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RG, 30.10.1883 - II 238/83

Daten
Fall: 
Bestimmung des §. 3 des Markenschutzgesetzes
Fundstellen: 
RGZ 10, 58
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.10.1883
Aktenzeichen: 
II 238/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Braunschweig
  • OLG Braunschweig

Gilt die Bestimmung des §. 3 des Markenschutzgesetzes, daß die Eintragung von Warenzeichen, welche bis zum Beginne des Jahres 1875 im Verkehre allgemein als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten haben, nicht versagt werden dürfe, auch in Fällen, wo die Anmeldung des Warenzeichens erst nach dem 1. Oktober 1875 erfolgte?

Tatbestand

Die Firma B. meldete am 17. Juli 1882 drei Warenzeichen an, in deren Besitz sie, wie unbestritten, bereits vor Beginn des Jahres 1875 gewesen ist. Sie erhob Klage gegen die Aktiengesellschaft Br., weil diese unberechtigterweise Warenzeichen führe, welche den angemeldeter Warenzeichen täuschend ähnlich seien. Die Beklagte wendete ein, daß die Warenzeichen der Klägerin öffentliche Wappen enthielten, also nach §. 3 Abs. 2 und §. 10 Abs. 2 einen gesetzlichen Schutz nicht beanspruchen könnten. Das Oberlandesgericht erachtete diesen Einwand für unbegründet, weil in §. 3 Abs. 1 a. a. O. die Eintragsfähigkeit der Warenzeichen, für welche ein schon vor Beginn des Jahres 1875 vorhandener Besitzstand angerufen werden könne, ohne jede Zeitbeschränkung gewährt sei.

Diese Entscheidung wurde aufgehoben aus folgenden Gründen:

Gründe

"Im Entwürfe des Markenschutzgesetzes war in §. 3 Abs. 1 betreffs der Eintragsfähigkeit der Warenzeichen eine Ausnahme nur gemacht zu Gunsten von Warenzeichen, "die landesgesetzlich geschützt sind".

Der Sinn war der, daß die Eintragung nicht untersagt werden dürfe, wenn das angemeldete Warenzeichen zur Zeit der Anmeldung landesgesetzlich geschützt sei, und aus den Bestimmungen des §. 21 a. a. O. ergab sich, daß diese Voraussetzung nur bis zum 1. Oktober 1875 zutreffen konnte.

Es erhellt hieraus, daß das Gesetz zu Gunsten der Inhaber landesgesetzlich geschützter Warenzeichen hier die nämliche Übergangsbestimmung geben wollte, wie sie in §. 9 a. a. O. in anderer Richtung gegeben ist.

Beide Übergangsbestimmungen sollten sich ergänzen, um den besagten Personen, falls sie ihre landesgesetzlich geschützten Warenzeichen binnen bestimmter Frist (bis 1. Oktober 1875) anmelden, den Schutz des Gesetzes in jeder Richtung, sowohl den Bestimmungen des §. 3 Abs. 2, als den Bestimmungen des §. 8 a. a. O. gegenüber, zu gewähren.

Wenn §. 3 Abs. 1 des Entwurfes, abweichend von §. 9 a. a. O., den bloßen Besitzstand nicht berücksichtigte, so geschah es deshalb, weil man von der Ansicht ausging, daß hier jene Billigkeitsgründe, welche der bezüglichen Bestimmung des §. 9 zu Grunde liegen, keine Beachtung finden könnten, vielmehr die im öffentlichen Interesse wurzelnden Gründe, aus denen gewissen Warenzeichen die Eintragsfähigkeit versagt sei, überwiegende Bedeutung beanspruchen könnten.

Im Reichstage verschaffte sich jedoch in letzterer Beziehung die entgegengesetzte Auffassung Geltung, und wurde daher beschlossen, in §. 3 Abs. 1 den aus §. 9 entlehnten Zusatz beizufügen: "ferner von solchen Zeichen, welche bis zum Beginn des Jahres 1875 im Verkehre allgemein als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten haben."

Die Fassung dieser Zusatzbestimmung ist offenbar keine gelungene.

Nach ihrem Wortlaute wäre nichts weiter vorausgesetzt, als daß das betreffende Warenzeichen bis zum Beginne des Jahres 1875 im Verkehr allgemein als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten hätte, würde es also, falls diese Voraussetzung zuträfe, völlig gleichgültig sein, nicht allein, zu welcher Zeit die Anmeldung stattfände, sondern auch, ob der Besitz bis zum Zeitpunkte der Anmeldung fortgedauert hätte, ja sogar, von wem die Anmeldung ausgehe, ob von derjenigen Person, die bis 1875 im Besitze war, oder von irgend einer anderen. In letzterer Beziehung könnte man den besonderen Grund geltend machen, daß in dem unmittelbar vorhergehenden Satze von Warenzeichen, deren Benutzung für den Anmeldenden landesgesetzlich geschützt ist, gesprochen wird, während fraglicher Zusatz nur von Warenzeichen spricht, die als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Gewerbetreibenden (also nicht des anmeldenden Gewerbetreibenden) gegolten haben.

Daß letzteres nicht gewollt sein könne, leuchtet ohne weiteres ein, und wird also jedenfalls in dieser Beziehung die Zusatzbestimmung aus §. 9 a. a. O., dessen Fassung keinen Zweifel läßt, zu ergänzen sein.

Ebenso klar erscheint es aber, daß es nicht statthaft sein könne, von der Frage, ob der im Jahre 1875 begründete Besitzstand später fortgedauert habe, ganz abzusehen. Unmöglich kann der Gesetzgeber gewollt haben, daß eine Person, welche jahrelang ihr früheres Warenzeichen nicht mehr geführt hat, welche ihr bezügliches Geschäft längst aufgegeben, ihre Firma längst gelöscht hatte, nach Verlauf von 20, 30 Jahren noch berechtigt sein solle, dieses Warenzeichen, obgleich es nach §. 3 Abs. 2 a. a. O. nicht eintragsfähig ist, eintragen zu lassen, bloß deshalb, weil sie einmal bei Beginn des Jahres 1875 im Besitze desselben sich befunden hat.

Allerdings ist anzuerkennen, daß auch in §. 9 a. a. O. die Notwendigkeit einer Fortdauer des Besitzstandes bis zur Anmeldung nicht besonders hervorgehoben ist - wahrscheinlich, weil dies wegen der Kürze des in Betracht kommenden Zeitraumes nicht nötig erschien -, allein eine genügende Andeutung erscheint doch insofern gegeben, als unter den "im Verkehr allgemein anerkannten Inhabern", denen das Vorrecht verliehen wird, nur solche Inhaber zu verstehen sind, die auch zur Zeit der Anmeldung noch im Verkehre allgemein anerkannt sind.

Auch in dieser Beziehung muß also die fragliche Zusatzbestimmung im Sinne der Bestimmungen des §. 9 a. a. O. erläutert werden.

Es erscheint jedoch geboten, noch weiter zu gehen, und auch, was die Zeitbeschränkung betrifft, zur Erläuterung des wahren Sinnes fraglicher Zusatzbestimmung die Bestimmungen des §. 9 a. a. O. beizuziehen.

In den Motiven zu §. 9 des Gesetzes ist zunächst hervorgehoben, daß bei dem landesgesetzlich geschützten Warenzeichen wohlerworbene Rechte in Frage ständen, denen besonderer Schutz zu gewähren sei und dann beigefügt:

"In zweiter Linie hat die Bestimmung aus Billigkeitsgründen auch dem einfachen, gesetzlich nicht geschützten Besitze bestimmter Zeichen eine gewisse Berechtigung gewähren zu müssen geglaubt."

Wie sich aus dieser Äußerung der Motive ergiebt, übrigens auch der Natur der Sache entspricht, war der Wille des Gesetzes nur dahin gerichtet, auch solche Warenzeichen, die lediglich einen einfachen Besitzstand für sich hatten, an der Vergünstigung, welche den landesgesetzlich geschützten Warenzeichen gewährt wurde, teilnehmen zu lassen, sie diesen gleichzustellen.

Im nämlichen Sinne wurde fragliche Bestimmung in §. 3 Abs. 1 beigefügt; es kann hier noch weniger, als in §. 9, ein Zweifel obwalten, daß der Wille des Gesetzgebers nur dahin gerichtet war, dem einfachen Besitzstande die nämliche Vergünstigung, wie dem wohlerworbenen Rechte zu gewähren, keineswegs aber ihn irgendwie vor diesem zu bevorzugen.

Hiernach kann eine Auslegung nicht dem Willen des Gesetzes entsprechen, welche dazu führen würde, daß demjenigen, welcher nur den einfachen Besitz für sich hat, ein zeitlich unbeschränktes Recht der Eintragung gewährt wäre, während derjenige, welchem ein wohlerworbenes Recht zur Seite steht, die Eintragung nur während der kurz bemessenen Frist, wie sie in §. 9 a. a. O. bestimmt ist, vornehmen dürfte.

Es ist daher davon auszugehen, daß der Gesetzgeber, indem er die auf den Besitzstand bezügliche Bestimmung aus §. 9 entnahm und in §. 3 Abs. 1 einfügte, in jeder Beziehung sich der Auffassung des §. 9 anschließen wollte, also einen Besitzstand voraussetzte, der im Sinne und nach näherer Bestimmung des §. 9 geeignet war, einem wohlerworbenen Rechte gleichgestellt zu werden.

Es erscheint dies um so mehr statthaft, als, wie gezeigt, schon von Anfang an die Bestimmungen der §. 3 Abs. 1 und §. 9 in innerem Zusammenhange standen, auf derselben Grundidee beruhten und bestimmt waren, sich zu ergänzen.

Im Sinne des §. 9 a. a. O. ist nur ein solcher Besitzstand geeignet, einem wohlerworbenen Rechte gleichgestellt zu werden, welcher dem 1. Oktober 1875 vorgängig ist und bereits bei Beginn des Jahres 1875 bestanden hat. Ebenso wie dem landesgesetzlichen Schutze giebt das Gesetz auch dem einfachen Besitzstande eine rechtliche Wirkung nur bis zum 1. Oktober 1875; ein derartig qualifizierter Besitz muß bei der Anmeldung vorliegen, wenn diese die Rechtswirkungen des §. 9 und folgeweise auch des §. 3 Abs. 1 erzeugen soll.

Was nun den vorliegenden Fall anbelangt, so hat die klägerische Firma die in Frage stehenden Warenzeichen erst im Jahre 1882, also lange nach Ablauf der gesetzlichen Frist, angemeldet. Diese Anmeldung konnte ihr kein Recht auf Markenschutz verschaffen, wenn, wie behauptet, jedoch zur Zeit nicht festgestellt ist, die Warenzeichen öffentliche Wappen enthielten (§. 3 Abs. 2 a. a. O.)."