RG, 15.10.1880 - II 216/80
Können Ansprüche aus Vermächtnissen gegen den Erben des Beschwerten im Gerichtsstande der Erbschaft eingeklagt werden?
Tatbestand
Die verw. v. B. wohnte in Dresden und verstarb dort im Jahre 1853. Ihrem Erben v. R. hatte sie letztwillig auferlegt, darauf Bedacht zu nehmen, daß eine gewisse Geldsumme "bei seinem Ableben innerhalb 6 Monaten" an die Dresdener Armenversorgungsbehörde zur Errichtung einer milden Stiftung ausgezahlt werde. Nachdem auch der Erbe an seinem Wohnsitze, zu P. in Preußen, verstorben war, erhob die Stadtgemeinde Dresden gegen dessen in Wiesbaden wohnhafte Erbin bei dem Landgerichte zu Dresden Klage auf Bezahlung des Stiftungskapitales. Die Beklagte bestritt die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes, namentlich deshalb, weil §. 28 Abs. 1 C.P.O. sich nur auf Klagen gegen den beschwerten Erben beziehe, nicht auf Klagen gegen Erbnachfolger desselben. Ihre Einrede wurde in allen Instanzen zurückgewiesen, vom Reichsgericht aus folgenden Gründen:
Gründe
"Die C.P.O. hat für Klagen, welche Ansprüche aus Vermächtnissen betreffen, den Gerichtsstand der Erbschaft schlechthin zugelassen, ohne Bestimmung der Person des Beklagten. Nur der Grund und der Gegenstand der Klage entscheidet. Demnach hat jeder, der auf Grund letztwilliger Verfügung wegen Gewährung eines Vermächtnisses angesprochen wird, es mag nun der Beschwerte selbst oder der Erbe des Beschwerten sein, in dem letzten allgemeinen Gerichtsstande der Person Recht zu geben, von welcher die den Klagegrund ausmachende Verfügung herrührt. Die Erben des Beschwerten treten ganz an dessen Stelle, müssen sich daher dem Gerichtsstande unterwerfen, dem hinsichtlich des gleichen Anspruches der Beschwerte unterworfen gewesen wäre. Ohnehin fragt es sich - was indessen zur Zeit unentschieden bleiben kann - ob nicht eben die Erben des v. R. als die mit dem vorliegenden Vermächtnisse eigentlich Beschwerten zu gelten hätten." ...