RG, 25.03.1884 - III 177/83

Daten
Fall: 
Kompetenzkonflikte
Fundstellen: 
RGZ 11, 391
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
25.03.1884
Aktenzeichen: 
III 177/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hildesheim
  • OLG Celle

Welchen Einfluß hat die Entscheidung des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, daß der Rechtsweg für zulässig und daher der erhobene Kompetenzkonflikt für unbegründet zu erachten sei, auf das gerichtliche Verfahren, wenn von der Partei die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhoben und gegen das dieselbe verwerfende Urteil ein Rechtsmittel eingelegt ist?

Tatbestand

Der von der Klägerin erhobenen Negatorienklage hat die beklagte Gemeinde die prozeßhindernde Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegengesetzt, indem sie behauptete, der über die Grundstücke der Klägerin führende Weg, durch dessen Benutzung vonseiten der Mitglieder der beklagten Gemeinde die Klägerin ihr Eigentum verletzt erachtet, sei ein öffentlicher Weg, es sei vom Amte Hildesheim am 11. November 1882 eine Entscheidung ergangen, welche die Öffentlichkeit des fraglichen Weges ausspreche, und es könne eine solche polizeiliche Verfügung im Wege des Prozesses nicht angefochten werden. Das Landgericht hat die Einrede verworfen und das Berufungsgericht die von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Nachdem von der Beklagten die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes eingelegt war, erhob die Landdrostei zu Hildesheim Kompetenzkonflikt und wurde das Verfahren in Gemäßheit des §. 7 der Königl. Verordnung vom 1. August 1879 ausgesetzt.

Der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte zu Berlin erkannte durch Urteil vom 12. Januar 1884, "daß der Rechtsweg in dieser Sache für zulässig und der erhobene Kompetenzkonflikt daher für unbegründet zu erachten sei."

Die Beklagte nahm das Verfahren wieder auf und beantragte in dem zur Verhandlung der Revision angesetzten Termine, das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes vom 10. Mai 1883 aufzuheben und die Klage wegen definitiver oder zeitiger Unzulässigkeit des Rechtsweges abzuweisen. Die Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen. Über die oben erwähnte Frage ist ausgeführt in den Gründen:

Gründe

"Die zunächst von den Vertretern der Parteien erörterte Frage: ob durch die Entscheidung des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, "daß der Rechtsweg in dieser Sache für zulässig und der erhobene Kompetenzkonflikt daher für unbegründet zu erachten sei", die Zulässigkeit des Rechtsweges in der Art festgestellt sei, daß eine Entscheidung des Gerichtes über diese Frage in Anlaß der von der Beklagten erhobenen und noch nicht rechtskräftig entschiedenen Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ausgeschlossen und deshalb die Revision zurückzuweisen sei, ist zu verneinen.

In §. 17 G.V.G. wird als Regel der Grundsatz aufgestellt, daß die Gerichte über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu entscheiden haben. Dieselben haben diese ihre Zuständigkeit betreffende Frage nicht nur dann zu prüfen und zu entscheiden, wenn von dem Beklagten die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhoben worden ist, sondern auch von Amts wegen. Von dieser in §. 17 Abs. 1 a. a. O. aufgestellten Regel ist jedoch in Abs. 2 eine Ausnahme, gemacht, indem der Landesgesetzgebung vorbehalten ist, die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten über die Zulässigkeit des Rechtsweges besonderen Behörden nach Maßgabe der in §.17 a. a. O. gegebenen Bestimmungen zu übertragen. Für das Königreich Preußen ist von diesem Vorbehalte Gebrauch gemacht, indem durch die Königl. Verordnung vom 1. August 1879 die Entscheidung von Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechtsweges in den durch die Verordnung bestimmten Fällen dem Gerichtshofe zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte überwiesen ist. Nach §. 4 dieser Verordnung hat dieser Gerichtshof zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde den Rechtsweg in einem bei den Gerichten anhängigen Rechtsstreite für unzulässig erachtet, und deshalb der Kompetenzkonflikt erhoben wird, vorausgesetzt, daß die Zulässigkeit des Rechtsweges in der Sache durch rechtskräftiges Urteil des Gerichtes noch nicht feststeht, und nach §. 21 a. a. O. (in den Fällen des negativen Kompetenzkonfliktes) auf Antrag einer bei der Sache beteiligten Partei, wenn einerseits die Gerichte und andererseits die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte ihre Unzuständigkeit endgültig ausgesprochen haben, weil von den Gerichten die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte und von diesen die Gerichte für zuständig erachtet sind. In den Fällen des positiven Kompetenzkonfliktes (§. 4 a. a. O.) um welchen es in vorliegender Sache sich handelt, hat der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte über den im öffentlichen Interesse zu dem Zwecke, daß nicht eine gerichtliche Entscheidung in einer Sache erfolgt, deren Beurteilung nach den Gesetzen den Verwaltungsbehörden ausschließlich überwiesen ist, von der zuständigen Verwaltungsbehörde erhobenen Konflikt, über die Behauptung, daß in der Sache die Verwaltungsbehörden zuständig seien, zu entscheiden, gleichviel ob von dem angerufenen Gerichte über die Frage seiner Zuständigkeit bereits entschieden ist oder nicht, und ob diese Entscheidung im bejahenden oder verneinenden Sinne erfolgt ist; sein Erkenntnis hat aber nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den Parteien gefällten Urteiles. Wird von dem Gerichtshöfe zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte der erhobene Kompetenzkonflikt für begründet, der Rechtsweg für unzulässig erkannt, so ist zwar (wie auch aus §.18 der Königl. Verordnung vom 1. August 1879 zu entnehmen ist), ein weiteres gerichtliches Verfahren ausgeschlossen. Wird dagegen der Kompetenzkonflikt für unbegründet erachtet, so ist das nach §. 7 der Verordnung vom 1. August 1879 kraft des Gesetzes durch die Erhebung des Kompetenzkonfliktes für die Dauer des denselben betreffenden Verfahrens unterbrochene Prozeßverfahren, falls dasselbe in Gemäßheit der Vorschriften in §. 227 C.P.O. von einer der Parteien wieder aufgenommen wird, fortzusetzen, und zwar in dem Stadium, in welchem es zur Zeit der Unterbrechung durch die Erhebung des Kompetenzkonfliktes sich befand. Hatte die Beklagte, wie im vorliegenden Falle, die verzögerliche Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhoben, und war zur Zeit der Erhebung des Kompetenzkonfliktes über diese noch nicht rechtskräftig entschieden, so hat das nach Lage der Sache zuständige Gericht diese Entscheidung zu treffen, da dieselbe durch die Entscheidung des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, daß der von der Verwaltungsbehörde erhobene Kompetenzkonflikt unbegründet, der Rechtsweg zulässig sei, nicht erledigt und beseitigt ist. Bei dieser Entscheidung ist das Gericht an diese Entscheidung des Gerichtshofes nicht gebunden, sondern hat seine Zuständigkeit selbst zu prüfen. Nur im Falle des negativen Kompetenzkonfliktes hat der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte die entgegenstehenden Entscheidungen der Gerichte bezw. Verwaltungsbehörden aufzuheben (§. 21 der Verordnung vom 1. August 1879), und es folgt, aus der Natur der Verhältnisse als selbstverständlich, daß die Instanz, an welche die Verweisung der Sache erfolgt ist, an die Entscheidung des Gerichtshofes gebunden ist; im Falle des positiven Kompetenzkonfliktes wird dagegen im Falle der Zurückweisung des Kompetenzkonfliktes die Zuständigkeit des Gerichtes nicht in der Art bindend festgestellt, daß eine Prüfung derselben durch das Gericht selbst ausgeschlossen würde.

Die von der Beklagten erhobene Revision war jedoch als unbegründet zurückzuweisen, weil die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der Rechtsweg in der vorliegenden Sache zulässig und daher die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit Recht von dem Königl. Landgerichte verworfen sei, nicht auf der Verletzung eines Gesetzes beruht, vielmehr für zutreffend erkannt werden muß."