Art. 21 GG
BVerfG, 07.05.1957 - 2 BvH 1/56
1. Eine auf Landesebene organisierte und tätige politische Partei, die geltend macht, die Gleichheit der Wettbewerbschancen bei den Gemeindewahlen sei durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens verletzt, kämpft um ihr Recht auf Teilhabe am Verfassungsleben. Sie kann daher insoweit beim Bundesverfassungsgericht einen Organstreit anhängig machen.
2. Der den politischen Parteien durch Art. 21 GG verliehene verfassungsrechtliche Status kommt ihnen auch in der Verfassungsordnung der Länder zu.
BVerfG, 17.10.1968 - 2 BvE 4/67
Leitsätze
1. Zum Begriff einer politischen Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GG gehört der Wille der Partei, an Wahlen in Bund oder Ländern innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne teilzunehmen.
2. § 2 Abs. 2 PartG konkretisiert den Art. 21 Abs. 1 GG. Er schränkt weder die Freiheit der Parteien in verfassungswidriger Weise ein, noch verstößt er gegen das verfassungsmäßig garantierte Verbot der Rückwirkung von Gesetzen.
3. § 2 Abs. 2 PartG ist vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an auf jede Partei anzuwenden, gleichgültig, ob sie sich vor oder nach diesem Zeitpunkt gebildet hat.
4. Eigene Wahlvorschläge im Sinne des § 2 Abs. 2 PartG sind nur die nach den Vorschriften des Wahlrechts zugelassenen und öffentlich bekanntgemachten Wahlvorschläge einer Partei, die diese unter ihrem Namen eingereicht hat.
BVerfG, 19.07.1966 - 2 BvF 1/65
1. Das Bundeshaushaltsgesetz (Art. 110 Abs. 2 GG) stellt nicht lediglich ein im Haushaltsplan enthaltenes Zahlenwerk fest, sondern enthält zugleich die Bewilligung der im Haushaltsplan ausgeworfenen Mittel, also die Ermächtigung an die Regierung, diese Mittel für die in den Titeln des Haushaltsplans festgelegten Zwecke auszugeben. Solche Ermächtigungsvorschriften sind Recht im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 BVerfGG und können deshalb im Normenkontrollverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft werden.
2. Der Grundgesetzgeber hat sich, indem er die freiheitliche demokratische Grundordnung geschaffen hat, für einen freien und offenen Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes entschieden. Dieser Prozeß muß sich vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen. Den Staatsorganen ist es grundsätzlich verwehrt, sich in bezug auf diesen Prozeß zu betätigen (Art. 20 Abs. 2, 21 GG).
3. Einwirkungen der Staatsorgane auf diesen Prozeß sind nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn sie durch einen besonderen, sie verfassungsrechtlich legitimierenden Grund gerechtfertigt werden können.
4. Mit dem demokratischen Grundsatz der freien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen ist es nicht vereinbar, den Parteien Zuschüsse aus Haushaltsmitteln des Bundes für ihre gesamte Tätigkeit im Bereich der politischen Meinungs- und Willensbildung zu gewähren.
5. Art. 21 Abs. 1 GG, der die Struktur der Parteien als frei konkurrierender, aus eigener Kraft wirkender und vom Staat unabhängiger Gruppen verfassungskräftig festlegt, verbietet es, die dauernde finanzielle Fürsorge für die Parteien zu einer Staatsaufgabe zu machen.
BVerfG, 30.05.1962 - 2 BvR 158/62
1. Die Verteilung von Sendezeiten im Rundfunk zum Zwecke der Wahlpropaganda muß am Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien gemessen werden.
2. Der Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen fordert, daß die Rechtsordnung jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und Wahlverfahren und damit die gleiche Chance im Wettbewerb um die Wählerstimmen gewährleistet.
3. Mit dem Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen verträgt es sich, die jeweilige Bedeutung der politischen Parteien bis zu einem gewissen Grade bei der Bemessung der Sendezeiten zur Wahlpropaganda in Rechnung stellen.
BVerfG, 21.03.1961 - 2 BvR 27/60
1. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu.
2. Das in erster Linie die Parteiorganisation schützende Privileg des Art. 21 Abs. 2 GG erstreckt sich auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei. Ihre Tätigkeit ist durch das Parteienprivileg auch dann gestützt, wenn ihre Partei durch eine spätere Entscheidung des BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird.
3. Die Rechtsordnung kann nicht ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit die verfassungsrechtlich eingeräumte Freiheit, eine Partei zu gründen und für sie im Verfassungsleben zu wirken, nachträglich als rechtswidrig behandeln.
BVerfG, 12.07.1960 - 2 BvR 373/60; 2 BvR 442/60
1. Die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl beziehen sich auch auf das Wahlvorschlagsrecht.
2. Aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung folgt, daß in einem Kommunalwahlgesetz auch ortsgebundenen, lediglich kommunale Interessen verfolgenden Wählergruppen (Rathausparteien oder Wählervereinigungen) das Wahlvorschlagsrecht und deren Kandidaten eine chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen gewährleistet sein muß.
BVerfG, 24.06.1958 - 2 BvF 1/57
1. Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassung wegen eine entscheidende Rolle zukommt, ist es zulässig, nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen.
2. Auch ein Gesetz, das in seinem Wortlaut eine ungleiche Behandlung vermeidet und seinen Geltungsbereich abstrakt allgemein umschreibt, widerspricht dem Gleichheitssatz dann, wenn sich aus seiner praktischen Auswirkung eine offenbare Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. Nicht die äußere Form, sondern der materiell-rechtliche Gehalt ist entscheidend.
3. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, bestehende faktische, auf der unterschiedlichen soziologischen Struktur der politischen Parteien beruhende Verschiedenheiten der Wettbewerbschancen auszugleichen. Aber er darf nicht ohne zwingenden Grund eine Regelung treffen, die eine schon bestehende faktische Ungleichheit der Wettbewerbschancen der Parteien verschärft.
4. Eine durch ein Gesetz geschaffene unterschiedliche steuerliche Behandlung der Einflußnahme des Bürgers auf die politische Willensbildung je nach der Höhe des Einkommens durch Gewährung von Steuervorteilen für Spenden an politische Parteien verträgt sich nicht mit dem Grundsatz der formalen Gleichheit, der die Ausübung politischer Rechte in der freien Demokratie beherrscht.