RG, 17.09.1918 - VII 118/18

Daten
Fall: 
Vorstand einer Pensionskasse als Schiedsrichter
Fundstellen: 
RGZ 93, 288
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.09.1918
Aktenzeichen: 
VII 118/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Kann ein Mitglied des Vorstandes einer Pensionskasse in einem Rechtsstreite zwischen der Kasse und einem ihrer Angehörigen Schiedsrichter sein?

Tenor

Die Frage wurde in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen verneint.

Gründe

... "Der Berufungsrichter geht in Übereinstimmung mit der feststehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts davon aus, daß eine Schiedsgerichtsabrede, durch welche die eine Partei, wenn auch nur als Beisitzer, zur Mitwirkung bei der von dem Schiedsgerichte zu fällenden Entscheidung berufen wird, als dem Wesen des Schiedsvertrags wie der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten widersprechend der Rechtswirksamkeit entbehrt, da niemand in eigener Sache richten kann. Dieser Auffassung will auch die Revision nicht entgegentreten. Ebensowenig bemängelt sie die Annahme des Berufungsrichters, daß die beklagte Kasse nach § 15 ihrer Satzung von dem aus 12 Mitgliedern bestehenden Vorstande gerichtlich wie außergerichtlich vertreten wird. Sie sucht aber darzulegen, daß die in Betracht kommende Streitigkeit gar keine Streitigkeit des gemäß § 21 der Satzung von dem Vorstand aus seiner Mitte zum Beisitzer des Schiedsgerichts gewählten Vorstandsmitgliedes sei, sondern eine solche der beklagten Kasse selbst, da diese eigene Rechtspersönlichkeit besitze, das einzelne Vorstandsmitglied aber für seine Person allein Vertretungsbefugnisse nicht habe, ein Organ der Kasse nicht sei. Allein, wie es nicht zweifelhaft ist, daß eine zur gesetzlichen Vertretung einer juristischen Person berufene Einzelperson in einer Streitsache, in der die von ihr vertretene juristische Person Partei ist, zur Ausübung schiedsrichterlicher Tätigkeit nicht zugelassen werden kann, da sie den streitenden Parteien nicht als Dritter gegenübersteht, so ist dem Berufungsrichter auch dann beizutreten, daß auch in den Fällen, in denen die gesetzliche Vertretung einer juristischen Person einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand übertragen ist, jedes einzelne Mitglied des Vorstandes infolge seiner Mitberufung zur gesetzlichen Vertretung unfähig ist, in einer Streitsache, in der diese juristische Person Partei ist, eine schiedsrichterliche Tätigkeit auszuüben. Obgleich das einzelne Mitglied des Vorstandes für sich allein zur Vertretung nicht berufen ist, sondern nur in Gemeinschaft mit den übrigen Mitgliedern, so ist es doch Mitträger der Organschaft und hat als solcher das Recht und die Pflicht, das Interesse der von ihm mitvertretenen juristischen Person wahrzunehmen, so daß es dem zu entscheidenden Streite nicht als unbeteiligter Dritter gegenübersteht. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob das zum Mitglied des Schiedsgerichts gewählte Vorstandsmitglied in dieser letzteren Eigenschaft schon mit der in Betracht kommenden Angelegenheit tatsächlich irgendwie befaßt gewesen ist. Ausschlaggebend ist vielmehr die rechtliche Stellung, in der dieses Vorstandsmitglied sich zu der juristischen Person befindet, deren Streitsache der Entscheidung durch das Schiedsgericht unterbreitet werden soll. Diese Stellung, die es zur Mitwirkung bei allen vom Vorstande zu fassenden Entschließungen berechtigt und verpflichtet, nimmt ihm die zur Übernahme des Amtes eines Schiedsrichters erforderliche Eigenschaft eines außerhalb des Rechtsstreits stehenden Dritten.

Zu Unrecht glaubt die Revision sich für ihre abweichende Ansicht auf Urteile des Reichsgerichts beziehen zu können. In dem Urteile des VII. Zivilsenats RGZ. Bd. 51 S. 393 hat der Senat allerdings die Wählbarkeit eines Mitgliedes eines nicht rechtsfähigen Vereins zum Schiedsrichter in einem zwischen dem Verein und einem seiner Mitglieder entstandenen Rechtsstreit anerkannt; er hat dabei aber das entscheidende Gewicht auf die besondere Gestaltung des Falles gelegt, nach der es sich um ein Mitglied "eines weitausgedehnten Vereins mit großer Mitgliederzahl, der ein von dem seiner Mitglieder verschiedenes Vermögen besaß", handelte. In dem zweiten von der Revision angezogenen Urteile des IV. Zivilsenats. Jur. Wochenschr. 1917 S. 930, beruht aber die Entscheidung darauf, daß die zu Mitgliedern des Schiedsgerichts berufenen Personen weder ein zur Vertretung der Partei berufenes Organ noch auch Mitglieder eines solchen wären.

Wenn die Revision noch hervorhebt, tatsächlich werde vermieden, daß ein bereits mit der Angelegenheit befaßtes Mitglied des Vorstandes in das Schiedsgericht gewählt werde, ist dies für die Frage der Rechtswirksamkeit der Schiedsgerichtsabrede auch deshalb unerheblich, weil sie ohne eine solche Beschränkung getroffen ist." ...