Art. 21 GG
BVerfG, 21.03.1961 - 2 BvR 27/60
1. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu.
2. Das in erster Linie die Parteiorganisation schützende Privileg des Art. 21 Abs. 2 GG erstreckt sich auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei. Ihre Tätigkeit ist durch das Parteienprivileg auch dann gestützt, wenn ihre Partei durch eine spätere Entscheidung des BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird.
3. Die Rechtsordnung kann nicht ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit die verfassungsrechtlich eingeräumte Freiheit, eine Partei zu gründen und für sie im Verfassungsleben zu wirken, nachträglich als rechtswidrig behandeln.
BVerfG, 12.07.1960 - 2 BvR 373/60; 2 BvR 442/60
1. Die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl beziehen sich auch auf das Wahlvorschlagsrecht.
2. Aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung folgt, daß in einem Kommunalwahlgesetz auch ortsgebundenen, lediglich kommunale Interessen verfolgenden Wählergruppen (Rathausparteien oder Wählervereinigungen) das Wahlvorschlagsrecht und deren Kandidaten eine chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen gewährleistet sein muß.
BVerfG, 24.06.1958 - 2 BvF 1/57
1. Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassung wegen eine entscheidende Rolle zukommt, ist es zulässig, nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen.
2. Auch ein Gesetz, das in seinem Wortlaut eine ungleiche Behandlung vermeidet und seinen Geltungsbereich abstrakt allgemein umschreibt, widerspricht dem Gleichheitssatz dann, wenn sich aus seiner praktischen Auswirkung eine offenbare Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. Nicht die äußere Form, sondern der materiell-rechtliche Gehalt ist entscheidend.
3. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, bestehende faktische, auf der unterschiedlichen soziologischen Struktur der politischen Parteien beruhende Verschiedenheiten der Wettbewerbschancen auszugleichen. Aber er darf nicht ohne zwingenden Grund eine Regelung treffen, die eine schon bestehende faktische Ungleichheit der Wettbewerbschancen der Parteien verschärft.
4. Eine durch ein Gesetz geschaffene unterschiedliche steuerliche Behandlung der Einflußnahme des Bürgers auf die politische Willensbildung je nach der Höhe des Einkommens durch Gewährung von Steuervorteilen für Spenden an politische Parteien verträgt sich nicht mit dem Grundsatz der formalen Gleichheit, der die Ausübung politischer Rechte in der freien Demokratie beherrscht.
BVerfG, 03.09.1957 - 2 BvR 7/57
1. Einer politischen Partei steht der Weg der Verfassungsbeschwerde offen, wenn sie behauptet, durch eine Verwaltungsmaßnahme in ihrem Recht auf gleichberechtigte Benutzung einer Anstalt des öffentlichen Rechts verletzt zu sein.
2. Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts können als Träger öffentlicher Gewalt hoheitlich tätig werden; bei der Zuteilung und Verweigerung von Sendezeiten an politische Parteien übt die Rundfunkanstalt öffentliche Gewalt im Sinne des § 90 Absatz 1 BVerfGG aus.
3. Wenn das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde stattgibt, so kann es nicht über die Beseitigung der Beschwer hinaus (§ 95 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 BVerfGG) dem Träger der öffentlichen Gewalt ein bestimmtes Verhalten aufgeben.
4. Artikel 3 GG wird verletzt, wenn Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts, die politischen Parteien Sendezeit für die Wahlpropaganda einräumen, einzelne Parteien davon ausschließen, obwohl Landeslisten für diese Parteien im Sendebereich zugelassen sind.
Die Anwendung des Grundsatzes der gleichen Wettbewerbschancen der Parteien im Bereich der Wahlpropaganda durch den Rundfunk erfordert nicht, daß alle Parteien in gleichem Umfange zu Wort kommen müssen; die den einzelnen Parteien zuzuteilenden Sendezeiten können nach der Bedeutung der Parteien verschieden bemessen werden.
BVerfG, 13.06.1956 - 1 BvR 315/53; 1 BvR 309/53; 1 BvR 286/53
1. Die Vorschrift, daß Wahlvorschläge parteifreier Wählergruppen von 500 Wahlberechtigten unterzeichnet sein müssen, verletzt weder die Wahlgleichheit noch den Grundsatz der Geheimhaltung der Wahl.
2. Die Nichtberücksichtigung der Zweitstimmen von Wählern erfolgreicher parteiloser Bewerber verstößt nicht gegen die Wahlgleichheit.
BVerfG, 03.06.1954 - 1 BvR 183/54
1. Politische Parteien können, auch wenn sie nicht rechtsfähig sind, ihr Recht auf gleiche Chancen bei der Zulassung zu einer Landtagswahl im Wege einer auf Art. 3 GG gestützten Verfassungsbeschwerde geltend machen.
2. Zulassungsbedingungen für Wahlvorschläge dürfen – soweit sie nicht überwiegend formale Bedeutung haben – grundsätzlich nur solchen Parteien auferlegt werden, bei denen Zweifel bestehen können, ob sie nach ihrer zahlenmäßigen Bedeutung und Beständigkeit in dem jeweils in Betracht kommenden politischen Raum geeignet sind, bei der Bildung funktionsfähiger Mehrheiten und Regierungen mitzuwirken.
3. Das Erfordernis von 100 Unterschriften für Kreiswahlvorschläge (§ 20 Abs. 2 Satz 3 des Wahlgesetzes von Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 26. März 1954) überschreitet bei der besonderen Ausgestaltung des Wahlsystems in Nordrhein-Westfalen nicht die Grenze des nach Art. 3 GG Zulässigen.
4. Der Gesetzgeber von Nordrhein-Westfalen war angesichts der Verschiedenheit des Wahlsystems in Bund und Land durch Art. 3 GG nicht gezwungen, Parteien, die bei der letzten Bundestagswahl auf die Landesliste Bundestagsmandate erhalten hatten, bei der Zulassung zur Landtagswahl ebenso vom Unterschriftenquorum zu befreien wie Parteien, die in der letzten Wahlperiode ununterbrochen mit mindestens drei Abgeordneten im Landtag vertreten waren.
5. Art. 21 GG ist nicht dadurch verletzt, daß nach dem Landeswahlgesetz von Nordrhein-Westfalen eine Partei bei Einreichung eines Wahlvorschlages Satzung und Programm vorlegen und einen nach demokratischen Grundsätzen gewählten Vorstand nachweisen muß.