RG, 09.01.1880 - II 103/79
Inwiefern ist die Entscheidung der Verwaltungsbehörde, daß ein auf Kündigung angestellter Beamte nicht mit Pension in Ruhestand zu versetzen, sondern einfach zu entlassen sei, für die richterliche Beurteilung maßgebend?
Tatbestand
H. bekleidete von 1874 bis 1877 eine etatsmäßige Stelle als Aufseher in der Strafanstalt zu Ensisheim, war jedoch unter dem Vorbehalte dreimonatlicher Kündigung angestellt. Durch Verfügung des Bezirkspräsidenten vom 20. Dez. 1876 wurde ihm gekündigt. Sein Gesuch um Pensionierung, weil er infolge eines Gelenkrheumatismus, den er sich im Dienste zugezogen, dienstunfähig sei, wurde nach gepflogener Administrativ-Untersuchung von den höchsten Verwaltungsstellen als unbegründet abgewiesen.
Er erhob nun Klage auf Zahlung einer Pension von 788 M. Das Landgericht ließ ihn zum Beweise der behaupteten Dienstunfähigkeit zu, das Appellationsgericht jedoch wies die Klage sofort ab und der erhobene Kassationsrekurs wurde verworfen aus folgenden
Gründe
"In Erwägung daß das Reichsbeamtengesetz (§. 37), in Übereinstimmung mit dem preuß. Pensionsgesetze vom 27. März 1872 (§. 2), auch den nur unter Vorbehalt der Kündigung angestellten Beamten ein Recht auf Pension gewährt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dazu vorliegen, d. h. wenn der Beamte nach einer Dienstzeit von 10 Jahren in Folge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist und deshalb in den Ruhestand versetzt wird (§. 34), ein Recht, welches ihm durch Ausübung des Kündigungsrechtes nicht entzogen werden darf;
daß jedoch, was die Feststellung gedachter Voraussetzungen anbelangt, §. 155 des Reichsgesetzes Anwendung zu finden hat, gemäß dessen die Entscheidung der Disciplinar- und Verwaltungsbehörden darüber, ob und von welchem Zeitpunkte an ein Reichsbeamter aus seinem Amte zu entfernen, einstweilig oder definitiv in den Ruhestand zu versetzen sei etc., für die Beurteilung der vor Gericht geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche maßgebend sein soll;
daß diese wörtlich dem §. 5 des preuß. Gesetzes vom 24. Mai 1861 über Erweiterung des Rechtsweges entnommene Bestimmung, ihrer allgemeinen Fassung und der derselben entsprechenden Intention des Gesetzgebers nach, den Sinn hat, es solle die Vorfrage, ob ein Beamter im Sinne des §. 34 dienstunfähig und deshalb in Ruhestand zu versetzen sei oder nicht, nur durch die Verwaltung entschieden werden, also der richterlichen Beurteilung entzogen sein, wie denn der die gleiche Fassung bietende §. 54 den Fall, daß die vom Beamten nachgesuchte Versetzung in Ruhestand verweigert wird, speciell im Auge hat;
daß auch kein Grund vorliegt, die Bestimmung des §. 155 auf Beamte, welche unter Vorbehalt der Kündigung angestellt sind, nicht anzuwenden oder ihr betreffs derselben einen anderen Sinn zu geben, da namentlich die besonderen Nachteile, welche die Anwendung fraglicher Bestimmung für sie zur Folge hat, in der durch den Vorbehalt der Kündigung bedingten prekären Natur ihrer dienstlichen Stellung Erklärung und Rechtfertigung finden;
daß auch bei dieser Auffassung des Gesetzes die Bestimmung des angeführten §. 37 für die mit Vorbehalt der Kündigung angestellten Beamten große Bedeutung hat, indem zunächst, die Dienstunfähigkeit vorausgesetzt, jetzt ein klagbares Recht besteht, wo früher nur von einer Gnadenbewilligung die Rede sein konnte, und indem ferner eine Reihe wichtiger Fragen über die Berechnung der Dienstzeit, die Höhe der Pension, deren Kürzung oder Einziehung (§. 57) etc. der richterlichen Würdigung unterliegt;
daß daher der Appellrichter mit Recht erkannt hat, es sei durch die Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde, daß H. nicht dienstunfähig und aus diesem Grunde zur Pension nicht berechtigt sei, der Klaganspruch erledigt." ...