RG, 27.07.1880 - III 76/80

Daten
Fall: 
Armenrecht
Fundstellen: 
RGZ 2, 378
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.07.1880
Aktenzeichen: 
III 76/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hanau.
  • OLG Kassel.

Die Bewilligung des Armenrechtes für eine Instanz findet nach Erledigung derselben nicht mehr statt.

Gründe

"Das Gesuch des Mitklägers um Bewilligung des Armenrechtes für die Berufungsinstanz ist, obgleich ihm letzteres für die erste Instanz bewilligt worden war, um deswillen zurückgewiesen worden, weil das Gesuch erst nach Verkündigung des Erkenntnisses zweiter Instanz eingereicht wurde.

Die hierüber erhobene Beschwerde ist nicht begründet.

Wenngleich die Civilprozeßordnung hinsichtlich der Zeit, zu welcher ein Gesuch um Bewilligung des Armenrechts einzubringen ist, eine ausdrückliche Einschränkung nicht enthält, so ergiebt sich doch aus dem Zwecke eines solchen Gesuches, wie aus den Worten des §. 106 Abs. 1 C.P.O., daß dasselbe der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, zu deren Durchführung das Armenrecht in Anspruch genommen wird, voranzugehen hat. Nur wenn dies geschieht, ist die Vorprüfung möglich, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint, von deren Ergebnis die Gewährung oder Verfügung des Armenrechtes abhängt. Der Zweck der Anordnung dieser Vorprüfung, von der Gegenpartei die Nachteile abzuwenden, welche ihr aus mutwilliger oder doch aussichtsloser Geltendmachung von Rechtsbehelfen seitens der armen Partei erwachsen könnten, würde vereitelt werden, wenn letztere im Stande wäre, hinterher das Armenrecht zu erlangen, nachdem sie die Gegenpartei bereits zu prozessualer Verhandlung genötigt hat. Daß nach §. 107 Nr. 1 Civilprozeßordnung die Partei durch die Bewilligung des Armenrechtes nicht allein von künftig erwachsenden, sondern auch von rückständigen Gerichtskosten befreit wird, nötigt nicht zu der Annahme, daß das Armenrecht auch in Beziehung auf bereits stattgehabte Prozeßhandlungen in Anspruch genommen werden könne; denn §. 107 regelt nur die Wirkungen des bewilligten Armenrechtes, nicht die Voraussetzungen der Bewilligung desselben. Es ist auch bereits von dem Reichsgerichte in einer Prozeßsache, in welcher das Armenrecht für die oberste Instanz in Anspruch genommen wurde, nachdem die Sache rechtskräftig entschieden und der Antragsteller mit seiner Klage abgewiesen worden war, die Erteilung desselben für ausgeschlossen erklärt worden, weil von einer beabsichtigten nicht aussichtslosen Rechtsverfolgung nicht mehr die Rede sein könne.

Verfügung des Dritten Civilsenates des Reichsgerichts vom 6. Juli 1880 Rep. m. 606/80 in Sachen Herzoglich Meiningenscher Landesfiskus gegen Schlothauer."