RG, 23.10.1920 - V 168/20
Darf ein Gesellschafter bürgerlichen Rechtes noch nach Eintritt der Liquidation Klage auf Zahlung an die Gesellschaftskasse erheben, insbesondere auf Einzahlung rückständiger Beiträge ?
Tatbestand
Der Kläger erhob in seiner Eigenschaft als Gesellschafter sowie als angeblich zur Einkassierung von Zubußen bevollmächtigter Vorstandsvorsitzender der Öl-, Kali- und Kohlebohrgesellschaft Esp. gegen den Beklagten, der gleichfalls Gesellschafter dieser satzungsmäßig in 1000 Anteile eingeteilten Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes war, im Januar 1911 Klage auf Zahlung von Beiträgen (Zubußen), deren Erhebung in einer am 17. März 1910 abgehaltenen Generalversammlung in Höhe von 50 M für jeden Anteil beschlossen worden war. Der Beklagte bestritt die Verpflichtung zur Zahlung der verlangten Beiträge unter Berufung darauf, daß er am 30. März 1910 satzungsgemäß auf seine Anteile verzichtet habe. Das Landgericht wies die Klage ab, wogegen das Oberlandesgericht nach dem Klagantrag erkannte. Im Laufe der Berufungsinstanz war die Gesellschaft in Liquidation getreten. Auf die Revision des Beklagten wurde die Klage abgewiesen.
Aus den Gründen
Die Befugnis des Klägers, in seiner Eigenschaft als Gesellschafter die Zahlung der Beiträge an die Gesellschaft von anderen Gesellschaftern gerichtlich zu verlangen, ist von den Vorinstanzen im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ. Bd. 70 S. 33) für die Zeit bei Klagerhebung ohne Rechtsirrtum angenommen worden. Angriffe gegen diese Annahme sind von der Revision nicht erhoben worden. Der Berufungsrichter hat aber in dem jetzt angefochtenen Urteile des weiteren angenommen, daß diese Befugnis auch dadurch nicht berührt sei, daß die Gesellschaft sich nunmehr im Zustande der Liquidation befinde, weil nach § 730 Abs. 2 BGB. für die Beendigung der schwebenden Geschäfte die Gesellschaft als fortbestehend zu gelten habe, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordere, und weil zur Vorbereitung der Auseinandersetzung nach Maßgabe bei §§ 732 bis 735 BGB. die Einziehung der noch rückständigen Forderungen notwendig sei, der Kläger sie also kraft eigenen Rechtes betreiben dürfe. ... Die Annahme des Berufungsrichters, daß die Befugnis jedes einzelnen Gesellschafters, von Schuldnern der Gesellschaft Leistung an die Gesellschaft zu fordern, insbesondere also auch die Beiträge der übrigen Gesellschafter in dieser Weise einzuklagen, durch den Eintritt des Liquidationszustandes nicht berührt werde, ist indes rechtsirrtümlich. Die bezeichnete Befugnis, die durch die Rechtsprechung (vgl. RGZ. Bd. 70 S. 32; Komm, von RGRäten 3. Aufl. zu § 2039 Anm. 4 und die dort angeführten weiteren Urteile) in entsprechender Anwendung der zunächst nur für die Erbengemeinschaft gegebenen Vorschrift des § 2039 BGB. auf andere Gesamthandsverhältnisse den einzelnen Gesellschaftern gewährt wird, beruht auf dem Rechtsgedanken, daß durch die Leistung an die Gesellschaft der geleistete Gegenstand dem gemeinsamen Zwecke zugeführt werde. Ist aber die Gesellschaft aufgelöst oder durch Erreichung oder Unmöglichwerden des vereinbarten Zweckes gemäß § 726 beendigt, so ist der Zweck der Gesellschaft, soweit sie noch als fortbestehend gilt (§ 730 Abs. 2). ein anderer geworden; er beschränkt sich nunmehr auf die Auseinandersetzung und die dazu erforderlichen Maßnahmen bei der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens insbesondere hat auch die Umsetzung des Gesellschaftsvermögens (zu welchem nach der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. RGZ. Bd. 76 S. 277 im Gegensatze zu Bd. 54 S. 297 und Warneyer 1910 Nr. 435 auch die rückständigen Verträge gehören) in Geld nur insoweit zu erfolgen, als es zur Berichtigung der Schulden und zur Rückerstattung der Einlagen erforderlich ist (§733 Abs. 3). Die Entscheidung aber darüber, ob eine Liquidationsmaßregel erforderlich ist, will das Gesetz ersichtlich nicht in die Hände eines einzelnen Gesellschafters legen, dessen Interesse bei der Auseinandersetzung nicht mehr, wie während Bestehens der Gesellschaft, als mit dem Gesellschaftszwecke und den Interessen der übrigen Gesellschafter parallel laufend vermutet wird, sondern es überläßt die Entscheidung den zur Durchführung der Liquidation berufenen Personen, also den sämtlichen Gesellschaftern in gemeinschaftlichem Handeln, und zwar auch dann, wenn bis zum Beginne der Liquidation nach dem Gesellschaftsvertrag einem einzelnen Gesellschafter die Befugnis zur Geschäftsführung zustand (§ 730 Abs. 2 Satz 2). Es wird deshalb in der Rechtsprechung und der Rechtslehre auch überwiegend angenommen, daß bei der Liquidation einer offenen Handelsgesellschaft die Einziehung der Forderungen der Gesellschaft, jedenfalls aber die Einforderung rückständiger Beiträge, nicht durch einen einzelnen Gesellschafter, sondern nur durch die Liquidatoren erfolgen kann, da die Betätigung einzelner Gesellschafter geeignet sein würde, die Liquidation zu stören.
RG. in Bolze Bd. 13 Nr. 501; OLG, Celle im Recht 1905 S. 22; Staub-Könige HGB. zu § 149 Anm. 5, 6; Düringer-Hachenburg HGB. Bd. 4 zu § 149 Anm. 9 S. 711 (für die Einforderung rückständiger Beiträge).
Gleiches muß aber auch für das Gebiet der Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes gelten, dessen Vorschriften über die zur Liquidation berufenen Personen von denen des Handelsgesetzbuchs nur insofern abweichen, als nach ihnen keinesfalls besonders ernannte Liquidatoren, sondern stets die sämtlichen Gesellschafter die Liquidation zu bewirken haben, was auch bei den handelsrechtlichen Gesellschaften die gesetzliche Regel bildet (§146 HGB.). Insbesondere kann die Einziehung rückständiger Beiträge im Liquidationsstadium nicht den einzelnen Gesellschaftern überlassen werden, da sie entsprechend dem Zwecke der Liquidation nur insoweit zu erfolgen hat, als die Beiträge zur Auseinandersetzung, sei es zur Berichtigung der Schulden oder zu einer etwa behufs Ausgleichung erforderlichen Zurückzahlung bereits eingezahlter Beiträge anderer Gesellschafter, erforderlich sind (RGZ. Bd. 45 S. 155) und die Entscheidung der Frage, ob diese Voraussetzung vorliegt, nur durch die zur Liquidation berufenen Personen erfolgen kann, während das Eingreifen eines einzelnen Gesellschafters ohne oder gar gegen den Willen der anderen die Liquidation empfindlich stören würde.
Der Kläger war somit in seiner Eigenschaft als Gesellschafter nach Eintritt des Liquidationszustandes nicht mehr berechtigt, die Klage fortzuführen. ... (Folgt Ausführung, daß auf Grund der angeblichen Bevollmächtigung des Klägers die Klage nur im Namen der Gesellschaft hätte erhoben werden dürfen, was nicht geschehen sei.)