RG, 16.11.1880 - II 148/80

Daten
Fall: 
Hauptsaldo
Fundstellen: 
RGZ 3, 17
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.11.1880
Aktenzeichen: 
II 148/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Köln
  • OLG daselbst
Stichwörter: 
  • Übertragung von Privilegien eines in das Kontokorrent aufgenommenen Postens auf den Hauptsaldo

Geht das Privileg, welches einem in das Kontokorrent aufgenommenen Posten anklebt, bis zum Betrage des letzteren auf den Hauptsaldo über?

Tatbestand

Der genannte Bankverein hat im August und November 1876 zu Gunsten des Kaufmannes Sch. drei von demselben an das Hauptsteueramt zu K. für Zollgefälle ausgestellte nicht an Ordre lautende Sichtwechsel zur Gesamtsumme von 35.000 M. avaliert und Ende Juni 1877 deren Betrag bezahlt. Nachdem Sch. kurz nachher seine Zahlungen eingestellt hatte, meldete der Bankverein auf Grund zweier vorgelegter Kontokorrente eine Forderung von 35586 M. an, für welche derselbe auch admittiert wurde. Dagegen weigerte sich der Syndik, das von diesem Gläubiger nachträglich für die an die Steuerbehörde gezahlte Summe von 35.000 M. geltend gemachte Privileg anzuerkennen, und es erhob deshalb letzterer gegen den Syndik Klage auf Zusprechung desselben. Das Reichsgericht hat, unter Kassierung der zweitinstanzlichen Entscheidung, dieses Begehren für unbegründet erklärt aus folgenden Gründen:

Gründe

"In Erw., daß das angegriffene Urteil ausführt, daß der Schlußsaldo eines Kontokorrents, obwohl derselbe darüber entscheide, wer von beiden Kontrahenten Schuldner des anderen sei, doch nur äußerlich das rechnungsmäßige Ergebnis der Soll- und Habenposten bilde und diese einzelnen Posten nicht noviere oder gar konsumiere, daher die bloße Aufnahme eines Postens in das Kontokorrent dessen Individualität nicht aufhebe,

daß mithin angenommen werden müsse, daß die für die fraglichen Avalwechsel vom Kassationsverklagten gezahlte Summe von 35.000 M. nicht getilgt, vielmehr in dem Saldo von 38586 M. enthalten sei, das derselben anhaftende Privileg daher auch noch fortbestehe;

In Erw. zu dieser Ausführung, daß zunächst thatsächlich unbestritten ist, daß der Kassationsverklagte nicht den fraglichen, mit einem Privileg versehenen Posten, sondern lediglich den vorgenannten Kontokorrentsaldo im Fallimentsverfahren angemeldet hat, letzterem aber irgend ein Vorzugsrecht nicht zur Seite steht;

daß es sodann auch rechtsirrtümlich erscheint, wenn der Appellationsrichter davon ausgeht, daß in dem angegebenen Saldo der fragliche Posten enthalten sei;

daß nämlich, wie in Doktrin und Rechtsprechung anerkannt ist, das Wesen des Kontokorrentverhältnisses darin besteht, daß dem Willen der Kontrahenten gemäß die Leistungen derselben zum Zwecke gegenseitiger Belastung innerhalb von Rechnungsperioden ein Ganzes bilden und hierbei die einzelnen Posten, die nicht als selbständige Ansprüche bez. Gegenansprüche, sondern lediglich als Rechnungsposten in Betracht kommen, in dem aus der Vergleichung des Kredit und Debet sich ergebenden Saldo aufgehen sollen;

daß sodann die rechtlichen Wirkungen des Kontokorrents sich an die Anerkennung des Saldo knüpfen, welche zur Folge hat, daß die auf dem Fundamente derselben beruhende Saldoforderung an die Stelle der als ausgeglichen anzusehenden Posten der Rechnung tritt;

daß hiernach nicht mit dem Appellationsrichter anzunehmen ist, daß in dem mehrgenannten Saldo der fragliche Posten in seiner Individualität fortbestehe, derselbe daher auch das Privileg, welches dem letzteren anklebte, der angemeldeten Saldoforderung mit Unrecht zugesprochen hat;

daß dem Vorstehenden zufolge die Frage, ob der Kassationsbeklagte jenen Posten aus der laufenden Rechnung habe trennen und im Fallimentsverfahren unter Inanspruchnahme des Vorzugsrechts anmelden können, dahingestellt bleiben kann, und es ebenso einer Erörterung der ferneren Frage nicht bedarf, ob derselbe in diesem Falle nicht durch die späteren Kreditposten als getilgt zu erachten." ...