BGH, 25.10.1994 - 4 StR 173/94
Zur Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs bei nur vermeintlicher Mittäterschaft.
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 9. November 1993 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - in Mittäterschaft begangenen - versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen lernte der Angeklagte in einer Gaststätte einen Mann namens Ziehe kennen. Beide sprachen darüber, "wie man an Geld kommen könne" (UA 7/8). Ziehe erzählte dem Angeklagten, ihm sei ein Münzhändler bekannt, der seine Versicherung betrügen wolle. Er machte dem Angeklagten den Vorschlag, diesen in seinem Haus "zu überfallen und zu berauben"; "der Münzhändler sei mit allem einverstanden" (UA 8). Nachdem Ziehe dem Angeklagten für seine "Mitwirkung" 50.000 DM versprochen hatte - von denen 15.000 DM im vorhinein gezahlt werden sollten, die restlichen 35.000 DM sollte sich der Angeklagte aus dem Tresor des Münzhändlers nehmen dürfen -, erklärte sich der Angeklagte bereit, den Überfall durchzuführen. Die zum Schein zu raubenden Münzen sollten Ziehe übergeben werden. Ziehe wies den Angeklagten an, gegenüber dem Münzhändler nicht zu erkennen zu geben, daß er wisse, daß dieser dem Überfall zugestimmt habe.
Einige Tage vor Ausführung der Tat zahlte Ziehe dem Angeklagten 15.000 DM und teilte ihm Namen und Adresse des zu überfallenden Münzhändlers mit. Dieser war allerdings nicht, wie Ziehe den Angeklagten glauben machte, mit dem Überfall einverstanden.
Der geplante "Raub" wurde vom Angeklagten mit einem weiteren Beteiligten unter Einsatz einer Scheinwaffe durchgeführt. Die Gesamtbeute hatte einen Wert von 350.000 bis 400.000 DM.
Dem bei der Tat gefesselten und in den Waschkeller seines Hauses verbrachten Münzhändler gelang es, sich zu befreien und die Polizei zu alarmieren. Noch am Tattag meldete er seiner Versicherung den Schadensfall.
II.
Die Strafkammer hat den Angeklagten rechtsfehlerfrei wegen versuchten Betruges verurteilt.
1. Nach den Feststellungen ging der Angeklagte bei dem Überfall auf den Münzhändler irrig davon aus, daß das Opfer hierin eingewilligt hatte. Er unterlag somit im Hinblick auf den angeklagten schweren Raub einem den Vorsatz ausschließenden Irrtum (vgl. BGHSt 17, 87, 91; 31, 264, 286 [BGH 10.03.1983 - 4 StR 3745/82]/287). Eine Verurteilung insoweit ist daher zu Recht nicht erfolgt.
2. Die Auffassung der Revision, das dem Angeklagten vorgeworfene Verhalten stelle lediglich eine straflose versuchte Beihilfe zum Betrug dar, trifft nicht zu.
a) Das Landgericht hat die in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zur Abgrenzung der Mittäterschaft von der Beihilfe (vgl. u.a. BGHSt 37, 289, 291; BGHR § 25 Abs. 2 Mittäter 9; BGH NStZ 1984, 413 jeweils m.w.Nachw.) beachtet. Es geht auf der Grundlage der Vorstellung des Angeklagten von dem gesamten Tatablauf davon aus, daß er eine ihn als Mittäter qualifizierende Stellung im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Münzhändler und Ziehe innehatte, die Durchführung des Raubüberfalls nach seiner Vorstellung unabdingbare Voraussetzung für die Schadensanzeige an die Versicherung war und er im Hinblick auf die ihm zugesagte Belohnung in Höhe von 50.000 DM auch ein Täterinteresse an der Tatausführung hatte.
Die von der Revision gegen die Annahme mittäterschaftlichen Handelns vorgebrachten Einwendungen - der Angeklagte habe von der Versicherungssumme nichts erhalten, sondern schon vorher entlohnt werden sollen, er habe daher kein Interesse an dem Betrugs"erfolg" gehabt und auch keinerlei Einfluß auf die Schadensmeldung nehmen können - greifen im Hinblick auf die besondere Bedeutung seines Beitrages für den geplanten Betrug (Herbeiführung des versicherten Schadensfalles) nicht durch:
Der Tatbestand des Betruges ist auch bei fremdnützigem Handeln erfüllt, so daß schon deswegen ein Interesse des Angeklagten an dem durch den Betrug zu erlangenden Vermögensvorteil teilzuhaben, zur mittäterschaftlichen Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist. Da für eine Tatbeteiligung als Mittäter lediglich ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann, notwendig ist (vgl. BGHSt 11, 268, 271/272; 16, 12, 14; 37, 289, 292; BGH NStZ 1993, 180 [BGH 04.12.1992 - 2 StR 442/92]), ist mittäterschaftliches Handeln beim Betrug zum Nachteil einer Versicherung nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Mittäter keinen Einfluß auf die Schadensmeldung nimmt. Mittäter eines solchen Betruges kann vielmehr auch sein, wer selbst an den Verhandlungen mit der Versicherung nicht beteiligt ist und die Belohnung für die Schaffung der Voraussetzungen zur Täuschung und Schädigung der Versicherung bereits vor der Schadensmeldung erhalten hat (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 3).
b) Die Straftat, die der Angeklagte begehen wollte - gemeinschaftlicher Betrug zum Nachteil der Versicherung des Münzhändlers -, konnte nicht vollendet werden, weil der Münzhändler tatsächlich Opfer eines Raubüberfalls geworden war und er nach den Feststellungen "die Versicherung nicht betrügen wollte und nicht betrogen hat" (UA 17). Der Angeklagte hat sich jedoch wegen (untauglichen) Versuchs des Betruges (§§ 263 Abs. 1, 2, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB) strafbar gemacht (vgl. RGSt 42, 92; 50, 35 f; BGHSt 4, 254 [BGH 16.04.1953 - 5 StR 119/53]; 14, 345, 350).
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dies ist dann der Fall, wenn Handlungen vorgenommen werden, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. u.a. BGHSt 28, 162, 163).
Bei der Mittäterschaft treten alle Mittäter einheitlich in das Versuchsstadium, sobald einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt, und zwar unabhängig davon, ob einzelne von ihnen ihren Tatbeitrag bereits im Vorbereitungsstadium erbracht haben (vgl. BGHR StGB § 22 Ansetzen 3; Eser in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 22 Rdn. 55; Lackner StGB 20. Aufl. § 22 Rdn. 9).
Diese Kriterien gelten auch für den untauglichen Versuch, dessen Strafwürdigkeit in der - für sich gesehen schon gefährlichen - Auflehnung gegen die rechtlich geschützte Ordnung begründet ist (vgl. BGHSt 4, 254 [BGH 16.04.1953 - 5 StR 119/53]; 11, 268, 271; 30, 363, 366 [BGH 26.01.1982 - 4 StR 631/81]; Dreher/Tröndle StGB 46. Aufl. § 22 Rdn. 24 m.w.Nachw.). Entscheidend ist hier die Vorstellung des Täters von der Tauglichkeit der Handlung, die als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 22 StGB anzusehen ist (vgl. BGHSt 11, 324, 326/327; 30, 363, 366; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts AT 4. Aufl. § 50 I 5; Baumann/Weber, Strafrecht AT 9. Aufl. § 33 IV 1 b, 2).
Die nach dem Täterplan maßgebliche Handlung, die zur unmittelbaren Tatbestandserfüllung führen soll (vgl. BGHSt 26, 201, 203) und die nach natürlicher Auffassung auch zur Tatbestandserfüllung führen könnte, wenn sie geeignet wäre, ist hier so zu betrachten, als wäre sie tauglich (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1973, 900; Jescheck aaO; Baumann/Weber aaO).
Zwar war der nach Ansicht des Angeklagten vorgetäuschte Raubüberfall für den erwarteten beabsichtigten Betrug zum Nachteil der Versicherung nur Vorbereitungshandlung (vgl. BGH NJW 1952, 430, 431 gegen RGSt 72, 66; OLG Koblenz VRS 53, 27, 28; Dreher/Tröndle a.a.O. § 22 Rdn. 15; Eser a.a.O. § 22 Rdn. 35, 45); dadurch, daß die Schadensmeldung durch den vermeintlichen Mittäter (den Münzhändler) nach dem Überfall "tatplangemäß" - nach dem Tatplan zur Täuschung der Versicherung - erfolgte, wurde jedoch, was sich der Angeklagte als nach seiner Vorstellung mittäterschaftlich Handelnder zurechnen lassen muß, die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch überschritten (vgl. BGHSt 37, 294, 296; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 2 StR 429/82; BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 - 4 StR 509/91; Dreher/Tröndle a.a.O. § 263 Rdn. 44; Vogler in Festschrift für Stree/Wessels, 1993, S. 285, 296).
Die Verurteilung wegen versuchten Betruges ist daher zu Recht erfolgt. Da auch im übrigen die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat erkennen lassen, ist das Rechtsmittel zu verwerfen.
III.
Eine Anrufung des Großen Senats für Strafsachen (§§ 132 Abs. 2, 138 GVG) im Hinblick auf die Entscheidungen des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 1993 - 2 StR 158/93 (BGHSt 39, 236 mit krit. Anm. Hauf NStZ 1994, 263) und des 3. Strafsenats vom 1. August 1986 - 3 StR 295/86 (BGHR StGB § 22 Ansetzen 3) ist nicht geboten. Der 2. Strafsenat vertritt in dem genannten Urteil unter Hinweis auf den Beschluß des 3. Strafsenats vom 1. August 1986 die Rechtsansicht, daß der Grundsatz, nach dem alle Mittäter in das Versuchsstadium eintreten, sobald einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt, nur gilt, wenn dieser Beteiligte dabei (noch) mit dem Willen handelt, die Tat zur Ausführung zu bringen.
Der 1., 3. und 5. Strafsenat haben erklärt, daß der beabsichtigten Entscheidung Rechtsprechung dieser Senate nicht entgegensteht. Der 3. Strafsenat hat hierzu noch ausgeführt, der hier zur Beurteilung vorliegende Sachverhalt unterscheide sich wesentlich von der Fallgestaltung, die seiner Entscheidung (Beschluß vom 1. August 1986 - 3 StR 295/86) zugrunde gelegen habe. In der Sache selbst teilt der 3. Strafsenat die Rechtsauffassung des erkennenden Senats.
Der 2. Strafsenat hat dargelegt, er halte an seiner im Urteil vom 2. Juni 1993 (BGHSt 39, 236 ff) vertretenen Rechtsauffassung fest. Seiner Ansicht nach kann eine vermeintliche Mittäterschaft eine Zurechnung nicht begründen. Der 2. Strafsenat ist der Auffassung, daß seine Rechtsansicht der beabsichtigten Entscheidung entgegensteht.
Der erkennende Senat ist durch das Urteil des 2. Strafsenats vom 2. Juni 1993 (BGHSt 39, 236) indessen nicht gehindert, so, wie geschehen, zu entscheiden (vgl. BGHSt 35, 60, 64 ff) [BGH 29.09.1987 - 4 StR 376/87]. Eine Abweichung in einer Rechtsfrage liegt nicht vor. Die Unterschiede liegen im Tatsächlichen.
Bei dem vom 2. Strafsenat entschiedenen Sachverhalt ist die Vollendung der Tat deshalb gescheitert, weil der zur unmittelbaren Tatausführung bestimmte Mittäter, der den anderen seine Beteiligung zugesagt hatte, entweder seine Zusage nur zum Schein abgegeben hatte oder jedenfalls später nicht mehr bereit war, sich an der geplanten Tat zu beteiligen, und die Polizei informierte. Wegen des Grundsatzes, daß alle Mittäter in das Versuchsstadium eintreten, sobald einer von ihnen zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt, hatte der 2. Strafsenat die Rechtsfrage zu entscheiden, ob der verabredete Tatbeitrag des "Schein-"Mittäters den übrigen Mittätern als Teil der gemeinsam geplanten Tat zurechenbar war. Das hat der 2. Strafsenat verneint.
In dem vom erkennenden Senat zu beurteilenden Fall war mit demjenigen, der den Akt zum Eintritt in das Versuchsstadium tatplangemäß vornahm, keine Absprache getroffen worden. Ihm war der Tatplan nicht bekannt. Er war selbst das Opfer einer Straftat und hat diese seiner Versicherung zutreffend als Schadensereignis gemeldet. Der in der Vorstellung des Angeklagten hierdurch begonnene gemeinschaftliche Betrug konnte von vornherein nicht gelingen, weil Tatbestandsmerkmale, die der Angeklagte aufgrund eines durch einen Dritten bei ihm hervorgerufenen Irrtum für gegeben hielt (Täuschung der Versicherung durch den mit seinem Einverständnis Überfallenen) nicht vorlagen. Dieser Fall eines untauglichen Versuchs (vgl. Dreher/Tröndle a.a.O. § 22 Rdn. 23) ist mit dem vom 2. Strafsenat entschiedenen Sachverhalt nicht zu vergleichen. Zur Frage des untauglichen Versuchs hat sich der 2. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 2. Juni 1993 auch nicht geäußert. Da für den untauglichen Versuch besondere Kriterien gelten - für die Strafbarkeit kommt es auf die Vorstellung des Täters von der Tauglichkeit der Handlung an (oben II. 2 b) -, ist eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 GVG) nach Auffassung des hier entscheidenden Senats nicht gegeben.