RG, 29.04.1919 - II 380/18
1. Voraussetzung und Tragweite des Firmenschutzes nach § 16 UWG.
2. Inwieweit dürfen als Warenzeichen geschützte Worte nach § 13 WZG. zu Angaben über die Herstellungsart oder die Beschaffenheit von Waren verwendet werden?
Tatbestand
Die Klägerin ist mit ihrer Firma "Birresborner Mineralbrunnen Aktiengesellschaft" im Jahre 1913 in das Handelsregister zu Düsseldorf eingetragen worden. Schon seit 1898 ist das Wortzeichen "Birresborner Mineralbrunnen" der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der offenen Handelsgesellschaft Birresborner Mineralbrunnen H. L. & E., und demnächst, auch jetzt noch, der Klägerin durch Eintragung in die Zeichenrolle des Patentamts geschützt. Die Beklagte wurde mit ihrer Firma: "Birresborner Sprudel Gesellschaft mit beschränkter Haftung" erst 1915 in das Handelsregister in Köln eingetragen. Sie benutzt ihre Firma unter starker Hervorhebung der Worte "Birresborner Sprudel" in geschäftlichen Ankündigungen und versieht auch ihre Flaschen mit einer von ihr überreichten Etikette von roter Farbe mit weißer Aufschrift, die außer der auf einem Wappenschilde in kleiner Schrift angebrachten Bezeichnung "Phönix-Quelle" (so nennt die Beklagte ihre in Birresborn belegene Mineralquelle) im oberen Teil auf schwarzem Grunde die stark hervorgehobenen Worte "Birresborner Sprudel" enthält. Die Klägerin versieht ebenfalls ihre Flaschen mit einer für sie als Warenzeichen eingetragenen Etikette, die auf gelblich weißem Grunde in roter Schrift das kräftig hervorgehobene Wort "Birresborn" enthält. Weil die Bezeichnung "Birresborner Sprudel" in hohem Maße geeignet sei, Verwechselungen mit ihrer Firma und ihrer Ware hervorzurufen, erhob die Klägerin, gestützt auf § 16 UWG. und §§ 12, 20 WZG., Klage und beantragte, der Beklagten unter Strafandrohung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "Birresborner Sprudel" zu benutzen, die Beklagte auch zur Löschung dieser Bezeichnung im Firmenregister zu verurteilen.
Durch Urteil des Landgerichts wurde die Klage abgewiesen, auf Berufung der Klägerin aber von dem Oberlandesgerichte zugesprochen. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Gründe
"Das Berufungsgericht nimmt zunächst die Gefahr einer Verwechselung der beiden Firmen im Geschäftsverkehr an. Es geht davon aus, daß allgemeiner Erfahrung gemäß die Worte "Mineralbrunnen" und "Sprudel" ganz gleichbedeutend gebraucht werden. Es hält die Verwechselungsgefahr für erwiesen durch die von der Klägerin eingereichten Schriftstücke, auf Grund deren es insbesondere feststellt, daß gerade auch Kunden der Klägerin und zwar zu einer Zeit, als die beklagte Gesellschaft noch gar nicht errichtet war, die Klägerin sowohl als ihr Erzeugnis als "Birresborner Sprudel" bezeichneten. Erhöht sei die Verwechselungsgefahr, weil in beiden Firmen das erste Wort den Gewinnungsort des Wassers bezeichne und weil erfahrungsgemäß bei den Erzeugnissen aus natürlichen Quellen die beliebteste Kennzeichnung dem Gewinnungsort entnommen werde und deshalb dieser, wo er an erster Stelle steht, die Bedeutung eines Schlagworts erhalte. Dadurch verschwinde jedenfalls die schon an sich geringe sprachliche Unterscheidung zwischen "Mineralbrunnen" und "Sprudel" als Unterscheidungsmerkmal.
Aus denselben Gründen wie die Gefahr einer Verwechselung der beiden Firmen nimmt das Berufungsgericht eine solche Gefahr an bezüglich der beiderseitigen Etiketten, weil es den Verbrauchern hauptsächlich auf das Schlagwort "Birresborner" ankomme, welches die Beklagte in gleicher Verbindung mit dem Worte "Sprudel" bringe wie die Klägerin mit dem gleich bedeutenden "Mineralbrunnen", so daß dagegen die Verschiedenheiten der Etiketten zurückträten.
Da nun außer der bereits im Tatbestand erwähnten Etikette die Worte "Birresborner Mineralbrunnen" für die Klägerin als Warenzeichen eingetragen sind, erachtet das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Unterlassung des Gebrauchs der Worte "Birresborner Sprudel" im Geschäftsverkehr sowohl auf Grund der Firmenführung der Klägerin wie auf Grund ihres Warenzeichenrechts für begründet.
1.
Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht angenommene Verwechselungsgefahr sowohl hinsichtlich der beiden Firmen als hinsichtlich der beiden eingetragenen Warenzeichen der Klägerin einerseits und der Etikette der Beklagten anderseits sind unbegründet. Es liegt nichts dafür vor, daß das Berufungsgericht nicht von dem richtigen Grundsatz ausgegangen sei, wonach entscheidend ist die Anschauung der im Verkehr mit der üblichen Sorgfalt verfahrenden Verbraucher. Rechtlich war das Gericht nicht gehindert, deshalb, weil das Wort Birresborn eine Ortsangabe enthält, diesem Worte die unterscheidende Kraft in der Firma und den beiden Warenzeichen der Klägerin beizumessen. Eine erhöhte Verwechselungsgefahr durfte im vorliegenden Falle, weil erfahrungsgemäß gerade bei Erzeugnissen aus natürlichen Quellen die beliebteste Kennzeichnung der Gewinnungsort bildet, aus der an erster Stelle erfolgten Verwendung des letzteren in beiden Firmen hergeleitet werden, wenn auch die in beiden Firmen gewählte Wortfolge in der Eigenart der deutschen Sprache begründet ist.
Was insbesondere die beiderseitigen Etiketten betrifft, von denen nur diejenige der Klägerin im Warenzeichenregister eingetragen ist, so ist nicht ersichtlich, daß bei Annahme der Verwechselungsgefahr unter Verletzung des § 286 ZPO. die verschiedene Art der Aufmachung nicht hinreichend gewürdigt wäre....
2.
Ist demnach davon auszugehen, daß die Beklagte im geschäftlichen Verkehr eine Firma benutzt, welche bei jeder Art ihrer Benutzung geeignet ist, Verwechselungen mit der Firma der Klägerin hervorzurufen, so ist ohne weiteres der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der Benutzung der Worte "Birresborner Sprudel" in der Firma der Beklagten gemäß § 16 UWG. begründet. Und auch die begehrte Löschung jener beiden Worte im Firmenregister ist gerechtfertigt, wie es die Löschung der ganzen Firma gewesen sein würde, weil auf andere Art dem Mißbrauch der Firma nicht wirksam entgegengetreten werden kann. In ihrer jetzigen Gestalt ist die Firma unzulässig. Es bleibt der Beklagten unbenommen, die beiden fraglichen Worte durch Einfügung von Zusätzen, die die Verwechselungsgefahr ausschließen, zur Bildung einer neuen Firma zu verwenden. Der Schutz des § 16 UWG. ist der Firma der Klägerin nicht deshalb versagt, weil sie gemäß § 20 HGB. von dem Gegenstande des Unternehmens entlehnt ist und außer dem vorgeschriebenen Zusatz "Aktiengesellschaft" nur Worte enthält, welche an sich geeignet sind, jeden in Birresborn belegenen Mineralbrunnen zu bezeichnen. Dadurch, daß die Klägerin diese Worte in ihre Firma aufgenommen hat, haben sie in ihrer Eigenschaft als Firmenbestandteile, als Teile des Handelsnamens der Klägerin, individuelle Bedeutung erlangt, kennzeichnen sie das Geschäft der Klägerin (RGZ. Bd. 78 S. 265). Da die Klägerin diese Firma befugterweise zuerst angenommen hat, hat sie gemäß § 16 UWG. das Recht erlangt, anderen die Benutzung verwechselungsfähiger Firmen zu untersagen. Eine dem § 13 WZG. entsprechende Vorschrift für die Firma besteht nicht.
Das Recht der Klägerin aus § 16 UWG. geht nur dahin, der Beklagten die Benutzung der Worte "Birresborner Sprudel" in ihrer Firma, nicht auch dahin, ihr jede Verwendung dieser Worte, insbesondere zur Bezeichnung ihrer Waren, zu untersagen. Es ist ihr durch § 16 UWG. nicht verboten, im geschäftlichen Verkehr die Tatsache hervorzuheben, daß ihr Brunnen, ihr Sprudel in Birresborn liegt und namentlich ihre Ware mit einer dahingehenden Bezeichnung, etwa "Birresborner Sprudel" zu versehen, sofern die Verwendung dieser Worte dem Durchschnittsverbraucher nicht etwa als Erwähnung der Firma der Beklagten erscheint. Das ist nicht ohne weiteres der Fall und namentlich nicht bezüglich der Etikette, womit die Beklagte ihre Waren versieht, festgestellt. Die Worte "Birresborner Sprudel" auf der Etikette der Beklagten können daher nur als Bezeichnung der Ware der Beklagten in Betracht kommen. Als solche aber ist sie der Beklagten zu untersagen auf Grund der §§ 12, 20 WZG., weil trotz einzelner Abweichungen die Gefahr der Verwechselung im Verkehr mit den beiden für die Klägerin eingetragenen Warenzeichen infolge der Verwendung jener beiden Worte in der Etikette der Beklagten festgestellt ist. Nun würde die Beklagte sich zwar gegenüber den §§ 12, 20 auf §13 WZG. berufen können, wenn jene beiden Worte so, wie sie auf der Etikette der Beklagten verwendet sind, um eine Angabe über den Ort der Herstellung und die Beschaffenheit der Ware darstellten. Das Berufungsgericht entnimmt aber ohne Rechtsirrtum aus der Art und Weise der Anbringung jener Worte in der Etikette der Beklagten, daß sie dort dem Durchschnittsverbraucher nicht als reine Orts- und Beschaffenheitsangabe, sondern als Zeichen der Herkunft aus einem bestimmten Betriebe erscheinen, daß sie also warenzeichenmäßig verwendet sind. Es geht dabei mit Recht von dem vom erkennenden Senat in dem Urteile vom 26. April 1912 II 22/12 aufgestellten Grundsatz aus, daß jede Verwendung der als Zeichen (hier der Klägerin) geschützten Worte in geschäftlichen Ankündigungen als warenzeichenmäßige Verwendung anzusehen ist, es sei denn daß die Art und Weise der Ankündigung auch den unbefangenen Durchschnittsverbraucher klar und unzweideutig erkennen läßt, es handle sich um eine bloße Beschaffenheitsangabe und um eine andere Ware als die des Zeicheninhabers. Für den vorliegenden Fall stellt das Berufungsgericht fest, daß gerade hier der Durchschnittsverbraucher nicht weiß, ob es sich bei der mit der Etikette der Beklagten versehenen Ware um eine andere Ware als die der Klägerin handelt.
Es ergibt sich, daß der Beklagten zu untersagen war, in ihrer Firma und im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in ihrer Etikette, die Bezeichnung "Birresborner Sprudel" zu benutzen."