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RG, 05.11.1879 - I 35/79

Daten
Fall: 
Stillschweigende Bestellung eines Handlungsbevollmächtigten
Fundstellen: 
RGZ 1, 8
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.11.1879
Aktenzeichen: 
I 35/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Braunschweig.
  • Obergericht Wolfenbüttel.

1. Stillschweigende Bestellung eines Handlungsbevollmächtigten.
2. Kann der Prinzipal, in dessen Namen ein Handlungsbevollmächtigter kontrahiert hat, dem anderen Kontrahenten gegenüber sich darauf berufen, daß der Handlungsbevollmächtigte den Auftrag zum Abschlusse des Vertrages mißverstanden hat?

Gründe

"Vom Beklagten ist Folgendes zugegeben. Der Beklagte hat T. beauftragt, bei der Klägerin um den Preis einer gewissen Ware anzufragen. T. hat darauf an die Klägerin einen Brief gerichtet, welchen er mit des Beklagten Namen unter Vorsetzung eines p. und unter Beifügung der Anfangsbuchstaben seines eigenen Namens unterschrieb. Die Klägerin hat diese Anfrage mit einem an den Beklagten gerichteten Briefe beantwortet, und, nachdem T. über diese Antwort dem Beklagten eine Mitteilung gemacht, hat der Beklagte ihn beauftragt, die in diesem Briefe enthaltene Offerte zu acceptieren. Den Brief, welcher diese Annahme enthielt, hat T. mit Bewilligung des Beklagten unterschrieben und zwar enthält die Überschrift den Namen des Beklagten mit vorgesetztem p. und beigefügtem vollständigen Namen des Schreibers A. T.

Hiernach steht fest, daß T. sich bei Abschluß des Vertrages, sowie auch schon bei der diesem Abschlusse vorhergehenden Anfrage, als Handlungsbevollmächtigter des Beklagten geriert hat (Art. 49 H.G.B.).

Ein solches Verhalten T.'s steht nicht vereinzelt da, vielmehr ergiebt das Briefkopierbuch des Beklagten, daß T. in derselben Weise auch vielen anderen Personen gegenüber verfahren ist.

Es geschah dies aber unter den Augen des Beklagten. Dieser kann sich schlechterdings nicht darauf berufen, daß er das Verfahren T.'s nicht gekannt, daß er die von T. unterschriebenen und abgesandten Briefe nicht eingesehen habe. Ließ er es zu, daß T. sich als Handlungsbevollmächtiger gerierte, so ist darin in Ermangelung besonderer Umstände eine stillschweigende Bestellung desselben zum Handlungsbevollmächtigten zu finden. Besondere Umstände, welche diese Annahme auszuschließen geeignet wären, hat der Beklagte nicht angeführt.

Unbegründet ist aber auch, daß die Klägerin dieses Rechtsverhältnis nicht geltend gemacht hätte. Zwar bezeichnet sie in der Klageschrift den T. als Buchhalter des Beklagten, und als solcher würde derselbe zwar Handlungsgehülfe, nicht aber Handlungsbevollmächtigter sein, allein sie behauptet weiter, T. habe schon wiederholt Geschäfte mit ihr für den Beklagten abgeschlossen, sie legt ferner der Klageschrift die Briefe, in welcher T. sich als Handlungsbevollmächtigter geriert, bei und bezieht sich auf das Briefkopierbuch des Beklagten.

Gerierte sich nun aber T. der Klägerin gegenüber als Handlungsbevollmächtigter des Beklagten und muß der Beklagte dies sich gegenüber gelten lassen, ist T. es also, welcher das fragliche Geschäft namens des Beklagten abgeschlossen hat, so ist das Geschäft so, wie es vom Beklagten und T. gewollt wurde, abgeschlossen und der Beklagte ist dem Inhalte dieses Vertrages gemäß verpflichtet.1 Ob T. durch eine irrtümliche Auffassung der Meinung des Beklagten veranlaßt wurde, das Geschäft so, wie es geschehen, abzuschließen, ist gleichgültig."

  • 1. Amtl. Anm.: Der Beklagte behauptet, er habe den T. beauftragt, beim Kläger wegen des Preises von 1/8 zölligem Eisenblech anzufragen und habe T.'s Mitteilung über die Antwort des Klägers so verstanden, daß der Kläger 1/8 zölliges Eisenblech offeriere, während in der That T. über 1 1/8zölliges Blech angefragt und über die Lieferung solchen Bleches abgeschlossen hatte.