von mehr als 300 Millimetern der Planfeststellung (§ 43l Abs. 2 EnWG-E). Ferner ist die Umstellung einer Gasspeicheranlage auf eine Wasserstoffspeicheranlage der zuständigen Behörde nur noch anzuzeigen (§ 35 Abs. 8 EnWG-E); eine Genehmigung ist nicht mehr erforderlich.

Neuerungen im Straßen-, Berg- und Verwaltungsprozessrecht 

Das geplante Gesetzespaket sieht ferner u.a. straßen- und bergrechtliche Änderungen sowie Änderungen der erstinstanzlichen gerichtlichen Zuständigkeit vor.

Bei Anlagen zur Erzeugung, zur Speicherung und zum Import von Wasserstoff bedürfen Baugenehmigungen oder sonstige notwendige Genehmigungen an Bundesfernstraßen nicht der Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde oder des Fernstraßen-Bundesamts; vielmehr sind diese Behörden unter bestimmten Voraussetzungen zu beteiligen (§ 9 Abs. 2d FStrG-E). Die Gewinnung von natürlichem Wasserstoff soll erleichtert werden, indem dieser, anders als noch im Ampel-Gesetzentwurf, als bergfreier Bodenschatz in § 3 BBergG-E definiert wird.

Erstinstanzlich zuständig ist das Oberverwaltungsgericht in Streitigkeiten über Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens 30 MW und Anlagen zur Wasserstoffspeicherung mit einer Speicherkapazität von mindestens 25 Tonnen Wasserstoff (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b VwGO-E) und das Bundesverwaltungsgericht in Streitigkeiten über Anlagen zum Import von Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und von flüssigen organischen Wasserstoffträgern (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO-E).

Es bleibt Luft nach oben bei der Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs

Der Gesetzgeber ist seit 2021 wichtige Schritte zum Wasserstoffhochlauf gegangen. Hinsichtlich des Wasserstoff-Kernnetzes erfolgte im März 2025 die erste Auszahlung der KfW auf das Amortisationskonto, die an die Wasserstoff-Kernnetzbetreiber weitergeleitet wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Privatwirtschaft die notwendigen Investitionen tätigt. Für Elektrolyseure wurden problemadäquat erstmals gestufte Verfahrenszuordnungen normiert. Mehr als reine Anpassungen der Verfahrensregeln und des Prozessrechts als das derzeit gängige gesetzgeberische Beschleunigungsmittel sind weitere Änderungen des materiellen Prüfprogramms ratsam. Kritikwürdig ist ferner, dass die für Wasserstoffvorhaben notwendige Begleitinfrastruktur wie Gewerbeflächen oder Netzanschlüsse und die erforderliche Verfügbarkeit bauplanungsrechtlich bebaubarer Flächen im WasserstoffBG-E bisher nicht berücksichtigt wird.

Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zur Dekarbonisierung der Industrie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. 

This article is also available in English.

Der Beitrag Planungsrechtliche Voraussetzungen für H2-Hochlauf erschien zuerst auf CMS Blog.

Neue CMS Blogserie: Fördermittel und Subventionen

Do, 04.09.2025 - 08:00

Die deutsche Wirtschaft steht vor einem tiefgreifenden Wandel hin zu Klimaneutralität und digitaler Transformation. Dieser Wandel erfordert erhebliche Investitionen und eine strategische Neuausrichtung in vielen Branchen. Staatliche Fördermittel und Subventionen nehmen hierbei eine zentrale Steuerungsfunktion ein. Auch die neue Bundesregierung setzt weiter auf umfangreiche Subventionen, um Wirtschaft, Innovationen und Zukunftstechnologien in Deutschland voranzutreiben „Förderrechtliche Impulse unter der neuen Bundesregierung“. 

Für Unternehmen bieten Fördermittel und Subventionen viele Vorteile: Sie senken Investitions- und Finanzierungskosten und machen risikoreiche Investitionen in zukunftsfähige Technologien attraktiver. Fördermittel sind heute vielfältig: Neben direkten Zuschüssen zählen auch Darlehen, Bürgschaften, Garantien, Eigenkapitalbeteiligungen und steuerliche Erleichterungen dazu. Die Inanspruchnahme von Fördermitteln ist jedoch regelmäßig mit erheblichen rechtlichen Anforderungen verbunden: Unternehmen sehen sich einer unübersichtlichen Förderlandschaft auf EU-, Bundes- und Landesebene, komplexen Antragsverfahren sowie beihilfe-, zuwendungs- und vergaberechtlichen Vorgaben gegenüber. Die Nichtbeachtung dieser Vorgaben kann zur Kürzung bewilligter oder zur Rückforderung bereits ausgezahlter Fördermittel führen. 

Unsere neue Blogserie „Fördermittel und Subventionen“ greift zentrale Rechtsfragen auf, macht auf häufige Fallstricke aufmerksam und zeigt praxisnah, wie Unternehmen Fördermittel rechtssicher für strategische Großprojekte nutzen können. Den Auftakt der Blogserie bilden Beiträge zu ausgewählten Rechtsthemen und aktuellen Entwicklungen: 

  • Zwischen 2020 und 2022 stellte die Bundesregierung umfangreiche Corona-Wirtschaftshilfen bereit, um Unternehmen während der Corona-Pandemie und der Lockdowns wirtschaftlich zu stabilisieren und Insolvenzen zu vermeiden. Die Corona-Wirtschaftshilfen wurden jedoch in der Regel nur vorläufig und vorbehaltlich einer endgültigen Festsetzung durch Schlussbescheid gewährt. Was ursprünglich als dringend benötigte Liquiditätshilfe konzipiert war, führte nicht selten zu Rückforderungsverfahren, die inzwischen auch die Verwaltungsgerichte beschäftigen. Ein Beitrag unserer Blogserie wird die aktuelle Rechtsprechung hierzu aufgreifen und praxisorientierte Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Rückforderungsbescheiden geben. 
  • Die Bewilligung von Fördermitteln ist regelmäßig mit vergaberechtlichen Auflagen im Zuwendungsbescheid verbunden. Zuwendungsempfänger sind daher verpflichtet, bei der Erteilung von Aufträgen an Dritte, die aus Fördermitteln finanziert werden, vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten – auch wenn sie selbst nicht öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts sind. Je nach Förderkonstellation kann dies ab bestimmten Schwellenwerten die Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) oder der VOB/A für Bauleistungen erfordern. Die Anforderungen reichen von der Wahl eines geeigneten Vergabeverfahrens bis hin zu umfangreichen Dokumentations- und Berichtspflichten. Ein Beitrag unserer Blogserie wird die einschlägigen vergaberechtlichen Pflichten im Kontext von Zuwendungsbescheiden vertieft darstellen und praxisnahe Hinweise zu ihrer rechtssicheren Umsetzung geben.
  • Ein weiterer Blogbeitrag wird sich mit den zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Rückforderungen auseinandersetzen. Es werden die verschiedenen Wege aufgezeigt, die Unternehmen beschreiten können, um sich gegen unberechtigte oder überhöhte Rückforderungen zu verteidigen, sei es im Rahmen von Widerspruchsverfahren, Klagen vor den Verwaltungsgerichten oder Vergleichen mit den Bewilligungsbehörden.
In unserer Blogserie werden wir uns auch mit sektorspezifischen Förderungen für bestimmte Schlüsseltechnologien beschäftigen

Die Dekarbonisierung der Industrie erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Um diese zu ermöglichen und zugleich wirksame wirtschaftliche Anreize zu setzen, hat die öffentliche Hand in den vergangenen Jahren zahlreiche Förderprogramme aufgelegt – darunter die sog. Important Projects of Common European Interest (IPCEI), die Bundesförderung für Industrie und Klimaschutz (BIK) und die Klimaschutzverträge. Im Rahmen unserer bestehenden Blogserie zur Dekarbonisierung der Industrie „Dekarbonisierung der Industrie – CMS Blog“ geben unsere Experten einen Überblick über die wichtigsten Förderinstrumente im Bereich der Dekarbonisierung. Grüner Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle für die Dekarbonisierung zahlreicher Industriezweige. Um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen, hat die EU-Kommission auf der Grundlage des IPCEI-Rahmens mehrere Wasserstoffprojekte entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette beihilferechtlich genehmigt. Im Rahmen der Blogserie Fördermittel und Subventionen stellen wir die Strukturen der IPCEI-Wasserstoffförderungen vor und erläutern die beihilfen- und zuwendungsrechtlichen Herausforderungen, die mit diesen Förderprogrammen verbunden sind.

Künstliche Intelligenz (KI) ist eine der zentralen Triebfedern der digitalen Transformation. Die Bundesregierung rückt sie in den Mittelpunkt ihrer wirtschafts- und technologiepolitischen Strategie „KI im Koalitionsvertrag 2025: Was jetzt auf Unternehmen zukommt – CMS Blog“. Ziel ist es, Deutschland durch Investitionen in Infrastruktur, eine innovationsfreundliche Regulierung und die enge Kooperation mit Wirtschaft und Wissenschaft zur führenden KI-Nation Europas zu entwickeln. Geplant sind u.a. eine nationale KI-Gigafactory und KI-Reallabore. Auch die Europäische Union hat KI-Förderprogramme wie „Horizont Europa“, „Digitales Europa“ oder der Initiative „InvestAI“ ins Leben gerufen, die Forschung und Anwendung von KI-Technologien beschleunigen und zugleich einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen sollen. Unsere Blogserie beleuchtet die wichtigsten Förderprogramme im Bereich KI und ordnet sie rechtlich ein. 

Die Digitalisierung erfasst auch die öffentliche Verwaltung. GovTech – der Einsatz moderner Technologien zur Verbesserung staatlicher Dienstleistungen und Abläufe – entwickelt sich zu einem dynamisch wachsenden Markt mit erheblichem Potenzial. Unternehmen, die Lösungen für E‑Government, digitale Bürgerdienste oder die Modernisierung administrativer Prozesse anbieten, profitieren von einer zunehmend strukturierten Förderkulisse. Ein Beitrag unserer Blogserie wird die wichtigsten Förderinstrumente für GovTech-Innovationen vorstellen. 

Wir freuen uns, wenn Sie unsere Blogserie „Fördermittel und Subventionen“ begleiten. Die Blogserie lebt vom Dialog. Wir freuen uns daher über Ihr Feedback und Anregungen zu weiteren Themen. Gleichzeitig steht Ihnen unser Team jederzeit für Rückfragen oder vertiefende Gespräche zur Verfügung.

Der Beitrag Neue CMS Blogserie: Fördermittel und Subventionen erschien zuerst auf CMS Blog.

Tarifwerk GVP/DGB: Ende des Arbeitsverhältnisses bei Anspruch auf ungekürzte Regelaltersrente

Di, 02.09.2025 - 04:16

Im MTV iGZ/DGB ist vorgesehen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer automatisch endet, wenn dieser einen Anspruch auf eine ungekürzte Regelaltersrente hat (dort: § 2.1. Abs. 2). Eine entsprechende oder vergleichbare Bestimmung fehlt im MTV BAP/DGB und musste bislang einzelvertraglich vereinbart werden. Ist dies nicht der Fall, wird das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer über das Regelrentenalter hinaus fortgesetzt, bis dieses aus anderen Gründen beendet wird, z.B. durch eine Kündigung des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers, durch einen Aufhebungsvertrag oder durch den Tod des Mitarbeiters.

Zukünftig ist im MTV GVP/DGB – wie bisher im MTV iGZ/DGB vorgesehen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer erstmals Anspruch auf ungekürzte Regelaltersrente nach den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung hat oder haben würde, wenn er in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert wäre. (vgl. dort: § 2.3 Abs. 1).

Ausgenommen davon sind Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2026 nach Maßgabe des MTV BAP/DGB abgeschlossen worden sind. Grund hierfür ist, dass dort noch keine entsprechende Beendigungsklausel bei Verrentung vorgesehen war. Eine nachträgliche Altersbefristung durch den MTV GVP/DGB wird damit ausgeschlossen. Unberührt davon bleiben freilich arbeitsvertraglich vor dem 1. Januar 2026 mit dem Zeitarbeitnehmer vereinbarte Verrentungsklauseln.

ACHTUNG: Für die Praxis bedeutet dies, dass – bei Neuverträgen ab dem 1. Januar 2026 – aufgrund der tariflichen Regelungen im MTV GVP/DGB „automatisch″ die Beendigungsklausel wegen Alters gilt. Einer gesonderten arbeitsvertraglichen Vereinbarung bedarf es folglich nicht mehr.

Die Verrentungsklausel bedarf zu deren Wirksamkeit nicht der Schriftform. Durch § 41 Abs. 2 S. 2 SGB VI wird die Anwendung von § 14 Abs. 4 TzBfG seit dem 1. Januar 2025 ausdrücklich ausgeschlossen. Unabhängig davon ging die Rechtsprechung davon aus, dass auch vor dem 1. Januar 2025 die Schriftform nicht zu beachten war, wenn und soweit sich die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf das Regelrentenalter aus einer tarifvertraglichen Regelung ergab (s. § 2.1. Abs. 2 MTV iGZ/DGB; vgl. BAG, Urteil v. 23. Juli 2014 – 7 AZR 771/12).

Der Beitrag Tarifwerk GVP/DGB: Ende des Arbeitsverhältnisses bei Anspruch auf ungekürzte Regelaltersrente erschien zuerst auf CMS Blog.

IGH-Gutachten zu Klimapflichten: Historisches Signal für Staaten

Mo, 01.09.2025 - 04:06

Am 23. Juli 2025 hat der Internationale Gerichtshof (IGH) – das oberste Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen – ein wegweisendes Gutachten zu den völkerrechtlichen Pflichten von Staaten im Zusammenhang mit dem Klimawandel veröffentlicht.

Der Gerichtshof stellte klar, dass der Schutz des Klimasystems und der Umwelt vor menschengemachten Treibhausgasemissionen eine Verpflichtung gegenüber der gesamten internationalen Gemeinschaft (erga omnes) darstellt.

Das Gutachten enthält weitreichende Aussagen – nicht nur mit Blick auf die Staatenverantwortung, sondern auch mit Folgewirkungen für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen. Es hat das Potenzial, die Auslegung und Anwendung internationaler Rechtsnormen im Bereich Klimawandel und Umweltschutz maßgeblich zu prägen und könnte damit den Rechtsrahmen weltweit nachhaltig beeinflussen. Mit dem Gutachten fügt sich der IGH in eine wachsende Reihe internationaler Entscheidungen ein, die auf eine verstärkte rechtliche Kontrolle des Klimaverhaltens von Staaten und zunehmend auch von Unternehmen hindeuten.

Ausgangspunkt: Anfrage der UN-Generalversammlung

Das Gutachten basiert auf einem Ersuchen der UN-Generalversammlung an den IGH (Resolution 77/276), das zwei zentrale Fragen aufwarf:

  1. Welche internationalen Pflichten haben Staaten zum Schutz des Klimasystems vor anthropogenen Treibhausgasemissionen, um die Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen zu sichern?
  2. Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich, wenn ein Staat durch sein Handeln oder Unterlassen erhebliche Klimaschäden verursacht – insbesondere mit Blick auf kleine Inselstaaten und betroffene Bevölkerungen?

Als Rechtsgrundlagen wurden unter anderem die UN-Charta, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie das Pariser Klimaabkommen in Bezug genommen. Die mündlichen Verhandlungen, die im Dezember 2024 in Den Haag ihren Auftakt nahmen, vereinten eine breite Staatengemeinschaft und internationale Organisationen – von besonders gefährdeten Inselstaaten bis hin zu großen Emittenten wie führenden Wirtschaftsmächten. Zahlreiche Staaten, Zusammenschlüsse und Fachgremien nutzten die Gelegenheit, ihre Rechtsauffassungen und wissenschaftlichen Analysen einzubringen. Das Gericht ließ dabei auch Beiträge unter breiter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise zu, um die komplexen naturwissenschaftlichen Grundlagen und die vielschichtigen Folgen des Klimawandels umfassend in die rechtliche Bewertung einfließen zu lassen.

Der IGH bejaht im Ergebnis nicht nur die Zuständigkeit zur Beantwortung dieser Fragen, sondern liefert ein Gutachten mit bemerkenswerter Klarheit.

Der Maßstab: Sorgfaltspflicht, Kooperation und Schutzpflichten

Zentral ist nach Ansicht des IGH die Pflicht zur Verhinderung erheblicher Umweltschäden, die sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergibt. Diese Verpflichtung gilt auch für das Klimasystem – trotz der diffusen grenzüberschreitenden Ursachen des Klimawandels. Staaten müssen demnach mit gebotener Sorgfalt handeln und ihre nationalen Beiträge (NDCs) unter dem Pariser Übereinkommen nicht nur formulieren, sondern effektiv umsetzen.

Daneben bestätigt der IGH die Pflicht zur internationalen Zusammenarbeit, einschließlich finanzieller und technologischer Unterstützung. Auch betont er die Anforderungen aus Menschenrechten – etwa das Recht auf Leben, Gesundheit und eine saubere Umwelt.

Der Gerichtshof betont dabei: Die Einhaltung dieser Pflichten ist nicht allein politisch, sondern auch rechtlich relevant.

Rechtsfolgen: Verletzung zieht Verantwortung nach sich

Für den Fall einer Verletzung dieser Verpflichtungen verweist der IGH auf das System der Staatenverantwortlichkeit. Dazu zählen:

  • Leistungspflichten,
  • Unterlassungsverpflichtungen und
  • Wiedergutmachung, etwa in Form von Entschädigung oder Genugtuung, vorausgesetzt, es besteht ein hinreichend direkter und bestimmter Kausalzusammenhang zwischen der völkerrechtswidrigen Handlung oder Unterlassung und dem Schaden – ein Maßstab, den der IGH bewusst flexibel auf Klimaschäden anwendet.

Zwar enthält das Gutachten keine bindende Entscheidung – seine Argumentation entfaltet jedoch rechtliche Signalwirkung.

Unternehmen im Blick: Pflichtenumsetzung auf nationaler Ebene

Auch wenn das Gutachten völkerrechtlich ausschließlich an Staaten adressiert ist, entfaltet es mittelbare Wirkung auf Wirtschaftsakteure. Nationale Gesetzgeber, Behörden und Gerichte werden sich bei der Fortentwicklung und Anwendung bestehender Rechtsnormen – etwa im Umwelt- und Klimaschutzrecht oder bei unternehmerischen Sorgfaltspflichten – an den vom IGH entwickelten Maßstäben orientieren. Zugleich wird die IGH-Stellungnahme vielfach so verstanden, dass Staaten gehalten sind, private Akteure wirksamer zu regulieren – ein Signal für spürbar schärfere sektorspezifische Vorgaben.

Die vom IGH herausgearbeiteten Maßstäbe – insbesondere der Vorsorgegrundsatz und die Pflicht zur Vermeidung erheblicher Klimaschäden – dürften zukünftig in gerichtlichen Verfahren als Orientierung für die Bewertung unternehmerischen Handelns dienen. Damit steigt nicht nur mittelbar das Haftungsrisiko, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass selbstgesetzte Klimaziele zu rechtlich einklagbaren Standards werden. In der Folge ist mit mehr Verfahren gegen Unternehmen zu rechnen – von Greenwashing- und Offenlegungsthemen (etwa auch prospekt- und verbraucherschutzrechtlich) bis hin zu planungs- und genehmigungsrechtlichen Angriffen auf Projekte.

Das korrespondiert mit jüngeren Entwicklungen in Deutschland: In unserem Beitrag zum Verfahren Lliuya/RWE vor dem OLG Hamm zeigen wir, wie Zivilgerichte Klimahaftung dogmatisch schärfen und justiziabel machen (zum Blogbeitrag).

Auch über das RWE-Verfahren hinaus zeichnen sich internationale Tendenzen zur rechtlichen Klimaverantwortung ab: So hat das Berufungsgericht in Den Haag im November 2024 das spektakuläre erstinstanzliche Urteil gegen Shell aufgehoben und damit einen unmittelbaren Anspruch auf weitreichende Emissionsreduktionen verneint. Zugleich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im April 2024 im Fall KlimaSeniorinnen Schweiz eine Verletzung der EMRK durch unzureichenden Klimaschutz festgestellt – und damit die menschenrechtliche Dimension staatlicher Klimapflichten betont. Beide Entscheidungen verdeutlichen, dass die Gerichte zwar unterschiedlich akzentuieren, insgesamt aber ein klarer Trend zu verstärkter gerichtlicher Kontrolle des Klimaverhaltens von Staaten und Unternehmen erkennbar ist.

Hinzu kommt: Investoren, Aufsichtsbehörden und NGOs fordern zunehmend belastbare, konsistente und transparente Klimaberichterstattung. ESG- und Klimaversprechen geraten dadurch unter schärfere Beobachtung – sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf Reputations- und Marktrisiken. Unternehmen, die ihre Governance- und Risikomanagementsysteme frühzeitig anpassen, können nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern sich auch strategische Vorteile sichern. Zudem kann proaktives Handeln den Zugang zu Klimafinanzierung, grünen Anleihen (Green Bonds) und ESG-orientierten Investoren erleichtern – und so neue Spielräume für nachhaltiges Wachstum eröffnen.

Fazit: Nicht bindend, aber rechtlich maßgeblich – und wirtschaftlich relevant

Das Gutachten ist ein Meilenstein des Klimarechts: Es ist zwar nicht rechtlich bindend, entfaltet aber erhebliche Orientierungswirkung und legt justiziable Maßstäbe an Staaten an – mit spürbaren betriebswirtschaftlichen Implikationen.

Für Unternehmen bedeutet dies: Klimaverantwortung entwickelt sich rasch zu einem festen Bestandteil eines verbindlichen Rechtsrahmens. Wer frühzeitig belastbare Governance-Strukturen, wirksames Klimarisikomanagement und transparente Berichterstattung etabliert, kann Haftungs- und Reputationsrisiken minimieren und zugleich strategische Vorteile sichern. Der internationale Druck, Klimarisiken wirksam zu steuern, wächst – und vorausschauendes Handeln wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Wer jetzt handelt, gestaltet nicht nur den eigenen Klimapfad – sondern setzt auch Standards für die Märkte von morgen.

Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zur Dekarbonisierung der Industrie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. 

This article is also available in English.

Der Beitrag IGH-Gutachten zu Klimapflichten: Historisches Signal für Staaten erschien zuerst auf CMS Blog.

Vom Hörsaal in die Großkanzlei: Unser Praktikum bei CMS

Fr, 29.08.2025 - 04:29

Man hat so seine Vorstellungen vom Alltag in einer Großkanzlei: Endlose Aktenberge, strikte Hierarchien, lange Nächte und die leise Frage, ob alles wirklich so glamourös ist, wie es Serien à la Suits suggerieren.

Doch wie ist es tatsächlich, Teil einer internationalen Großkanzlei zu sein? Statt weiter aus der Distanz zu spekulieren, haben wir im März 2025 die Gelegenheit genutzt, genau das selbst herauszufinden – und im Rahmen des dreiwöchigen Praktikumsprogramms einen authentischen Einblick in die Welt der modernen Rechtsberatung bei CMS Hasche Sigle gewonnen.

Ankommen mit Aussicht: Zwischen Dom-Blick, Düsseldorf und Du-Kultur

Der erste Tag des Programms, der am Standort Köln stattfand, begann mit einem kleinen Orientierungsmarathon. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das mittlere der drei Kranhäuser „Kranhaus 1“ sein soll? Nachdem dieses architektonische Rätsel (Spoiler: es wurde als erstes gebaut) gelöst war, versammelten sich 17 Praktikant:innen aus ganz Deutschland voller Vorfreude und mit mindestens genauso vielen Fragen im Gepäck in den beeindruckenden Räumlichkeiten des Kölner Büros. Nach einer freundlichen Begrüßung und einer kurzen Vorstellung der Kanzlei folgte die Zuteilung in die Teams. Bereits im Bewerbungsprozess konnten wir unsere Interessen angeben, und so fand sich jede:r von uns in einem passenden Rechtsgebiet wieder.

Am Folgetag ging es rheinabwärts am Standort in der Kunststadt Düsseldorf weiter, der mit einem fröhlichen „Bunten Abend“ inklusive kleiner Überraschungen zum weiteren Kennenlernen endete.

Schon beim ersten gemeinsamen Mittagessen in Köln und dem „Bunten Abend“ in Düsseldorf, an denen jeweils die betreuenden Anwält:innen teilnahmen, fiel sofort auf, wie locker und offen der Umgang bei CMS ist. Schnell wurde viel gelacht, der Smalltalk war alles andere als gezwungen – und das „Du“ wurde uns wie selbstverständlich angeboten. Wer vorher Sorge vor steifen Hierarchien hatte, konnte sie spätestens hier getrost ablegen.

Inside CMS: Juristische Vielfalt und Praxisnähe

Das Praktikumsprogramm war abwechslungsreich gestaltet: Drei Tage der Woche arbeiteten wir im Team, während die übrigen zwei Tage dem offiziellen Programm gewidmet waren, das im Wechsel in Köln und Düsseldorf stattfand.

Die Fachvorträge deckten eine beeindruckende Bandbreite juristischer Themen ab: beginnend mit Corporate/M&A über Versicherungs- und Steuerrecht bis hin zu IP, Arbeitsrecht, Legal Tech und Dispute Resolution. Dabei ging es nicht nur um theoretisches Wissen – oft wurden wir in spannende Mandate eingeweiht und bekamen dadurch praxisnahe Einblicke, die man so weder aus Vorlesungen noch aus Lehrbüchern kennt. Nach jedem Vortrag blieb Raum für Rückfragen, Austausch und kleine Diskussionen, auch über das eigentliche Thema hinaus. Viele Referent:innen gaben persönliche Einblicke in ihren Werdegang und erzählten offen von Erfahrungen, Herausforderungen und ihrem Alltag bei CMS. Das machte ihre Beiträge nicht nur lehrreich, sondern auf eine ganz eigene Weise inspirierend.

Besonders spannend war auch der Besuch am Landgericht in Köln. Dort konnten wir nicht nur das Geschehen im Gerichtssaal aus nächster Nähe verfolgen, sondern bekamen auch einen Eindruck davon, wie unterschiedlich sich Anwält:innen im Gericht präsentieren – mal streng und distanziert, mal locker und fast schon unterhaltsam.

Ergänzend zum juristischen Input gab es hilfreiche Karrieretipps. Welche Zusatzqualifikationen lohnen sich wirklich? Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen LL.M. oder eine Promotion? Wie verfasst man eine Bewerbung, die nicht im digitalen Nirvana landet? Fragen, die sich wohl fast jede:r im Laufe des Studiums stellt – bei CMS wurden sie offen, konkret und ehrlich beantwortet.

„Training on the Job”: Mittendrin statt nur dabei

Parallel zum Rahmenprogramm arbeiteten wir die übrige Zeit in unseren jeweiligen Teams mit – je nach Interessenschwerpunkt etwa im Gesellschafts-, Arbeits- oder Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Dabei waren wir von Anfang an nicht bloß stille Beobachter:innen, sondern wurden aktiv in die tägliche Arbeit eingebunden.

Unsere Aufgaben waren so vielfältig wie die Rechtsbereiche selbst: Von der Analyse aktueller Rechtsprechung über die Formulierung und Überarbeitung von AGB bis hin zur Erstellung kurzer rechtlicher Einschätzungen oder Recherchen zu konkreten Fragestellungen im Mandat, die teils sogar als erste Grundlage für anwaltliche Schriftsätze oder Mandantenmemos dienten. So bekamen wir ein realistisches Bild davon, wie anspruchsvoll, aber auch wie kreativ juristische Arbeit sein kann, wenn sie direkt auf reale Sachverhalte trifft. Besonders beeindruckt hat uns dabei, dass unsere Mitarbeit spürbar geschätzt wurde – wir hatten nie das Gefühl, nur mit typischer Praktikant:innenbeschäftigung vertröstet zu werden. Im Gegenteil: Unsere Beiträge wurden ernst genommen und fanden ihren praktischen Nutzen.

Während der gesamten Zeit standen uns unsere Mentor:innen jederzeit zur Seite – mit offenem Feedback, hilfreichen Anmerkungen und der Bereitschaft, auch vermeintlich „dumme Fragen“ mit Geduld zu beantworten. Dieser intensive Austausch auf Augenhöhe hat nicht nur zur fachlichen Weiterentwicklung beigetragen, sondern uns auch gezeigt, wie stark das Teamgefühl bei CMS gelebt wird.

Mehr als nur Arbeit: Sushi, Kunst und Altbier

Neben all dem Fachlichen durfte aber natürlich auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Unser unangefochtenes Highlight: der Sushi-Kochkurs samt Weinbegleitung. Unter professioneller Anleitung rollten wir Maki, Nigiri & Co. und lernten dabei nicht nur, wie wichtig es ist, den perfekten Reis zu treffen, sondern auch, dass man vermutlich schneller Volljurist:in als Sushi-Meister:in in Japan werden kann.

Anschließend genossen wir unser selbst vorbereitetes Dinner mit dem wohl schönsten Ausblick auf den Kölner Dom bei Sonnenuntergang – ein Moment, den wir alle nicht so schnell vergessen werden. Auch eine Führung mit einem Kunstguide durch eine laufende Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf mit anschließendem Besuch in einem Brauhaus in der Altstadt sorgte für eine willkommene Abwechslung zum Büroalltag und gab interessanten Input. Diese Erlebnisse stärkten unseren Zusammenhalt und zeigten, dass ein Praktikum mehr sein kann als nur das Abarbeiten von Aufgaben.

Fazit: Ein Praktikum mit Mehrwert

Das Praktikumsprogramms bei CMS war nicht einfach nur ein Einblick in den Kanzleialltag – es war eine intensive, lehrreiche und überraschend abwechslungsreiche Zeit. Wir haben wertvolle juristische Erfahrungen gesammelt, inspirierende Persönlichkeiten kennengelernt und dabei ganz nebenbei festgestellt, dass sich harte Arbeit und Spaß nicht ausschließen müssen.

Wer also glaubt, dass eine Großkanzlei nur aus langen Nächten, strengen Hierarchien und trockener Theorie besteht, sollte sich selbst ein Bild machen. CMS zeigt, dass eine erstklassige Ausbildung und eine offene, kollegiale Kultur Hand in Hand gehen.

Der Beitrag stammt von Aria Sayan und Chiara Koch.

Der Beitrag Vom Hörsaal in die Großkanzlei: Unser Praktikum bei CMS erschien zuerst auf CMS Blog.

Earn-Out-Klauseln in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – Chance oder Risiko?

Do, 28.08.2025 - 04:59

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – etwa infolge geopolitischer Spannungen, schwankender Märkte oder erhöhter Finanzierungskosten – tun sich Käufer und Verkäufer häufig schwer, sich auf einen fixen Kaufpreis für ein Unternehmen zu einigen. Prognosen sind unsicher, Geschäftsmodelle verändern sich rasant.

Was ist ein Earn-Out – und warum jetzt?

Ein „Earn-Out″ ist ein Instrument, das diese Lücke überbrücken kann: Ein Teil des Kaufpreises wird an das Erreichen bestimmter Ziele in der Zukunft geknüpft – meist finanzieller Natur (z. B. Umsatz, EBITDA). Verkäufer erhalten den vollen Kaufpreis also nur dann, wenn das Unternehmen nach der Übernahme wie geplant performt.

Gerade in der aktuellen Marktphase erfreuen sich Earn-Out-Klauseln wachsender Beliebtheit – sie können Brücken bauen, wo sonst ein Deal scheitern würde. Dies spiegelt sich auch in unserer aktuellen M&A-Studie wider: Der Anteil von Earn-Out-Klauseln in M&A-Transaktionen ist im Jahr 2022 auf 27 % gestiegen. Er sank sodann leicht, befindet sich jedoch noch immer auf dem dritthöchsten Niveau seit 2010. Besonders auffällig ist der vermehrte Einsatz von Earn-Out-Klauseln bei großen Deals (über 100 Mio. Euro Transaktionswert). Die Laufzeiten von Earn-Out-Vereinbarungen haben sich weitgehend im Bereich von 12 bis 24 Monaten eingependelt, wobei bei großvolumigen Deals größere Schwankungen zu beobachten sind.

Inhaltlich werden Earn-Out-Klauseln vor allem in Branchen wie dem Gesundheitswesen, dem Technologiesektor, der Medienbranche sowie der Konsumgüterindustrie häufig eingesetzt, also vermehrt dann, wenn die persönliche Leistung von Schlüsselpersonen eine zentrale Rolle für den zukünftigen Unternehmenserfolg spielt. Bei Transaktionen im Immobilien- und Infrastrukturbereich, also bei stabilen, asset-lastigen Geschäftsmodellen mit gut kalkulierbaren Cashflows, bewegt sich ihre Nutzung hingegen aktuell wieder auf dem Vorkrisenniveau.

Die Perspektive der Parteien

Ein Earn-Out kann aus Verkäufersicht attraktiv sein, wenn man vom zukünftigen Erfolg des Unternehmens überzeugt ist – vor allem, wenn ein Verkäufer nach dem Verkauf weiterhin operativ tätig bleibt. Gleichzeitig birgt die Vereinbarung eines Earn-Outs Risiken, der Verkäufer gibt Kontrolle ab, hat aber wirtschaftlich noch „Skin in the Game″. Die typische Sorge des Verkäufers in der Earn-Out Periode ist daher, dass der Käufer nicht alles tun wird, um das vereinbarte Ziel zu erreichen.

Für Käufer bedeutet ein Earn-Out hingegen Flexibilität: Sie zahlen nur dann einen höheren Kaufpreis, wenn sich das Geschäft tatsächlich auszahlt. Zudem lassen sich Investitionen oder notwendige Restrukturierungen besser steuern, ohne gleich den vollen Preis zahlen zu müssen. Die typische Sorge des Käufers in der Earn-Out Periode ist, wie er verhindern kann, dass der Verkäufer unrealistische Erwartungen an die Zielerreichung knüpft und wie er sich möglichst Flexibilität hinsichtlich der Führung des Unternehmens (Investitionen, Umstrukturierungen) erhält.

Gestaltungsspielräume – und Konfliktpotenzial

So hilfreich Earn-Outs sein können: Sie sind rechtlich und wirtschaftlich komplex. Gerade wenn sie nicht sorgfältig ausgestaltet sind, bergen sie erhebliches Konfliktpotenzial. Die häufigsten Streitpunkte betreffen dabei vor allem fünf Bereiche:

Zieldefinition: Hier stellt sich regelmäßig die Frage, an welche Kennzahlen der Earn-Out geknüpft werden soll – etwa Umsatz, EBITDA oder Kundenanzahl. Wichtig ist, dass die gewählten Ziele nicht nur erreichbar, sondern auch möglichst manipulationssicher sind. Während in der Vergangenheit EBIT bzw. EBITDA als Referenzwert dominierten, gewinnen umsatzbasierte Kennzahlen zunehmend an Bedeutung – insbesondere außerhalb Europas.

Berechnungsgrundlage: Uneinigkeit besteht oft darüber, nach welchen Rechnungslegungsstandards der relevante Zielwert zu ermitteln ist und welche Anpassungen bei der Berechnung zulässig sein sollen. Ohne klare Regeln eröffnen sich hier erhebliche Spielräume – und Streitpotenzial.

Einflussmöglichkeiten des Käufers: Insbesondere Verkäufer sorgen sich häufig, ob der Käufer nach dem Vollzug Maßnahmen ergreifen könnte, die die Zielerreichung erschweren – etwa durch Umstrukturierungen oder das Umlenken von Ressourcen.

Informationsrechte des Verkäufers während der Earn-Out Periode: Bleibt der Verkäufer im Dunkeln über die operative Entwicklung und die wirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens, steigt das Misstrauen – insbesondere, wenn das vereinbarte Ziel nicht erreicht wird.

Sogenannte Verhinderungspflichten: Hier geht es um die Frage, ob und inwieweit der Käufer verpflichtet ist, auf Maßnahmen zu verzichten, die die Zielerreichung gefährden könnten – oder ob ihm in der Unternehmensführung freie Hand bleibt.

Vertragsgestaltung – worauf zu achten ist

Ein gut konzipierter Earn-Out ist wie ein Maßanzug: individuell zugeschnitten, präzise formuliert und mit Weitblick gestaltet. Damit er in der Praxis funktioniert, sollten einige zentrale Aspekte besonders beachtet werden.

Zunächst ist es entscheidend, klare und messbare Zielkriterien festzulegen. Diese sollten möglichst objektiv, manipulationssicher und eindeutig feststellbar sein – etwa durch die Anknüpfung an geprüfte (auditierte) EBITDA-Werte. Unklare oder dehnbare Erfolgskennzahlen sind eine der Hauptursachen für spätere Auseinandersetzungen.

Ebenso wichtig ist die Festlegung einheitlicher kaufmännischer Standards und Rechnungslegungsgrundlagen. Nur so lässt sich verhindern, dass durch bilanzielle Gestaltungsspielräume – etwa durch bewusstes „Window Dressing″ – das Ergebnis verfälscht wird.

Darüber hinaus empfiehlt es sich, klare Verhaltenspflichten des Käufers zu vereinbaren. So kann etwa festgelegt werden, dass der Geschäftsbetrieb im Rahmen des Üblichen fortzuführen ist, um zu vermeiden, dass Maßnahmen ergriffen werden, die sich nachteilig auf die Zielerreichung auswirken.

Ergänzend sollten Informations- und Mitwirkungspflichten des Käufers geregelt werden. Verkäufer, deren Kaufpreisanspruch ganz oder teilweise von zukünftigen Ergebnissen abhängt, sollten nachvollziehen können, wie sich das Unternehmen während der Earn-Out Periode entwickelt.

Nicht zuletzt ist auch an die Streitvermeidung zu denken: Gerade bei wirtschaftlichen Fragen ist es häufig sinnvoll, die Entscheidungskompetenz im Streitfall einem neutralen Gremium – etwa einem Schiedsgutachter oder Schiedsgericht – zu übertragen. Dies kann langwierige und kostenintensive Auseinandersetzungen vor ordentlichen Gerichten vermeiden.

Earn-Outs in der Praxis: Chance mit Bedacht nutzen

Richtig eingesetzt, können Earn-Outs für beide Seiten eine Win-Win-Situation schaffen. Sie ermöglichen Deals, die ohne diese Flexibilität vielleicht nicht zustande kämen. Gleichzeitig ist ihre Umsetzung anspruchsvoll – juristisch wie wirtschaftlich.

Unsere Erfahrung zeigt: Gut gemeinte, aber schlecht formulierte Earn-Outs führen oft zu erheblichen Nachverhandlungen oder sogar zu Rechtsstreitigkeiten. Umso wichtiger ist es, frühzeitig die richtigen Fragen zu stellen und sich von erfahrenen Beratern begleiten zu lassen.

Der Beitrag Earn-Out-Klauseln in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – Chance oder Risiko? erschien zuerst auf CMS Blog.

Minderjähriger Gesellschafter im Familienpool

Mi, 27.08.2025 - 05:06

Die frühzeitige Übertragung von Vermögen auf nachfolgende Generationen bietet die Möglichkeit, steuerliche und rechtliche Vorteile zu nutzen und das Familienvermögen langfristig zu sichern. Zur Erreichung dieser Ziele eignen sich in der Praxis häufig sogenannte Familienpools. Dabei handelt es sich um vermögensverwaltende Familiengesellschaften, die zu dem Zweck gegründet werden, die nachfolgenden Generationen bereits zu Lebzeiten am Familienvermögen (z.B. Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder Wertpapiere) zu beteiligen.

Der Familienpool kann gegenüber anderen Formen der vorweggenommenen Erbfolge, insbesondere gegenüber der Einzelübertragung von Vermögenswerten, Vorteile bieten:

  • Im Gegensatz zur Einzelübertragung kann das Familienvermögen im Familienpool langfristig gebündelt und damit gesichert werden. Auf diese Weise kann eine Zersplitterung des Familienvermögens und eine streitanfällige Aufteilung der einzelnen Vermögensgegenstände auf die jeweiligen Familienmitglieder der nachfolgenden Generation vermieden werden, da eben nicht die Vermögensgegenstände selbst, sondern eine Beteiligung am Familienpool übertragen wird. Jeder Gesellschafter wird somit über seine Beteiligung mittelbar am gesamten Familienvermögen beteiligt. Zudem kann das Familienvermögen so besser vor dem Zugriff von Privatgläubigern der Familienmitglieder abgeschirmt werden (Asset Protection).
  • Der Familienpool bietet auch einen passenden Rahmen, um steuerliche Vorteile zu nutzen. Aus steuerlicher Sicht dient eine frühzeitige Vermögensübertragung insbesondere der regelmäßigen Ausnutzung der persönlichen Steuerfreibeträge. Diese betragen für Kinder des Schenkers EUR 400.000,00 und für Enkelkinder EUR 200.000,00 und stehen alle zehn Jahre erneut zur Verfügung. Durch eine frühzeitige Vermögensübertragung können die Schenkungsteuerfreibeträge somit mehrfach genutzt und damit eine langfristige Optimierung der Schenkungs- bzw. Erbschaftsteuerlast erreicht werden. Darüber hinaus profitiert die nachfolgende Generation bei frühzeitiger Vermögensübertragung davon, dass die Wertsteigerungen des lebzeitig bereits übertragenen Familienvermögens bei ihnen erbschaft- und schenkungsteuerfrei anfallen. Die ihnen zugewendeten Erträge erhalten die Abkömmlinge ebenfalls erbschaft- und schenkungsteuerfrei und häufig zu einem niedrigeren persönlichen Einkommensteuersatz als die Schenker. Das im Familienpool gebündelte Familienvermögen kann durch die Übertragung von Beteiligungen am Familienpool dosiert und steuereffizient an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden.
  • Aus rechtlicher Sicht bietet der Familienpool gegenüber einer Einzelübertragung weiterhin den Vorteil, dass der übertragenden Generation – trotz der Beteiligung der nachfolgenden Generation an der Vermögenssubstanz – die Verfügungs- und Entscheidungsmacht über das Familienvermögen vorbehalten werden kann. Hierzu bieten diverse gesellschaftsvertragliche Regelungen flexible Lösungen z.B. zu Sonderrechten im Hinblick auf die Geschäftsführung oder Stimmrechte an. Auch können gesellschaftsvertraglich klare und rechtssichere Vorgaben zur Nachfolge in das Familienvermögen aufgestellt werden und diese langfristig vereinfachen. Weitere Details entnehmen Sie gerne unserem Blogbeitrag Der Familienpool zur Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen (Familienpool zur Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen).

Dieses Bündel an rechtlichen und steuerlichen Motiven zur Errichtung eines Familienpools führt daher in der Praxis oftmals zu dem Gedanken, möglichst frühzeitig Vermögen sukzessive auf die nachfolge(n) Generation(en) zu übertragen. Die Beteiligung Minderjähriger rückt damit in vielen Fällen in den Blick. Welche rechtlichen Chancen, aber auch Herausforderungen sich aus der Beteiligung Minderjähriger an einem Familienpool ergeben und wie diesen begegnet werden kann, beleuchtet der nachfolgende Beitrag.

Grundsätze zur Vertretung Minderjähriger Elterliche Sorge

Die Vertretung Minderjähriger obliegt grundsätzlich den Eltern gemeinschaftlich. Die Vertretungsmacht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder ist jedoch in besonders gelagerten Fällen gesetzlich begrenzt. Eltern sind von der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder beim Abschluss von Rechtsgeschäften insbesondere dann ausgeschlossen, wenn ein abstrakter Interessenskonflikt besteht. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber den Minderjährigen davor schützen, dass seine Eltern ihre eigenen Interessen oder die von ihnen nahestehenden Personen über die Interessen des Minderjährigen stellen. Ein solcher abstrakter Interessenkonflikt sieht der Gesetzgeber insbesondere bei Rechtsgeschäften zwischen dem Minderjährigen und einem Elternteil oder einer Person, die mit einem Elternteil in gerader Linie verwandt ist (z.B. Großeltern), also zum Beispiel bei Schenkungen der Eltern oder Großeltern an den Minderjährigen.

Ergänzungspflegschaft

Sind die Eltern ausnahmsweise von der Vertretung des Minderjährigen ausgeschlossen, haben sie die Bestellung eines Ergänzungspflegers anzuregen. Der Ergänzungspfleger erhält für Angelegenheiten, bei denen die Vertretung durch die Eltern ausgeschlossen ist, das Recht und die Pflicht, die ihm vom Familiengericht übertragenen Angelegenheiten im Interesse des Minderjährigen zu dessen Wohl zu besorgen und den Minderjährigen in diesem Rahmen zu vertreten.

Familiengerichtliche Genehmigung

Neben der Bestellung eines Ergänzungspflegers kann für den Abschluss bestimmter, besonders bedeutsamer Rechtsgeschäfte eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich sein. Dies gilt insbesondere für Verfügungen über Grundstücke, für den (unentgeltlichen) Erwerb von Teil- oder Wohnungseigentum sowie für bestimmte handels- und gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte.

Praxisüblicher Ablauf der Beteiligung Minderjähriger am Familienpool

In der Praxis erfolgt die Beteiligung Minderjähriger an einem Familienpool in der Regel in drei Schritten:

  • Errichtung des Familienpools durch die übertragende Generation
  • Einbringung des Familienvermögens in den Familienpool
  • (Wiederkehrende) Schenkung von Gesellschaftsanteilen am Familienpool an den Minderjährigen
Errichtung des Familienpools

Die Grundsätze zur Errichtung eines Familienpools haben wir in unserem Blogbeitrag Der Familienpool zur Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen (Familienpool zur Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen) dargestellt. An dieser Stelle soll lediglich darauf verwiesen werden, dass es regelmäßig zweckmäßig ist, den Minderjährigen nicht bereits bei der Errichtung des Familienpools zu beteiligen. Denn bei der Errichtung und dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags einer Familienpoolgesellschaft, sei es in der Rechtsform einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, an der sie selbst oder ein Verwandter in gerader Linie beteiligt sind, können die Eltern den Minderjährigen nicht vertreten. In diesem Fall wäre bereits bei der Errichtung des Familienpools ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Werden mehrere Minderjährige am Familienpool beteiligt, was oftmals der Fall ist, wäre dann für jeden Minderjährigen ein eigener Ergänzungspfleger zu bestellen.

Vermögensausstattung des Familienpools

Nach oder gleichzeitig mit der Errichtung des Familienpools erfolgt die Einbringung des Familienvermögens durch die übertragende Generation. Die Einbringung des Familienvermögens erfolgt nach dem oben Gesagten regelmäßig ohne die Beteiligung Minderjähriger durch Einbringungsvertrag zwischen der übertragenden Generation und dem zuvor errichteten Familienpool. Sofern gewünscht, kann sich die übertragende Generation im Rahmen des Einbringungsvertrages einen Nießbrauch oder sonstige Nutzungsrechte an den einzubringenden Vermögensgegenständen vorbehalten.

Schenkung von Gesellschaftsanteilen am Familienpool an den Minderjährigen

Die eigentliche Vermögensübertragung auf den Minderjährigen erfolgt durch eine anschließende Schenkung von Gesellschaftsanteilen am Familienpool. Infolge der Beteiligung Minderjähriger sind bei diesem letzten Umsetzungsschritt – je nach gewählter Rechtsform des Familienpools – insbesondere folgende Besonderheiten zu beachten:

Ergänzungspflegschaft Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Wird die Beteiligung an einem Familienpool in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) schenkweise übertragen, können die Eltern ihre minderjährigen Kinder nicht vertreten, soweit sie selbst oder Verwandte in gerader Linie (z.B. die Großeltern) als Schenker eines Gesellschaftsanteils am Familienpool auftreten. In diesem Fall bedarf es zwingend der Bestellung eines Ergänzungspflegers, da ein solches Rechtsgeschäft für die Minderjährigen aufgrund der persönlichen Haftung der GbR-Gesellschafter nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Bei Schenkungen an mehrere Minderjährige können diese in der Regel gemeinsam durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden.

(GmbH & Co.) Kommanditgesellschaft

Wird die Beteiligung an einem Familienpool in der Rechtsform einer (GmbH & Co.) Kommanditgesellschaft (KG) schenkweise übertragen, ist zu differenzieren:

  • Wird die Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter geschenkt, gilt das zur GbR Gesagte entsprechend.
  • Soweit hingegen eine voll eingezahlte Kommanditbeteiligung an einer rein vermögensverwaltenden Familienpoolgesellschaft geschenkt wird, sollten die Eltern ihre minderjährigen Kinder grundsätzlich vertreten können, da ein solches Rechtsgeschäft für die Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Mangels abstrakter Interessenkollision finden die vorstehenden Grundsätze zum Vertretungsausschluss der Eltern in diesem Fall regelmäßig keine Anwendung. Allerdings ist die Frage, ob im Falle der Übertragung einer Kommanditbeteiligung die Bestellung eines Ergänzungspflegers ausnahmsweise entbehrlich ist, bislang höchstrichterlich nicht geklärt, sodass in der Praxis der Familien- und Registergerichte die Bestellung eines Ergänzungspflegers oftmals gleichwohl vorausgesetzt wird. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Sicherstellung eines reibungslosen Verfahrensablaufs sollte daher stets ein Ergänzungspfleger bestellt werden.
  • In der Praxis wird sich dies jedoch nur in den wenigsten Fällen auswirken. Zum einen enthält der Schenkungsvertrag, mit dem der Gesellschaftsanteil am Familienpool auf die nachfolgende Generation übertragen wird, regelmäßig Klauseln, die für die Minderjährigen rechtlich nachteilhaft sind. Besonders hervorzuheben ist die zum Schutz der übertragenden Generation regelmäßig in den Schenkungsvertrag aufgenommene Bestimmung, dass sich der Minderjährige die Schenkung auf einen etwaigen künftigen Pflichtteilsanspruch am Nachlass des Schenkers anzurechnen lassen hat. In diesem Fall lebt der Vertretungsausschluss wieder auf.
Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Wird die Beteiligung an einem Familienpool in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) schenkweise übertragen, können die Eltern ihre minderjährigen Kinder nicht vertreten, soweit sie selbst oder Verwandte in gerader Linie als Schenker auftreten. In diesem Fall gilt das zur GbR Gesagte entsprechend, da mit der Beteiligungsschenkung fremde Verbindlichkeiten übernommen werden.

Fazit

Die schenkweise Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einem Familienpool auf Minderjährige bedarf daher unabhängig von der gewählten Rechtsform des Familienpools in der Praxis stets der Bestellung eines Ergänzungspflegers.

Familiengerichtliche Genehmigung

Da ein Familienpool als vermögensverwaltende Gesellschaft in der Regel kein Erwerbsgeschäft betreibt, bedarf die Schenkung von Gesellschaftsanteilen an einem Familienpool an Minderjährige jedenfalls in der Rechtsform der (GmbH & Co.) KG und der GmbH nicht der familiengerichtlichen Genehmigung. In der Rechtsform der GbR dürfte eine familiengerichtliche Genehmigung ebenfalls nicht erforderlich sein, was allerdings aufgrund der persönlichen Haftung der GbR-Gesellschafter derzeit jedoch nicht abschließend geklärt ist.

Ablauf und Optimierung des familiengerichtlichen Verfahrens

Um die Schenkung von Gesellschaftsanteilen an einem Familienpool an Minderjährige erfolgreich und reibungslos durchführen zu können, sind bereits bei Gestaltung des Gesellschaftsvertrags des Familienpools, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Minderjährige noch nicht unmittelbar beteiligt ist, und bei der anschließenden Gestaltung des Schenkungsvertrages einige gestalterische Besonderheiten zum Schutz des Minderjährigen zu beachten. Werden die besonderen Gestaltungsanforderungen nicht von Anfang an berücksichtigt, kann dies zur Folge haben, dass ein Ergänzungspfleger auf nachträgliche Änderungen der Vertragsentwürfe besteht oder sogar eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich wird. Um die damit verbundenen zusätzlichen Kosten und Verzögerungen im Verfahrensablauf zu vermeiden, ist es daher zu empfehlen, bei einer gewünschten Beteiligung von Minderjährigen an einem Familienpool den Gesellschaftsvertrag und Schenkungsvertrag auf die spezifischen Anforderungen einer Beteiligung Minderjähriger auszurichten.

Auch das Familiengericht sollte möglichst frühzeitig einbezogen werden, da das familiengerichtliche Verfahren in der Regel einige Zeit in Anspruch nimmt. Mögliche Anforderungen und Anregungen des Familiengerichts können so bereits frühzeitig im Gestaltungsprozess berücksichtigt werden.

  • Hierzu ist beim Familiengericht die Bestellung eines Ergänzungspflegers anzuregen. Im Rahmen dieser Anregung können auch unverbindliche Vorschläge für die Person des Ergänzungspflegers unterbreitet werden. Auf diese Weise kann oftmals erreicht werden, dass Vertraute der Familie das Amt des Ergänzungspflegers übernehmen und die Kosten für einen berufsmäßigen Ergänzungspfleger vermieden werden. Allerdings ist das Familiengericht an die Vorschläge nicht gebunden, sondern entscheidet allein nach den Interessen des Mündels. Die Vorschläge sollten daher begründet werden und es sollten Personen vorgeschlagen werden, die nachweislich die erforderlichen Kenntnisse besitzen und in keinem Abhängigkeits- oder Verwandtschaftsverhältnis zum Schenker stehen. Das Familiengericht bestellt anschließend den Ergänzungspfleger, der für den Minderjährigen den Schenkungsvertrag über den Gesellschaftsanteil am Familienpool abschließt.
  • Auch wenn eine familiengerichtliche Genehmigung regelmäßig nicht erforderlich ist, sollte beim Familiengericht ein sogenanntes Negativattest und hilfsweise die familiengerichtliche Genehmigung beantragt werden. Mit dem Negativattest spricht das Familiengericht aus, dass eine familiengerichtliche Genehmigung tatsächlich nicht erforderlich ist. Das Registergericht wird die beim Eintritt weiterer Gesellschafter erforderlichen Eintragungen in das Handels- bzw. Gesellschaftsregister regelmäßig nur bei Vorliegen eines Negativattests oder der Genehmigung vornehmen. Erachtet das Familiengericht den Vorgang für genehmigungsbedürftig, kann durch den Hilfsantrag diese Genehmigung bereits bei Antragstellung angefordert werden und Verzögerungen vermieden werden.

Der Antrag sollte von einem mit dem familiengerichtlichen Verfahren vertrauten Experten vorbereitet werden.

Minderjährige im Gesellschafterkreis des Familienpools

Die Schranken der elterlichen Vertretungsmacht für ihre minderjährigen Kinder sind auch nach der Beteiligung des Minderjährigen zu beachten, insbesondere:

Sofern der Minderjährige in einer Personengesellschaft geschäftsführender und vertretungsberechtigter Gesellschafter ist, z.B. mangels abweichender Regelungen in der GbR oder als Komplementär einer KG, wird er bei der Wahrnehmung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis grundsätzlich durch seine Eltern vertreten. Es gelten die oben ausgeführten Grundsätze zu den Schranken der elterlichen Vertretungsmacht (z.B. Verbot der Mehrfachvertretung).

Geschäftsführer einer GmbH kann nur eine unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Ein Minderjähriger kann daher nicht zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden.

Die Eltern können die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft übernehmen, ohne grundsätzlich durch familiengerichtliche Genehmigungserfordernisse beschränkt zu sein. Eine familiengerichtliche Genehmigung kann jedoch im Einzelfall im Rahmen der Geschäftsführung und Vertretung erforderlich sein, wenn (1) die Beteiligung des Minderjährigen an der Gesellschaft nicht genehmigungsbedürftig war und (2) die Eltern nunmehr als geschäftsführende und vertretungsberechtigte Gesellschafter im Namen der Gesellschaft ein anderweitig genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft vornehmen wollen (z.B. Veräußerung und Erwerb von Grundbesitz).

Die Eltern vertreten den Minderjährigen nach den allgemeinen Grundsätzen auch im Rahmen der Gesellschafterversammlung und insbesondere bei der Stimmabgabe. Bei der Beschlussfassung über Maßnahmen der Geschäftsführung und laufender Gesellschaftsangelegenheiten besteht grundsätzlich kein Vertretungsausschluss (z.B. Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung). Die Eltern sind von der Stimmabgabe in Vertretung des Minderjährigen jedoch in Fällen eines Interessenkonflikts (z.B. Änderung des Gesellschaftsvertrags oder Beschlussfassungen, die einen Elternteil persönlich betreffen) ausgeschlossen. In diesen Fällen wäre ein Ergänzungspfleger zu bestellen. In der Praxis sollten sowohl der Minderjährige als auch die Eltern zur Gesellschafterversammlung geladen werden.

Fazit: Ein Thema mit Weitblick

Die Beteiligung Minderjähriger an Familienpools bietet im Rahmen der Vermögensnachfolgeplanung erhebliche Chancen. Auf dem Weg dahin sind jedoch einige rechtliche Herausforderungen zu bewältigen. Um diese bestmöglich zu meistern, ist eine enge Abstimmung mit den zuständigen Familiengerichten unerlässlich. Bei Interesse stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Der Beitrag Minderjähriger Gesellschafter im Familienpool erschien zuerst auf CMS Blog.

Darlegung der Aktivlegitimation – Eine Abmahnung muss ein „Wir sind Mitbewerber“ enthalten

Di, 26.08.2025 - 04:57

In seiner aktuellen Entscheidung hat das LG Frankfurt a. M. (Urteil v. 2. Juli 2025 – 2-06 O 116/25) entschieden, dass Mitbewerber in der Abmahnung die Umstände der Aktivlegitimation mitteilen müssen, was Angaben zum Umfang des Vertriebs bzw. des Nachfragens von Waren und Dienstleistungen enthalten muss.

Worum ging es?

Zwei Betreiber regionaler Online-Nachrichtenportale stritten sich um die Kosten einer Abmahnung. Die Klägerin hatte abgemahnt und eine Unterlassungserklärung sowie die Erstattung ihrer Anwaltskosten verlangt. Mit Blick auf die Aktivlegitimation fand sich in der Abmahnung folgende Passage:

„[…] Unsere Mandantschaft ist auch berechtigt, Ansprüche gemäß § 8 I UWG in Verbindung mit § 3, 5 UWG geltend zu machen, da sie als Mitbewerber in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, § 8 II UWG. Mitbewerber im Sinne des § 8 II Nr. 1 UWG ist gemäß § 2 I Nr. 4 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Unsere Mandantin bietet ebenfalls wie Sie Online-Nachtrichten [sic] an, die sich an dieselbe Region richtet und sie konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Lesenden.

Der Beklagte war der Auffassung, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch zustehe und verlangte widerklagend die Kosten der Rechtsverteidigung.

Das Problem: Fehlende Angaben zur eigenen Geschäftstätigkeit

Die Kammer stellte fest, die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation nicht hinreichend dargelegt. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG verlange vom Abmahnenden darzulegen, dass er tatsächlich in „nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich“ am Markt tätig ist. Es reiche nicht aus, nur zu behaupten, in derselben Branche tätig zu sein und denselben Kundenkreis anzusprechen. Auch wenn von der Klägerin nicht hätte erwartet werden können, dass sie sensible Unternehmensdaten wie konkrete Umsatzzahlen angibt und sich bei einem Online-Nachrichtendienst die Frage stelle, welche Art von „Verkaufszahlen″ angegeben werden können, wäre es dennoch an der Klägerin gewesen, beispielsweise Angaben dazu zu machen, seit wann sie mit ihrem Angebot am Markt ist, um zu zeigen, dass sie „nicht nur gelegentlich“ tätig ist. Auch hätte sie wenigstens die URL der Website ihres Online-Nachrichtendienstes angeben und grobe Angaben zu den monatlichen Aufrufen oder den erwirtschafteten Umsätzen machen können.  

Die Folgen: Abmahnung unwirksam, Kosten müssen ersetzt werden

Weil diese Angaben fehlten, musste die Klägerin nicht nur auf die Erstattung ihrer Abmahnkosten nach § 13 Abs. 3 UWG verzichten. Darüber hinaus musste sie sogar die Rechtsverteidigungskosten des Beklagten auf Basis des von ihr selbst angesetzten Streitwerts von 50.000 EUR erstatten gem. § 13 Abs. 5 UWG.

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Entscheidung schließt sich an die bislang zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ergangene Rechtsprechung (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 9. April 2025 – 2-06 O 357/24 und OLG Köln Urteil v. 4. Oktober 2024 – 6 U 46/24) an und verdeutlich noch einmal, dass lauterkeitsrechtliche Abmahnungen keine Selbstläufer sind. Wer sich ihrer bedient, sollte die in § 13 Abs. 2 UWG verankerten inhaltlichen und formellen Anforderungen ernst nehmen und insbesondere grob darlegen, dass er tatsächlich auf demselben Markt wie der Abgemahnte aktiv ist und zu diesem in Konkurrenz steht. Hierbei sollte nicht nur pauschal auf die Mitbewerbereigenschaft verwiesen werden, sondern es sollten zumindest grobe Angaben zur eigenen Geschäftstätigkeit gemacht werden. Andernfalls kann der Schuss schnell nach hinten losgehen.

Der Beitrag Darlegung der Aktivlegitimation – Eine Abmahnung muss ein „Wir sind Mitbewerber“ enthalten erschien zuerst auf CMS Blog.

Negativemissionen als Teil des Carbon Management

Mo, 25.08.2025 - 09:47

Das Europäische Klimagesetz legt fest, dass die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis spätestens 2050 auf netto null reduziert werden. Nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) muss schon bis 2045 Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden. Über Art. 143h GG hat dieses Ziel sogar seinen Eingang ins Grundgesetz gefunden, ohne dabei jedoch als Staatsziel im Sinne des GG zu gelten. Diese Emissionsminderungsziele sollen vorrangig durch eine Senkung der Treibhausgasemissionen erreicht werden. Darüber hinaus wird es aber auch notwendig sein, der Atmosphäre CO2 zu entnehmen und dauerhaft zu speichern, um unvermeidbare Restemissionen auszugleichen und die Treibhausgas-Konzentration der Atmosphäre wieder zu senken. Sowohl die europäischen als auch die nationalen Klimaziele geben vor, dass ab 2050 negative Emissionen erreicht werden sollen (Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EU) 2021/1119, § 3 Abs. 2 S. 2 KSG).

In diesem Beitrag erläutern wir den Begriff der Negativemissionen und geben einen Überblick zu Methoden und Technologien zur Erzielung von Negativemissionen, dem rechtlichen Rahmen auf europäischer und nationaler Ebene sowie den nächsten Meilensteinen.

Was sind Negativemissionen?

Negativemissionen werden erzielt, indem der Atmosphäre durch menschliche Aktivitäten CO2 oder andere Treibhausgase entzogen werden, die nach der Entnahme möglichst dauerhaft gespeichert oder in Produkten gebunden werden. Es wird daher auch von CO2-bzw. THG-Entnahmen (engl.: Carbon Dioxide Removal (CDR) / Greenhouse Gas Removal (GGR)) gesprochen.

Von Negativemissionen zu unterscheiden ist die Abscheidung von fossilem CO2 direkt an der Emissionsquelle und dessen Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) bzw. dessen Nutzung (Carbon Capture and Utilization – CCU). Diese Technologien entziehen kein CO2 aus der Atmosphäre, sondern verhindern, dass CO2 durch menschliche Aktivitäten überhaupt erst in die Atmosphäre gelangt.

Wichtige Methoden und Technologien zur Erzielung von Negativemissionen

Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kann durch biologische, geochemische oder chemische Aktivitäten erfolgen. Zu den wichtigsten Methoden und Technologien gehören insbesondere:

  • Natürliche Methoden wie Aufforstung, Bodenmanagement und Wiedervernässung von Moorböden

Bäume wandeln atmosphärisches CO2 durch Photosynthese in Biomasse um und speichern dieses in Holz und im Boden. Auch in Böden und Mooren sind große Mengen von CO2 gespeichert. Durch die Erst- und Wiederaufforstung von Wäldern, eine zielgerichtete Bewirtschaftung von Böden zur Erreichung eines höheren CO2-Eintrags und die Wiedervernässung von Moorböden kann daher eine Minderung von Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre erreicht werden. Ebenso kann die Renaturierung der Meeresböden zu einer Stärkung der CO2-Speicherkapazitäten der Ozeane führen.

  • Direkte CO2-Abscheidung aus der Luft und -Speicherung bzw. -Nutzung (DACCU/S)

DACCU/S bezeichnet die Abscheidung von CO2 aus der Luft mittels chemisch-technischer Verfahren. Das abgeschiedene CO2 wird in der Regel in unterirdischen Lagerstätten gespeichert oder in Produkten dauerhaft gebunden (engl.: Direct Air Carbon Capture, Utilisation and Storage/Sequestration).

  • Bioenergienutzung mit CO2– Abscheidung und -Speicherung bzw. -Nutzung (BECCU/S)

Bei BECCU/S handelt es sich um eine Kombination aus der energetischen Nutzung von Biomasse in industriellen Prozessen, Kraftwerken oder Biogasanlagen mit anschließender Abscheidung und Nutzung bzw. Speicherung des CO2. BECCU/S führt zu Negativemissionen, da Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse bei Erfüllung bestimmter Nachhaltigkeits- und Treibhausgaseinsparungskriterien im EU-ETS bereits als sog. Nullemissionen bewertet werden (Art. 14 Abs. 1 Richtlinie 2003/87/EG, Art. 38 Abs. 5 Delegierte Verordnung (EU) 2018/2066) (engl.: Bio-Energy with Carbon Capture, Utilisation and Storage).

  • Thermische Abfallbehandlung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung bzw. – Nutzung (WACCU/S)

Entsprechend der Zusammensetzung der Restabfälle sind bis zu ca. 50 % der bei der thermischen Abfallbehandlung entstehenden CO2-Emissionen biogenen Ursprungs. Werden diese abgeschieden und gespeichert oder in Produkten genutzt, entstehen wie bei BECCU/S Negativemissionen (engl.: Waste Carbon Capture, Utilisation and Storage).

Rechtlicher und politischer Rahmen: Europäische Ebene

Die Europäische Kommission hat am 6. Februar 2024 eine Strategie für das industrielle CO2-Management vorgelegt (COM(2024) 62 final). Darin geht sie davon aus, dass die EU-Klimaziele nur erreicht werden können, wenn bereits vor 2040 industrielle CO2-Entnahmen aus biogenen und atmosphärischen Quellen erfolgen, um schwer vermeidbare Emissionen auszugleichen und anschließend negative Emissionen zu erzielen. Spezifische Ziele für Negativemissionen sollen im Rahmen der Erarbeitung der EU-Klimaziele für 2040 festgelegt werden. Die Forschung und Entwicklung neuartiger industrieller Technologien zu CO2-Entnahmen soll durch den EU-Innovationfonds und das Förderprogramm Horizont Europa gefördert werden.

Im EU-ETS werden Negativemissionen derzeit nicht anerkannt. Die Emissionshandelsrichtlinie sieht jedoch eine Verpflichtung der Kommission vor, bis zum 31. Juli 2026 einen Bericht zu der Frage vorzulegen, wie negative Emissionen im EU-ETS bilanziert und berücksichtigt werden können, ggfs. unter Beifügung eines Legislativvorschlags (Art. 30 Abs. 5 Richtlinie 2003/87/EG). In der Strategie für das industrielle CO2-Management wird die Einbeziehung industrieller CO2-Entnahmen in das EU-ETS oder ein separater Erfüllungsmechanismus für CO2-Entnahmen, der direkt oder indirekt mit dem EU-ETS verbunden ist, erwogen. Dabei wird bereits auf die Herausforderung hingewiesen, die aus der noch erheblichen Diskrepanz zwischen dem CO2-Preis des EU-ETS und den deutlich höheren Kosten für die CO2-Entnahme bspw. durch DACCU/S resultiert.

In der Strategie für das industrielle CO2-Management wird zudem hervorgehoben, dass der Nutzen der Entwicklung einer kritischen CO2-Speicherinfrastruktur über das unmittelbare Ziel der Emissionsreduktion in den nächsten Jahrzehnten hinausgeht, da sie auch nach 2050 noch zu negativen Emissionen in der gesamten Wirtschaft beitragen könnte. Damit die Klimaziele der EU erreicht werden können, hat die EU mit Verordnung (2024/1735) vom 13. Juni 2024 einen Rahmen für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologien geschaffen, damit diese privilegiert behandelt werden. Unter diesem Rahmen werden u.a. Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 sowie Technologien zum Transport und zur Nutzung von CO2 als sogenannte Netto-Null-Technologien erfasst (Art. 4. Abs. 1 lit. g und q Verordnung (EU) 2024/1735). Projekte zur CO2-Speicherung können unter Wahrung bestimmter Kriterien zudem die Qualifikation als strategisches Projekt erreichen, womit ein vorrangiger Status, wie die vorrangige Behandlung in Genehmigungsverfahren, einhergeht (vgl. Art. 13 Abs. 3 i.V.m. Art 15f. Verordnung (EU) 2024/1735). Um den Hochlauf der für die Erreichung der Klimaziele benötigten CO2-Injektions- und Speicherkapazitäten in der Union sicherzustellen, ist in Art. 20 ff. Verordnung (EU) 2024/1735 die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, Datentransparenz und Monitoring im Zusammenhang mit CO2-Speicherung und Transport geregelt worden. Hiernach sind die Mitgliedstaaten angehalten, alle zumutbaren Anstrengungen zum Aufbau der notwendigen CO2-Transportinfrastruktur, einschließlich grenzüberschreitender Infrastruktur, vorzunehmen und Daten über alle Gebiete, in denen CO2-Speicherstätten (einschließlich saliner Aquiferen), die in ihrem Hoheitsgebiet genehmigt werden könnten, öffentlich zugänglich machen.

Mit der EU Verordnung (2024/3012) vom 27. November 2024 zur Schaffung eines Unionsrahmens für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen (Carbon Removal Certification Framework, CRCF) wurde zudem ein Unionsrahmen für die Zertifizierung dauerhafter CO2-Entnahmen, der kohlenstoffspeichernden Landbewirtschaftung (carbon farming) und der CO2-Speicherung in Produkten geschaffen, mit dem Ziel, hochwertige CO2-Entnahmen anzureizen. Die Zertifikate können zum Nachweis klima- und anderer umweltbezogener Aussagen von Unternehmen verwendet sowie über freiwillige CO2-Märkte ausgetauscht werden (ErwG 41).

Rechtlicher und politischer Rahmen: Nationale Ebene

Nach dem KSG müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 % und bis 2040 um mindestens 88 % gegenüber 1990 reduziert werden (§ 3 Abs. 1 KSG). Diese Ziele sind als reine Minderungsziele ausgestaltet und müssen daher ohne den Einsatz von Negativemissionen erreicht werden (vgl. § 3b Satz 4 KSG). Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Februar 2024 vorgelegten Eckpunkte zur Langfriststrategie Negativemissionen sehen für Negativemissionen in Deutschland langfristig eine Doppelrolle vor. Zum einen sollen unvermeidbare Restemissionen durch Negativemissionen ausgeglichen werden, um Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen und zu halten (vgl. auch § 3 Abs. 2 S. 1 KSG). Zum anderen sollen nach dem Jahr 2050 weitere, die Restemissionen übersteigende Negativemissionen dazu beitragen, der Atmosphäre insgesamt mehr Treibhausgasemissionen zu entnehmen, als im selben Zeitraum freigesetzt werden (vgl. auch § 3 Abs. 2 Satz 2 KSG).

Im Rahmen der letzten Novellierung des KSG wurde (mit Wirkung zum 17.07.2024) in § 3b KSG eine Neuregelung zum Beitrag technischer Senken wie BECCS oder DACCS zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele nach § 3 Abs. 2 KSG eingefügt. Darin wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung verbindliche Ziele für technische Senken für die Jahre 2035, 2040 und 2045 zu bestimmen. Grundlage für die Festlegungen soll die aktuell in Erarbeitung befindliche Langfriststrategie Negativemissionen zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen (LNe) sein (§ 3b Satz 5 KSG). Der Beitrag des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) bleibt hiervon unberührt; eine Verrechnung zwischen den Beiträgen nach § 3a und § 3b KSG findet nicht statt (BT-Drucks. 20/8290, S. 20).

Neben den Zielwerten für die Jahre 2035, 2040 und 2045 soll die LNe auch eine Zielgröße für die insgesamt netto-negativen Treibhausgasemissionen in Deutschland für das Jahr 2060 vorschlagen.

Nächster Meilenstein: Langfriststrategie Negativemissionen im Einklang mit nationalem Strategiepaket

Ziel der neuen Bundesregierung ist es, zu Beginn der 21. Legislatur eine umfassende und langfristige Strategie zum Umgang mit Negativemissionen vorzulegen. Im Rahmen der LNe sollen insbesondere rechtliche Änderungsbedarfe identifiziert und Vorschläge für ein zuverlässiges Monitoring und eine transparente Zertifizierung von Negativemissionen entwickelt werden. Methoden und Technologien zur Erzielung von Negativemissionen müssen zudem rechtzeitig entwickelt und skaliert werden. Die LNe wird daher voraussichtlich auch Festlegungen zum Einsatz staatlicher Förderinstrumente für den Ausbau von Negativemissionstechnologien treffen. Soweit die Negativemissionstechnologien eine Nutzung von Biomasse vorsehen, wird zudem die Nationale Biomassestrategie zu beachten sein.

Für alle Negativemissionstechnologien, die die technische Abscheidung oder Speicherung von CO2 beinhalten und daher auf eine CO2-Leitungs- und Speicherinfrastruktur angewiesen sind, wird neben der LNe die ebenfalls in Vorbereitung befindliche Carbon Management Strategie der neuen Bundesregierung und das weitere Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) zu einem Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetz (KSpTG) von maßgeblicher Bedeutung sein. Mit dem Beschluss der Eckpunkte der Carbon Management-Strategie (CMS-E) hat die vorherige Bundesregierung hierfür bereits die ersten Weichen gestellt. Bisher sind CO2-Speicher in Deutschland nicht genehmigungsfähig und der Export von CO2 ins Ausland zwecks Speicherung im Meeresboden verboten. Das soll sich demnächst ändern. Die CMS-E sehen die künftige Ermöglichung für den Bau und Betrieb von Anlagen zur dauerhaften Speicherung von CO2 im industriellen Maßstab vor. Die Speicherung von CO2 im Meeresboden soll in Gebieten, die sich hierfür eignen und nicht in oder um ein Meeresschutzgebiet befinden, in größerem Umfang erlaubt werden. Die Zulässigkeit von der Speicherung auf dem deutschen Festland soll von der Erlaubnis der jeweiligen Bundesländer abhängen.

Am 6. August 2025 hat das Kabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des KSpG beschlossen. Darin ist ein großer Teil der in den CMS-E skizzierten Punkte enthalten. Eine Neuerung dieses Gesetzentwurfs im Vergleich zum Entwurf der letzten Bundesregierung ist die Einordnung der Errichtung und des Betriebs von CO2-Speichern und -Leitungen als überragendes öffentliches Interesse, wodurch eine Behördenentscheidung im jeweiligen Planfeststellungsverfahren zugunsten entsprechender Anlagen und Leitungen erleichtert werden soll. Diese Einordnung entspricht der Vorgabe des Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD über entsprechende Anlagen und Leitungen. Insbesondere für CO2-Leitungen, die unmittelbar an Wasserstoffleitungen verlaufen sollen, soll die Planung erheblich vereinfacht werden.

Kurz- und mittelfristig werden die Neuerungen hinsichtlich des Transports von CO2 von noch größerer Bedeutung sein. Neben der vereinheitlichten und beschleunigten Planung und Genehmigung für die Transportinfrastruktur durch das neue KSpTG soll der Export von CO2 ins Ausland, vornehmlich in weitere Nordsee-Anrainerstaaten, ermöglicht werden.

Ob die neue Bundesregierung die übrigen in den CMS-E anvisierten Pläne umsetzen wird, ohne hieran weitere Änderungen vorzunehmen, bleibt abzuwarten. Im Koalitionsvertrag ist jedenfalls vom umgehenden Beschluss eines Gesetzespaketes die Rede, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht. Hinsichtlich des Transports und der Speicherung von CO2 wurde nun der erste Schritt unternommen. Weitere Maßnahmen, um die Erzielung von Negativemissionen zu unterstützen, sind zu erwarten. Laut des Koalitionsvertrags betrachte man Direct Air Capture als eine mögliche Zukunftstechnologie, um Negativemissionen zu heben.

Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zur Dekarbonisierung der Industrie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. 

Der Beitrag Negativemissionen als Teil des Carbon Management erschien zuerst auf CMS Blog.

Tarifwerk GVP/DGB: Abschaffung der Schriftform für Arbeitsverträge

Mo, 25.08.2025 - 04:59

Sowohl im MTV BAP/DGB als auch im MTV iGZ/DGB ist vorgesehen, dass der Abschluss des Arbeitsvertrags „schriftlich″, also mit „wet ink″, zu erfolgen hat. Es dürfte sich dabei allerdings nur um eine Ordnungsvorschrift handeln; bei einem Verstoß wäre der Arbeitsvertrag daher – unter Berücksichtigung von Arbeitnehmerschutzaspekten – nicht unwirksam, jedoch würde ein Verstoß gegen die tariflichen Bestimmungen vorliegen, der ggf. verbandsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Das strenge Schriftformerfordernis ist nach dem neuen MTV GVP/DGB (endlich!) Geschichte. In § 2.1 ist vorgesehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG mindestens in Textform abzuschließen hat. Auf Verlangen ist dem Arbeitnehmer im Einzelfall ein schriftlicher Arbeitsvertrag auszuhändigen.

Damit wird im MTV GVP/DGB der Rechtszustand tariflich nachgezeichnet, den der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2025 durch das sog. Bürokratieentlastungsgesetz IV (kurz: BEG IV) vorgezeichnet hat, indem er im NachwG eine sog. qualifizierte Textform für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen zugelassen hat. 

Diese Form wird nun von den Tarifvertragsparteien im MTV GVP/DGB für den Abschluss eines Arbeitsvertrages übernommen, der zukünftig auch – nach den näheren Vorgaben von § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG – textförmlich, z.B. per E-Mail, geschlossen werden kann, jedoch kann der Zeitarbeitnehmer weiterhin einen schriftlichen Arbeitsvertrag („wet ink″) verlangen; diese Ausnahme ist im NachwG ebenfalls angelegt bzw. vorgesehen. 

Bislang ist nicht abschließend geklärt, ob die Erleichterung bei der einzuhaltenden Form des Arbeitsvertrages auch gilt, wenn ein Zeitarbeitnehmer in Wirtschaftsbereichen oder -zweigen tätig wird, die in § 2a SchwarzArbG genannt sind, z.B. in der Gebäudereinigung (s. dazu: § 2 Abs. 1 S. 6 NachwG). U.E. dürften die besseren Argumente dafür sprechen, dass die qualifizierte Textform des NachwG (i.V.m. MTV GVP/DGB) in diesem Zusammenhang hinreichend und die strenge Schriftform nicht zu beachten ist (vgl. Bissels in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 14. Auflage 2025, D. Arbeitnehmerüberlassungsrecht Rn. 78a; BeckOK/Motz, § 11 AÜG Rn. 4b.1.).

Die Tarifvertragsparteien haben vereinbart, dass diese Änderung bereits ab dem 01.08.2025 gelten soll. Zu diesem Zweck sollen die bisherigen Tarifwerke BAP/DGB und iGZ/DGB angepasst werden. Damit können die Tarifanwender schon vor Inkrafttreten des GVP/DGB-Tarifwerks von der vorgesehenen Formerleichterung profitieren und sich diese nutzbar machen. Sollte das Zeitarbeitsunternehmen die Arbeitsverträge mit seinen Mitarbeitern bislang schriftlich abgeschlossen haben und daran nichts ändern wollen, ist dies freilich weiterhin möglich und selbstverständlich zulässig.

ACHTUNG: Soll der Arbeitsvertrag mit einem Zeitarbeitnehmer befristet vereinbart werden, bedarf die Befristungsabrede auch nach dem 01.08.2025 weiterhin der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Ansonsten ist diese unwirksam und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Da die Befristung in der Regel arbeitsvertraglich vereinbart wird, „infiziert″ das Schriftformerfordernis der Befristung den gesamten Arbeitsvertrag. Nach überwiegender Ansicht kann die Schriftform bei der Befristung durch die Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 126a BGB: elektronische Form) gewahrt werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die (tariflich ermöglichte) Formerleichterung ins Leere läuft, wenn das Zeitarbeitsunternehmen in einem Arbeitsvertrag wirksam eine Befristung vorsehen möchte. Dieses muss dann die strenge Schriftform oder zumindest die elektronische Form nach § 126a BGB wahren. Abhilfe kann in diesem Zusammenhang nur der Gesetzgeber schaffen, indem dieser das gesetzliche Schriftformerfordernis in § 14 Abs. 4 TzBfG aufhebt oder zumindest abschwächt. Ob dies in dieser Legislatur geschehen wird, was zu hoffen ist, bleibt abzuwarten.

Der Beitrag Tarifwerk GVP/DGB: Abschaffung der Schriftform für Arbeitsverträge erschien zuerst auf CMS Blog.