BGH, 02.02.1996 - V ZR 239/94
Zur Wissenszurechnung bei am Rechtsverkehr teilnehmenden juristischen Personen und Organisationen, bei denen aufgrund ihrer arbeitsteiligen Organisationsform typischerweise Wissen bei verschiedenen Personen oder Abteilungen "aufgespaltet" ist.
Tatbestand
Die Klägerin bot der Beklagten mit notarieller Urkunde vom 12. August 1985 den Verkauf einer Teilfläche von rund 30.000 qm aus einem etwa 115.000 qm großen Betriebsgelände an, auf dem sie ein "Säge- und Imprägnierwerk" betrieben hatte. Die Gewährleistung für "Bodenbeschaffenheit, Flächengröße und Ausnutzungsmöglichkeit und für Sachmängel aller Art" schloß sie in ihrem Angebot aus. Die Beklagte nahm das Angebot in offener Frist am 21. März 1986 an und pachtete zugleich aus dem Betriebsgelände eine weitere Teilfläche von rund 20.000 qm. Beide Flächen verpachtete sie ihrerseits an die Firma B. -Werk A. M. GmbH (im folgenden: M.), deren Anteile sie zu 100 % hielt. Geschäftsführer war ihr Ehemann G. M..
Die M. beantragte im Jahre 1986 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Basaltwollefertigung auf dem Pachtgelände. Als daraufhin der Boden des Grundstücks und ein Fabrikationsgebäude untersucht wurden, zeigten sich erhebliche Kontaminationen im Erdreich und im Grundwasser. Deshalb wurde der Genehmigungsbescheid des Landratsamts mit zahlreichen Auflagen zur Beseitigung bzw. Eindämmung der Verunreinigungen versehen.
Im Jahre 1990 kaufte die Beklagte in Ausübung eines Optionsrechts auch die zunächst angepachtete Teilfläche für 213.807 DM; der bis dahin gezahlte Pachtzins in Höhe von 20.000 DM wurde auf den Kaufpreis angerechnet.
Gegenüber der Klage auf Zahlung des Kaufpreises rechnet die Beklagte mit angeblichen Schadensersatzansprüchen wegen Kontaminierung des im Jahre 1985 erworbenen Grundstücksteils auf. Sie hat behauptet, die Klägerin habe ihr die Verunreinigungen des Grundstücks arglistig verschwiegen. Es handele sich zum einen um die Auswirkungen der Produktionsmethoden der Klägerin, zum anderen um gezielt vergrabene Rückstände von Steinkohleteer und um andere Chemikalien aus den Kesseln der Holzimprägnierung. Der Aufwand für die Beseitigung der Verunreinigungen auf dem zunächst gekauften Grundstück übersteige die Kaufpreisforderung bei weitem. Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Handlungsbevollmächtigter habe bei den Verhandlungen darauf hingewiesen, daß produktionsbedingte Verunreinigungen bestehen könnten. Daß ihre Mitarbeiter absichtlich und gezielt Produktionsrückstände auf dem Grundstück vergraben hätten, hat sie bestritten.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 193.807 DM nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung aus § 459 Abs. 1, § 463 S. 2 BGB für begründet. Der Wert des Grundstücks sei durch unstreitige Rückstände aus der Produktion der Klägerin zumindest erheblich gemindert. Dieser Sachmangel gewinne noch erheblich an Bedeutung durch zielgerichtete Vergrabungen kontaminierten Materials, die jedenfalls im Betrieb der Klägerin, wenngleich zu einem nicht exakt bestimmbaren Zeitpunkt, vorgenommen worden seien. Über diese Vergrabungen habe die Klägerin die Beklagte nicht unterrichtet. Diese Verletzung der Aufklärungspflicht ist nach Ansicht des Berufungsgerichts gemäß den Grundsätzen über die Wissensvertretung als arglistig zu qualifizieren: Entweder hätten Personen, die früher für die Klägerin vertretungsberechtigt gewesen seien, von dem zielgerichteten Einbringen Kenntnis gehabt, dann sei ihre Kenntnis auch nach Ablauf ihrer Geschäftsführertätigkeit der Klägerin zuzurechnen; oder eine Person in verantwortlicher Stellung, z.B. der Werksleiter oder sein Stellvertreter, habe eine entsprechende Entscheidung für die Klägerin treffen dürfen und getroffen, dann sei diese Entscheidung der Klägerin nach § 166 BGB zuzurechnen. Die Einrede der Verjährung greife nicht durch, weil Ansprüche aus § 463 S. 2 BGB erst in 30 Jahren verjährten.
II.
A.
1.
Zur Haftung wegen vergrabener Teer- und Chemikalienrückstände.
Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß in dem Grundstück an drei Schürfstellen als Folge zielgerichteten Einbringens von Produktionsrückständen in den Boden, und nicht nur als Folge nachlässigen Umganges beim Produktionsprozeß, Teerölverunreinigungen im beachtlichen Umfang gefunden wurden. Sie nimmt auch die rechtliche Folgerung hin, daß es sich dabei um nicht erkennbare und deshalb zur Aufklärung verpflichtende Mängel gehandelt habe.
2.
Sie wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Feststellung des Tatrichters und die daraus gezogenen Schlüsse, daß diese 1991 von Sachverständigen ermittelten Bodenverunreinigungen schon zur Zeit des Kaufes im Jahre 1986 vorhanden gewesen seien. Das Berufungsgericht verkennt zwar nicht, daß der Sachverständige eine seriöse Bestimmung des Zeitpunktes der Ablagerungen nicht treffen insbesondere nicht angeben konnte, ob vor oder nach dem Besitzübergang Produktionsrückstände vergraben worden seien. Soweit es gleichwohl gemäß § 286 Abs. 1 ZPO an Hand verschiedener Umstände seine Überzeugung darlegt, daß das zielgerichtete Einlagern von Steinkohlenteeröl während der Betriebszeit der Klägerin erfolgt sei, sind seine Erwägungen nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar stellt § 286 ZPO nur darauf ab, ob der Tatrichter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Will er jedoch aus Hilfstatsachen den Schluß auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales - hier: Mangel bei Vertragsschluß - ziehen, so sind seine Überlegungen nur überzeugungskräftig, wenn ein anderer Schluß aus der Indiztatsache nicht in Betracht kommt (BGHZ 53, 245, 256 i.V.m. 260). Fehlerfrei konnte das Berufungsgericht danach zwar aus der Art des Imprägnierbetriebes und der Tatsache, daß nur die Klägerin über 100 Jahre dabei die vorgefundenen Steinkohlenteerrückstände verursachte, schließen, daß es sich bei dem vergrabenen Material um Abfälle des stillgelegten Imprägnierbetriebes handle. Für die weitere Schlußfolgerung, daß diese nur durch die Klägerin vergraben worden sein könnten, reicht jedoch die Erwägung, daß der Ehemann der Beklagten und Geschäftsführer der M., der Zeuge M., kein Interesse gehabt haben könne, Material der Klägerin zu vergraben, weder allein noch in Verbindung mit den Überlegungen des Sachverständigen zur Art der Vergrabung in Schürfe 3. Das Berufungsgericht hat nämlich, wie die Revision mit Recht rügt, nicht in seine Überlegungen einbezogen, daß der Zeuge nicht nur zur Frage der Mächtigkeit der vergrabenen Teerblasen die Aussage verweigert, sondern später auch noch die Befürchtung geäußert hat, der Betrieb der Beklagten könne wegen der aufgefundenen Altlasten geschlossen werden. Dieser Umstand könnte das vom Berufungsgericht vermißte Interesse des Zeugen an einem Vergraben von Altlasten erklären, denn eine alsbaldige Betriebsschließung birgt die Gefahr eines durch Geld nicht wieder gutzumachenden Ruins des Betriebes in sich. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum fehlenden Interesse des Zeugen sind zudem in sich widersprüchlich. Das Berufungsgericht hat nämlich offen gelassen, ob der für die Beklagte handelnde Zeuge während der Vertragsverhandlungen über produktionsbedingte Rückstände aufgeklärt wurde. Wäre dies der Fall, wäre ebenfalls ein Interesse des Zeugen denkbar, die ihm bekannten Rückstände zu vergraben, um die Kosten der Entsorgung zu vermeiden. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß bei Berücksichtigung dieser Umstände die Überzeugung des Berufungsgerichts davon, daß nur die Klägerin ein Interesse am Vergraben gehabt haben könne, erschüttert würde.
3.
Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Denn zur Haftung wegen der unstreitig vorhandenen produktionsbedingten Verunreinigung des Grundstücks hat das Berufungsgericht offen gelassen, ob der Ehemann der Beklagten als ihr Verhandlungsführer darüber aufgeklärt worden ist. Davon ist danach für das Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin auszugehen. Anders als die Revisionserwiderung meint, zwingt nämlich die Behauptung des Verkäufers, er habe den Käufer über bestimmte, zu offenbarende, Umstände aufgeklärt, den Käufer, der Schadensersatz wegen arglistigen Verschweigens dieser Umstände verlangt, zum Beweis des Gegenteils (vgl. die Darstellung bei Hagen, Der Grundstückskauf, RWS-Skript 6. Aufl., Rdn. 213 m.N. aus der st. Senatsrechtsprechung). Gemäß § 460 BGB hat die Klägerin den Mangel deshalb nach den bisherigen Feststellungen nicht zu vertreten.
4.
Ist danach sowohl offen, ob die Klägerin eine Aufklärungspflicht über produktionsbedingte Rückstände verletzt hat, wie auch, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Mangel in Form vergrabener Rückstände bestand, kann das Urteil nicht bestehen bleiben. Auf die weiteren Rügen der Revision insbesondere zur Wissenszurechnung und zum arglistigen Verschweigen der Geschäftsführer der Klägerin kommt es zur Zeit nicht an.
B.
Die Sache ist auch nicht zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 ZPO), weil der entscheidungserhebliche Tatsachenstoff nicht abschließend geklärt ist. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt vielmehr davon ab, ob die Klägerin hinsichtlich der produktionsbedingten Verunreinigungen eine Aufklärungspflicht hatte und diese erfüllt hat oder ob sie angesichts der von ihr gemachten Objektangaben den Vertreter der Beklagten für hinreichend aufgeklärt halten durfte. Aufklärungsbedürftig kann ferner sein, ob in dem Grundstück zur Zeit des Vertragsschlusses Teerrückstände vergraben waren und ob und inwieweit den Vertretern der Klägerin eine fehlende Aufklärung zugerechnet werden könnte. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
C.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
1.
Zur Haftung wegen kontaminierten Bodens und Gebäudes durch Produktionsrückstände:
Zwar besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, bei Verhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, eine Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten darf (z.B. Urt. v. 2. März 1979, V ZR 157/77, NJW 1979, 391 [ArbG Frankfurt am Main 27.09.1978 - 5 Ca 199/78] = WM 1979, 615). Für Mängel allerdings, die einer Besichtigung zugänglich und damit erkennbar sind, kann der Käufer Aufklärung nicht erwarten, weil er solche Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (z.B. Urt. v. 16. Juni 1989, V ZR 74/88 und Urt. v. 8. April 1994, V ZR 178/92, beide nicht veröffentlicht; vgl. auch Urt. v. 29. Januar 1993, V ZR 227/91, NJW 1993, 1643 = WM 1993, 1099). Das Berufungsgericht wird deshalb zunächst zu prüfen haben, ob und inwieweit angesichts der 1985/86 noch vorhandenen - und besichtigten - Anlagen und der Bezeichnung des Verkaufsobjektes als Säge- und Imprägnierwerk im Notarangebot eine Aufklärungspflicht über die bei einem solchen Betrieb üblicherweise entstehenden Gebäude- und Bodenverunreinigungen bestand, erforderlichenfalls, ob die Verkäuferin aufgeklärt hat. Es wird gegebenenfalls weiter zu prüfen haben, ob die Klägerin, wie sie geltend macht, jedenfalls davon ausgehen durfte, daß dem Verhandlungsführer der Beklagten als selbständigem Gewerbetreibenden die aus der Produktion fließende mögliche Kontamination des Grundstücks bekannt sei.
2.
Zur Haftung wegen mangelnder Aufklärung über vergrabene Produktionsrückstände:
Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Geschäftsführer der Komplementärin von zielgerichteten Vergrabungen verunreinigten Materials auf dem Betriebsgrundstück Kenntnis hatten: Ihnen sei jedenfalls das Wissen früherer vertretungsberechtigter Personen zuzurechnen oder nach § 166 BGB das Wissen eines verantwortlichen Leiters des Werkes, der eine entsprechende Entscheidung für die Klägerin habe treffen dürfen. Mit dieser Begründung läßt sich arglistiges Verschweigen von früher, insbesondere vor 1955, auf dem verkauften Gelände vergrabenem Material durch die jetzigen Verhandlungsführer nicht bejahen.
a)
Wie der Senat in seinem Urteil vom 8. Dezember 1989 (BGHZ 109, 327) zur Arglist im Sinne der §§ 463 S. 2, 476 BGB ausgesprochen hat, läßt sich die Frage der Wissenszurechnung von Organvertretern juristischer Personen (einschließlich fiskalisch handelnder politischer Gemeinden) nicht mit logisch-begrifflicher Stringenz, sondern nur in wertender Beurteilung entscheiden. Jedenfalls für die Frage der Risikoverteilung bei Grundstücksgeschäften der - auch hier - vorliegenden Art hielt er es aus Gründen des Verkehrsschutzes für geboten, der Gemeinde das ihr durch Organvertreter einmal vermittelte, "typischerweise aktenmäßig festgehaltene", Wissen auch weiterhin (dort: bis zum Abschluß des zu beurteilenden Grundstückskaufvertrages) zuzurechnen: Nur so lasse sich die strukturelle Besonderheit der organisatorischen Aufspaltung gemeindlicher Funktionen personeller und zeitlicher Hinsicht (Wechsel der Amtsträger) ausgleichen. Der Bürger, der mit der Gemeinde einen wirtschaftlich bedeutsamen Vertrag schließe und ihr dabei im Zweifel sogar erhöhtes Vertrauen entgegenbringe, dürfe im Prinzip nicht schlechter gestellt werden, als wenn er es nur mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte. In einem Urteil vom 24. Januar 1992 (BGHZ 117, 104) hat der Senat, hieran anknüpfend, auf der Grundlage des § 166 BGB als "Wissensvertreter" jeden angesehen, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten; er brauche weder zum rechtsgeschäftlichen Vertreter noch zum "Wissensvertreter" ausdrücklich bestellt zu sein. Schon in dieser Entscheidung hat er (im Anschluß an Bohrer, DNotZ 1991, 124, 129/130) erwogen, daß es nicht auf die eigenverantwortliche Erledigung bestimmter Aufgaben, sondern auf die Verfügbarkeit derjenigen Informationen ankomme, die "typischerweise aktenmäßig festgehalten werden". Nach dieser Ansicht ergibt sich die Kenntnis der juristischen Person daraus, daß sie das Aktenwissen besitzt und seine Nutzung nicht in ihrem Belieben steht, sondern normativen Verkehrsschutz-Anforderungen unterliegt; die Verantwortung für das einmal erlangte Wissen schließe die Verpflichtung ein, seine Verfügbarkeit zu organisieren. Komme die juristische Person dieser Rechtspflicht nicht nach, müsse sie sich materiell-rechtlich so behandeln lassen, als habe sie von der Information Kenntnis. Einer abschließenden Stellungnahme zu dieser Variante der Wissenszurechnung sah sich der Senat in jenem Urteil enthoben, weil die Entscheidung des Falles nicht von ihr abhing: die beklagte Gemeinde sei jedenfalls nicht verpflichtet gewesen, zwischen dem Liegenschafts- und dem Baurechtsamt allgemein einen Informationsaustausch zu organisieren. Auch habe weder zwischen dem konkreten Grundstücksgeschäft der Gemeinde und den Verwaltungsvorgängen im Baurechtsamt ein sachlicher Zusammenhang bestanden, noch hätten dem Liegenschaftsamt irgendwelche Hinweise darauf vorgelegen, daß im Baurechtsamt vertragserhebliche Kenntnisse über die Baugrundbeschaffenheit des Kaufobjekts vorhanden gewesen seien. In diesem Sinne hat auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes mehrfach darauf abgestellt, ob ein Informationsaustausch möglich und naheliegend gewesen sei (Urteile v. 1. Juni 1989, III ZR 261/87 und III ZR 277/87, NJW 1989, 2879 und 2881). Wollte man unabhängig von einem konkreten Anlaß einen Informationsaustausch zwischen beiden Ämtern verlangen und deshalb das theoretisch verfügbare Wissen des einen Amtes dem anderen zurechnen - stünde nach den Ausführungen des erkennenden Senats in jener Entscheidung der Vertragspartner in solchen Fällen organisationsbedingter "Wissensaufspaltung" sogar besser da als der einer natürlichen Person, denn diese besäße nicht jene Informationen, welche die Gemeinde aufgrund ihrer öffentlichen Aufgaben erlangt.
Dieses "Gleichstellungsargument", wonach der Vertragspartner einer Gemeinde (oder einer sonstigen juristischen Person) nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein soll als derjenige einer natürlichen Person, hat im Fachschrifttum Zustimmung gefunden (z.B. Medicus, Probleme der Wissenszurechnung, Karlsruher Forum 1994, Beilage zum "Versicherungsrecht", S. 4 ff, 11 ff). In weitgehender Übereinstimmung mit der erwähnten Rechtsprechung des Senats hat Taupitz (Wissenszurechnung nach englischem und deutschem Recht, Karlsruher Forum 1994, aaO., S. 16 ff, 28 ff) als maßgeblichen Grund für die Zurechnung von Wissen eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation herausgearbeitet (sachlich übereinstimmend Medicus, aaO., S. 10). Diese Organisationspflicht gründe, ähnlich wie eine Verkehrspflicht, auf der Beherrschung eines selbsteröffneten Verkehrsbereichs: eine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation müsse (auch und gerade nach den berechtigten Erwartungen des Rechtsverkehrs) so organisiert sei, daß Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb dieser Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben werden (Informationsweiterleitungspflicht als Problem der Wissenszurechnung); umgekehrt müsse sichergestellt sein, daß ggf. nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt werde (Informationsabfragepflicht als Problem des Wissens, aaO. S. 51). Beide Autoren stimmen weiter darin überein, daß das Problem der arbeitsteiligen "Wissensaufspaltung" in gleicher Weise wie bei juristischen Personen auch bei allen sonstigen Organisationsformen auftaucht, die zu einer Wissenszersplitterung führen können, z.B. bei sonstigen Unternehmen (Medicus, aaO., S. 12), insbesondere bei Gesamthandsgesellschaften (Taupitz, aaO., S. 16, 25 f), und daß es deshalb hier wie dort im gleichen Sinne zu lösen ist.
Der Senat schließt sich dieser Beurteilung sowohl in der Begründung als auch in den praktischen Ergebnissen an. Er bejaht die erörterte Möglichkeit einer Wissenszurechnung insbesondere auch für die - hier zu beurteilende - GmbH & Co. KG; denn die Wissenszurechnung gründet nicht in der Organstellung oder einer vergleichbaren Position des Wissensvermittlers (Organtheorie), sondern im Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation. Dabei sieht er sich nicht in entscheidungserheblichem Widerspruch zum VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes. Dieser Senat hat zwar bei der Beurteilung der Arglist im Sinne des § 463 S. 2 BGB in seinem Urteil vom 17. Mai 1995, VIII ZR 70/94 = WM 1995, 1145, 1147 für eine Kommanditgesellschaft die Zurechnung von Wissen eines ausgeschiedenen Mitglieds abgelehnt, die entsprechende Frage für eine GmbH & Co KG aber ausdrücklich offengelassen (jetzt weitergehend auch: VIII. Zivilsenat, Urt. v. 31. Januar 1996, VIII ZR 297/94 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
b)
Kommt danach, wovon das Berufungsgericht im Ergebnis ausgegangen ist, eine Wissenszurechnung zu Lasten der Klägerin in ihrer Eigenschaft als GmbH & Co.KG grundsätzlich in Betracht, so folgt andererseits gerade aus dem Gleichstellungsargument, daß auch der Wissenszurechnung persönliche und zeitliche Grenzen zu ziehen sind: das als Wissen Zuzurechnende darf nicht zu einer Fiktion entarten, die juristische Personen oder andere am Rechtsverkehr teilnehmende Organisationen weit über jede menschliche Fähigkeit hinaus belastet. Vielmehr muß für denjenigen Menschen, für den die Zurechnung gelten soll, wenigstens eine reale Möglichkeit, aber auch ein Anlaß bestehen, sich das Wissen aus dem eigenen Gedächtnis, aus Speichern oder von anderen Menschen zu beschaffen.
Das bedeutet zweierlei:
aa) Soll das Risiko aus der Wissensaufteilung derjenige tragen, der sie veranlaßt hat und durch zweckmäßige Organisation beherrschen kann, so ist einmal entscheidend, ob die Information über den Umstand überhaupt gespeichert werden mußte. Das hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie später rechtserheblich werden konnte. Zu beurteilen ist das nach dem Zeitpunkt der Wahrnehmung und nicht nach einem erst später erreichten Wissensstand. Solange etwa Asbest oder bestimmte Lösungsmittel als harmlos galten, durfte man keine Speicherung von Informationen verlangen (ebenso Bohrer, DNotZ 1991, 124/128 mit Fn. 23; Medicus aaO. S. 11); für die Zeit vor 1955, für die das Berufungsgericht hier ein Vergraben als nicht widerlegt ansieht, wäre dies naheliegend. Zudem muß auch hinsichtlich der Dauer der Speicherung von Informationen unterschieden werden: Je erkennbar wichtiger ein Umstand ist, um so länger muß er gespeichert bleiben. Wird die Speicherung zu früh aufgehoben, so beendet das die Wissenszurechnung nicht.
bb) Weiter ist entscheidend, daß sich auch das Erinnerungsvermögen des Menschen typischerweise nach der - erkennbaren Wichtigkeit der Wahrnehmung und danach bestimmt, wie lange diese zurück liegt. Als Wissen kann man den Inhalt von Speichern daher nur zurechnen, soweit ein besonderer Anlaß besteht, sich seiner in der konkreten Situation (noch) zu vergewissern. Auch das richtet sich nach der Zumutbarkeit: Maßgeblich sind auch hier vor allem die Bedeutung des Anlasses und die Schwierigkeit der Suche (vgl. dazu etwa Baumann, ZGR 1973, 284, 295; Medicus aaO. S. 12).
Hierzu fehlt es bisher nicht nur an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts, sondern schon an hinreichendem Parteivorbringen. Da die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, werden die Parteien Gelegenheit haben, auf diesen Punkt zurückzukommen.
3.
Sollte das Berufungsgericht erneut eine Haftung der Klägerin dem Grunde nach für gegeben halten, wird es zu beachten haben, daß die Beklagte nur mit Kosten aufrechnen kann, die ihr bereits entstanden sind.
Gemäß § 463 S. 2 BGB ist zudem nur der Schaden zu ersetzen, der mit dem arglistig verschwiegenen Fehler in ursächlichem Zusammenhang steht. Kommt nur eine Haftung wegen vorsätzlich vergrabener Rückstände und deren Verschweigen in Betracht, so ist nur der Aufwand für die Beseitigung dieser Vergrabungen ersatzpflichtig, nicht jedoch die Kosten, die durch Beseitigung produktionsbedingter Rückstände, wie hier Abriß und Entsorgung des von der Klägerin früher benutzten Gebäudes entstehen (vgl. Senatsurt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549 = WM 1995, 849, 851).