BVerfG, 07.04.1965 - 2 BvR 227/64
Beschluß
des Zweiten Senats vom 7. April 1965 gemäß § 24 BVerfGG
- 2 BvR 227/64 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der ... Aktiengesellschaft, Zürich (Schweiz) ... gegen die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 1. März 1963 - III 323/59 U, III 324/59, III 27/60.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
A.
I.
Die Beschwerdeführerin ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Zürich. Sie ist Eigentümerin zweier Grundstücke in Hamburg und Treugeberin eines weiteren Grundstücks, als dessen Eigentümerin eine Hamburger Firma im Grundbuch eingetragen ist. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, daß sie wegen Grundpfandrechten an diesen Grundstücken zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen wird.
II.
Nach §§ 91 ff. des Lastenausgleichsgesetzes vom 14. August 1952 (BGBl. I S. 446) - LAG - sind ausländische Staatsangehörige für Schuldnergewinne aus Grundpfandrechten an ihren in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Grundstücken in gleicher Weise abgabepflichtig wie inländische Schuldner. Die Heranziehung von Ausländern zu Lastenausgleichsabgaben ist jedoch nicht nur in diesem Gesetz geregelt. Vielmehr gelten auch Sonderregelungen internationaler Verträge. Für schweizerische Staatsangehörige gilt das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossene Abkommen zum deutschen Lastenausgleich vom 26. August 1952 (Gesetz vom 7. März 1953, BGBl. II S. 15). Art. 1 dieses Abkommens lautet:
"(1) Schweizerische Staatsangehörige, die am Währungsstichtag (21. Juni 1948) das schweizerische Bürgerrecht besessen haben, genießen beim Lastenausgleich die gleiche Behandlung, wie sie Angehörigen der meistbegünstigten Nation auf diesem Gebiet zusteht.
(2) Entsprechendes gilt für
a) die nach deutschem Recht selbständig abgabepflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach schweizerischem Recht errichtet worden sind;
..."
Die für Angehörige der "meistbegünstigten Nation" geltenden Regelungen sind enthalten in Art. 6 des Zehnten Teils des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (BGBl. 1955 II S. 405 [444], künftig: Überleitungsvertrag [ÜV] Teil X). Partner dieses Vertrags sind die Bundesrepublik Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich. Begünstigungen hinsichtlich der Lastenausgleichsabgaben, die über Art. 6 ÜV Teil X hinausgehen, sind von der Bundesrepublik Deutschland vertraglich nicht eingeräumt worden.
Art. 6 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 Abs. 7 ÜV Teil X bestimmen:
"(1) Bis zur endgültigen Regelung der sich aus dem Krieg ergebenden Ansprüche gegen Deutschland sind die in Absatz (2) dieses Artikels näher bestimmten Personen und ihr Vermögen von allen Sondersteuern, -abgaben oder -auflagen befreit, die sich tatsächlich auf das Vermögen auswirken und zu dem besonderen Zweck auferlegt werden, Lasten zu decken, die sich aus dem Kriege oder aus Reparationen oder Restitutionen an eine der Vereinten Nationen ergeben.
(2) Wird eine solche Steuer, Abgabe oder Auflage nur zu einem Teil für die in Absatz (1) dieses Artikels bezeichneten Zwecke erhoben, so richtet sich die zu gewährende Befreiung grundsätzlich danach, in welchem Ausmaß die Steuern, Abgaben oder Auflagen den genannten Zwecken dienen. In den besonderen Fällen der Abgaben, die ... durch das Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 446) vorgeschrieben werden, sind die in den nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels bezeichneten Personen und Vermögenswerte in dem dort vorgesehenen Umfange von den Leistungen befreit, die in dem Sechsjahreszeitraum vom 1. April 1949 bis 31. März 1955 als Soforthilfeabgabe und im Rahmen des Lastenausgleichs als Vermögensabgabe zu entrichten wären: ... ...
(7) Bei der Berechnung anderer Lastenausgleichsabgaben sind natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die auf Grund dieses Artikels Befreiungen von der Vermögensabgabe genießen, so zu behandeln, als ob sie zur vollen Vermögensabgabe herangezogen worden wären."
Aus weiteren Bestimmungen von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 sowie aus Art. 9 ÜV Teil X ergibt sich, daß die Regelung des Art. 6 gelten soll für die Staatsangehörigen von mehr als 50 Staaten, die zu den Vereinten Nationen im Sinne des Gesetzes Nr. 54 der Alliierten Hohen Kommission vom 31. Mai 1951 (ABl. AHK 1951 S. 915) gehören.
Die durch Art. 6 ÜV Teil X getroffenen Vereinbarungen sind anerkannt worden durch diejenigen Staaten, die der Satzung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland (Anhang zum Überleitungsvertrag, BGBl. 1955 II S. 459) - Schiedskommission - mit der Folge beigetreten sind, daß sie voll als Partei des im Zehnten Teil des Überleitungsvertrags enthaltenen Übereinkommens zwischen den Unterzeichnerstaaten gelten (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Satzung), nämlich Italien, die Niederlande, Griechenland, Belgien, Luxemburg, Norwegen und Dänemark.
Vgl. die Bekanntmachungen
vom 20. Dezember 1955 - BGBl. II S. 1136 -,
vom 23. Mai 1956 - BGBl. II S. 598 -,
vom 24. Mai 1958 - BGBl. II S. 128 -,
vom 26. Oktober 1958 - BGBl. II S. 570 -,
vom 28. März 1961 - BGBl. II S. 460 -.
Schließlich haben - abgesehen von der Schweiz - Schweden, Spanien, Portugal und Österreich mit der Bundesrepublik Deutschland Abkommen oder Verträge geschlossen, nach denen ihre Staatsangehörigen "beim Lastenausgleich die gleiche Behandlung, wie sie Angehörigen der meistbegünstigten Nation zusteht", genießen.
Vgl. die Gesetze zu den entsprechenden Abkommen oder Verträgen
vom 23. Juli 1956 - BGBl. II S. 811 -,
vom 25. März 1959 - BGBl. II S. 245 -,
vom 25. März 1959 - BGBl. II S. 264 -,
vom 21. August 1962 - BGBl. II S. 1041 -.
Auch für die Angehörigen dieser Staaten gelten die in Art. 6 ÜV Teil X getroffenen Vereinbarungen über die Heranziehung von Angehörigen der Vereinten Nationen zu Lastenausgleichsabgaben.
III.
1. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Heranziehung zur Hypothekengewinnabgabe in allen drei Fällen Einspruch und gegen die ablehnenden Einspruchsbescheide Berufung eingelegt. Das Finanzgericht Hamburg hat die Berufungen, der Bundesfinanzhof die Rechtsbeschwerden gegen die Berufungsurteile zurückgewiesen.
Der Bundesfinanzhof hat seine Entscheidungen (BStBl. 1963 III S. 300) im wesentlichen wie folgt begründet: Das deutschschweizerische Lastenausgleichsabkommen schließe für den durch dieses Abkommen begünstigten Personenkreis eine Befreiung von der Hypothekengewinnabgabe aus. Der Überleitungsvertrag bestimme, daß die Angehörigen der Vereinten Nationen nicht von der Hypothekengewinnabgabe befreit seien und sehe wegen der Lastenausgleichsabgaben auch keine vorläufige Heranziehungssperre bis zum Abschluß eines Friedensvertrags vor. Die Heranziehung von Ausländern zur Hypothekengewinnabgabe enthalte keine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG. Eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die die Heranziehung von Ausländern zu Kriegsfolgelasten ausschließe, bestehe nicht. Die Berufung der Beschwerdeführerin auf eine allgemeine Völkerrechtsregel greife schon deshalb nicht durch, weil ihre Heranziehung zu Lastenausgleichsabgaben durch das Abkommen mit der Schweiz abschließend geregelt worden sei und dieses Abkommen als Völkervertragsrecht den allgemeinen Völkerrechtsregeln vorgehe. Eine Verpflichtung zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht habe nicht bestanden. Zweifel im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG seien Zweifel des Gerichts. Daß eine Befreiung von der Hypothekengewinnabgabe für Ausländer als Eigentümer eines inländischen belasteten Grundstücks nicht vorgesehen sei, verstoße schließlich auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Entscheidungen der Finanzbehörden, des Finanzgerichts und des Bundesfinanzhofs. Zu ihrer Begründung hat die Beschwerdeführerin dargelegt:
Die Hypothekengewinnabgabe werde ausschließlich zu dem Zweck erhoben, Kriegsfolgelasten zu decken. Nach einer allgemeinen Regel des Völkerrechts sei es jedoch unzulässig, von Ausländern Abgaben zu erheben, die solche Lasten decken sollten. Zur Begründung dieser Ansicht hat die Beschwerdeführerin Bezug genommen auf ein in einer anderen Sache erstattetes Gutachten von Professor Seidl-Hohenveldern, das die Frage untersucht und verneint, ob Ausländer mit ihren in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Grundstücken zur Vermögensabgabe herangezogen werden können (vgl. BVerfGE 16, 276 [278]). Der Bundesfinanzhof habe diese allgemeine Völkerrechtsregel nicht beachtet und dadurch Art. 25 GG verletzt.
Die Beschwerdeführerin sei ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden, weil der Bundesfinanzhof es unterlassen habe, gemäß Art. 100 Abs. 2 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob die angeführte Völkerrechtsregel Bestandteil des Bundesrechts sei. Ein Gericht sei zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG schon dann verpflichtet, wenn eine Prozeßpartei Zweifel hinsichtlich einer allgemeinen Völkerrechtsregel habe.
Art. 1 des Abkommens mit der Schweiz zum deutschen Lastenausgleich gewähre schweizerischen Staatsangehörigen lediglich ein Recht, die Vergünstigungen von Art. 6 ÜV Teil X in Anspruch zu nehmen. Die Beschwerdeführerin berufe sich aber nicht auf diese für die Angehörigen der Vereinten Nationen geltenden Regelungen. Das Abkommen mit der Schweiz stehe der Anwendung der ihr günstigeren allgemeinen Völkerrechtsregel nicht entgegen. Sollte Art. 6 ÜV Teil X dennoch in Betracht gezogen werden, so könne nur Art. 6 Abs. 1 eingreifen, nicht aber Art. 6 Abs. 2.
Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Beschwerdeführerin durch die völkerrechtswidrige Heranziehung zur Hypothekengewinnabgabe in ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeit beeinträchtigt werde. Durch die angegriffenen Entscheidungen werde die Beschwerdeführerin in gleicher Weise wie Inländer zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen; die §§ 91 ff. LAG differenzierten nicht zugunsten von Ausländern. Hierin liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, der gebiete, ungleiche Sachverhalte ungleich zu regeln. Mit Art. 3 Abs. 1 GG sei zugleich Art. 14 GG verletzt.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als verletzt gerügt wird. Ebenso wie der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht (BVerfGE 12, 6 [8]) steht das Recht auf den gesetzlichen Richter jedem zu, der an einem gerichtlichen Verfahren als Partei beteiligt ist, gleichgültig, ob er eine natürliche oder eine juristische, eine inländische oder eine ausländische Person ist.
Ob die von einer ausländischen juristischen Person erhobene Verfassungsbeschwerde mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 3 GG auch insoweit zulässig ist, als die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 GG gerügt wird, kann im summarischen Verfahren nach § 24 BVerfGG dahingestellt bleiben (BVerfGE 6, 7 [11 f.]; 13, 132 [150]).
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet.
1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt.
a) Zwar kann jemand seinem gesetzlichen Richter auch dadurch entzogen werden, daß ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer acht läßt. Das gilt auch dann, wenn das Gericht, dem vorzulegen ist, nur über eine bestimmte Rechtsfrage zu entscheiden hat (BVerfGE 3, 359 [363]; 9, 213 [215 f.]; 13, 132 [143]).
Der Bundesfinanzhof war jedoch zur Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 2 GG nicht verpflichtet. Eine Vorlage wäre vielmehr unzulässig gewesen. Denn die Frage, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist, war für den Rechtsstreit vor dem Bundesfinanzhof nicht entscheidungserheblich (vgl. BVerfGE 15, 25 [30]; 16, 276 [279]). Dadurch, daß eine unzulässige Vorlage unterbleibt, kann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt werden.
b) Die Beschwerdeführerin beruft sich auf eine allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts, nach der die Heranziehung von Ausländern zur Deckung von Kriegsfolgelasten unzulässig wäre. Die vertraglichen Regelungen des Abkommens mit der Schweiz zum deutschen Lastenausgleich waren jedoch geeignet, diese Völkerrechtsregel - ihre Geltung unterstellt - zu verdrängen und ihre Anwendung auszuschließen.
Nach Art. 25 GG werden allgemeine Völkerrechtsregeln Bestandteil des Bundesrechts nur mit ihrem jeweiligen Inhalt und in ihrer jeweiligen Tragweite (vgl. BVerfGE 15, 25 [31 f.]; 16, 27 [32 f.]). Art. 25 GG öffnet ihnen die deutsche Rechtsordnung nur im Bestand ihrer völkerrechtlichen Geltung (vgl. Mosler, Das Völkerrecht in der Praxis der deutschen Gerichte, S. 40, 44), der sich auch danach bemißt, inwieweit sie im Verhältnis zu einzelnen Staaten durch vertragliche Regelungen verdrängt worden sind. Art. 25 GG hindert nicht, daß völkerrechtlich zulässige vertragliche Abmachungen, die den allgemeinen Völkerrechtsregeln nicht voll entsprechen, durch Gesetz die Kraft innerstaatlichen deutschen Rechts erlangen (vgl. BVerfGE 16, 276 [281 f.], sowie Wengler, Völkerrecht, 1964, Bd. I S. 483 Anm. 2; Dahm, Völkerrecht, 1958, Bd. 1 S. 67; Bertram in dem Bericht von Partsch, Die Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 6, 1964, S. 68 Anm. 63 a).
Das Völkergewohnheitsrecht ist durchweg nachgiebiges Recht. Ein Satz, demzufolge die allgemeinen gewohnheitsrechtlichen Regeln des Völkerrechts grundsätzlich den Vorrang vor vertraglichen Abmachungen hätten, ist dem allgemeinen Völkerrecht fremd. Das Völkervertragsrecht geht, soweit es die Vertragspartner betrifft, dem Völkergewohnheitsrecht in aller Regel als das spätere und speziellere Recht vor. Nur einige elementare Rechtsgebote werden als vertraglich unabdingbare Regeln des Völkergewohnheitsrechts anzusehen sein. Die Qualität solcher zwingenden Normen wird nur jenen in der Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft fest verwurzelten Rechtssätzen zuerkannt werden können, die für den Bestand des Völkerrechts als einer internationalen Rechtsordnung unerläßlich sind und deren Beachtung alle Mitglieder der Staatengemeinschaft verlangen können (vgl. Wengler, a.a.O. S. 412; Verdroß, Völkerrecht, 5. Aufl., S. 130; Menzel, Völkerrecht, 1962, S. 106 f.; Dahm, a.a.O. S. 16 f.; Guggenheim in: Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 3 S. 528 [531 f.]; Jaenicke, ebenda S. 766 [773 f.]). Der Satz, daß Ausländer nicht zur Deckung von Kriegsfolgelasten herangezogen werden dürfen, würde sicherlich nicht zu diesen zwingenden Regeln des Völkerrechts gehören (vgl. BVerfGE 16, 276 [281 f.]; Urteil der 1. Kammer der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland vom 2. Juni 1959, Entscheidungen der Schiedskommission Bd. II Nr. 54, S. 79 [82], sowie die Entscheidung vom 23. März 1962, Entscheidungen Bd. V Nr. 108, S. 40 [67], nach deren Leitsatz 3 die Regelung der Lastenausgleichsabgaben in Teil X des Überleitungsvertrags den Vorrang vor jeder anderen Völkerrechtsregel hat).
Es kann deshalb offenbleiben, ob die Tatsache, daß zwischen der Bundesrepublik und einer nicht geringen Zahl anderer Staaten Vereinbarungen geschlossen worden sind oder gelten, deren Inhalt dem deutsch-schweizerischen Abkommen entspricht, den Schluß rechtfertigen würde, die von der Beschwerdeführerin angeführte Völkerrechtsregel könne jedenfalls nicht als allgemeine Regel des Völkerrechts angesehen werden (vgl. Wengler, a.a.O. S. 395; vgl. weiterhin Entscheidungen der Schiedskommission Bd. V Nr. 108, S. 40 ff., insbesondere S. 67).
c) War also das Abkommen mit der Schweiz zum deutschen Lastenausgleich geeignet, die Anwendung der von der Beschwerdeführerin angeführten allgemeinen Völkerrechtsregel auszuschließen, so hätte diese Regel für die Entscheidung des Bundesfinanzhofs nur dann erheblich werden können, wenn das Abkommen der Beschwerdeführerin die Befugnis offengehalten hätte, die Heranziehung zu Lastenausgleichsabgaben nach dem Abkommen abzulehnen und sich statt dessen auf ihr günstigere Regeln des allgemeinen Völkerrechts zu berufen.
Der Bundesfinanzhof hat geprüft, ob das Abkommen, das auf die in Teil X des Überleitungsvertrags für die Staatsangehörigen der Vereinten Nationen getroffenen Vereinbarungen verweist, in diesem Sinne ausgelegt werden kann, ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß die "Behandlung (der Beschwerdeführerin) auf dem Gebiete des Lastenausgleichs ... durch das Abkommen abschließend geregelt worden" ist.
Für die verfassungsgerichtliche Nachprüfung der Auslegung und Anwendung vertraglicher Abmachungen, die durch Gesetz die Kraft innerstaatlichen deutschen Rechts erhalten haben, gelten dieselben Grundsätze, die auch sonst die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts, Gerichtsentscheidungen zu überprüfen, begrenzen: auch die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen völkerrechtlicher Abkommen kann nur daraufhin geprüft werden, ob sie Verfassungsrecht verletzen, also willkürlich sind (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen (BVerfGE 13, 132 [150]; 18, 85 [92 f.]) oder mit anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften unvereinbar sind.
Die Auslegung des deutsch-schweizerischen Abkommens und des Teils X des Überleitungsvertrags als abschließender Regelung sowie die Anwendung dieser Vereinbarungen auf die Beschwerdeführerin durch den Bundesfinanzhof verletzen jedoch Verfassungsrecht offensichtlich nicht.
Das Abkommen enthält keine Klausel, nach der die allgemeinen Regeln des Völkerrechts unberührt bleiben sollen (anders als etwa Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952 - Gesetz vom 20. Dezember 1956, BGBl. II S. 1879 -). Das Vertragsrecht geht in aller Regel dem Völkergewohnheitsrecht vor. Eine Regel, die die Heranziehung von Ausländern zur Deckung von Kriegsfolgelasten verböte, würde nicht zu den zwingenden Regeln des Völkerrechts gehören.
Art. 25 GG, auf dessen Verletzung im übrigen eine Verfassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann (BVerfGE 6, 389 [440]), ist also vom Bundesfinanzhof nicht verkannt worden. Daß die Auslegung des Abkommens als einer abschließenden Regelung anderen Bestimmungen des Grundgesetzes widerspräche, ist nicht ersichtlich.
d) Da es sonach auf die von der Beschwerdeführerin angeführte allgemeine Regel des Völkerrechts für die Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht ankam, ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt. Der Bundesfinanzhof hat zwar geprüft, ob eine allgemeine Völkerrechtsregel zugunsten der Beschwerdeführerin eingreift; er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sich eine solche Regel nicht feststellen lasse. Das ändert aber nichts daran, daß die Urteile von der Anwendung des Abkommens zum deutschen Lastenausgleich getragen werden und daß deshalb eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 2 GG unzulässig gewesen wäre.
2. Das Abkommen mit der Schweiz zum deutschen Lastenausgleich verweist auf die in Teil X des Überleitungsvertrags für die Staatsangehörigen der Vereinten Nationen getroffenen Vereinbarungen. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs greift hier Art. 6 Abs. 1 ÜV Teil X nicht ein, wohl aber Art. 6 Abs. 2 Satz 2, der eine zeitlich bemessene, also teilweise Befreiung von der Vermögensabgabe, nicht aber Befreiung von der Hypothekengewinnabgabe gewähre. Die Auslegung, die der Bundesfinanzhof den Bestimmungen des Teils X des Überleitungsvertrags gegeben hat, deckt sich mit derjenigen, die die Schiedskommission in der Entscheidung über die als Musterprozeß geführte Sache der Eheleute Gilis überzeugend begründet hat (Urteil der Schiedskommission vom 23. März 1962, Entscheidungen Bd. V Nr. 108, S. 40; siehe auch Entscheidungen Bd. VI Nr. 118, S. 20 [21]). Diese Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 120 Abs. 1 GG kann hier nicht herangezogen werden (vgl. BVerfGE 14, 221 [233, 234 ff.]).
3. Die Urteile des Bundesfinanzhofs und die ihnen zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen sind auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Es entspricht dem Verfassungsrecht ebenso wie dem Völkerrecht, daß Ausländer grundsätzlich in bezug auf ihre im Inland belegenen Grundstücke und die Grundpfandrechte an ihnen zu Abgaben herangezogen werden können (vgl. Entscheidungen der Schiedskommission Bd. V Nr. 108, S. 40 [53 ff.]). Es war nicht willkürlich, wenn die Heranziehung der Staatsangehörigen der Vereinten Nationen und der ihnen durch besondere Abkommen gleichgestellten Personen zu den Lastenausgleichsabgaben dahin geregelt worden ist, daß sie zwar teilweise von der Vermögensabgabe, nicht aber von der Hypothekengewinn- und der Kreditgewinnabgabe befreit worden sind. Entsprechende Regelungen gelten entweder kraft besonderer Abkommen und Erklärungen oder wegen Art. 6 Abs. 2 ÜV Teil X im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einer großen Zahl von Staaten und deren Angehörigen. Es verbietet sich anzunehmen, hier seien willkürliche Regelungen vereinbart oder anerkannt worden.
Es ist also mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, daß die Beschwerdeführerin im Vergleich zu Deutschen nur hinsichtlich der Vermögensabgabe begünstigt worden ist und daß weitere Vergünstigungen oder ihre völlige Befreiung von allen Lastenausgleichsabgaben nicht vorgesehen sind.
4. Die Auferlegung der Hypothekengewinnabgabe steht schließlich auch zu Art. 14 GG offensichtlich nicht in Widerspruch (vgl. BVerfGE 2, 237 [258 ff.]; 4, 7 [17]; 8, 274 [330]; 14, 221 [241]). Ebensowenig ist Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.