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RG, 26.09.1884 - III 52/84

Daten
Fall: 
Recht auf landwirtschaftliche Benutzung
Fundstellen: 
RGZ 12, 176
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
26.09.1884
Aktenzeichen: 
III 52/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Kiel
  • OLG Kiel

Kann das Recht auf die landwirtschaftliche Benutzung eines fremden Grundstückes mit dem Besitze eines anderen Grundstückes dinglich verbunden werden?

Tatbestand

Der Kirche zu O. gehörte ein zum Benefizium des dortigen Pfarramtes bestimmtes Grundstück, der s. g. Priesteracker. Durch einen Vertrag vom 23. August 1706, welcher zwischen dem damaligen Inhaber des Pfarramtes, dem Pastor L. in O., und dem Pächter des damals landesherrlichen, in der Nähe von O. belegenen Gutes K. abgeschlossen und demnächst von dem Landesherrn in seiner doppelten Eigenschaft als Eigentümer des Gutes K. und als summus episcopus bestätigt ist, wurde die landwirtschaftliche Benutzung des Priesterackers auf den Pachter des Gutes K. übertragen. Das weitere ergiebt sich aus den Gründen:

Gründe

"Das Berufungsgericht gelangt auf Grund einer Auslegung des Vertrages vom 23. August 1706, sowie der daran sich anschließenden späteren Vorgänge zu dem Ergebnisse, daß durch diesen Vertrag bezweckt wurde, eine dauernde Verbindung zwischen dem Gute und dem Priesteracker dergestalt herzustellen, daß gegen die Zahlung des festgesetzten jährlichen Kanons und einige andere Leistungen der jeweilige Eigentümer des Gutes K. den Besitz und die landwirtschaftliche Benutzung des Priesterackers erlangen sollte. Daß diese Auslegung des Vertrages rechtsirrtümlich sei, ist weder behauptet, noch auch erkennbar; im übrigen beruht dieselbe auf thatsächlichen Erwägungen, welche sich einer Nachprüfung in dieser Instanz entziehen. Von dieser thatsächlichen Grundlage aus nimmt das Berufungsgericht an, daß durch den Vertrag ein dingliches, der Erbpacht analoges Recht begründet worden sei, welches sich nur dadurch von der letzteren unterscheide, daß das Grundstück nicht einem Bauern und seiner Familie, sondern dem jeweiligen Besitzer des Gutes K. als solchem in Erbpacht gegeben sei.

Sieht man zunächst von den Bedenken ab, welche aus den Personen der Vertragsgenossen und deren Legitimation zum Abschlusse des Vertrages entnommen werden können, so ist jedenfalls so viel mit Grund nicht zu bezweifeln, daß der obenbezeichnete Vertragswille, wenn seine Realisierung überhaupt möglich war, nur durch die Konstituierung eines dinglichen Rechtes verwirklicht werden konnte. Durch einen zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag von lediglich persönlichem Charakter konnten weder die Amtsnachfolger des Pastors L., noch die Besitznachfolger des Landesherrn berechtigt und verpflichtet werden.

Vonseiten des Revisionsklägers wird die rechtliche Möglichkeit eines derartigen Rechtsverhältnisses bestritten. Ein so geartetes dingliches Recht, welches weder als Nießbrauch, noch als Emphyteusis oder Erbpacht, noch als eine Reallast aufgefaßt werden könne, existiere überhaupt nicht. Nicht ohne Grund seien im Rechtssysteme die dinglichen Rechte genau auf ihren Inhalt beschränkt; es stehe nicht im Belieben der Parteien, durch ihre einfache Willenserklärung einem Pachtvertrage einen dinglichen Charakter zu geben. Auch sei es unrichtig, wenn das Berufungsgericht annehme, es sei im deutschen Rechtsleben häufig vorgekommen, daß ein Grundstück mit einem Gute dinglich verbunden werde.

Diesen Ausführungen konnte nicht beigetreten werden. Es mag dem Revisionskläger zugegeben werden, daß, da die Wirkung des Vertragswillens sich zunächst nicht über die Personen der Kontrahenten und ihrer Universalsuccessoren hinaus erstreckt, die Erzeugung einer dinglichen Wirkung nur unter den Voraussetzungen und in den Fällen zulässig erscheint, welche das Gesetz gestattet. Es ist daher auch nicht zu bezweifeln, daß nach dem eng begrenzten Systeme der dinglichen Rechte im römischen Rechte, welches die Verbindung obligatorischer Rechte mit einem Grundstücke überhaupt nicht, und die Verknüpfung dinglicher Rechte mit demselben nur in beschränktem Maße kannte, ein Rechtsverhältnis, wie es hier vorliegt, nicht begründet werden konnte. Allein anders liegt die Sache nach deutschem Rechte. Wenn es nach diesem gestattet war, an den Besitz eines Grundstückes obligatorische und gewerbliche Rechte der mannigfachsten Art (z. B. die den Reallasten entsprechenden Rechte, Retraktrechte, Bannrechte &etc;) zu knüpfen, so wird ein grundsätzliches Bedenken sich auch nicht gegen einen Vertrag erheben lassen, durch welchen die landwirtschaftliche Benutzung eines Grundstückes dem jeweiligen Besitzer eines anderen Grundstückes gegen die Bezahlung eines Kanons dauernd übertragen wird. Der jährliche Kanon erscheint als eine wahre, auf dem berechtigten Grundstücke haftende Reallast, für welche als Gegenleistung der Besitz und der Genuß eines Grundstückes dem zur Leistung der Reallast Verpflichteten gewährt wird. Mit Unrecht bezweifelt der Revisionskläger auch, daß derartige Rechtsverhältnisse im deutschen Rechtsleben vorgekommen seien. So ergiebt sich z. B. aus einer für Mecklenburg-Schwerin erlassenen Verordnung vom 22. Mai 1792 (Mecklenb. G.S., erste Sammlung Bd. 2 S. 596), ungleichen aus der Verordnung vom 28. Juni 18081, daß dort gerade Pfarrgrundstücke vielfach einem Gutsbesitzer in Erbpacht gegeben sind, und zwar nicht dem Gutsbesitzer für seine Person und seine Erben, sondern ihm und seinen Rechtsnachfolgern im Besitze des Gutes. Letzteres wird außer Zweifel gestellt durch die veränderte Hypothekenordnung für Landgüter vom 18. Oktober 1848.2

Denn wenn dort im §. 5 bestimmtest, daß in die Gutsbeschreibung unter anderen aufzunehmen sind, einerseits die feststehenden Abgaben an Kirchen, Pfarren, Küstereien aus bereits bestehenden und künftigen Erbverpachtungen, andererseits die vererbpachteten geistlichen Ländereien nach dem katastermäßigen Flächeninhalte und Hufenstand, und wenn ferner im §. 8 Ziff. 2 verfügt wird:

"Künftig erlangen dergleichen in die Gutsbeschreibung gehörige dingliche Rechte nur durch eine mit Zustimmung der bereits auf die Folien intabulierten Gläubiger erfolgte Aufnahme in die Gutsbeschreibung ihren völlig gesicherten Rechtsbestand, namentlich in dem Falle, wenn der Eigentümer des Gutes die in demselben befindlichen geistlichen Ländereien in Erbpacht nimmt,"

so kann es nicht als zweifelhaft erscheinen, daß als berechtigtes Subjekt nicht der Gutsherr und seine Universalsuccessoren, sondern der jeweilige Gutsbesitzer als solcher angesehen, und daß das Erbpachtsrecht als ein dem Gute zustehendes dingliches Recht und der dafür zu leistende jährliche Kanon als eine dem Gute obliegende Reallast aufgefaßt ist. Hat man hiernach davon auszugehen, daß an sich ein Vertrag, durch welchen die landwirtschaftliche Benutzung eines Grundstückes dem jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstückes gegen die Bezahlung eines Kanons dauernd überlassen wird, nach deutschem Rechte gültig ist, so kann nur in Frage kommen, ob die etwa für einen solchen Vertrag notwendigen Förmlichkeiten beobachtet sind und ob die Kontrahenten befugt waren, diesen Vertrag rechtswirksam abzuschließen." ...

  • 1. vgl. Raabe, Mecklenburgische Gesetzsammlung Bd. 4 S. 116.
  • 2. Vgl. Raabe a. a. O. Bd. 5 S. 225.