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BVerfG, 07.04.1964 - 1 BvL 12/63

Daten
Fall: 
Mitfahrzentrale
Fundstellen: 
BVerfGE 17, 306; BayVBl 1964, 221; DÖV 1964, 417; DVBl 1964, 434; JuS 1964, 367; JZ 1965, 555; MDR 1964, 567; NJW 1964, 1219
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
07.04.1964
Aktenzeichen: 
1 BvL 12/63
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Instanzen: 
  • BGH, 09.06.1964 - 1 StR 447/62

Zu den Anforderungen an eine rechtsstaatliche Gesetzesgestaltung.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 7. April 1964
- 1 BvL 12/63 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes vom 21. März 1961 (BGBl. I S. 241) - Vorlagebeschluß des Bundesgerichtshofs - 1. Strafsenat - vom 23. April 1963 - 1 StR 447/62.

Gründe

A.

I.

In der Nachkriegszeit sind in vielen Orten des Bundesgebiets sog. Mitfahrerzentralen gegründet worden. Es handelt sich um Gewerbebetriebe des Vermittlergewerbes, die keiner Erlaubnis bedürfen, sondern nur angemeldet werden müssen. Sie unterhalten öffentliche Annahmestellen und betreiben in gewissem Umfang auch Werbung. Ihre Tätigkeit besteht darin, daß sie Personen, die nach bestimmten Orten reisen wollen, an private Kraftfahrer vermitteln, die dasselbe Fahrtziel haben. An den Fahrer zahlen die Mitfahrer ein Entgelt, das die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt; die Mitfahrerzentrale erhebt für die Vermittlung eine Gebühr, in der eine Unfallversicherungsprämie enthalten ist, die an eine Versicherungsgesellschaft abgeführt wird.

II.

Nach dem vor dem 1. Juni 1961 geltenden Recht unterlag die Beförderung mit Personenkraftwagen gegen Beteiligung an den Fahrtkosten keiner gesetzlichen Beschränkung, namentlich auch dann nicht, wenn Fahrer und Mitfahrer durch öffentliche Vermittlung oder durch Werbung zusammengeführt worden waren. Bei dieser Rechtslage wollte es der Regierungsentwurf zum Personenbeförderungsgesetz von 1961 (BT-Drucks. III/1958 255) belassen. Nach seinem § 1 Abs. 2 Nr. 1 sollten "Beförderungen mit Personenkraftwagen (§ 4), wenn das Gesamtentgelt die Selbstkosten der Fahrt nicht übersteigt", vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sein. Die Begründung sagt dazu, daß "die Interessen des öffentlichen Verkehrs" durch die vom Gesetz freigestellten Beförderungsvorgänge "nicht wesentlich berührt" würden (aaO S. 24). Der Bundestagsausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen schlug dagegen die Beschränkung der Freistellung auf Personen vor, die "weder durch öffentliche Vermittlung noch durch Werbung" dem Kraftfahrzeugbesitzer zugeführt worden sind. In seinem schriftlichen Bericht (BT-Drucks. III/1958 2450 S. 3) ist ausgeführt, der Ausschuß halte die in der Regierungsvorlage vorgesehene Freistellung für "zu weitgehend", da durch öffentliche Vermittlung und Werbung in sehr vielen Fällen Mitfahrten vermittelt würden und die mitfahrenden Personen nicht durch Freistellungen "außerhalb des Schutzes des Gesetzes" bleiben sollten. Der Bundestag trat dem Vorschlag des Ausschusses bei; § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes erhielt folgende Fassung:

(2) Diesem Gesetz unterliegen nicht
1. Beförderungen mit Personenkraftwagen (§ 4), wenn das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt und Fahrer und Mitfahrer weder durch öffentliche Vermittlung noch durch Werbung zusammengeführt worden sind.

Der Berichterstatter des Ausschusses führte dazu aus (142. Sitzung vom 8. Februar 1961, Sten.Ber. S. 8059):

"Das Umgehungsverbot - Mitfahrerzentralen - wurde bei der Beratung sehr eingehend behandelt. Der Ausschuß vertritt die Auffassung, daß im Interesse des Verkehrsnutzers, insbesondere aber aus Gründen der Verkehrssicherheit, hier unbedingt ein Wandel eintreten muß."

In der dritten Beratung wurde im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Entwurfs vom "Ende der Mitfahrerzentralen" gesprochen (aaO S. 8071). Der Rechtsausschuß des Bundesrats vertrat gegenüber verfassungsrechtlichen Bedenken mit Mehrheit die Auffassung, daß durch die Bestimmung die Tätigkeit der Mitfahrerzentralen nicht unterbunden werde, weil der von ihnen vermittelte Mitfahrverkehr dem gesetzlich zulässigen Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen entspreche (Niederschrift über die 235. Sitzung vom 22. Februar 1961, 1. Sitzungstag, S. 22 ff.). Im Plenum des Bundesrats sagte der Berichterstatter (229. Sitzung vom 3. März 1961, Prot. S. 44):

"Eine vom Bundestag neu in das Gesetz aufgenommene Bestimmung, die in der Öffentlichkeit bereits eine lebhafte Diskussion ausgelöst hat, betrifft die sogenannten 'Mitnahme-Fahrten' im Personenkraftwagen gegen Erstattung der Selbstkosten. Diese Fahrten sind, wenn Fahrer und Mitfahrer durch Werbung oder öffentliche Vermittlung zusammengeführt werden, nicht mehr, wie bisher, aus dem sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes ausgeklammert. Diese Mitnahmefahrten sind künftig genehmigungspflichtiger Gelegenheitsverkehr; damit finden die Vorschriften des Gesetzes, insbesondere über die Zuverlässigkeit des Unternehmers und die Sicherheit des Betriebes, auch auf diese Fahrten Anwendung, und es besteht künftig die Möglichkeit, gegen die zum Teil erheblichen Mißstände, die sich auf diesem Gebiete entwickelt haben, einzuschreiten, ohne daß deshalb - wie vielfach in der Öffentlichkeit irreführend behauptet wurde - ein generelles Verbot der Mitfahrer- Vermittlung ausgesprochen wird."

Der Bundesrat stimmte dem Gesetz zu.

Nach dem Inkrafttreten des Personenbeförderungsgesetzes entstanden Zweifel, ob den Mitfahrerzentralen die Weiterführung ihrer Tätigkeit in der bisherigen Form noch möglich sei. Die unklare Rechtslage hat zu Strafverfahren sowie zu Zivilprozessen, namentlich zu Unterlassungsklagen der Deutschen Bundesbahn auf Grund des § 1 UWG, geführt.

III.

Der Geschäftsführer einer Mitfahrerzentrale hat nach Inkrafttreten des Personenbeförderungsgesetzes in mindestens 2000 Fällen Fahrgelegenheiten gegen Kostenbeteiligung an Kraftfahrer vermittelt, die keine Genehmigung nach diesem Gesetz hatten. Das Landgericht verurteilte ihn wegen fortgesetzter Beihilfe zur unerlaubten Personenbeförderung zu einer Geldstrafe. In der Revisionsinstanz hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf Grund des Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,

"ob das den §§ 1, 2 des Personenbeförderungsgesetzes vom 21. März 1961 (BGBl. I, 241) zu entnehmende und durch § 60 dieses Gesetzes unter Strafe gestellte Verbot rechtsgültig ist, welches Beförderungen mit Personenkraftwagen gegen ein die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigendes Gesamtentgelt trifft, wenn Fahrer und Mitfahrer durch öffentliche Vermittlung oder durch Werbung zusammengeführt worden sind."

1. Der Bundesgerichtshof hält das Verbot für unvereinbar vor allem mit Art. 2 Abs. 1 GG. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, daß das Verbot die allgemeine persönliche Freiheit einschränke, dieser Eingriff sich aber nicht in die "verfassungsmäßige Ordnung" i.S. des Art. 2 Abs. 1 GG einfüge. Die Zulässigkeit einer Einschränkung der allgemeinen persönlichen Freiheit müsse im Blick auf die Bedeutung dieses Grundrechts aus einer Abwägung zwischen dem Gehalt des Freiheitsrechtes selbst und den für einen Eingriff sprechenden Interessen ermittelt werden, wobei dem Freiheitsrecht regelmäßig der Vorrang gebühre. Auf dieser Grundlage gelangt der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, die beanstandete Regelung sei nicht durch ein "ernstes und durchdringendes Bedürfnis" veranlaßt. Insbesondere werde durch die Einbeziehung der Beförderung öffentlich vermittelter oder geworbener Fahrgäste in den sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes eine Erhöhung der persönlichen Sicherheit der Verkehrsteilnehmer praktisch kaum erreicht, weil das Gesetz für die genehmigungsfähigen Formen der Personenbeförderung, vor allem den am ehesten vergleichbaren Mietwagenverkehr, nur ganz unbedeutende besondere Vorkehrungen "zur Erhöhung der Sicherheit des mitfahrenden Reisepublikums" getroffen habe. Weitere verfassungsrechtliche Bedenken ergäben sich aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. § 1 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 2 Abs. 1 und 46 Abs. 2 PBefG zielten offensichtlich darauf ab, die Tätigkeit der Mitfahrerzentralen lahmzulegen. Der Gesetzgeber habe diesen Erfolg jedoch nicht durch unmittelbar an die Mitfahrerzentralen gerichtete Vorschriften, sondern auf dem Umwege über ein Verbot an die Kraftfahrzeugbesitzer angestrebt, solchermaßen vermittelte Personen zu befördern. Damit habe er das nach dem eigentlichen Zweck des Verbots zu bestimmende Täter-Gehilfen-Verhältnis umgekehrt. Was nach dem Verbotsziel als Haupttat angesehen werden müsse, sei in die Form der Beihilfe gekleidet mit der eigenartigen Folge, daß der Angeklagte als einziger Gehilfe von 2000 Tätern vor Gericht stehe, während von einer Verfolgung der Täter durchweg abgesehen worden sei.

2. Die Bundesregierung hält die Regelung für verfassungsmäßig. Sie ist der Meinung, das Mitnehmen von Fahrgästen gegen Beteiligung an den Betriebskosten sei "Gelegenheitsverkehr"; jeder Kraftfahrer, der Fahrgäste durch öffentliche Vermittlung oder Werbung gewinnen wolle, könne also eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz erhalten. Deshalb sei die Vermittlertätigkeit der Mitfahrerzentralen rechtlich durch das Gesetz nicht unterbunden.

3. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Äußerung des zuständigen Senats vorgelegt. Der Senat sieht die Bedeutung der zur Prüfung gestellten Vorschrift, über deren Verfassungsmäßigkeit er noch nicht zu befinden hatte, in ihrer Ordnungsfunktion, die dem schwer kontrollierbaren Übergang solcher Mitnahmefahrten in den Bereich gewerbsmäßiger Betätigung entgegen wirken solle; er neigt dazu, den Bedenken des Bundesgerichtshofs "nicht ein so weittragendes Gewicht beizumessen".

B.

Die Vorlage ist zulässig. Der Bundesgerichtshof will bei Gültigkeit der Regelung die Revision zurückweisen. Sei sie verfassungswidrig, dann fehle es an einer strafbaren Handlung, also auch an der Möglichkeit einer Beihilfe dazu; die Revision müsse dann Erfolg haben.

Gesetzestechnisch ergibt sich das Verbot des öffentlich vermittelten entgeltlichen Mitnehmens von Fahrgästen aus der Einschränkung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1, § 46 Abs. 2 und § 60 Abs. 1 PBefG.

C.

Das in den genannten Bestimmungen enthaltene und mit Strafdrohung bewehrte Verbot, Beförderungen mit Personenkraftwagen gegen ein die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigendes Gesamtentgelt durchzuführen, wenn Fahrer und Mitfahrer durch öffentliche Vermittlung oder durch Werbung zusammengeführt worden sind, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

I.

Die Auslegung des Personenbeförderungsgesetzes muß vom Bundesverfassungsgericht selbständig geprüft werden; denn ob Vorschriften einfachen Rechts mit dem Grundgesetz vereinbar sind, läßt sich nur entscheiden, wenn ihr Inhalt klargestellt ist (BVerfGE 2, 181 [193]; 7, 45 [50]; 8, 210 [217]; 10, 340 [345]; Beschluß vom 30. Oktober 1963 - 2 BvL 7/61, 2, 9/63).

Der Auslegung des Bundesgerichtshofs ist beizutreten.

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG unterliegen dem Gesetz nicht "Beförderungen mit Personenkraftwagen, wenn das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt und Fahrer und Mitfahrer weder durch öffentliche Vermittlung noch durch Werbung zusammengeführt worden sind"; das kann nur heißen, daß Beförderungen dieser Art, wenn sie durch öffentliche Vermittlung oder Werbung zustandegekommen sind, "dem Gesetz unterliegen", also nur zulässig sind, wenn der Fahrer eine Genehmigung nach § 2 Abs. 1 besitzt. Ohne Genehmigung ist die Beförderung des Mitfahrers verboten und strafbar. Nach der Systematik des Gesetzes, die auf dem Prinzip des geschlossenen Kreises der zugelassenen Formen der entgeltlichen Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen beruht, kann aber eine Genehmigung nicht erteilt werden; es könnte sich nur um "Gelegenheitsverkehr" in der Form des "Mietwagenverkehrs" handeln, und dessen Merkmale (§ 49 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 und 2) sind nicht gegeben.

Nach der Definition des § 49 liegt Mietwagenverkehr nur vor, wenn der "Unternehmer" (§ 2 Abs. 1 Satz 2) seinen Wagen für eine Fahrt zur Verfügung stellt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt. Der Mitfahrer, der auf einer vom Fahrzeugbesitzer unternommenen Fahrt nur "mitgenommen" wird, kann aber nicht, ohne daß dem vernünftigen Wortsinn Gewalt angetan würde, als ein "Mieter" angesehen werden, der "Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrt bestimmt". Es kommt hinzu, daß § 49 Abs. 2 aus dem Begriff des Mietwagenverkehrs ausdrücklich die Fälle ausschließt, in denen eine Fahrt "unter Angabe des Fahrtziels" vermittelt wird; das sind gerade die von den Mitfahrerzentralen vermittelten Fahrten.

Es ist daher nicht verständlich, daß die Bundesregierung die Auffassung vertritt, die Mitnahmefahrten könnten als "Mietwagenverkehr" qualifiziert und genehmigt werden. Ihrer Auffassung ist denn auch weder die Literatur noch die Rechtsprechung gefolgt.

Greif, Personenbeförderungsgesetz, 1961 Anm. 11 zu § 1, Anm. 3 zu § 2; Fielitz/Meier/Montigel, PbefG 1961 Anm. 6 zu § 1; Müller, Straßenverkehrsrecht, Erg. Bd. 1962 Anm. 22 zu § 1 PbefG; Bidinger, PbefRecht 1961 Anm. 19 bis 21 zu § 1; Rother, Gewerbearchiv 1964 S. 53; LG Frankfurt a.M. in: Der Personenverkehr 1962, 59; OLG Hamm, NJW 1962, 1207 (1209).

Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung muß also davon ausgegangen werden, daß nach dem Personenbeförderungsgesetz folgende Rechtslage besteht: Der Kraftwagenbesitzer bedürfte zur Mitnahme des ihm von der Mitfahrerzentrale vermittelten Fahrgastes einer Genehmigung, die er aber nicht erhalten kann, weil seine Beförderungsleistung unter keine der im Personenbeförderungsgesetz ausschließlich zugelassenen Formen der entgeltlichen Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen fällt. Die ohne Genehmigung vorgenommene Beförderung ist somit verboten und nach § 60 Abs. 1 strafbar. Der Inhaber der Mitfahrerzentrale macht sich der Beihilfe schuldig.

II.

Das Verbot verletzt Eigentümer und andere Verfügungsberechtigte von Personenkraftwagen in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.

1. Das Verbot schränkt die allgemeine Handlungsfreiheit des privaten Kraftfahrzeugbesitzers ein, die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet ist. Es müßte also durch eine der drei Schranken dieses Grundrechts gedeckt sein. In Betracht kommt nur die Schranke der "verfassungsmäßigen Ordnung". Das einschränkende Gesetz müßte folglich Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, d.h. es müßte formell und inhaltlich mit der Verfassung (außerhalb des Art. 2 Abs. 1 GG) voll vereinbar sein (vgl. dazu BVerfGE 6, 32 [36 ff., bes. 41]).

2. Einer Einzelvorschrift des geschriebenen Verfassungsrechts widerspricht das Verbot nicht. Dagegen steht es mit einem tragenden Grundprinzip der Verfassung, dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, nicht in Einklang.
Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verlangt - namentlich wenn er in Verbindung mit der allgemeinen Freiheitsvermutung zugunsten des Bürgers gesehen wird, wie sie gerade in Art. 2 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt -, daß der Einzelne vor unnötigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt bewahrt bleibt; ist ein solcher Eingriff in Gestalt eines gesetzlichen Gebots oder Verbots aber unerläßlich, so müssen seine Voraussetzungen möglichst klar und für den Bürger erkennbar umschrieben werden (BVerfGE 9, 137 [147, 149]). Je mehr dabei der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, um so sorgfältiger müssen die zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden. Das bedeutet vor allem, daß die Mittel des Eingriffs zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels geeignet sein müssen und den Einzelnen nicht übermäßig belasten dürfen.

3. Unter diesen Gesichtspunkten ist die zur Prüfung gestellte gesetzliche Regelung in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden.

a) Ein gesetzliches Verbot muß in seinen Voraussetzungen und in seinem Inhalt so klar formuliert sein, daß die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach bestimmen können. Gewiß können bei einer gesetzlichen Regelung nicht alle Unklarheiten und Zweifel von vornherein vermieden werden. Es muß aber verlangt werden, daß der Gesetzgeber wenigstens seinen Grundgedanken, das Ziel seines gesetzgeberischen Wollens, vollkommen deutlich macht - besonders dann, wenn es sich um die Regelung eines verhältnismäßig einfachen und leicht zu übersehenden Lebenssachverhalts handelt und die Formung des gesetzlichen Tatbestandes deshalb wenig Schwierigkeiten bereitet. Daran fehlt es hier: § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG unterwirft die öffentlich vermittelten Mitnahmefahrten dem Gesetz, es macht sie also genehmigungspflichtig. Über Voraussetzungen, Verfahren und Form der Genehmigung ist aber nichts bestimmt. Aus §§ 46, 49 ist umgekehrt zu schließen, daß Fahrten dieser Art überhaupt nicht genehmigt werden können. Angesichts dieser offensichtlichen Widersprüchlichkeit des Gesetzesinhalts mußten Zweifel über die rechtliche Behandlung dieser Beförderungen entstehen. Die Bundesregierung hält sie für genehmigungsfähig, die Gerichte betrachten sie als verboten. Dieser Streit darf nicht auf dem Rücken des Bürgers ausgetragen werden, der sich dem Risiko strafrechtlicher Verfolgung aussetzt, wenn er der Auffassung der Bundesregierung folgt.

Die Wirkung der unklaren gesetzlichen Regelung ist noch dadurch verschärft worden, daß den Verwaltungsbehörden keine Richtlinien für die Behandlung dieser Fälle gegeben worden sind. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 2. Juli 1962 und die darin bekanntgegebenen Formulare für die Genehmigungsurkunden enthalten nichts über eine Genehmigung. Ein Blick auf die Verfahrensvorschriften des Gesetzes zeigt überdies, daß das ganze Genehmigungsverfahren allein für gewerbliche Unternehmer paßt, nicht aber für private Kraftfahrzeugbesitzer, die gelegentlich jemanden mitnehmen wollen; darauf ist auch in der Literatur hingewiesen worden (Müller, Straßenverkehrsrecht aaO S. 324 f.; Rother, Gewerbearchiv 1964 S. 53 mit weiteren Angaben).

b) Das Verbot greift empfindlich in die Handlungsfreiheit des Kraftwagenbesitzers ein, weil es einen alltäglichen Vorgang des gesellschaftlichen Verkehrs und der zwischenmenschlichen Beziehungen, das Mitnehmen eines Fahrgastes gegen Kostenbeteiligung, verbietet und unter Strafe stellt. Bei der Prüfung der Frage, welche Gründe des öffentlichen Wohls das Verbot rechtfertigen sollen, ist zu beachten, daß die Bundesregierung in ihren Äußerungen zu diesem Punkt von ihrer grundsätzlichen Rechtsauffassung ausgeht, wonach diese Mitnahmefahrten nicht verboten, sondern nur genehmigungspflichtig sind; da im Genehmigungsverfahren Fahrer und Fahrzeug überprüft werden, verspricht sie sich von der Regelung erhöhte Sicherheit des Straßenverkehrs und erhöhten Schutz des einzelnen Mitfahrers.

In beiden Richtungen würde sich aber das Mittel des Genehmigungszwangs als untauglich zur Erreichung des angestrebten Zweckes erweisen:
Da nicht der Mitfahrer, sondern der Kraftfahrzeugbesitzer bestimmt, ob und mit welchem Ziel eine Fahrt unternommen wird, würde in aller Regel die Fahrt auch stattfinden, wenn niemand mitfährt oder wenn nur Fahrgäste mitfahren, die nicht durch Mitfahrerzentralen vermittelt sind. Die Verkehrsdichte und die Sicherheit des Verkehrs auf der Straße im allgemeinen würden also nicht nennenswert davon berührt, wenn bei Beförderung "öffentlich" vermittelter Mitfahrer eine - nach Lage der Sache nur oberflächlich mögliche - Prüfung von Fahrer und Fahrzeug stattfände. Die Bemerkung in der Begründung des Regierungsentwurfs, daß die Interessen des öffentlichen Verkehrs durch die hier in Rede stehenden Verkehrsvorgänge nicht wesentlich berührt werden, erscheint richtig.

Die "öffentlich" vermittelten Mitfahrer sind nur ein Teil der Mitfahrer. Es ist nicht einzusehen, warum gerade diese Gruppe eines besonderen Schutzes bedürftig sein sollte. Das Merkmal, durch das sie sich von anderen Mitfahrern unterscheiden, hat keinen sinnvollen Bezug zur Frage der Sicherheit; der Beförderungsvorgang bleibt derselbe, ob die Verbindung zwischen Fahrer und Fahrgast durch eine Mitfahrerzentrale oder sonstwie hergestellt worden ist. Es ist nicht einzusehen, warum die "öffentlich" vermittelten Mitfahrer auf diese Weise geschützt werden sollen, während der privat vermittelte oder auf Grund des "Anhaltens" von Kraftfahrzeugen auf offener Straße zustande kommende Mitnahmeverkehr unbeschränkt zulässig und genehmigungsfrei ist.

Ist also selbst vom Rechtsstandpunkt der Bundesregierung aus der Eingriff in die Freiheit des Einzelnen zur Erreichung des angestrebten Zieles nicht tauglich, so können die geltend gemachten Gründe erst recht nicht den weiter gehenden, nach der objektiven Rechtslage bestehenden Eingriff, nämlich das völlige Verbot der öffentlich vermittelten Mitnahmefahrten, rechtfertigen. Warum von allen Mitnahmefahrten gegen Kostenbeteiligung nur die "öffentlich" vermittelten verboten, alle anderen aber unbeschränkt zulässig sein sollen, ist - unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit des Verkehrs - nicht zu verstehen.

Das Verbot könnte umgekehrt im Ergebnis sogar zu größerer Gefährdung der bisher von den Mitfahrerzentralen vermittelten Mitfahrer führen: Würden sie von der öffentlichen Vermittlung abgeschnitten, so würde jedenfalls ein Teil von ihnen versuchen, private Beziehungen zu gewinnen, um mitgenommen zu werden, ein anderer Teil würde sich auf den "Anhalterverkehr" verlassen; in beiden Fällen ist die Gefahr, einem unzuverlässigen Fahrer in die Hände zu fallen, größer als bei der öffentlich vermittelten Fahrt, bei der sich der Kraftfahrzeugbesitzer allein schon durch sein Angebot an die Mitfahrerzentrale einer gewissen Kontrolle durch diese unterwirft, ganz abgesehen davon, daß der Mitfahrer auch gegen Unfall versichert wird. Die Bundesregierung erkennt selbst an, daß die Mitfahrerzentralen im Rahmen ihrer gewerblichen Pflichten gehalten sind, darauf zu achten, daß die Beförderer im Besitz der Fahrerlaubnis sind und daß die verwendeten Fahrzeuge den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung entsprechen.

Das Verbot der öffentlich vermittelten Mitnahmefahrten stellt somit ein objektiv ungeeignetes Mittel zur Erreichung jedenfalls des von der Bundesregierung bisher angegebenen Zwecks der Regelung dar; deshalb liegt ein unzumutbarer Eingriff in die Freiheit des Kraftwagenbesitzers vor.

c) Der Bundesgerichtshof nimmt in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung an, der Gesetzgeber habe ersichtlich darauf abgezielt, die Tätigkeit der Mitfahrerzentralen lahmzulegen; damit liegt die Annahme nahe, daß das Verbot überhaupt nicht aus den angegebenen Gründen, sondern zum Schutze der öffentlichen Verkehrsträger, namentlich der Deutschen Bundesbahn, erlassen worden ist. Dafür sprechen nicht nur manche Äußerungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, sondern auch die Tatsache, daß die Deutsche Bundesbahn alsbald nach Verabschiedung des Gesetzes durch Mahnschreiben und im Prozeßwege gegen die Mitfahrerzentralen vorgegangen ist.

Es mag beachtliche Gründe geben, die den Gesetzgeber veranlassen könnten, die Tätigkeit der Mitfahrerzentralen näher zu regeln, unter Umständen auch zu beschränken. Darüber ist hier nicht zu entscheiden. Wenn der Gesetzgeber dieses Ziel erreichen will, muß er seine Gebote und Verbote unmittelbar an die Mitfahrerzentralen richten; er wird dann freilich, ehe er eine Regelung trifft, die ihnen die Ausübung ihrer Tätigkeit unmöglich macht, im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu erwägen haben, ob nicht gewerbepolizeiliche Regelungen der Berufsausübung genügen, um die legitimen Interessen des Gemeinwohls zu schützen (vgl. auch hierzu etwa Rother, Gewerbearchiv 1964 S. 53). Jedenfalls darf er nicht eine Rechtsgestaltung wählen, die die Mitfahrerzentralen auf einem Umweg trifft und die volle Last des Verbots mit der Strafdrohung dem privaten Kraftfahrer aufbürdet, der lediglich eine gewerberechtlich erlaubte Einrichtung benutzt, um eine an sich nicht zu beanstandende Beförderung auszuführen. Damit hängt die vom Bundesgerichtshof mit Recht gerügte ungewöhnliche Gestaltung des strafrechtlichen Tatbestandes zusammen, die das Täter-Gehilfen-Verhältnis umkehrt; das nach dem Verbotsziel allenfalls als Beihilfe zu wertende Handeln des Kraftfahrers wird zur Haupttat, der eigentlich gemeinte Täter, der Vermittler, wird in die Rolle des Gehilfen gedrängt. Dies hat im Vorlagefall zu der seltsamen Folge geführt, daß in tausenden von Fällen die angeblichen Täter, die Kraftfahrzeugbesitzer, überhaupt nicht verfolgt wurden, während der Inhaber der Mitfahrerzentrale wegen strafbarer Beihilfe zur Rechenschaft gezogen wird. Es geht nicht zu weit, wenn der Bundesgerichtshof hier von einem "Mißbrauch strafrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten" spricht. Jedenfalls verstößt eine solche der Sachlage zuwiderlaufende Gesetzesgestaltung, die die wahren Absichten des Gesetzgebers verschleiert, gegen das Rechtsstaatsprinzip; sie hält sich nicht im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und ist deshalb nichtig.

d) Eine verfassungskonforme Auslegung, wie sie die Bundesregierung für möglich und notwendig hält, scheidet aus. Auch die Auslegung der Bundesregierung führt, wie dargelegt, nicht zu einem verfassungsrechtlich einwandfreien Ergebnis; eine Auslegung aber, die die hier in Frage stehenden Beförderungen genehmigungsfrei ließe, wäre weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar.

4. Da die gesetzliche Regelung schon aus den dargelegten Gründen verfassungswidrig ist, kann dahinstehen, ob sie auch gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG verstößt (vgl. hierzu BVerfGE 9, 83 [88]; 14, 263 [278]; Urteil vom 13. Februar 1964 - 1 BvL 17/61).