RG, 07.05.1884 - I 107/84

Daten
Fall: 
Richtererlicher Eingriff in Liquidation befindlicher Handelsgesellschaft
Fundstellen: 
RGZ 12, 32
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.05.1884
Aktenzeichen: 
I 107/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Danzig
  • OLG Marienwerder

Ist der Richter befugt, in betreff des Betriebes einzelner Geschäfte einer in Liquidation befindlichen Handelsgesellschaft auf Antrag eines Beteiligten einzugreifen?

Tatbestand

Die Parteien waren alleinige Gesellschafter der Handelsgesellschaft J. & F. Im Frühjahr 1883 trat die Gesellschaft in Liquidation, die beiden Gesellschafter wurden Liquidatoren, es wurde nicht bestimmt, daß sie einzeln handeln könnten. Der Kläger ist der Ansicht, daß von den Liquidatoren zwei näher bezeichnete Prozesse zu führen, bezw. da ein vom Kläger allein bevollmächtigter Anwalt schon im Namen der Gesellschaft vor Gericht aufgetreten war, aber nicht als legitimierter Vertreter derselben anerkannt war, fortzusetzen seien. Der Beklagte verweigert aber hierzu seine Mitwirkung, indem er behauptet, der in dem einen Prozesse gegen die Gesellschaft geltend gemachte Anspruch eines Gesellschaftsgläubigers sei begründet, und die Verfolgung des von einem Gesellschaftsschuldner anerkannten Anspruches der Gesellschaft in dem anderen Prozesse sei nicht rätlich, weil der Schuldner dadurch zum Konkurse getrieben würde. Der Kläger beantragt in vorliegender Klage zu erkennen:

"Kläger wird als Liquidator der Handlung J. & F. in Liquidation ermächtigt, in den (beiden näher bezeichneten) anhängigen Prozessen die Handlung J. & F. in Liquidation alleinig vor dem Prozeßgerichte zu vertreten."

In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz stellte der Kläger den eventuellen Antrag,

"den Beklagten von seiner Stellung als Liquidator der Handlung F. k J. zu entheben."

Die Berufung wurde zurückgewiesen. Desgleichen die vom Kläger eingelegte Revision.

Aus den Gründen

"Nach Art. 125 H.G.B. ist der Richter befugt, auf Antrag eines Handelsgesellschafters die Auflösung einer offenen oder einfachen Kommanditgesellschaft vor Ablauf ihrer vertragsmäßigen Dauer aus wichtigen Gründen auszusprechen, und nach Art. 128 H.G.B. kann er aus einem in der Person eines Gesellschafters liegenden wichtigen Grunde auf Antrag der übrigen Gesellschafter auf dessen Ausschließung aus der Gesellschaft erkennen. Im Liquidationsstadium aber kann der Richter auf Antrag eines Gemeinschafters aus wichtigen Gründen einen oder mehrere Liquidatoren ernennen und abberufen (Art. 133 Abs. 2. Art. 134 H.G.B.). Dem Richter ist damit die Befugnis gegeben, in Fällen, in welchen bei Fortbestand des bestehenden Personalverhältnisses die Erreichung der gesellschaftlichen Zwecke (zu diesen gehört im Liquidationsstadium die ersprießliche Bewirtung der Liquidation) ernstlich in Frage gestellt erscheint, das Rechtsverhältnis aufzuheben, oder in betreff der Personen, welche zur Leitung der Geschäfte berufen sind, gewisse zweckentsprechende Anordnungen zu treffen.

Dagegen ist dem Richter nirgends die Befugnis erteilt, in den Betrieb der Gesellschaftsgeschäfte, sei es vor der Auflösung der Gesellschaft, sei es im Liquidationsstadium, einzugreifen. Die Befugnis hierzu kann auch nicht etwa aus jener Befugnis hergeleitet werden, denn beide Befugnisse erscheinen als etwas generisch Verschiedenes, jene umfaßt nicht etwa diese als die engere; für ein argentum a majori ad minus liegen daher die Voraussetzungen nicht vor.

Es erscheint mithin rechtlich begründet, wenn der Berufungsrichter den primären Antrag des Klägers als unbegründet und den erst in der Berufungsinstanz vorgebrachten eventuellen Antrag darum verwirft, weil derselbe nicht als eine Erweiterung des primären Antrages aufgefaßt werden könne."