BGH, 06.12.1988 - VI ZR 132/88

Daten
Fall: 
Änderung des Entbindungskonzepts
Fundstellen: 
BGHZ 106, 153; MDR 1989, 437; NJW 1989, 1538; NJW-RR 1989, 726; VersR 1989, 253
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
06.12.1988
Aktenzeichen: 
VI ZR 132/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • Arzthaftung - Aufklärungspflicht - Einwilligung - Geburtskomplikationen - Aufklärungspflichten bei einer Risikogeburt - Zuordnung von Vermögensschäden zwischen Mutter und Kind - Haftung auch für Schädigungen vor der Geburt (also vor Erlangung der Rechtsfähigkeit, § 1 BGB)

1. Zur Arzthaftung für die Schädigung von Mutter und Kind bei der Geburt aus einer Beckenlage auf risikoreichem vaginalen Wege.
2. Zur Aufklärungspflicht des geburtsleitenden Arztes zwecks erforderlicher Einwilligung der Mutter in die Entscheidung gegen die weniger riskante Kaiserschnitt-Entbindung.
3. Zur Rechtswidrigkeit und Fahrlässigkeit bei Abweichung vom verabredeten Behandlungsplan ohne Einwilligung der Mutter.

Tatbestand

Der Erstbeklagte war Chefarzt der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses, in dem die Erstklägerin am 1. April 1982 als die Tochter der Zweitklägerin zur Welt gekommen ist. Er hat die Zweitklägerin während der Schwangerschaft frauenärztlich betreut und auf die Niederkunft vorbereitet. Seit Januar 1982 war bekannt, daß sich das erwartete Kind in einer Beckenendlage befand. Deshalb sowie mit Blick auf das Alter der damals 38jährigen Zweitklägerin und mit Rücksicht darauf, daß der Schwangerschaft nach einer Fehlgeburt operative Maßnahmen zur Behebung einer sekundären Sterilität vorausgegangen waren und der dringend geäußerte Wunsch nach einem Kind bestand, sah der Erstbeklagte bei der letzten ambulanten Behandlung der Zweitklägerin nach Erörterung des Für und Wider und mit ihrem Einverständnis eine Schnittentbindung vor, vermerkte dies in den Behandlungsunterlagen und bestellte die Zweitklägerin für den 5. April 1982 zur Entbindung ein. In der Zwischenzeit ließ die Zweitbeklagte, damals Oberärztin in der von dem Erstbeklagten geleiteten Abteilung, die Zweitklägerin zu einer Untersuchung am 31. März 1982 kommen. Auf ihren Rat begab sich die Zweitklägerin noch an diesem Tage unter Inanspruchnahme von Wahlleistungen zur stationären Betreuung in das Krankenhaus. In der Nacht setzte die Geburt ein, die von der Zweitbeklagten in Vertretung des ortsabwesenden Erstbeklagten geleitet wurde. Dabei sah die Zweitbeklagte von einer Schnittentbindung ab und ließ das Kind aus der Steißlage heraus vaginal zur Welt kommen. In der Austreibungsphase schlugen sich die Arme der Erstklägerin in den Nacken. Sie erlitt bei der Geburt einen Bruch des linken Oberarms und eine Erb'sche Lähmung des rechten Arms. Die Fraktur ist geheilt, die Erb'sche Lähmung hat sich nach krankengymnastischer Behandlung zurückgebildet.

Die Erstklägerin verlangt von der Zweitbeklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, nach ihrer Vorstellung mindestens 3 000 DM. Ferner wird gegen die Zweitbeklagte Feststellung begehrt, daß sie der Erstklägerin auch für künftige immaterielle Beeinträchtigungen und beiden Klägerinnen für künftige materielle Schäden aus dem Entbindungsvorfall Ersatz zu leisten habe. Gegen den Erstbeklagten erstreben beide Klägerinnen die Feststellung, daß er ihnen zum Ersatz künftiger materieller Schäden verpflichtet sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die - zugelassene - Revision hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat darin, daß die Zweitbeklagte von einem Kaiserschnitt abgesehen und die Geburt vaginal abgewickelt hat, auch unter Berücksichtigung der Beckenendlage des erwarteten Kindes entsprechend einem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten keinen ärztlichen Behandlungsfehler gesehen. Vielmehr habe sich die vaginale Entbindung medizinisch als »echte Alternative« zu der Schnittentbindung dargestellt. Weiter hat das Berufungsgericht die Schädigung der Erstklägerin auch nicht als Folge eines Eingriffs angesehen, über dessen Risiken die Zweitklägerin aufzuklären gewesen wäre. Unter diesen Umständen entfalle sowohl eine deliktische Haftung der Zweitbeklagten als auch eine vertragliche oder deliktische Haftung des Erstbeklagten. Der Behandlungsvertrag mit der Zweitklägerin sei nicht dahin zu verstehen, daß er nur durch eine Schnittentbindung erfüllbar gewesen sei.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfange stand.

1. Haftung der Zweitbeklagten

a) Vertragliche Ansprüche der Klägerinnen gegen die Zweitbeklagte scheiden aus, da mit ihr selbst keine vertraglichen Beziehungen zustande gekommen sind.

b) Ein Anspruch der Zweitklägerin gegen die Zweitbeklagte auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung entfällt jedenfalls deshalb, weil keine aus einer körperlichen oder gesundheitlichen Beeinträchtigung der Zweitklägerin erwachsenen Schäden in Frage stehen. Vielmehr geht es ausschließlich um Schäden, die mit der Verletzung der Erstklägerin zusammenhängen und zu deren Geltendmachung daher deliktisch allein die Erstklägerin aktivlegitimiert ist.

c) Hingegen kann das Berufungsurteil mit seiner bisherigen Begründung keinen Bestand haben, soweit eine Schadensersatzpflicht der Zweitbeklagten gegenüber der Erstklägerin verneint worden ist.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Zweitbeklagte ohne das Einverständnis der Zweitklägerin von der mit ihr besprochenen Schnittentbindung abgesehen und die Geburt stattdessen vaginal geleitet hat. Nach dem hiernach für die revisionsrechtliche Beurteilung zugunsten der Erstklägerin zugrundezulegenden Sachverhalt ist die Zweitbeklagte für den Schaden der Erstklägerin deliktsrechtlich ersatzpflichtig.

aa) Dieser Annahme steht nicht entgegen, daß die Erstklägerin im Zeitpunkt der Schädigung noch nicht rechtsfähig war (§ 1 BGB). Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats, daß dem Kind bei einer Verletzung im Mutterleib, sofern auch die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen, mit der Vollendung der Geburt ein deliktischer Schadensersatzanspruch wegen Gesundheitsverletzung zusteht (Senatsurteile BGHZ 58, 48, 49 ff. [BGH 11.01.1972 - VI ZR 46/71]; 86, 240, 253). Das gilt in gleicher Weise für eine Verletzung beim Austritt aus dem Mutterleib.

bb) Die Zweitbeklagte hat als die behandelnde Ärztin aufgrund ihrer Garantenstellung aus der übernommenen Behandlungsaufgabe außer mit Blick auf die Zweitklägerin auch mit Blick auf die Erstklägerin für ihr ärztliches Vorgehen deliktsrechtlich einzustehen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Schwergewicht des ärztlichen Verhaltens in einem Tun oder in einem Unterlassen besteht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88 - VersR 1988, 1273 f.). Hiernach ist es der Zweitbeklagten haftungsrechtlich zuzurechnen, daß es als Folge der Entscheidung, trotz der unveränderten Beckenendlage des Kindes von der ins Auge gefaßten Schnittentbindung abzusehen und das Kind vaginal zur Welt kommen zu lassen, bei der Vaginalgeburt zu einer Schädigung der Erstklägerin gekommen ist. Ob gleichartige Verletzungen auch bei einer Schnittentbindung hätten auftreten können, weil auch diese - wie das Berufungsgericht dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten entnimmt - nicht ohne mechanische Probleme ist, ist für die Schadensursächlichkeit des hier in Frage stehenden ärztlichen Verhaltens der Zweitbeklagten ohne Bedeutung. Entscheidend ist, daß konkret die Schädigung der Erstklägerin im Zuge der von der Zweitbeklagten bevorzugten Vaginalgeburt und auf dem damit gewählten natürlichen Geburtsweg erfolgt ist. Der Kaiserschnitt und damit die Abwicklung der Geburt auf einem anderen - künstlich eröffneten - Geburtsweg hätte einen anderen Kausalverlauf (mit anderen Folgefragen zu Rechtswidrigkeit und Verschulden) in Gang gesetzt.

cc) Die Abwicklung der Geburt auf vaginalem Wege bedurfte unter den hier gegebenen Umständen, nämlich angesichts der Beckenendlage des Kindes sowie der Anamnese der Mutter und ihrer bereits eingeholten Zustimmung zur Schnittentbindung, der Einwilligung der Zweitklägerin. Lag eine solche - wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist - nicht vor, war die Verletzung der Erstklägerin als Folge des dann eigenmächtigen Verhaltens der Zweitbeklagten rechtswidrig.

Allerdings ist die Entscheidung über das ärztliche Vorgehen primär Sache des Arztes selbst (s. etwa Senatsurteile BGHZ 102, 17, 22 und vom 24. November 1987 - VI ZR 65/87 - VersR 1988, 190, 191). Der geburtsleitende Arzt braucht daher in einer normalen Entbindungssituation ohne besondere Veranlassung nicht etwa von sich aus die Möglichkeit einer Schnittentbindung zur Sprache zu bringen (s. auch OLG Hamm VersR 1983, 565, 566 = AHRS 2500/11). Vielmehr kann er, wenn er in einer solchen Lage das Kind auf vaginalem Wege zur Welt kommen läßt und dabei keine Fehler macht, auch von Seiten des Kindes schadensersatzrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Anders liegt es jedoch, wenn für den Fall, daß die Geburt vaginal erfolgt, für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Kaiserschnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt. In einer solchen Lage darf sich der Arzt nicht eigenmächtig für eine vaginale Geburt entscheiden. Vielmehr muß er die Mutter über die für sie und das Kind bestehenden Risiken aufklären und sich ihrer Einwilligung für die Art der Entbindung versichern (ebenso OLG Braunschweig VersR 1988, 382, 383 [OLG Braunschweig 19.12.1986 - 2 U 102/86] und 1988, 1032 - LS -, OLG Köln VersR 1988, 1185, 1186 [OLG Köln 19.05.1988 - 7 U 139/87] sowie OLG Hamm VersR 1985, 598 f. = AHRS 4490/2). Es verhält sich dann ebenso wie für den Fall, daß für die Behandlung einer Krankheit medizinisch gleichermaßen in Betracht kommende Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen zur Wahl stehen. Auch hier muß nach der Rechtsprechung des Senats dem Patienten durch vollständige ärztliche Belehrung die Entscheidung darüber überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (s. etwa Senatsurteile aaO). Andernfalls ist das Vorgehen des Arztes, dem die Schädigung, die der Patient erleidet, zuzurechnen ist, mangels (wirksamer) Einwilligung rechtswidrig. Diese Grundsätze sind auf eine Situation, in der sich wegen bei einer Vaginalentbindung drohender Gefahren für das Kind ernstlich die Frage einer Schnittentbindung stellt, mit der Maßgabe übertragbar, daß der Arzt der Einwilligung der Mutter bedarf, wenn die Geburt vaginal erfolgen soll.

Die unter diesen Voraussetzungen erforderliche Einwilligung der Mutter entfaltet Rechtswirksamkeit auch im Hinblick auf die Risiken des Geburtsablaufs für das Kind. Die Entscheidungszuständigkeit der Mutter folgt daraus, daß der Geburtsablauf immer auch sie selbst und ihre körperliche Befindlichkeit betrifft. Darüber hinaus ist sie in dieser Phase die natürliche Sachwalterin der Belange auch des Kindes. Ist sie mit einer bestimmten Art der Entbindung rechtswirksam einverstanden, kann auch eine Beeinträchtigung des Kindes, die sich aus diesem Geburtsablauf ergibt, dem geburtsleitenden Arzt nicht als rechtswidrige Körperverletzung angelastet werden. Fehlt dagegen ihre Einwilligung, so kann der Arzt auch dem Kind für Verletzungen in der Geburt deliktisch haftbar sein.

Vorliegend handelte es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts angesichts der Lage des Kindes im Mutterleib (Beckenendlage) um eine »Risikoschwangerschaft«. Zwar war, wie das Berufungsgericht den Ausführungen des Sachverständigen entnimmt, auch eine Entbindung auf vaginalem Wege medizinisch verantwortbar. Indes konnte, wie sich das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Wertung der Ausführungen des Sachverständigen ausgedrückt hat, die Vornahme eines Kaiserschnitts als der bessere Weg erscheinen. Unter diesen Umständen war die Zweitbeklagte nicht berechtigt, es ohne Einwilligung der Zweitklägerin darauf ankommen zu lassen, ob die Vaginalentbindung für das Kind gut gehen würde. Es kommt hinzu, daß die Gesamtsituation, wie der Zweitbeklagten bekannt war, bereits von dem Erstbeklagten mit der Zweitklägerin besprochen worden war und sich diese dabei wegen der geringeren Risiken für das Kind und trotz der höheren Risiken für sich selbst mit einer Schnittentbindung einverstanden gefunden hatte. Im Hinblick hierauf war die Zweitbeklagte umso mehr gehalten, sich mit der Zweitklägerin abzustimmen, wenn sie von der vorgesehenen Schnittentbindung absah und damit die Erstklägerin einem erhöhten Risiko aussetzte. Die Zweitklägerin durfte darauf vertrauen, daß die mit ihrem Arzt, dem Erstbeklagten, erörterte und gemeinsam getroffene Entscheidung respektiert wurde. Zu einem Abgehen von dem so festgelegten Entbindungskonzept allein wegen ihrer von dem Erstbeklagten abweichenden Haltung in dem Schulenstreit, der in der Medizin zum Anwendungsbereich der Schnittentbindung besteht, war die Zweitbeklagte nicht berechtigt.

dd) Fehlt es an einer wirksamen Einwilligung der Zweitklägerin in die Änderung des Entbindungskonzepts, ist die Schädigung der Erstklägerin ungeachtet dessen rechtswidrig, daß bei der Entscheidung zwischen vaginaler Steißlagengeburt und Schnittentbindung, wie das Berufungsgericht dem Sachverständigengutachten entnimmt, die - hier nicht eingetretene - Gefahr im Vordergrund steht, das Kind könne bei der Vaginalgeburt eine perinatale Hirnschädigung erleiden. Der Arzt hat, wenn keine Einwilligung zugrunde liegt, grundsätzlich für alle Folgen seines Vorgehens einzustehen. Die Voraussetzungen, unter denen bei Verwirklichung eines nicht aufklärungsbedürftigen Risikos aus Schutzzweckerwägungen eine Unterbrechung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges zu erwägen sein kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 90, 96, 101 ff.) [BGH 07.02.1984 - VI ZR 188/82], liegen hier jedenfalls deshalb nicht vor, weil bei einer vaginalen Steißlagengeburt auch das Risiko von Armschädigungen, wie sie die Erstklägerin erlitten hat, aus letztlich denselben Gründen - nämlich wegen der mechanischen Widerstände in dem natürlichen Geburtsweg - erhöht erscheint.

ee) Hat sich die Zweitbeklagte trotz der für das Kind bestehenden Gefahren in Abweichung von dem zuvor verabredeten Schnittentbindungskonzept ohne Einwilligung der Zweitklägerin für eine Vaginalgeburt entschieden, hat sie in Bezug auf die Schädigung der Erstklägerin auch schuldhaft gehandelt. Das gilt, obwohl das Berufungsgericht nach Lage des Falles eine Entbindung auf vaginalem Wege medizinisch als »echte Alternative« zu der Schnittentbindung ansieht und sie deshalb nicht als Behandlungsfehler wertet. Diese medizinische Einschätzung könnte die Zweitbeklagte nur für den Fall entlasten, daß ihr von der Zweitklägerin unter Umständen, unter denen eine freie Entschließung noch möglich war, unter Aufgabe der ursprünglichen Entscheidung die Wahl zwischen Vaginal- und Schnittentbindung überlassen worden wäre. Ist sie aber ohne die Einwilligung der Zweitklägerin von dem ihr bekannten Schnittentbindungskonzept ab- und auf eine vaginale Entbindung übergegangen, so hat sie das Kind damit eigenmächtig den (erhöhten) Risiken dieses Geburtsverlaufs ausgesetzt, wenn auch im Vertrauen darauf, daß das Kind keinen Schaden nehme. Damit trifft sie der Vorwurf der Fahrlässigkeit.

ff) Nach alledem ist in Bezug auf die Zweitbeklagte sowohl das auf Schmerzensgeld gerichtete Zahlungs- und Feststellungsbegehren als auch das auf materiellen Schadensersatz gerichtete Feststellungsbegehren der Erstklägerin begründet, wenn die Zweitbeklagte von der vorgesehenen Schnittentbindung abgesehen und die Geburt vaginal abgewickelt hat, ohne das Einverständnis der Zweitklägerin dazu einzuholen. Es bedarf hierzu weiterer tatrichterlicher Aufklärung. Der Rechtsstreit war daher insoweit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

2. Haftung des Erstbeklagten

Soweit die Klägerinnen die Feststellung begehren, daß der Erstbeklagte zum Ersatz des ihnen aus dem Entbindungsvorfall erwachsenden materiellen Schadens verpflichtet sei, gilt folgendes:

a) Der Erstbeklagte haftet der Zweitklägerin, wenn diese der Änderung des Entbindungskonzepts (Vaginal- statt Schnittentbindung) nicht zugestimmt hat, auf Schadensersatz aus Vertrag. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, bestand mit dem Erstbeklagten ein die stationäre Entbindung einschließender Behandlungsvertrag. In dessen Rahmen wurde die Zweitbeklagte als Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) des Erstbeklagten tätig, so daß dieser ein sie treffendes Verschulden in gleicher Weise zu vertreten hat wie eigenes Verschulden. Zwar war der zwischen dem Erstbeklagten und der Zweitklägerin bestehende Vertrag nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts nicht in dem Sinne auf eine Schnittentbindung gerichtet, daß er nur durch Vornahme einer Schnittentbindung erfüllt werden konnte. Das auf ärztliche Behandlung und Betreuung gerichtete Vertragsverhältnis legt den Arzt grundsätzlich nicht auf ein bestimmtes ärztliches Vorgehen fest, sondern verpflichtet ihn im Zweifel allein zu dem in der jeweiligen Situation sachgerechten ärztlichen Vorgehen. Jedoch ist auch vertragsrechtlich zu berücksichtigen, daß der Erstbeklagte unstreitig als Ergebnis der angesichts der Beckenendlage des Kindes zu bedenkenden Risiken im Einvernehmen mit der Zweitklägerin eine Schnittentbindung vorgesehen hatte. Dann aber war die Zweitbeklagte, der diese Sachlage bekannt war, auch vertraglich - als Erfüllungsgehilfin im Rahmen des Behandlungsvertrages - nicht befugt, das Entbindungskonzept eigenmächtig zu ändern. Vielmehr war sie nach der einem jeden Behandlungsvertrag immanenten Aufklärungs- und Betreuungspflicht gehalten, mit der Zweitklägerin Rücksprache zu nehmen, ihr auseinanderzusetzen, weshalb sie trotz der Beckenendlage des Kindes und der sich daraus ergebenden Risiken die vaginale Geburt für richtiger hielt, und hierzu das Einverständnis der Zweitklägerin einzuholen oder sich doch von ihr freie Hand geben zu lassen. Ist sie dem nicht nachgekommen, hat sie - auch - eine vertragliche Pflicht verletzt mit der Folge, daß der Erstbeklagte als der Vertragspartner der Zweitklägerin unter dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist. Zu dem dann aus Vertrag zu ersetzenden Schaden gehören etwa die Fahrtkosten der Zweitklägerin für die Begleitung der Erstklägerin zur Behandlung der geburtsbedingten Verletzungen und etwaige weitere Aufwendungen für die Betreuung der Erstklägerin wegen der in Frage stehenden Schädigung. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Eltern aus einem von ihnen im eigenen Namen zugunsten ihres Kindes geschlossenen Behandlungsvertrag bei Schädigung des Kindes in den durch den Schaden des Kindes gezogenen Grenzen ihren schädigungsbedingten Mehraufwand für die Pflege und Versorgung des Kindes, soweit er sich für sie als vermehrter Unterhaltsaufwand niederschlägt, als eigenen Schaden geltend machen (Senatsurteil BGHZ 89, 263, 267). Ebenso - und erst recht - sind erhöhte Betreuungsaufwendungen eines Elternteils zu ersetzen, die sich daraus ergeben, daß eine diesem Elternteil selbst gegenüber bestehende vertragliche Pflicht verletzt wird.

Hiernach kann das Berufungsurteil auch insofern mit seiner bisherigen Begründung keinen Bestand haben, als die gegen den Erstbeklagten gerichtete Klage der Zweitklägerin abgewiesen worden ist. Auch in dieser Beziehung ist vielmehr das Klagebegehren - als Anspruch auf Schadensersatz wegen Vertragsverletzung - begründet, wenn die Zweitbeklagte eigenmächtig von der vorgesehenen Schnittentbindung Abstand genommen und die Geburt stattdessen vaginal abgewickelt hat.

b) Ähnlich kann auch die Abweisung des gegen den Erstbeklagten gerichteten Schadensersatzbegehrens der Erstklägerin mit der bisherigen Begründung nicht bestehen bleiben. Der zwischen dem Erstbeklagten und der Zweitklägerin zustande gekommene Behandlungsvertrag entfaltet Schutzwirkung zugunsten der Erstklägerin (vgl. Senatsurteil BGHZ 86, 240, 253) in der Weise, daß gerade auch mit Rücksicht auf die für sie angesichts der Beckenendlage bestehenden Risiken vor der Änderung des Entbindungskonzepts (Vaginal- statt Schnittentbindung) eine Abstimmung mit der Zweitklägerin geboten und deren Einverständnis einzuholen war. Ist das seitens der Zweitbeklagten nicht geschehen, hat der Erstbeklagte hierfür nach § 278 BGB auch der Erstklägerin gegenüber einzustehen. Für diesen Fall ist daher das Feststellungsbegehren der Erstklägerin (auch) in Bezug auf den Erstbeklagten gerechtfertigt.

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Soweit es darum geht, ob die Zweitklägerin in einen vaginalen Geburtsverlauf rechtserheblich eingewilligt hat oder nicht, wird das Berufungsgericht bei seiner Überzeugungsbildung zu berücksichtigen haben, daß sich die Zweitklägerin im Gespräch mit dem Erstbeklagten bei ruhiger Abwägung des Für und Wider für eine Schnittentbindung entschieden hatte und demgegenüber in der Situation im Kreißsaal der Zweitbeklagten bis zu einem gewissen Grade »ausgeliefert« war. Das schließt nicht aus, daß sie sich von der Betrachtungsweise der Zweitbeklagten hat überzeugen lassen und ihrem Vorgehen rechtserheblich zugestimmt hat. Jedoch dürfte es nach Lage des Falles nicht ausreichen, wenn sie der Entscheidung der Zweitbeklagten, das Kind vaginal zur Welt kommen zu lassen, schließlich nur nicht mehr widersprochen hat.