BVerfG, 05.04.1960 - 1 BvL 31/57

Daten
Fall: 
Darreichende Verwaltung
Fundstellen: 
BVerfGE 11, 50; BB 1960, 457; DVBl 1960, 512; MDR 1960, 468; NJW 1960, 955; ZLA 1960, 201
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
05.04.1960
Aktenzeichen: 
1 BvL 31/57
Entscheidungstyp: 
Beschluss

1. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Rahmen der Verfassung ist bei der Regelung von Ansprüchen im Bereich der darreichenden Verwaltung nach der Natur der Sache weiter gespannt als bei der gesetzlichen Regelung staatlicher Eingriffe.
2. Ist im Bereich der darreichenden Verwaltung die Schlechterstellung von Ehegatten in bestimmten Fällen Nebenfolge einer grundsätzlich die Ehe begünstigenden Gesamtregelung, so ist Art. 6 Abs. 1 GG nicht verletzt.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 5. April 1960
-- 1 BvL 31/57 --

in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung vom § 16 Absatz 3 Satz 1 des Feststellungsgesetzes - FeststG -, vom 14. August 1952 (BGBl. I S. 535), und von § 293 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG -, vom 14. August 1952 (BGBl. I S. 446), auf Antrag des Verwaltungsgerichts Darmstadt - Az. III/ 841/56.

Entscheidungsformel:
§ 16 Absatz 3 Satz 1 des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden -- Feststellungsgesetz -- vom 14. August 1952 (BGBl. I S. 535) und § 293 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes über den Lastenausgleich -- Lastenausgleichsgesetz -- vom 14. August 1952 (BGBl. I S. 446) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

I.

Nach den zur Prüfung vorgelegten Bestimmungen gelten für die Hausratsentschädigung -- ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse -- beide Ehegatten als Geschädigte, sofern sie im Zeitpunkt der Schädigung im gemeinsamen Haushalt gelebt haben; doch kann nur ein Antrag gestellt werden (§ 16 Abs. 3 Satz 1 FeststG); es wird infolgedessen auch nur eine Entschädigung gewährt, und zwar demjenigen der beiden Ehegatten, für den der Hausratverlust festgestellt worden ist (§ 293 Abs. 2 Satz 1 und 2 LAG).

II.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und ihr jetziger Ehemann haben am 10. Februar 1945 geheiratet. Beide waren damals verwitwet; jeder von ihnen hatte eine aus drei Räumen bestehende Wohnung mit vollständigem Hausrat auf einer Insel östlich der Oder-Neiße-Linie. In die Wohnung samt Einrichtung des damals als Wachmann außerhalb beschäftigten Ehemannes war jedoch im Oktober 1943 ein Flüchtlingsehepaar eingewiesen worden; seit dieser Zeit gewährte die Klägerin ihm während seines Urlaubs Obdach und Verpflegung. Auch nach der Verheiratung verbrachte er noch einen kurzen Urlaub in ihrer Wohnung. Bei der Vertreibung mußten beide Ehegatten ihren Hausrat zurücklassen. Damals wurden sie, da der Ehemann zum Volkssturm eingezogen war, getrennt, doch trafen sie im September 1946 wieder zusammen und führen seitdem einen gemeinsamen Haushalt. Beide Ehegatten haben selbständig Hausratsentschädigung beantragt. Der Antrag des Ehemannes ist am 2. Februar, der der Ehefrau am 3. Februar 1953 bei der zuständigen Gemeindebehörde eingegangen. Dem Ehemann ist die Entschädigung einschließlich eines Zuschlages für die Ehefrau zuerkannt, der Antrag der Ehefrau ist durch Bescheid des Kreisausschusses abgewiesen worden. Gegen den Beschluß des Beschwerdeausschusses, der diese Entscheidung bestätigte, erhob die Ehefrau Anfechtungsklage.

III.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt, bei dem die Klage anhängig ist, hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,

ob § 16 Abs. 3 des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungs- und Kriegssachschäden vom 14. August 1952 nebst § 293 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes vom 14. August 1952

verfassungswidrig sind.

Das Verwaltungsgericht sieht als erwiesen an, daß die Klägerin des Ausgangsverfahrens und ihr Ehemann im Zeitpunkt der Schädigung im gemeinsamen Haushalt gelebt haben; es müßte daher die Klage nach den zur Prüfung vorgelegten Bestimmungen abweisen; bei ihrer Nichtigkeit würde es der Klage stattgeben.

1.

Das Gericht hält beide Bestimmungen für unvereinbar mit der Gewährleistung des Schutzes der Ehe in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, weil ohne diese einschränkende Regelung jedem der beiden Gatten eine Hausratsentschädigung zustehen würde, wenn, wie es häufig vorkomme, ein Gatte den überwiegenden Teil, der andere einen kleineren Teil, jedenfalls aber die Mindesteinrichtung eines Wohnraumes (§ 16 Abs. 4 FeststG) an Hausrat eingebracht habe. Da die Summe zweier Hausratsentschädigungen selbst der niedrigsten Stufe stets höher sei als eine einzelne Entschädigungsleistung selbst nach einer höheren Gruppe, führe das immer zu einer Beeinträchtigung der Gatten gegenüber anderen Personen, die im Zeitpunkt der Schädigung im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten, und zwar auch dann, wenn man berücksichtige, daß Ehegatten unter Umständen eine höhere Einstufung erhielten, weil bei der Einstufung die Einkünfte beider Ehegatten in Rechnung gestellt würden (§ 16 Abs. 1 FeststG). Diese Beeinträchtigung sei aus dem Charakter der Hausratsentschädigung nicht zu rechtfertigen, denn diese solle im wesentlichen eine erste Entschädigung sein und nur in zweiter Linie -- durch Berücksichtigung des Familienstandes vom 1. April 1952 (§ 295 Abs. 3 Satz 1 LAG) -- Sozialleistung. Die Regelung könne auch nicht -- wie etwa die der Unterhaltshilfe des Lastenausgleichsgesetzes -- aus dem Gesichtspunkt der Familieneinheit oder mit der Vereinfachung der Schadensfeststellung, also einer Entlastung der Behörden begründet werden.

Das Verwaltungsgericht sieht als erwiesen an, daß die Klägerin des Ausgangsverfahrens und ihr Ehemann im Zeitpunkt der Schädigung im gemeinsamen Haushalt gelebt haben; es müßte daher die Klage nach den zur Prüfung vorgelegten Bestimmungen abweisen; bei ihrer Nichtigkeit würde es der Klage stattgeben.

2.

Die Bundesregierung ist unter Verzicht auf mündliche Verhandlung dem Verfahren beigetreten und hat durch den Bundesminister der Finanzen Stellung genommen, der Art. 6 Abs. 1 GG nicht für verletzt hält. Er hat Ausführungen über den allgemeinen Charakter der Lastenausgleichsansprüche und über die Eigenart der Hausratentschädigung insbesondere gemacht: die Pauschalierung nach drei Stufen, die Einstufung nach dem Lebenszuschnitt zur Zeit der Schädigung und die Berücksichtigung des Familienstandes zur Zeit des Inkrafttretens des Lastenausgleichsgesetzes. Zur Rechtfertigung der angegriffenen Bestimmungen hat er sich ferner auf die Einheit der Familie und die Schwierigkeit vollständiger Aufklärung von Tatbeständen berufen, die zwölf und mehr Jahre zurückliegen, sowie auf die Notwendigkeit rascher Erledigung der Anträge auf Hausratentschädigung. Vor allem hat er geltend gemacht, daß bei dem häufigsten Sachverhalt, wenn nämlich der Hausrat im wesentlichen einer Person gehöre, Verheiratete günstiger gestellt seien als Unverheiratete; aber auch wenn man die Ausnahmefälle betrachte, daß zwei Personen, jede mit eigenem Hausrat, einen gemeinsamen Haushalt geführt hätten, ergebe ein Vergleich von Ehegatten mit anderen Personen -- etwa einer Mutter und ihrem erwachsenen Sohn -- durchaus nicht immer eine Benachteiligung der Ehegatten. Wenn in einem Teil solcher Fälle eine geringfügige Schlechterstellung vorliege, so sei das eine unbeabsichtigte Nebenfolge der Gesamtregelung, die keinen Verfassungsverstoß darstelle.

B.

Die Vorlage ist zulässig, bedarf aber der Präzisierung. Lastenausgleichsgesetz und Feststellungsgesetz sind mehrfach geändert worden -- und werden nachstehend in der jetzt gültigen Fassung zitiert. Die hier entscheidungserheblichen Sätze sind zwar von den Änderungsgesetzen nicht berührt worden, doch hat das Dritte Änderungsgesetz weitere Bestimmungen angefügt. In ihrer gegenwärtigen Fassung enthalten § 16 Abs. 3 des Feststellungsgesetzes in Satz 2 und § 293 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes in Satz 3 Regeln für den Fall, daß ein Ehegatte verstorben ist; § 293 Abs. 2 Satz 4 LAG behandelt ferner den Fall, daß die Ehegatten getrennt leben oder geschieden sind. Diese Bestimmungen sind für die Entscheidung im Ausgangsverfahren nicht erheblich. Die verfassungsrechtliche Prüfung ist also auf § 16 Abs. 3 Satz 1 FeststG und § 293 Abs. 2 Satz 1 und 2 LAG zu beschränken.

C.

Diese Bestimmungen sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

Sinn des Lastenausgleichsgesetzes ist es, für die durch den Krieg und seine Folgen besonders betroffenen Teile der Bevölkerung einen "die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigenden Ausgleich von Lasten und ... die zur Eingliederung der Geschädigten notwendige Hilfe" herbeizuführen (Präambel des Lastenausgleichsgesetzes). Das Gesetz bestimmt die Aufbringung der hierzu erforderlichen Mittel durch "Ausgleichsabgaben" ebenso wie Art und Höhe der "Ausgleichsleistungen" (§§ 1, 2 LAG).

1.

Die Hausratentschädigung wird zur Abgeltung von Vertreibungsschäden, Kriegsschäden und Ostschäden gewährt, die in dem Verlust von Hausrat bestehen (§ 293 Abs. 1 LAG), wenn der Geschädigte mindestens die Möbel für einen Wohnraum zu Eigentum besessen (§ 16 Abs. 4 FeststG) und seinen Hausrat zu mehr als 50 v. H. verloren hat (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und § 16 Abs. 5 FeststG). Voraussetzung für die Gewährung der Hausratentschädigung ist die -- bindende -- Feststellung nach dem Feststellungsgesetz (§§ 235, 236 LAG).

2.

Ausgleichsleistungen stehen im Regelfall dem unmittelbar Geschädigten zu (§ 293 Abs. 1 LAG), und nur er kann demgemäß die Feststellung beantragen (§ 10 FeststG). Für den Fall jedoch, daß Ehegatten bei Eintritt des Hausratverlustes einen gemeinsamen Haushalt geführt haben, geben § 293 Ab. 2 LAG und § 16 Abs. 3 FeststG eine besondere Regelung. Danach gelten als Geschädigte, ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse, beide Ehegatten; jeder von ihnen ist antragsberechtigt, doch kann nur ein Antrag gestellt werden; gezahlt wird die Hausratentschädigung an denjenigen, für den die Feststellung erfolgt ist.

3.

Für die Höhe der Hausratentschädigung ist weder der Umfang noch der Wert des verlorenen Hausrates maßgebend. Die Entschädigung ist vielmehr in nur drei Stufen pauschaliert, und die Einstufung richtet sich nach dem Lebenszuschnitt in der Zeit der Schädigung. Daneben wird der Familienstand berücksichtigt; Stichtag hierfür ist jedoch der l. April 1952, der Zeitpunkt, in dem die Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz als entstanden gelten. Einer Feststellung bedarf also nur die Tatsache des Verlustes und der Lebenszuschnitt in der Zeit der Schädigung.

a) Für die Feststellung des Lebenszuschnitts wird grundsätzlich von den Einkünften ausgegangen, "die der unmittelbar Geschädigte und die zu seinem Haushalt gehörenden und von ihm wirtschaftlich abhängigen Familienangehörigen" "im Durchschnitt der Jahre 1937, 1938 und 1939" bezogen haben. Hilfsweise kann das Vermögen oder der Beruf des Geschädigten als Maßstab herangezogen werden (§ 16 Abs. 1 FeststG). Nach der Hauptregel ist festzustellen, ob die Einkünfte des Geschädigten betragen haben

(1) bis zu 4000 RM jährlich, (2) bis zu 6500 RM jährlich, (3) über 6500 RM jährlich (§ 16 Abs. 2 FeststG).

b) Diesen drei Einkommensstufen entsprechen Entschädigungen von 1200, 1600 oder 1800 DM. Doch treten an die Stelle dieser Beträge solche von nur 400, 600 oder 700 DM, wenn ein unverheirateter Geschädigter zwar im Zeitpunkt der Schädigung Eigentümer von Möbeln für mindestens einen Wohnraum war, aber keinen Haushalt mit überwiegend eigener Einrichtung geführt hat (§ 295 Abs. 1 LAG).

c) Zu den Grundbeträgen von 1200, 1600 oder 1800 DM kommen für Verheiratete die nach dem Familienstand vom 1. April 1952 bemessenen Zuschläge; sie betragen 200 DM für den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und im allgemeinen 150 DM für jeden weiteren zum Haushalt gehörenden und von dem Geschädigten abhängigen Familienangehörigen, für das dritte und jedes weitere Kind 300 DM (§ 295 Abs. 3 LAG).

II.

Die verfassungsrechtliche Prüfung der zu beurteilenden Bestimmungen ergibt folgendes:

1.

Der Gesetzgeber war bei der Ordnung des Lastenausgleichs nicht verpflichtet, sich an die bürgerlich-rechtliche Eigentums- und Güterrechtsordnung zu halten.

Wenn in der Präambel des Lastenausgleichsgesetzes von dem "Anspruch" der durch Krieg und Kriegsfolgen Geschädigten auf Schadensausgleich und Eingliederungshilfe gesprochen wird, so ist damit nicht ein in der bestehenden Rechtsordnung begründeter Anspruch des einzelnen Geschädigten gegen einen bestimmten Verpflichteten gemeint, sondern der aus dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit hergeleitete Anspruch der Gruppe auf Ausgleich ihrer besonderen Lage durch den Gesetzgeber. Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten bestanden ohne solche gesetzliche Regelung nicht; sie sind durch das Lastenausgleichsgesetz -- und seine Vorläufer -- erst geschaffen worden. Bei der Gestaltung des Ausgleichs war der Gesetzgeber daher in den Grenzen der Verfassung frei (vgl. BVerfGE 1, 97 [105, 106]). Eine Verfassungsbestimmung aber, die ihn schlechthin an die Beachtung der bürgerlich-rechtlichen Eigentums- und Güterrechtsordnung bände, ist nicht ersichtlich. Es bestehen sonach keine Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber, von der Einheit der ehelichen Hausgemeinschaft ausgehend, Antragsrecht und Entschädigungsanspruch für Ehegatten, die bei Eintritt des Hausratverlustes einen gemeinsamen Haushalt geführt haben, unabhängig davon geregelt hat, wer von beiden Eigentümer des verlorenen Hausrates gewesen ist und in welchem Güterstand das Ehepaar gelebt hat.

2.

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau -- Art. 3 Abs. 2 GG -- ist gewahrt. Materiell berechtigt gegenüber dem Ausgleichsfonds ist nicht der Einzelne, sondern das Ehepaar. Das Gesetz gewährt zwar Feststellung und Entschädigung nur einmal, räumt aber jedem der Gatten in gleicher Weise die Legitimation zur Antragstellung und Empfangnahme der Entschädigung ein. Die internen Rechtsbeziehungen bleiben unberührt.

3.

Es liegt auch keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG darin, daß bei Hausratverlusten im gemeinsamen Haushalt Ehegatten gemeinsam "als Geschädigte gelten", während für andere Haushaltsgemeinschaften, etwa von befreundeten Personen, Geschwistern oder einem Elternteil mit erwachsenen Kindern, eine solche Gemeinsamkeit nicht vorausgesetzt wird, und daß sich aus dieser Verschiedenheit auch Unterschiede bei der Berechnung der Entschädigung ergeben.

Der Gesetzgeber mußte mit Millionen von Anträgen auf Feststellung von Hausratverlusten rechnen -- tatsächlich sind bis April 1958 7,5 Millionen Anträge gestellt worden. Der Eintritt des Schadens lag schon bei Erlaß des Gesetzes sieben und mehr Jahre zurück. In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um Vertreibungsschäden. Wenn das Ziel der Hausratentschädigung, die Eingliederung der Geschädigten durch Wiederbeschaffung von Hausrat zu erleichtern, erreicht werden sollte, kam bei dieser Sachlage eine Schadensfeststellung im einzelnen nicht in Betracht. Diese Erkenntnis hat zu der Anknüpfung an den am Einkommen zu messenden Lebenszuschnitt -- statt an den Wert des Verlorenen -- und zu der groben Pauschalierung der Entschädigung nach drei Einkommensstufen geführt. Aus der gleichen Erkenntnis ergab sich auch der Verzicht auf die besonders schwierige Klärung der Eigentums- und Güterrechtsfragen im Verhältnis der Ehegatten zueinander. Dieser Verzicht erfolgte also, um eine Auszahlung der Hausratentschädigung in angemessener Zeit zu ermöglichen, d. h. in erster Linie im Interesse der Geschädigten, nicht im Interesse einer Entlastung der Behörden. Es kommt hinzu, daß die Berücksichtigung der Einheit der Ehe, die im gesamten Sozialrecht eine anerkannte und wichtige Rolle spielt, für die Hausratentschädigung eine besondere innere Berechtigung hat; denn in aller Regel wird ein Ehepaar, dessen Hausrat im gemeinsamen Haushalt verlorengegangen ist, auch gemeinsam einen neuen Haushalt aufbauen, so daß die Abgrenzung des Eigentums zwischen den Ehegatten für diese Wiedereingliederung der Geschädigten nicht ins Gewicht fällt.

Die für die Fiktion der Gesamtschädigung des Ehepaares maßgebenden Gesichtspunkte treffen für Haushaltsgemeinschaften anderer Personen nicht entfernt in gleicher Weise zu. Zwischen ihnen wird, schon wegen der leichteren Auflösbarkeit der Gemeinschaft, im allgemeinen klargestellt sein, welche Gegenstände jeder von ihnen in den gemeinsamen Haushalt mitgebracht und welche er während der gemeinsamen Haushaltsführung hinzuerworben hat, so daß die Beweisschwierigkeiten viel geringer sind als bei Ehegatten. Vor allem konnte der Gesetzgeber nicht, wie bei Ehegatten, davon ausgehen, daß solche vor dem Schadensfall begründeten Gemeinschaften auch bei der Eingliederung wieder zum gemeinsamen Aufbau eines Haushalts führen würden.

Es sind also aus Gründen, die für den zu ordnenden Lebenstatbestand wesentlich sind, ungleiche Haushaltsgemeinschaften ungleich behandelt, wenn die Fiktion gemeinsamen Schadens auf die eheliche Haushaltsgemeinschaft beschränkt und eine gesonderte Entschädigung für Personen, die keinen Haushalt mit überwiegend eigener Einrichtung, jedoch Möbel für mindestens einen Wohnraum hatten, nur bei Unverheirateten vorgesehen ist.

In gewissen Grenzen müssen Verschiedenheiten in der Höhe der Entschädigung, die sich aus dieser verfassungsrechtlich an sich nicht zu beanstandenden Differenzierung zwischen Verheirateten und Unverheirateten ergeben, hingenommen werden, auch wenn es die Verheirateten sind, die -- unter sonst gleichen Umständen eine geringere Entschädigung erhalten. Nur dann könnte die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Schutzes von Ehe und Familie verletzt sein, wenn Ehepaare allgemein oder doch eine beachtliche Gruppe der Verheirateten grundsätzlich schlechter gestellt wären als Unverheiratete. Das aber ist nicht der Fall.

Für den Regelfall, daß der verlorene Hausrat im Eigentum nur eines Geschädigten gestanden hat, ist dem Verfassungsgebot des Schutzes der Ehe offensichtlich genügt, denn hier sind Verheiratete gegenüber Unverheirateten durchweg begünstigt: einmal durch die Zusammenrechnung der Einkünfte als Grundlage für die Feststellung des Lebenszuschnitts, die zu einer besseren Einstufung und damit zu einer höheren Entschädigung führen kann; zum anderen durch die Familienzuschläge.

Aber auch für den Vergleich der Haushaltsgemeinschaft eines Ehepaares einerseits, zweier nicht verheirateter Personen -- etwa Mutter und erwachsener Sohn -- andererseits, die im gemeinsamen Haushalt jeder eigenen Hausrat verloren haben, ergibt sich nicht immer eine Benachteiligung der ehelichen Haushaltsgemeinschaft.

Daß von zwei Hausgenossen jeder den gemeinsamen Haushalt mit überwiegend eigener Einrichtung geführt hat, so daß bei Verlust des Hausrates jeder von ihnen Anspruch auf den vollen Pauschalbetrag hätte, ist begrifflich ausgeschlossen. Das vorlegende Gericht geht demgemäß auch von dem sicher nicht seltenen Sachverhalt aus, daß einer der Hausgenossen den Haushalt mit überwiegend eigener Einrichtung geführt, also Anspruch auf die volle seiner Einkommensstufe entsprechende Pauschalentschädigung von 1200, 1600 oder 1800 DM hat, während der andere Hausgenosse nur Eigentümer der im Haushalt nicht überwiegenden Einrichtung für mindestens einen Wohnraum war, so daß er je nach der Einstufung Entschädigungsbeträge von 400, 600 oder 700 DM erhält. Ist ein Hausratschaden zwei nicht verheirateten Hausgenossen mit je eigenem Hausrat entstanden, so stehen ihnen hiernach niemals zwei volle Pauschbeträge, sondern nur ein voller und ein geminderter Pauschbetrag zu. Ehegatten in gleicher wirtschaftlicher Lage können zwar den zweiten, geminderten Pauschbetrag nicht beanspruchen, doch wird ihnen andererseits der Ehegattenzuschlag von 200 DM gezahlt, und sie haben außerdem die Chance, durch Zusammenrechnung ihrer Einkommen in eine höhere Einkommens- und Entschädigungsstufe zu kommen.

Berücksichtigt man alle diese Faktoren der Entschädigungsberechnung, so zeigt sich, daß Ehegatten je nach der Lage des Einzelfalles begünstigt oder benachteiligt sein können. Im allgemeinen ist ein Ehepaar begünstigt, wenn durch die Zusammenrechnung der Einkommen eine höhere Einstufung erreicht wird, und es erhält eine etwas geringere Entschädigung, wenn ein Ehegatte kein oder nur geringes eigenes Einkommen hatte, so daß die Einkommens- und Entschädigungsstufe sich durch die Zusammenrechnung der Einkommen nicht verändert. Im Ausgangsverfahren zum Beispiel ist an den Ehemann nach der niedrigsten Einkommensstufe eine Hausratentschädigung von 1200 DM nebst 200 DM Ehegattenzuschlag = 1400 DM gezahlt worden; eigenes Einkommen der Ehefrau wurde nicht in Rechnung gestellt. Würde es sich -- bei gleichen Einkommensverhältnissen -- um eine Haushaltsgemeinschaft von Mutter und Sohn gehandelt haben, so hätte die Entschädigung für einen von beiden 1200 DM, für den anderen 400 DM, insgesamt also 1600 DM betragen, d. h. 200 DM mehr als für das Ehepaar.

Hätten jedoch jeweils beide Hausgenossen selbständiges Einkommen gehabt, das einzeln unter 4000 RM blieb, zusammengerechnet aber darüber hinausging, so wäre die Entschädigung für Mutter und Sohn die gleiche, nämlich zusammen 1600 DM, für das Ehepaar hingegen -- nach der zweiten Entschädigungsstufe 1600 DM nebst 200 DM Ehegattenentscheidung = 1800 DM, so daß das Ehepaar um 200 DM günstiger gestellt wäre als Mutter und Sohn.

Die Beschwer der Ehegatten in bestimmten Fällen ist hiernach die Nebenfolge einer grundsätzlich die Ehe begünstigenden Gesamtregelung; die zur Prüfung vorgelegten Bestimmungen können um so weniger nur wegen solcher Nebenfolge als unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 GG angesehen werden, als die Hausratentschädigung nicht -- wie etwa eine Steuer -- einen staatlichen Eingriff darstellt, sondern in den Bereich der darreichenden Verwaltung gehört, die notwendig der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in weitestem Maße unterliegt (vgl. BVerfGE 6, 55 [77]).