RG, 25.03.1919 - VII 376/18

Daten
Fall: 
Nichtigkeit von Forderungsübertragungen
Fundstellen: 
RGZ 95, 207
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
25.03.1919
Aktenzeichen: 
VII 376/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Königsberg
  • OLG Königsberg

Ist eine gegen § 98 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag verstoßende Übertragung der Forderung des Versicherungsnehmers nichtig?

Tatbestand

Der Kläger, der seit Februar 1911 bei der Beklagten gegen Brandschaden versichert war und im Dezember 1911 einen Brandschaden erlitt, forderte mit der Klage Zahlung der Entschädigung und erlangte in erster Instanz wegen eines Teilbetrags seiner Forderung eine verurteilende Entscheidung. Dagegen erkannte auf Berufung der Beklagten das Oberlandesgericht insoweit auf Klagabweisung. Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.

Gründe

"Zur Abweisung des in der Berufungsinstanz erörterten Teiles des Klaganspruchs ist der Berufungsrichter aus dem Grunde gelangt, weil der Kläger den Anspruch auf die Versicherungssumme, wie die Beklagte in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat, schon vor der Klagerhebung an einen Dritten abgetreten hatte. Der Kläger hatte behauptet, die Abtretung sei nichtig, weil sie gegen die Vorschriften des § 1128 BGB. und des § 98 VersVG. verstoße. Diesem Einwande tritt der Berufungsrichter mit der Begründung entgegen, ein Verstoß gegen die erwähnten, zum Schutze bestimmter Personen erlassenen Verfügungsverbote würde nicht die Nichtigkeit, sondern nur eine relative Unwirksamkeit der Abtretung begründet haben und nur von den verletzten Personen gerügt werden können. Zudem seien die abgebrannten Gebäude nach der eigenen Erklärung des Klägers wiederhergestellt oder ersetzt worden: damit sei die Haftung der Klagforderung überhaupt erloschen und die Übertragung derselben an andere zulässig geworden.

Diese Ausführungen, deren Richtigkeit die Revision bestreitet, erscheinen rechtlich einwandfrei. Durch die Vorschriften in § 1128 BGB. werden die Hypothekengläubiger eines versicherten Hausgrundstücks gegen eine vorzeitige Auszahlung der Versicherungssumme an den Versicherten in der Weise geschützt, daß die Auszahlung der Regel nach erst nach vorheriger Anzeige erfolgen darf und nur, wenn von ihnen innerhalb eines Monats seit dem Empfange der Anzeige der Zahlung nicht widersprochen worden ist. Ist der Versicherer nach den Versicherungsbestimmungen nur verpflichtet, die Versicherungssumme zur Wiederherstellung der versicherten Gebäude zu zahlen, so ist eine diesen Bestimmungen entsprechende Zahlung an den Versicherten den Hypothekengläubigern gegenüber nach § 1130 BGB. wirksam. Für den letzteren Fall, der gegenwärtig vorliegt, ist die Auszahlung der Versicherungssumme an den Versicherungsnehmer durch §§ 97, 98 VersVG. weiter noch dahin beschränkt, daß der Versicherungsnehmer die Zahlung erst verlangen kann, wenn die bestimmungsmäßige Verwendung des Geldes gesichert ist, und daß der Anspruch auf die Versicherungssumme vor der Wiederherstellung des versicherten Gebäudes nur an den Erwerber des Grundstücks oder an solche Gläubiger des Versicherungsnehmers übertragen werden kann, welche Arbeiten oder Lieferungen zur Wiederherstellung des Gebäudes übernommen ober bewirkt haben; jedoch ist eine Übertragung an Gläubiger, die bare Vorschüsse zur Wiederherstellung gegeben haben, wirksam, wenn die Verwendung der Vorschüsse zur Wiederherstellung erfolgt. Alle diese Vorschriften dienen, wie sich aus ihrem Inhalt ohne weiteres ergibt, dem Schutze bestimmter Personen, nämlich der Hypothekengläubiger und derjenigen Personen, die zur Wiederherstellung der zerstörten Gebäude Arbeiten oder Lieferungen übernommen oder bewirkt haben. Sie stellen mithin Veräußerungsverbote im Sinne des § 135 BGB. dar. Eine Verfügung, die ihnen zuwider getroffen wird, ist deshalb keineswegs nichtig, sondern nur jenen bestimmten Personen gegenüber unwirksam, anderen Personen gegenüber ist sie dagegen wirksam und muß von ihnen gelten gelassen werden. Aber auch dem geschützten Gläubiger gegenüber verlieren jene Veräußerungsverbote ihre Wirksamkeit mit der Wiederherstellung der zerstörten Gebäude, da hierdurch der Zweck, dem sie zu dienen bestimmt sind, erreicht ist. Für den jetzt vorliegenden Fall kommen sie, da die versicherten und durch Brand zerstörten Gebäude wieder aufgebaut oder durch Errichtung gleichwertiger Anlagen ersetzt sind, überhaupt nicht in Betracht." ...