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Geplante Anpassung des Batterierechts stößt auf geteiltes Echo

Bundestag | Aktuelle Themen - Mo, 01.09.2025 - 09:00
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (21/1150) zur Anpassung des Batterierechts an die EU-Verordnung 2023/1542 (Batterierecht-EU-Anpassungsgesetz) sowie der wortgleiche Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD (21/570) sind bei Sachverständigen auf ein geteiltes Echo gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses am Montag, 1. September 2026, signalisierten insbesondere die von der Unionsfraktion benannten Experten Zweifel gegenüber dem Gesetzentwurf und kritisierten vor allem, dass er weit über die Vorgaben der EU-Batterieverordnung hinausgehe. Die jeweils von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke benannten Sachverständigen wiederum begrüßten den Gesetzentwurf grundsätzlich. Allerdings sprachen sie sich ihrerseits für weitergehende oder zusätzliche Regelungen aus. So löse der vorliegende Entwurf zum Beispiel die Problematik der Brände, die durch Lithium-Akkus und -Batterien verursacht werden, weiterhin nicht. Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Batterieverordnung Der Gesetzentwurf soll laut Vorlage die EU-Vorgaben zu Produktion, Kennzeichnung, Entsorgung und Recycling von Batterien in nationales Recht überführen. Die Verordnung regelt unter anderem Beschränkungen für gefährliche Stoffe, Design- und Kennzeichnungsvorgaben, Konformität, Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sowie die Sammlung und Behandlung von Altbatterien. Außerdem ist in der EU-Batterieverordnung eine Anhebung der Sammelziele für Gerätebatterien auf 63 Prozent bis Ende 2027 und auf 73 Prozent bis Ende 2030 vorgesehen; bis dahin bleibt es bei der in Deutschland geltenden Quote von 50 Prozent. Das bisherige Batteriegesetz (BattG) soll aufgehoben und durch ein neues Batterierecht-Durchführungsgesetz (BattDG) ersetzt werden. Dieses enthält unter anderem Pflichten zur Einrichtung kollektiver Sammelsysteme für alle Batteriekategorien, zur Hinterlegung von Sicherheitsleistungen sowie zur Rückgabe ausgedienter Batterien von E-Bikes oder E-Scootern an kommunalen Sammelstellen. Kommunale Spitzenverbände kritisieren Bindungsfrist Tim Bagner vom Deutschen Städtetag, unterstützte als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, dass mit dem Gesetz nun auch Hersteller von Starter-, Industrie- und Elektrofahrzeugbatterien zu einer Beteiligung an einer Organisation für Herstellerverantwortung verpflichtet werden sollen. Kritisch sehe die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände aber die geplante Bindungsfrist der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger von mindestens zwölf Monaten an eine Organisation der Herstellerverantwortung. Um eine gesicherte Abnahme von Altbatterien zu erreichen, müsse es möglich sein, die Herstellerorganisation kurzfristig zu wechseln, so Bagner. Nur so könne eine Zwischenlagerung von Geräte- und LV-Batterien, die bereits in der Vergangenheit zu Problemen geführt habe, vermieden werden. Kommunale Unternehmen für Rücknahmepflicht Dr. Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen unterstützte das Vorhaben, dass künftig mehr Batterietypen an kommunalen Sammelstellen entgegengenommen werden sollen. Für die Unternehmen sei das zwar eine Herausforderung, aber private Haushalte brauchten eine Möglichkeit zur Entsorgung etwa von ausgedienten E-Bike-Batterien. Damit an den Sammelstellen ausreichend Spezialbehälter zur Verfügung stünden, um die „durchaus gefahrenrelevante“ Batterien anzunehmen, plädierte Thärichen allerdings dafür, die Rücknahmepflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für mit Low-Voltage-Batterien (LV-Batterien), wie sie auch in E-Bikes verwendet werden, erst zum 1. Januar 2026 in Kraft zu setzen. Problem von Bränden „blinder Fleck“ im Gesetzentwurf Auf das Problem von Bränden, die durch falsch entsorgte Lithium-Ionen-Akkus verursacht werden, machte Anja Siegesmund vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) aufmerksam. Die Brände gefährdeten zunehmend die Funktionsfähigkeit der deutschen Recycling- und Entsorgungsinfrastruktur. In dem aktuellen Gesetzgebungsvorhaben sei das Thema aber ein „blinder Fleck“. Siegesmund sprach sich dafür aus, Batterierecht und Elektrogerätegesetzgebung „zusammen neu zu denken“. Es brauche einen integrierten Ansatz aus vorbeugenden Maßnahmen, verbindlichen Rücknahmeregeln und finanziellen Absicherungen. „Die Lage ist wirklich akut“, drängte die Expertin. Der BDE gehe von 30 Bränden pro Tag aus, die Branche schätze „die jährlichen Gesamtschäden durch Batterien in einer hohen dreistelligen Millionenhöhe“, heißt es dazu in der schriftlichen Stellungnahme der Sachverständigen. Kaum ein Versicherer sei mehr zur Absicherung der Risiken bereit. Der BDE fordere deshalb die Einführung eines „wirksamen Pfandsystems“ für lose Lithium-Akkus und -Batterien sowie Geräte mit eingebauten Lithium-Batterien, so Siegesmund. „Einmalige Zusatzpflichten ohne Mehrwert“ Keinen dringenden Handlungsdruck sah wiederum Georgios Chryssos von der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien (GRS). Die europäische Batterie-Verordnung gelte bereits seit dem 18. August und sei aufgrund „sehr klarer Vorgaben auch direkt und ohne Durchführungsgesetz vollziehbar“. Es gebe keine „akute Vollzugslücke, die durch eine überhastete Verabschiedung“ geschlossen werden müsse. Im Gegenteil: Chryssos warnte davor, den Gesetzentwurf wie vorgelegt zu beschließen. Er gehe weit über EU-Vorgaben hinaus und schaffe europaweit einmalige Zusatzpflichten ohne erkennbaren Mehrwert für Umwelt oder höhere Sammlungsquoten. Besonders in der Kritik des Sachverständigen: die fehlende Einbindung der Hersteller. Anders als Elektrogesetz und Verpackungsgesetz sehe der Entwurf keine Gemeinsame Herstellerstelle (GHS) vor, die mit „Branchen- und Sachkompetenz“ etwa bei Brandrisiken durch Lithium-Batterien praxisgerechte Lösungen gemeinsam mit Marktakteuren und Behörden erarbeiten könne. „Völlig an den Marktrealitäten vorbei“ gehe die zudem geplante Einführung einer zentralen, behördlich gesteuerten Abholung für Industrie-, Starter- und Fahrzeugbatterien. Mehr als 100.000 Sammelstellen müssten mit zwölf verschiedenen Gefahrgutbehältern ausgestattet werden – das sei in keinem anderen EU-Mitgliedstaat so geplant, unterstrich der Experte. Deutschland drohe zu einem bürokratischen Negativbeispiel in der EU zu werden. „Deutsche Hersteller werden benachteiligt“ Ähnlich äußerte sich Gunther Kellermann vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI): Das „Goldplating“ benachteilige zwar vom Prinzip her keinen Batteriehersteller in Deutschland per se, aber es werde die Bewirtschaftung von Altbatterien komplizierter, aufwändiger und teurer machen als es die europäische Batterie-Verordnung eigentlich vorsehe, argumentierte der Sachverständige. Die Verordnung fordere zum Beispiel bei der Beitragsmessung lediglich zwei Kriterien. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung geplanten acht Kriterien machten die Beitragsmessung dagegen intransparent. Hersteller könnten die Beiträge nicht mehr vergleichen. Auch das Kriterium des CO2-Fußabdrucks werde deutsche Hersteller gegenüber anderen benachteiligen, so Kellermanns Einschätzung. Warnung vor „Bürokratie-Moloch“ Grundsätzliche Kritik an dem Gesetzentwurf übte auch der von der AfD benannte Sachverständige Prof. Dr. Ing. Reinhard Müller-Syhre von der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit. In seiner schriftlichen Stellungnahme listet Müller-Syhre unter anderem die Kosten einer Vielzahl aufgrund des geplanten Gesetzes ausgelöster „bürokratischer Aktionen“ auf, die seines Erachtens zum „Gegenteil“ dessen führten, was das Gesetz „propagiert oder beabsichtigt.“ Auf Staat und Hersteller komme ein „gigantischer Moloch“ zu. Das sei „innovationsfeindlich“, warnte Müller-Syhre in der Anhörung. Ausnahmeregelung für Rücknahme beschädigter Batterien Antje Gerstein vom Handelsverband Deutschland (HDE) betonte, die Batterierücknahme im Handel sei bereits seit Jahren gelebte Praxis und habe sich bewährt. Die geplante Rücknahmepflicht von LV-Batterien und insbesondere ihre sach- und brandschutzgerechte Lagerung stelle aber die Unternehmen vor Herausforderungen. Zwar sei es begrüßenswert, dass nur jene Batteriekategorien zurückgenommen werden müssten, die die Unternehmen auch verkauften. Auch die Gewichtsgrenze von 45 Kilogramm sei praktikabel - zumindest für unbeschädigte LV-Batterien. Für die Rücknahme von sichtbar beschädigten Batterien, forderte Gerstein jedoch Ausnahmeregelungen. Diese sollen durch Wertstoffhöfe zurückgenommen werden, wo geschultes Fachpersonal Brandrisiken erkennen und minimieren könne. Dem pflichtete der als Einzelsachverständiger von der Linksfraktion benannte Uwe Feige vom Kommunalservice Jena bei: Es sei tatsächlich fraglich, ob „Sicherheit und Hygiene“ in einem Handel, der für Lebensmittel organisiert sei, ausreiche. Wenn zudem ein Pfandsystem für Batterien gefordert werde, müsse gleichzeitig über den Vollzug gesprochen werden, „insbesondere beim Onlinehandel“. Schlupflöcher für Hersteller durch Systembeteiligungspflicht Auf eine andere „Schwachstelle“ des Gesetzentwurfs wies Dr. Marieke Hoffmann von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin. Ihr zufolge sehe die Umweltorganisation die Gefahr, dass Hersteller mit besonders umweltschädlichen Batterien höhere Gebühren umgehen, indem sie ihre Herstellerverantwortung individuell wahrnehmen. Aus diesem Grund brauche es eine Systembeteiligungspflicht für Hersteller, so Hoffmann, denn nur durch kollektive Rücknahmesysteme könnten wichtige Regelungen der EU-Batterieverordnung wirksam umgesetzt werden. Nach Auffassung der DUH setzt der Gesetzentwurf so Mechanismen der sogenannten Ökomodulation in Paragraf 10 „völlig unzureichend um“. Positive Umwelteffekte drohten zu verpuffen, so die Sachverständige. Skeptisch sieht der Umweltverband auch, ob mit der „aktuellen Systematik“ des Gesetzes, die von der EU vorgegebenen Sammelziele erreicht werden können. Das deutsche System belohne aktuell Organisationen für Herstellerverantwortung, die Sammelquoten „immer nur gerade so“ einhalten, kritisierte die Sachverständige. Die DUH spreche sich daher für verbindliche nationale Zwischenziele aus. Besser wären aber Anreize, damit „immer so viel wie möglich“ gesammelt werde. Stellungnahme des Bundesrates Der Bundesrat hat zu dem Gesetzentwurf am 11. Juli 2025 Stellung genommen. Er schlägt unter anderem vor, die Registrierungspflicht für Batteriemarken an EU-Mindestvorgaben anzupassen, die Pflicht zu „digitalen Bildtafeln“ im Onlinehandel zu streichen und eine zentrale Bundesbehörde für bestimmte Aufgaben einzurichten. Zudem äußert er Besorgnis über Brandgefahren durch unsachgemäße Entsorgung von Lithium-Ionen-Batterien und regt eine Prüfung zusätzlicher Maßnahmen, auch einer Pfandlösung, an. Die Bundesregierung lehnt alle drei Gesetzesänderungsvorschläge ab. Sie verweist unter anderem auf die Notwendigkeit, stationären und Onlinehandel bei Informationspflichten gleichzubehandeln, und auf die grundgesetzlich verankerte Zuständigkeit der Länder für den Vollzug. Die Brandgefahr bei Lithium-Ionen-Batterien wolle sie durch geplante Änderungen im Elektro- und Elektronikgerätegesetz sowie durch EU-Vorgaben zur Austauschbarkeit von Batterien reduzieren. (sas/01.09.2025)

BVerwG 5 B 52.24 - Beschluss

BVerwG Nachrichten - Mo, 01.09.2025 - 08:00
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Kompakt August 2025

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Kategorien: Finanzen

BVerwG 10 A 6.23 - Urteil - Vereinigungsbedingte ökologische Altlasten

BVerwG Nachrichten - Mo, 01.09.2025 - 05:35
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BVerwG 11 VR 6.25 - Beschluss

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BVerwG 11 VR 7.25 - Beschluss

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BVerwG 2 VR 10.25 - Beschluss

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BVerwG 2 VR 12.25 - Beschluss

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BVerwG 2 VR 2.25 - Beschluss

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BVerwG 2 VR 5.25 - Beschluss

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BVerwG 6 C 7.25 - Beschluss

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BVerwG 6 KSt 2.25 - Beschluss

BVerwG Nachrichten - Mo, 01.09.2025 - 05:35
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IGH-Gutachten zu Klimapflichten: Historisches Signal für Staaten

CMS Hasche Sigle Blog - Mo, 01.09.2025 - 04:06

Am 23. Juli 2025 hat der Internationale Gerichtshof (IGH) – das oberste Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen – ein wegweisendes Gutachten zu den völkerrechtlichen Pflichten von Staaten im Zusammenhang mit dem Klimawandel veröffentlicht.

Der Gerichtshof stellte klar, dass der Schutz des Klimasystems und der Umwelt vor menschengemachten Treibhausgasemissionen eine Verpflichtung gegenüber der gesamten internationalen Gemeinschaft (erga omnes) darstellt.

Das Gutachten enthält weitreichende Aussagen – nicht nur mit Blick auf die Staatenverantwortung, sondern auch mit Folgewirkungen für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen. Es hat das Potenzial, die Auslegung und Anwendung internationaler Rechtsnormen im Bereich Klimawandel und Umweltschutz maßgeblich zu prägen und könnte damit den Rechtsrahmen weltweit nachhaltig beeinflussen. Mit dem Gutachten fügt sich der IGH in eine wachsende Reihe internationaler Entscheidungen ein, die auf eine verstärkte rechtliche Kontrolle des Klimaverhaltens von Staaten und zunehmend auch von Unternehmen hindeuten.

Ausgangspunkt: Anfrage der UN-Generalversammlung

Das Gutachten basiert auf einem Ersuchen der UN-Generalversammlung an den IGH (Resolution 77/276), das zwei zentrale Fragen aufwarf:

  1. Welche internationalen Pflichten haben Staaten zum Schutz des Klimasystems vor anthropogenen Treibhausgasemissionen, um die Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen zu sichern?
  2. Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich, wenn ein Staat durch sein Handeln oder Unterlassen erhebliche Klimaschäden verursacht – insbesondere mit Blick auf kleine Inselstaaten und betroffene Bevölkerungen?

Als Rechtsgrundlagen wurden unter anderem die UN-Charta, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie das Pariser Klimaabkommen in Bezug genommen. Die mündlichen Verhandlungen, die im Dezember 2024 in Den Haag ihren Auftakt nahmen, vereinten eine breite Staatengemeinschaft und internationale Organisationen – von besonders gefährdeten Inselstaaten bis hin zu großen Emittenten wie führenden Wirtschaftsmächten. Zahlreiche Staaten, Zusammenschlüsse und Fachgremien nutzten die Gelegenheit, ihre Rechtsauffassungen und wissenschaftlichen Analysen einzubringen. Das Gericht ließ dabei auch Beiträge unter breiter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise zu, um die komplexen naturwissenschaftlichen Grundlagen und die vielschichtigen Folgen des Klimawandels umfassend in die rechtliche Bewertung einfließen zu lassen.

Der IGH bejaht im Ergebnis nicht nur die Zuständigkeit zur Beantwortung dieser Fragen, sondern liefert ein Gutachten mit bemerkenswerter Klarheit.

Der Maßstab: Sorgfaltspflicht, Kooperation und Schutzpflichten

Zentral ist nach Ansicht des IGH die Pflicht zur Verhinderung erheblicher Umweltschäden, die sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergibt. Diese Verpflichtung gilt auch für das Klimasystem – trotz der diffusen grenzüberschreitenden Ursachen des Klimawandels. Staaten müssen demnach mit gebotener Sorgfalt handeln und ihre nationalen Beiträge (NDCs) unter dem Pariser Übereinkommen nicht nur formulieren, sondern effektiv umsetzen.

Daneben bestätigt der IGH die Pflicht zur internationalen Zusammenarbeit, einschließlich finanzieller und technologischer Unterstützung. Auch betont er die Anforderungen aus Menschenrechten – etwa das Recht auf Leben, Gesundheit und eine saubere Umwelt.

Der Gerichtshof betont dabei: Die Einhaltung dieser Pflichten ist nicht allein politisch, sondern auch rechtlich relevant.

Rechtsfolgen: Verletzung zieht Verantwortung nach sich

Für den Fall einer Verletzung dieser Verpflichtungen verweist der IGH auf das System der Staatenverantwortlichkeit. Dazu zählen:

  • Leistungspflichten,
  • Unterlassungsverpflichtungen und
  • Wiedergutmachung, etwa in Form von Entschädigung oder Genugtuung, vorausgesetzt, es besteht ein hinreichend direkter und bestimmter Kausalzusammenhang zwischen der völkerrechtswidrigen Handlung oder Unterlassung und dem Schaden – ein Maßstab, den der IGH bewusst flexibel auf Klimaschäden anwendet.

Zwar enthält das Gutachten keine bindende Entscheidung – seine Argumentation entfaltet jedoch rechtliche Signalwirkung.

Unternehmen im Blick: Pflichtenumsetzung auf nationaler Ebene

Auch wenn das Gutachten völkerrechtlich ausschließlich an Staaten adressiert ist, entfaltet es mittelbare Wirkung auf Wirtschaftsakteure. Nationale Gesetzgeber, Behörden und Gerichte werden sich bei der Fortentwicklung und Anwendung bestehender Rechtsnormen – etwa im Umwelt- und Klimaschutzrecht oder bei unternehmerischen Sorgfaltspflichten – an den vom IGH entwickelten Maßstäben orientieren. Zugleich wird die IGH-Stellungnahme vielfach so verstanden, dass Staaten gehalten sind, private Akteure wirksamer zu regulieren – ein Signal für spürbar schärfere sektorspezifische Vorgaben.

Die vom IGH herausgearbeiteten Maßstäbe – insbesondere der Vorsorgegrundsatz und die Pflicht zur Vermeidung erheblicher Klimaschäden – dürften zukünftig in gerichtlichen Verfahren als Orientierung für die Bewertung unternehmerischen Handelns dienen. Damit steigt nicht nur mittelbar das Haftungsrisiko, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass selbstgesetzte Klimaziele zu rechtlich einklagbaren Standards werden. In der Folge ist mit mehr Verfahren gegen Unternehmen zu rechnen – von Greenwashing- und Offenlegungsthemen (etwa auch prospekt- und verbraucherschutzrechtlich) bis hin zu planungs- und genehmigungsrechtlichen Angriffen auf Projekte.

Das korrespondiert mit jüngeren Entwicklungen in Deutschland: In unserem Beitrag zum Verfahren Lliuya/RWE vor dem OLG Hamm zeigen wir, wie Zivilgerichte Klimahaftung dogmatisch schärfen und justiziabel machen (zum Blogbeitrag).

Auch über das RWE-Verfahren hinaus zeichnen sich internationale Tendenzen zur rechtlichen Klimaverantwortung ab: So hat das Berufungsgericht in Den Haag im November 2024 das spektakuläre erstinstanzliche Urteil gegen Shell aufgehoben und damit einen unmittelbaren Anspruch auf weitreichende Emissionsreduktionen verneint. Zugleich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im April 2024 im Fall KlimaSeniorinnen Schweiz eine Verletzung der EMRK durch unzureichenden Klimaschutz festgestellt – und damit die menschenrechtliche Dimension staatlicher Klimapflichten betont. Beide Entscheidungen verdeutlichen, dass die Gerichte zwar unterschiedlich akzentuieren, insgesamt aber ein klarer Trend zu verstärkter gerichtlicher Kontrolle des Klimaverhaltens von Staaten und Unternehmen erkennbar ist.

Hinzu kommt: Investoren, Aufsichtsbehörden und NGOs fordern zunehmend belastbare, konsistente und transparente Klimaberichterstattung. ESG- und Klimaversprechen geraten dadurch unter schärfere Beobachtung – sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf Reputations- und Marktrisiken. Unternehmen, die ihre Governance- und Risikomanagementsysteme frühzeitig anpassen, können nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern sich auch strategische Vorteile sichern. Zudem kann proaktives Handeln den Zugang zu Klimafinanzierung, grünen Anleihen (Green Bonds) und ESG-orientierten Investoren erleichtern – und so neue Spielräume für nachhaltiges Wachstum eröffnen.

Fazit: Nicht bindend, aber rechtlich maßgeblich – und wirtschaftlich relevant

Das Gutachten ist ein Meilenstein des Klimarechts: Es ist zwar nicht rechtlich bindend, entfaltet aber erhebliche Orientierungswirkung und legt justiziable Maßstäbe an Staaten an – mit spürbaren betriebswirtschaftlichen Implikationen.

Für Unternehmen bedeutet dies: Klimaverantwortung entwickelt sich rasch zu einem festen Bestandteil eines verbindlichen Rechtsrahmens. Wer frühzeitig belastbare Governance-Strukturen, wirksames Klimarisikomanagement und transparente Berichterstattung etabliert, kann Haftungs- und Reputationsrisiken minimieren und zugleich strategische Vorteile sichern. Der internationale Druck, Klimarisiken wirksam zu steuern, wächst – und vorausschauendes Handeln wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Wer jetzt handelt, gestaltet nicht nur den eigenen Klimapfad – sondern setzt auch Standards für die Märkte von morgen.

Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zur Dekarbonisierung der Industrie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. 

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Der Beitrag IGH-Gutachten zu Klimapflichten: Historisches Signal für Staaten erschien zuerst auf CMS Blog.

Dentons 2025 Internship Programme Empowers Five Future Attorneys

Dentons News - Mo, 01.09.2025 - 01:00

Caribbean: Dentons has successfully concluded its 2025 Legal Internship Programme, which spanned from June 16 to August 8 and engaged five dynamic legal interns across its Barbados and Guyana offices.

Many UK businesses still unprepared for new fraud offence Dentons launches toolkit to help

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The UK’s new Failure to Prevent Fraud offence comes into force today, but many businesses remain underprepared to comply with their legal obligations, according to global law firm Dentons. Discussions with industry and informal research conducted by Dentons from February through to June 2025 showed companies have been slow to take the necessary steps to get ready for FTP compliance.

Hong Kong Court clarifies when “psychiatric trauma” could constitute a “work place injury” within the scope of Workers' Compensation Regime

Dentons Insights - Mo, 01.09.2025 - 01:00

Hong Kong: In a recent judgment handed down on 13 August 2025, the Hong Kong District Court considered six employees' compensation claims brought by a secondary-school teacher (Mr Chan) against his employer and revisited the issue of whether psychiatric trauma, caused by words spoken between an employer and an employee, could be considered a "personal injury by accident" under section 5(1) of the Employees' Compensation Ordinance (Cap. 282) (ECO).