RG, 26.09.1893 - II 102/93
Erfordernisse für die Behandlung einer Sache als Feriensache und Wirkungen der trotz des Nichtvorhandenseins der Erfordernisse erfolgten Behandlung als solcher.
Gründe
"Die Klägerin hat gegen den Beschluß des Feriensenates des Oberlandesgerichtes zu Kolmar vom 4. August 1893, wodurch der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichtes zu Straßburg vom 14. Juli 1893 auf die sofortige Beschwerde des Beklagten abgeändert wurde, die sofortige Beschwerde ergriffen und zur Rechtfertigung derselben in erster Reihe geltend gemacht, die Entscheidung des Oberlandesgerichtes sei unter Verletzung des § 202 G.V.G. ergangen, indem keine Feriensache vorliege. Dieser Beschwerdegrund mußte als gerechtfertigt erachtet werden.
Der jetzt angegriffene Beschluß des Oberlandesgerichtes fällt unter den in der Bestimmung des § 202 G.V.G.: "Während der Gerichtsferien werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen," angeführten Begriff " Entscheidungen". Für die Berechtigung zur Erlassung desselben während der Gerichtsferien hätten daher entweder die Voraussetzungen des Abs. 2 oder jene des Abs. 3 des § 202 G.V.G. vorhanden sein müssen. Es lag jedoch keiner der Fälle des Abs. 2 des § 202 G.V.G. vor, und zur Anwendung des Abs. 3 des § 202 G.V.G. fehlte es an dem dort geforderten "Antrage", da ein solcher von keiner der Parteien gestellt war. Die Vorschriften des § 202 G.V.G. - welche auch im Interesse der Rechtsuchenden gegeben sind - sind aber nicht etwa bloß instruktioneller Natur, sondern absolut gebietende. Es kann daher mit der gegen den, den landgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluß abändernden Beschluß des Oberlandesgerichtes an sich zulässigen sofortigen Beschwerde auch der Umstand als Beschwerdegrund geltend gemacht werden, daß während der Gerichtsferien die Entscheidung auf die an das Oberlandesgericht erlassene Beschwerde nicht erlassen werden durfte.
Die nach dem Obigen vorliegende Begründetheit dieses Beschwerdegrundes führt zur Aufhebung des Beschlusses des Feriensenates des Oberlandesgerichtes vom 4. August 1893 und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht zur Entscheidung. Die Gerichtskosten der an das Reichsgericht ergriffenen sofortigen Beschwerde waren, wegen unrichtiger Behandlung der Sache durch das Oberlandesgericht ohne Schuld der Beteiligten, nach § 6 G.K.G. niederzuschlagen, wogegen die Entscheidung bezüglich der übrigen Kosten der an das Reichsgericht ergriffenen sofortigen Beschwerde der künftigen Entscheidung des Oberlandesgerichtes vorzubehalten war."