danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

BVerfG, 11.04.1967 - 2 BvG 1/62

Daten
Fall: 
Wasser- und Schiffahrtsverwaltung
Fundstellen: 
BVerfGE 21, 312; BayVBl 1967, 382; DÖV 1967, 563; DVBl 1968, 589; NJW 1967, 1956
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
11.04.1967
Aktenzeichen: 
2 BvG 1/62
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Richter: 
Leibholz, Geller, Rupp, Geiger, Federer, Kutscher

1. Daraus, daß eine Bundeswasserstraße zugleich Verkehrsweg und Wasserspender ist, läßt sich weder eine Erweiterung der Kompetenz der Bundeswasserstraßenverwaltung noch eine Erweiterung der Kompetenz der Landeswasserstraßenbehörden ableiten.
2. Das Wasserhaushaltgesetz des Bundes und das Hessische Wassergesetz bilden zusammen erst die "gesetzliche Regelung", die im Sinn vom Art. 83 GG ausgeführt werden kann. Die beiden Gesetzes regeln die Materie "Wasser" in ihrer Bedeutung für den menschlichen Gebrauch und Vergleich, also unter dem Gesichtspunkt der "Wasserwirtschaft und Landeskultur", nicht auch in ihrer Bedeutung als "Wasserstraße und Verkehrsweg". Eine Zuständigkeit des Bundes zur Ausführung dieser Gesetze kann also nicht in Abweichung von Art. 83 GG aus Art. 89 Abs. 2 Satz 1 GG hergeleitet werden.
3. Die verfassungsrechtliche Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten des Bundes kommt nur in Betracht, wenn zwischen dem Bund und dem Land ein konkretes verfassungsrechtliches Verhältnis besteht, aus dem sich ein Recht des Bundes ergibt.
4. Der Verwaltungsakt einer unteren Bundesbehörde, der wegen Verkennung der Verfassungslage rechtswidrig ist, kann nicht Gegenstand einer Verfassungsstreitigkeit zwischen einem Land und dem Bund sein.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Zweiten Senats vom 11. April 1967
– 2 BvG 1/62 –
in dem Verfassungsrechtsstreit über die Frage, ob der Bund dadurch gegen Artikel 30 des Grundgesetzes und gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen hat, daß Behörden der Wasser und Schifffahrtsverwaltung des Bundes Erlaubnisse und Genehmigungen auf Grund der §§ 15, 17 und 69 des Hessischen Verwaltungsgebührengesetz vom 6. Juli 1960 erteilt und dafür Gebühren nach dem Hessischen Verwaltungsgebührengesetz vom 14. Oktober 1954 in der Fassung des § 130 des Hessischen Wassergesetzes vom 6. Juli 1960 erhoben haben. Antragsteller: für das Land Hessen die Hessische Landesregierung, vertreten durch den Hessischen Ministerpräsidenten, Antragsgegner: für den Bund die Bundesregierung, vertreten durch den Bundsminister für Verkehr.
Entscheidungsformel:

Der Bund hat dadurch Artikel 30 und Artikel 83 des Grundgesetzes verletzt, daß Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung über Erlaubnisse und Genehmigungen auf Grund des Hessischen Wassergesetzes entschieden und dafür Gebühren nach dem Hessischen Verwaltungsgebührengesetz erhoben haben.

Gründe

A.

I.

Die Wasser- und Schiffahrtsämter Frankfurt (Main), Mainz und Diez a. d. Lahn, Bundesbehörden der Bundeswasserstraßenverwaltung, haben seit 1960 in zahlreichen Fällen Bescheide erlassen, die die Erlaubnis oder Genehmigung von Anlagen an Bundeswasserstraßen innerhalb des Landes Hessen zum Gegenstand haben:

die Errichtung und den Betrieb von Verladerampen, Kaianlagen, Anlegerampen, Treibstoff- und Löschanlagen, Schiffsumschlagstellen und Fähren, die Errichtung und den Betrieb von Krananlagen, Slipanlagen, Anlegestegen und Landetreppen, Lösch- und Liegeplätzen für Schiffe, Bootsliegeplätzen und Brücken, das Kreuzen des Wasserlaufes durch Kabel, Wasserleitungen und Gasleitungen, teils an Brücken oder Wehr- und Schleusenanlagen, teils auf der Flußsohle, das Auslegen schwimmender Licht- und Sonnenbäder sowie von Booten als schwimmende Gaststätten oder als Wohnschiffe.

Die Bescheide sind auf Art. 89 GG, teilweise auch auf § 15 des mit Gesetz vom 29. Juli 1921 (RGBl. S. 961) in Kraft gesetzten Staatsvertrages betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich gestützt. In den Bescheiden heißt es – je nach Lage des Falles –, daß es sich entweder um eine Genehmigung nach den §§ 15 und 17 oder um eine Genehmigung nach § 69 des Hessischen Wassergesetzes – HessWG – vom 6. Juli 1960 (GVBl. S. 69) handle. In einzelnen Fällen, in denen eine Erlaubnis nach den §§ 15 und 17 HessWG erteilt wurde, ist außerdem auch auf die §§ 2, 3 und 7 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts – Wasserhaushaltsgesetz (WHG) – vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1110) Bezug genommen. Für die Erteilung der Bescheide sind Gebühren nach Nr. 63 des Gebührenverzeichnisses des Hess. Verwaltungsgebührengesetzes vom 14. Oktober 1954 (GVBl. S. 163) in der Fassung des § 130 HessWG erhoben worden. Soweit das Wasser- und Schiffahrtsamt Diez Genehmigungen erteilt hat, sind sie ausschließlich auf Art. 89 GG gestützt; für die Gebührenerhebung ist in diesen Fällen eine Rechtsgrundlage nicht angegeben.

Mit Schreiben vom 7. Juli 1961 hat das Hessische Ministerium für Landwirtschaft und Forsten den Bundesminister für Verkehr gebeten, die diesem nachgeordneten Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung anzuweisen, künftig keine Erlaubnisse und Genehmigungen mehr unter Anwendung des Hessischen Wassergesetzes zu erteilen, weil für den Erlaß derartiger Bescheide in Hessen ausschließlich die Regierungspräsidenten als obere Wasserbehörden zuständig seien und weil die Bundesbehörden nicht auf Grund von Landesgesetzen hoheitlich tätig werden dürften.

Das Bundesministerium für Verkehr hat hierauf mit Schreiben vom 5. August 1961 erwidert: Die durch die Artikel 87 und 89 GG begründete Zuständigkeit der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes könne durch Landesgesetz nicht eingeschränkt werden; im übrigen würden die beanstandeten Genehmigungen nur insoweit erteilt, als sie strom- und schiffahrtspolizeilichen Inhalt hätten.

Auf ein weiteres Schreiben des Hessischen Ministerpräsidenten vom 12. Februar 1962 erklärte der Bundesminister für Verkehr in einer Antwort vom 13. März 1962, daß er die Frage noch einmal überprüft habe und die von seinem Ministerium dem Hessischen Minister für Landwirtschaft und Forsten dargelegte Auffassung billige.

II.

Mit dem am 10. Mai 1962 eingegangenen Schriftsatz vom 7. Mai 1962, der durch die Schriftsätze vom 20. Dezember 1963 und 15. April 1966 ergänzt wurde, hat die Hessische Landesregierung beantragt, das Bundesverfassungsgericht möge feststellen:

I. Der Bund verstößt gegen Artikel 30 des Grundgesetzes und gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, wenn die Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes Erlaubnisse und Genehmigungen auf Grund der §§ 15, 17 und 69 des Hessischen Wassergesetzes vom 6. Juli 1960 (GVBl. S. 69) erteilen und dafür Gebühren nach dem Hessischen Verwaltungsgebührengesetz vom 14. Oktober 1954 (GVBl. S. 163) in der Fassung des § 130 des Hessischen Wassergesetzes vom 6. Juli 1960 erheben.
II. Durch folgende Erlaubnisse und Genehmigungen des Wasser- und Schiffahrtsamtes Mainz und des Wasser- und Schiffahrtsamtes Frankfurt/Main und – wie unter Berücksichtigung der Schriftsätze vom 20. Dezember 1963 und vom 15. April 1966 zu ergänzen ist – des Wasser- und Schiffahrtsamtes Diez an der Lahn hat der Bund gegen Artikel 30 des Grundgesetzes und die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen: ...

In der Begründung wird ausgeführt: Die Vorschriften des Hessischen Wassergesetzes seien auch für die Bundeswasserstraßen maßgebend. Zuständig für die Erteilung der danach erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen seien die hessischen Regierungspräsidenten. Die Bundesbehörden dagegen hätten nicht das Recht, hessisches Landesrecht hoheitlich zu vollziehen; dies gelte auch dann, wenn es sich um Verwaltungsbereiche handle, die das Grundgesetz dem Bund zugewiesen habe. Soweit in einem solchen Verwaltungsbereich der Bund nicht verwalten könne, ohne daß Rechtsnormen vollzogen werden, sei es seine Sache, sich die erforderliche Rechtsgrundlage zu schaffen. Vollziehe der Bund innerhalb eines ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Verwaltungsbereichs Landesrecht, so greife er in den Hoheitsbereich der Länder ein, zu dem nach Art. 30 GG in jedem Falle der Vollzug des eigenen Landesrechts gehöre.

Eine Befugnis der Bundesverwaltung, Landesrecht zu vollziehen, könne auch weder aus der Berufung auf den status quo noch aus § 15 des Staatsvertrages von 1921 hergeleitet werden:
Das Grundgesetz habe eine Kompetenzverteilung vorgenommen, die die Berufung auf eine frühere Verwaltungsübung verbiete; im übrigen hätten auch unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Länder die Verwaltungszuständigkeit auf den Wasserstraßen nur zum Teil im Auftrag des Reiches wahrgenommen. Wie widerspruchsvoll die Berufung des Bundes auf den status quo sei, zeige sich an der verschiedenen Behandlung der einzelnen Länder: In Bayern und Baden-Württemberg nehme der Bund nicht das Recht für sich in Anspruch, die entsprechenden Vorschriften des Landesrechts zu vollziehen. Die Folge sei, daß z. B. für die Einrichtung einer Fähre, die das hessische Ufer des Mains mit dem bayerischen verbinde, für den bayerischen Teil des Mains die Regierung von Unterfranken, für den hessischen Teil dagegen die Bundesverwaltung die Erlaubnis erteilt habe.

Auch auf § 15 des Staatsvertrages von 1921 könne sich der Bund nicht berufen. Wenn es auch in § 1 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21. Mai 1951 heiße, die im Staatsvertrag getroffene Regelung gelte sinngemäß weiter, so ergebe sich doch aus dem Zusammenhang, daß sich dies nur auf die mit dem Eigentumsübergang zusammenhängenden Fragen beziehe. Eine Weitergeltung der in § 15 des Staatsvertrages getroffenen Regelung erscheine schon deshalb ausgeschlossen, weil die Fortgeltung vorkonstitutionellen Rechts jetzt in den Art. 123 bis 125 GG abschließend geregelt sei.

Aus diesen Gründen verstoße der Bund mit der von ihm gehandhabten Praxis zugleich gegen seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten; alle Länder hätten den gleichen verfassungsrechtlichen Status und der Bund dürfe deshalb nicht in einzelnen Ländern eine Kompetenz für sich beanspruchen, die er in anderen Ländern der Landesverwaltung überlasse. Davon abgesehen müsse auch bestritten werden, daß für die von den beanstandeten Verwaltungsakten erfaßten Sachverhalte eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes nach Art. 89 GG bestehe. Die Vorschrift des § 69 HessWG, auf die sich der größte Teil der beanstandeten Verwaltungsakte stütze, habe nur wasserwirtschaftliche Bedeutung, und der in dieser Vorschrift normierte Genehmigungsvorbehalt habe mit dem Verkehr auf den Bundeswasserstraßen nichts zu tun. Auch der in § 15 HessWG statuierte Erlaubnisvorbehalt habe überwiegend wasserwirtschaftliche Bedeutung. Das Hessische Wassergesetz regele überhaupt nur wasser- und wirtschaftsrechtliche Fragen, die zum Kompetenzbereich des Landes gehörten. Soweit die nach dem Hessischen Wassergesetz erlaubnispflichtigen Anlagen auch den Verkehr auf den Bundeswasserstraßen berühren, müsse durch eine bundesgesetzliche Regelung ein entsprechender Erlaubnis- oder Genehmigungsvorbehalt normiert werden.

III.

Namens der Bundesregierung hat sich der Bundesminister für Verkehr wie folgt geäußert:
Das Recht der Bundesbehörden, hessisches Wasserrecht zu vollziehen, ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21. Mai 1951. Dieses Gesetz habe die Verordnung über die Reichswasserstraßen vom 15. April 1943 (RGBl. II S. 131) aufgehoben (§ 10) und den Staatsvertrag von 1921 wieder für sinngemäß anwendbar erklärt. Da aber die Verordnung über die Reichswasserstraßen in einem umfassenden Sinne Grundlage für die Verwaltung der Reichswasserstraßen gewesen sei, müsse aus der Aufhebung und Ersetzung dieser Regelung durch den Staatsvertrag gefolgert werden, daß das Gesetz vom 21. Mai 1951, wie auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 26, 384 [390]), das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 9, 50) und das Oberverwaltungsgericht Münster (VkBl. 1960 S. 318 und DÖV 1960 S. 314) anerkannt hätten, den vor der Aufhebung des Staatsvertrags geltenden Rechtszustand im ganzen wieder hergestellt habe. Wenn aber die Weitergeltung des Staatsvertrags auf nachkonstitutionellem Bundesrecht beruhe, stünden seiner Anwendbarkeit die Art. 123 bis 125 GG nicht entgegen.

Hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit es sich bei den von den beanstandeten Verwaltungsakten erfaßten Sachverhalten um Angelegenheiten handelt, die nach Art. 89 GG in den Bereich der Bundesverwaltung fallen, hatte der Bundesminister für Verkehr zunächst die Ansicht vertreten, daß Art. 89 GG dem Bund eine umfassende und ausschließliche Zuständigkeit zur hoheitlichen Verwaltung der Bundeswasserstraßen übertragen habe. Da mit dieser ausschließlichen Verwaltungszuständigkeit nur eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz korrespondiere, müsse der Bund befugt sein, bei der Verwaltung der Bundeswasserstraßen notfalls auf Landesrecht zurückzugreifen, und zwar um so mehr, als das Hessische Wassergesetz keineswegs nur solche wasserrechtlichen Fragen regele, die zum Kompetenzbereich des Landes gehören.

Im übrigen hat der Bundesminister für Verkehr den Standpunkt vertreten, daß bis zur endgültigen Klärung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Wasserrechts an dem überkommenen status quo festgehalten werden solle und daß unter diesem Gesichtspunkt auch die verschiedene Praxis innerhalb der Länder gerechtfertigt erscheine.

Nach der Verkündung des in dem Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen ergangenen Urteils vom 30. Oktober 1962 (BVerfGE 15, 1) hat der Bundesminister für Verkehr erklärt, die Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes wendeten das hessische Wasserrecht nur insoweit an, als es sich darum handle, die Bundeswasserstraßen in einem für die Schiffahrt geeigneten Zustand zu erhalten; namentlich die Errichtung und der Betrieb von Slipanlagen, Schiffslöschanlagen, Anlegestegen, Brücken und Leitungskreuzungen seien Maßnahmen, die für die Bundeswasserstraßen als Verkehrswege von erheblicher Bedeutung seien und deshalb ein hoheitliches Tätigwerden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes erheischten.

Beide Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

I.

Der Antrag der Hessischen Landesregierung ist zulässig:
Beanstandete Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG ist die vom Bundesminister für Verkehr gebilligte Praxis der Wasser- und Schiffahrtsämter des Bundes innerhalb des Landes Hessen. Die Hessische Landesregierung macht geltend, daß das Land durch diese Maßnahmen in seinen Rechten, nämlich in seinem Recht auf Ausübung der ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Befugnis, die wasserwirtschaftlichen Belange des Landes auch in bezug auf die Bundeswasserstraßen wahrzunehmen, verletzt oder gefährdet werde. Für die Zulässigkeit dieser Rüge genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß sich die Verletzung oder Gefährdung der Rechte des Landes aus dem Sachvortrag als mögliche Rechtsfolge ergibt (BVerfGE 2, 143 [168]; 347 [366]; 13, 123 [125]). Dies ist hier der Fall.

Der Antrag bezeichnet auch, wie § 64 Abs. 2 BVerfGG verlangt, die Bestimmung des Grundgesetzes, gegen die die beanstandete Maßnahme des Antragsgegners verstoßen soll, nämlich Art. 30 GG und die verfassungsrechtliche Pflicht des Bundes zu bundesfreundlichem Verhalten.

Der Antrag ist schließlich auch rechtzeitig, d. h. innerhalb der in § 64 Abs. 3 BVerfGG bestimmten Frist von sechs Monaten gestellt: Zwar hat, wie sich aus dem dem Antrag der Hessischen Landesregierung beigefügten Schreiben des Hessischen Ministers für Landwirtschaft und Forsten vom 7. Juli 1961 ergibt, die Hessische Landesregierung spätestens zu diesem Zeitpunkt von den von ihr beanstandeten Maßnahmen Kenntnis erlangt. Ist jedoch Gegenstand des Antrags die Durchführung einer Maßnahme, so beginnt die Frist erst in dem Augenblick zu laufen, in dem sich der Antragsgegner eindeutig geweigert hat, die Forderung des Antragstellers zu erfüllen (BVerfGE 4, 250 [269]). Diese Voraussetzung war im vorliegenden Falle erst erfüllt, nachdem der Bundesminister für Verkehr dem Hessischen Ministerpräsidenten mit Schreiben vom 13. März 1962 mitgeteilt hatte, daß er den auf Referentenebene geführten Schriftwechsel überprüft habe und keine Veranlassung sehe, von der in dem Schreiben vom 5. August 1961 dargelegten Auffassung abzugehen. Unter Berücksichtigung dieses Schreibens ist der am 10. Mai 1962 bei dem Bundesverfassungsgericht eingegangene Antrag der Hessischen Landesregierung innerhalb der in § 64 Abs. 3 BVerfGG bestimmten Frist gestellt.

II.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 30. Oktober 1962 (BVerfGE 15, 1) entschieden, daß dem Bund in bezug auf die Bundeswasserstraßen eine Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz nur insoweit zusteht, als diese Wasserstraßen als Verkehrswege dienen, nicht auch, insoweit sie als Wasserspender und Vorfluter in Betracht kommen.

1. Eine Bundeswasserstraße ist immer zugleich Verkehrsweg und Wasserspender und Vorfluter. In der Regel werden deshalb die Wasserstraßenverwaltung des Bundes und die Wasserwirtschaftsverwaltung eines Landes an Bundeswasserstraßen derart ineinandergreifen, daß jede von ihnen bei ihren Maßnahmen auf die Belange der anderen Verwaltung wird Rücksicht nehmen müssen; für die Bundeswasserstraßenverwaltung ist das durch Art. 89 Abs. 3 GG ausdrücklich klargestellt; sie ist in jedem Falle an das Einvernehmen mit der zuständigen Landesverwaltung gebunden. Unbeschadet dessen läßt sich jedoch daraus weder eine Kompetenzerweiterung zugunsten der Bundeswasserstraßenverwaltung noch eine Kompetenzerweiterung zugunsten der Landeswasserbehörden ableiten.

2. Sowohl im Bereich der Wasserstraßenverwaltung als auch im Bereich der Wasserwirtschaftsverwaltung gibt es gesetzesfreie und gesetzesvollziehende Verwaltung. Das allgemeine Wasserrecht ist zum Teil in einem Bundesgesetz, zum Teil in Landesgesetzen enthalten; denn der Bundesgesetzgeber besitzt für die Materie "Wasserhaushalt" nur eine Rahmenkompetenz (Art. 75 Nr. 4 GG), während im übrigen für die Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Wasserrechts die Länder zur Gesetzgebung zuständig sind. Innerhalb des Landes Hessen bilden also das Bundesgesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1110) als Bundesrahmengesetz und das Hessische Wassergesetz vom 6. Juli 1960 (GVBl. S. 69) zusammen erst die "gesetzliche Regelung", die "ausgeführt" werden kann (vgl. BVerfGE 4, 115 [128 f., 136 f.]; 4, 219 [238]; 8, 186 [193]). Mangels einer abweichenden Regelung im Grundgesetz ist sie von den Verwaltungsbehörden des Landes auszuführen (Art. 83 GG). Denn sowohl das Wasserhaushaltsgesetz als auch die Wassergesetze der Länder regeln die Materie "Wasser" in ihrer Bedeutung für den menschlichen Gebrauch und Verbrauch, also unter dem Gesichtspunkt der "Wasserwirtschaft und der Landeskultur", nicht auch in ihrer Bedeutung als "Wasserstraße" und "Verkehrsweg". Eine Zuständigkeit des Bundes zur Ausführung dieser Gesetze kann also auch nicht in Abweichung von Art. 83 GG aus Art. 89 Abs. 2 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil die in dieser Bestimmung genannte "Verwaltung", soweit sie gesetzesakzessorisch sein soll, ein Gesetz voraussetzen würde, das die Verhältnisse an der Bundeswasserstraße als Verkehrsweg regelt. Ein solches Gesetz, zu dessen Erlaß der Bund gemäß Art. 74 Nr. 21 GG zuständig wäre, ist bisher nicht ergangen. Der Regierungsentwurf eines "Bundeswasserstraßengesetzes" ist dem Deutschen Bundestag zwar unter dem 15. Juni 1965 (BT-Drucks. IV/3549) und unter dem 1. März 1966 (BT-Drucks. V/352) zugeleitet, aber bisher nicht verabschiedet worden.

3. Die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Land Hessen und dem Bund hat sich an Tatbeständen entzündet, in denen ein Privater, ein Verein oder ein Unternehmen an, in, über oder unter der Bundeswasserstraße eine Einrichtung oder Anlage errichten wollte, die um der guten Ordnung willen nicht ohne weiteres, sondern erst nach einer behördlichen Prüfung ins Werk gesetzt werden kann, die also einer Erlaubnis oder Bewilligung bedarf. Voraussetzung für ein solches "Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahren" ist, da es sich um eine Beschränkung der menschlichen Handlungsfreiheit handelt, eine gesetzliche Grundlage, die insbesondere die Voraussetzungen für die Erteilung oder Versagung der Erlaubnis oder Bewilligung näher regelt. Bei den hier streitigen Tatbeständen handelt es sich also um ein Tätigwerden der Behörden, das nur auf Grund eines Gesetzes zulässig ist. Die handelnde Verwaltung muß also 1. materiell eine gesetzliche Grundlage für ihr Handeln besitzen und 2. formell zuständig sein, das Gesetz, das die materielle Grundlage ihres Handelns bildet, auszuführen.

Zur Zeit haben die Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung keine gesetzliche Grundlage, auf die sie die Genehmigungen, die Hessen beanstandet, gründen können:
a) Art. 89 Abs. 2 Satz 1 GG selbst enthält diese Grundlage nicht. Diese Vorschrift trifft nur eine Kompetenzentscheidung zwischen Bund und Ländern. Sie genügt, soweit sich die Verwaltung als sogenannte gesetzesfreie Verwaltung abspielt (z. B. Ausbau oder Freihaltung der Fahrrinne), weil in diesem Bereich nur die Zuweisung der Kompetenz an den Bund von rechtlicher Bedeutung ist. Sie setzt aber im übrigen voraus, daß dort, wo das Verwaltungshandeln wegen des Vorbehaltes des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage bedarf, dieses Gesetz vorhanden ist oder geschaffen wird.

b) Auch das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21. Mai 1951 (BGBl. I S. 352) ermächtigt die Bundeswasserstraßenverwaltung nicht zur Erteilung oder Versagung von Genehmigungen der hier im Streit stehenden Art.

Das Gesetz regelt, wie sich aus seiner Überschrift und seinem Inhalt ergibt, nur die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen. Das gilt auch für die Bezugnahme auf den Staatsvertrag vom 29. Juli 1921 samt Nachträgen im § 1 Abs. 1 Satz 4.

Auch aus § 10 dieses Gesetzes, durch den die Verordnung über die Reichswasserstraßen vom 15. April 1943 (RGBl. II S. 131) und die Erste Durchführungsverordnung hierzu aufgehoben worden sind, ergibt sich nichts anderes. Die Verordnung aus dem Jahre 1943 hatte in § 6 den Staatsvertrag außer Kraft gesetzt. Nachdem er in § 1 Abs. 1 Satz 4 des Bundesgesetzes in Bezug genommen worden ist, hielt es der Bundesgesetzgeber offenbar für angezeigt, in § 10 seine Außerkraftsetzung rückgängig zu machen. Mehr kann man dem § 10 nicht entnehmen.

Der Staatsvertrag enthält zwar nicht nur vermögensrechtliche Regelungen, aber doch weitaus überwiegend Regelungen vermögensrechtlicher Art; nur auf sie ist abgestellt, wenn es in § 1 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes vom 21. Mai 1951 heißt, die im Vertrag "getroffene Regelung gilt sinngemäß weiter". Das wird übrigens eindeutig durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt: § 1 Abs. 1 Satz 4 und § 10 waren im Regierungsentwurf noch nicht enthalten. Sie wurden eingefügt auf Antrag des Bundesrates; die von ihm dazu gegebene Begründung ergibt, daß damit nur eine zusätzliche Klarstellung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse an den Bundeswasserstraßen beabsichtigt war (vgl. BT-Drucks. I/801 S. 9 ff.).

Die Gegenmeinung (vgl. beispielsweise OVG Münster, VkBl. 1960 S. 318 [319]) möchte in der Bezugnahme auf den Staatsvertrag in § 1 Abs. 1 Satz 4 auch eine Bezugnahme auf § 15 des Staatsvertrags erblicken, demzufolge "die Gesetze und Verordnungen der Länder unbeschadet der Bestimmungen der Reichsverfassung bis zu einer anderweitigen reichsgesetzlichen Regelung in Kraft bleiben", und aus ihr dann schließen, daß sich die Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung bei ihren Genehmigungen auf die Landesgesetze stützen können.

Abgesehen davon, daß schon, wie ausgeführt, die Ausdehnung der Bezugnahme auf andere als vermögensrechtliche Regelungen im Vertrag fehlgeht, muß dieser Versuch scheitern, weil danach überhaupt nicht festgestellt werden kann, welche Landesgesetze und Verordnungen im einzelnen heute angewandt werden sollen. § 15 a.a.O. nennt sie nicht; er enthält außerdem einen Vorbehalt zugunsten "der Bestimmungen der Reichsverfassung", dessen Auswirkung zweifelhaft ist; außerdem besteht der Zweifel, ob die 1921 geltende Rechtslage heute zugrunde zu legen ist – wofür der Wortlaut spricht: "bleiben in Kraft" – oder ob spätere landesrechtliche Änderungen oder neue Landesgesetze zu berücksichtigen sind (vgl. Giese, Die Bundeswasserstraßen als Gegenstand der Bundeskompetenz, 1955, S. 10, Anm. 23); schließlich ist zweifelhaft, ob nicht das Landesrecht durch die veränderte Verfassungslage nach 1933 modifiziert worden ist und inwieweit es durch die Neuordnung des Grundgesetzes berührt worden ist. Das bedeutet aber: Hätte die Bezugnahme in § 1 Abs. 1 Satz 4 a.a.O. die behauptete weite Bedeutung, so würde sie die gegenwärtige Rechtslage nicht nur nicht klarstellen, sondern mindestens in demselben Umfang verunsichern und verunklaren wie im Falle des Apothekenstoppgesetzes (BVerfGE 5, 25 [31 ff.]). Wenn man in § 1 Abs. 1 Satz 4 des Bundesgesetzes vom 21. Mai 1951 eine Bezugnahme auf § 15 des Staatsvertrages erblicken würde, wäre also diese Verweisung wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Gebot eines Mindestmaßes an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nichtig.

c) Ebensowenig enthalten das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt vom 15. Februar 1956 (BGBl. II S. 317) und das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt vom 24. Mai 1965 (BGBl. II S. 833) eine Ermächtigung der Bundeswasserstraßenverwaltung zur Erteilung oder Versagung von Genehmigungen für Anlagen an Bundeswasserstraßen. Die in § 4 des erstgenannten und in § 3 des zweitgenannten Gesetzes angeführten "notwendigen Maßnahmen", die die Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes "nach pflichtgemäßem Ermessen" zur Aufrechterhaltung der "Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" auf Bundeswasserstraßen treffen können, sind nur Maßnahmen, die sich als konkrete Gebote oder Verbote, die die Schiffahrt betreffen, darstellen (z. B. Sperrung bei Hoch- oder Niedrigwasser); sie umfassen keinesfalls Anlage- oder Einrichtungsgenehmigungen für Wasseranlieger oder Dritte.

d) Abwegig ist die Annahme, daß das Landeswasserrecht, "soweit es die Bundeswasserstraßen betrifft, als Bundesrecht zu qualifizieren ist" (Kölble, DÖV 1964 S. 556). Das Landeswasserrecht betrifft, wie oben dargelegt, überhaupt nicht die Bundeswasserstraßen als Verkehrsweg, den allein die Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung zu verwalten zuständig sind. Damit dieses Landeswasserrecht, das eine der Ausführung durch die Landesverwaltung bedürftige Regelung der Materie "Wasser" in ihrer Bedeutung für das menschliche Leben, für die Wirtschaft und die Industrie, also als "Wasserspender und Vorfluter" enthält, von der Bundeswasserstraßenverwaltung für ihre Zwecke im Rahmen der "Verkehrswegverwaltung" benutzt werden kann, müßte es mindestens durch eine bundesgesetzliche Vorschrift für den genannten Zweck in Bezug genommen und auf diese Weise als Bundesrecht "rezipiert" worden sein. Davon kann keine Rede sein. Die Annahme einer "gewohnheitsrechtlichen" Rezeption scheitert – für den Bereich Hessen jedenfalls – daran, daß Hessen, sobald es von der Übung der in Hessen gelegenen Wasserstraßenämter und Wasserstraßendirektionen des Bundes Kenntnis erhalten hat, dagegen protestiert hat.

e) Eine bloße Berufung auf den "status quo", der mangels bundesgesetzlicher Regelung die vorläufige Praxis der Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung annehmbar mache, ist keine rechtlich zureichende Begründung für das Vorgehen der Bundesbehörden bei der Genehmigung (oder Nichtgenehmigung) von Anlagen oder Einrichtungen an einer Bundeswasserstraße.

f) Auch der Bund hält im übrigen die Verabschiedung eines Bundeswasserstraßengesetzes für nötig (vgl. BT-Drucks. IV/3549 und V/352; §§ 10, 14, 17, 22, 31, 32 des Entwurfs).

4. Aus den Überlegungen zu Ziff. B, II, 3 ergibt sich, daß den Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung eine bundesrechtliche Regelung, die ihr die von Hessen beanstandete gesetzesakzessorische Verwaltung der Bundeswasserstraßen erlaubt, nicht zur Verfügung steht. Indem sie dazu das Hessische Wassergesetz heranziehen, führen sie ein Landesgesetz aus. Die Ausführung von Landesgesetzen durch Bundesbehörden ist aber nach dem Grundgesetz schlechthin ausgeschlossen (BVerfGE 12, 205 [221]; Zeidler, DVBl. 1960, 573 ff.). Zur Ausführung eines Landesgesetzes sind ausschließlich die Landesbehörden zuständig (Art. 30 GG). Daran kommt man auch nicht vorbei, wenn man berücksichtigt, daß beim Vollzug von Wasserrecht auch notwendig ein Bundesrahmengesetz – das Wasserhaushaltsgesetz – auszuführen ist; denn auch dieses Bundesgesetz ist nach Art. 83 GG von den Landesbehörden auszuführen. Es betrifft, wie dargelegt, nicht die Bundeswasserstraßen als Verkehrswege und kann deshalb von der Bundeswasserstraßenverwaltung, die eine reine Verkehrswegverwaltung ist, auch nicht über den Art. 89 GG "ausgeführt" werden. In der Ausführung des hessischen Wasserrechts durch die Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung liegt also ein Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Landeszuständigkeit im Bereich der Verwaltung, näherhin ein Verstoß gegen Art. 30, 83 GG (vgl. Forsthoff, Fragen der Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Wasserrechts, S. 19 ff.; Giesecke und Scheuner, in: Das Recht der Wasserwirtschaft, Heft 3, 1957, S. 63 ff.).

5. Daneben kommt ein Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Bundestreue nicht in Betracht. Die verfassungsrechtliche Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten – hier des Bundes gegenüber dem Land Hessen – käme erst und nur ins Spiel, wenn zwischen dem Bund und dem Land ein konkretes verfassungsrechtliches Verhältnis bestünde, aus dem sich ein Recht des Bundes ergäbe, von dem der Bund in Rücksicht auf die Pflicht zu bundestreuem Verhalten einen bestimmten Gebrauch nicht machen darf oder auf Grund dessen der Bund in bestimmter Weise vorgehen muß (vgl. BVerfGE 1, 117 [131]; 1, 299 [315 f.]; 3, 52 [57]; 4, 115 [141]; 6, 309 [361 f.]; 8, 122 [138]; 12, 205 [249, 254 ff.]).

Im vorliegenden Fall liegen die Dinge aber anders: Hier fehlt es an einem Recht oder an einer Kompetenz, kraft deren der Bund die von Hessen beanstandeten Verwaltungsakte erlassen kann. Verfassungsrechtlich relevant bleibt nur der Verstoß gegen Art. 30 und Art. 83 GG.

6. Zum Teil stützen die Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung ihre dem Verwaltungsakt beigegebene Kostenentscheidung auf das Hessische Verwaltungsgebührengesetz. Der Grund für diese Praxis ist wiederum, daß es an einer bundesrechtlichen Vorschrift, die den Gebührenanspruch rechtfertigen könnte, fehlt. Für andere Verwaltungsmaßnahmen der Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes sehen § 3b des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt und § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt wenigstens die Ermächtigung zum Erlaß einer Kostenverordnung vor.

Das Hessische Verwaltungsgebührengesetz vom 14. Oktober 1954 (GVBl. S. 163) – mehrfach, u.a. durch § 130 des Hessischen Wassergesetzes geändert – ist offensichtlich nur erlassen, um an Verwaltungsakte hessischer Behörden eine Gebührenlast zu knüpfen. Es als Rechtsgrundlage für die Auferlegung einer Gebühr aus Anlaß eines Verwaltungsaktes einer Bundesbehörde heranzuziehen, ist nicht nur nach einfachem, sondern auch nach Verfassungsrecht unzulässig:

Zunächst ist auch hier die Vorstellung abzuweisen, der Bund könne im Wege einer Bezugnahme auf das Landesrecht dieses Landesrecht zu "Bundesrecht" und so seiner Bundesverwaltung "dienstbar" machen. Dazu wäre mindestens ein Bundesgesetz nötig, das – sinngemäß – bestimmen müßte, daß die Behörden der Bundeswasserstraßenverwaltung Gebühren "nach Maßgabe der landesrechtlichen Kosten- und Verwaltungsgebührengesetze" erheben können. Dergleichen ist bisher nicht geschehen.

a) Es trifft auch nicht zu, daß sowohl Landes- als auch Bundesbehörden alles einschlägige Recht, Bundesrecht und Landesrecht, "anzuwenden" haben. "Anwenden" ist hier in dem Sinne zu verstehen, daß der Bund, der das Landesrecht niemals "ausführen" kann, es bei seinem hoheitlichen Handeln zu "beachten" hat. Bezogen auf das Verwaltungsgebührengesetz heißt das, daß der Bund zu beachten hat, daß dieses Gesetz nur für hessische Behörden anwendbar ist.

b) Es mag dahinstehen, ob das Hessische Verwaltungsgebührengesetz überhaupt ein Gesetz ist, das "ausgeführt" werden kann. Der Übergriff des Bundes in die Landeshoheit liegt darin, daß er nach Landesrecht greift, das das Land seinen Landesbehörden vorbehalten hat. Das Hinübergreifen und Inanspruchnehmen eines Landesgesetzes durch eine Bundesbehörde stellt sich verfassungsrechtlich als Eingreifen in die Landeshoheit dar, zu der auch gehört, zu bestimmen, wer von einem Landesgesetz "Gebrauch machen" kann. Zu den "staatlichen Befugnissen", die nach Art. 30 GG Sache der Länder sind, gehört auch die Bestimmung des Anwendungsbereichs eines Landesgesetzes. Der Bund verletzt also, wenn er diese Schranke nicht beachtet, das Land in "seinem Recht". Er verletzt Art. 30 GG.

7. Die Hessische Landesregierung hat unter Ziffer II ihres Antrages die Feststellung begehrt, daß der Bund durch insgesamt 71 einzeln bezeichnete Erlaubnisse und Genehmigungen der Wasser- und Schiffahrtsämter Frankfurt (Main), Mainz und Diez a. d. Lahn gegen Artikel 30 des Grundgesetzes und die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen habe. Die in diesem Antrag aufgeführten Verfahren sind als Material für den anhängigen Verfassungsstreit bedeutsam, weil sich aus ihm ergibt, daß und in welchem Umfang die Bundesbehörden eine von der Bundesregierung und dem Bundesverkehrsminister gebilligte Praxis entwickelt haben, die der Ordnung des Grundgesetzes zuwider läuft. Der einzelne Verwaltungsakt einer unteren Bundesbehörde, der wegen Verkennung der Verfassungslage rechtswidrig ist, kann aber nicht Gegenstand einer Verfassungsstreitigkeit zwischen dem Land Hessen und dem Bund sein. Es ist auch in diesem Verfahren nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, die Verwaltungsakte daraufhin nachzuprüfen, in welchen Punkten die durch das Grundgesetz gezogenen Schranken von dem Wasser- und Schiffahrtsamt Frankfurt, Mainz oder Diez nicht beachtet worden sind. Das Petitum der Hessischen Landesregierung ist mit der allgemeinen Feststellung, wie sie im Tenor formuliert ist, erfüllt. Eine Feststellung gemäß Ziffer II des Antrags würde der Hessischen Landesregierung nicht zusätzlich etwas rechtlich Bedeutsames zusprechen.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.