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BVerfG, 16.01.1963 - 1 BvR 316/60

Daten
Fall: 
Universitäre Selbstverwaltung
Fundstellen: 
BVerfGE 15, 256; BB 1963, 1121; DÖV 1965, 273; DVBl 1963, 437; NJW 1963, 899
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
16.01.1963
Aktenzeichen: 
1 BvR 316/60
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Instanzen: 
  • VGH Hessen, 19.02.1960 - OS I 115/56

1. Die Verfassungsbeschwerde kann nach § 90 Abs. 1 BVerfGG von jedermann erhoben werden, auch von nichtrechtsfähigen Gebilden (vergleiche BVerfGE 3, 382 [391 f.]) soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundrechtes oder eines ihm gleichgestellten Rechtes schlüssig zu behaupten vermag.
Einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht Gehör zu verschaffen (vergleiche BVerfGE 5, 9 [10]).
2. Zur Frage der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
3. Wer es versäumt, seine Beiladung zum Verwaltungsstreitverfahren zu beantragen, kann die Unterlassung der amtswegigen Beiladung nicht als Versagung des rechtlichen Gehörs geltend machen.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 16. Januar 1963 nach § 24 BVerfGG
- 1 BvR 316/60 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. der Justus Liebig-Universität in Gießen, ... 2. der medizinischen Fakultät der Justus Liebig-Universität in Gießen, ..., gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes -I. Senat - in Kassel vom 19. Februar 1960 - OS I 115/56 - u.a.
Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

A.

I.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat das Land Hessen verurteilt, Prof. Dr. W. zum außerordentlichen Professor an der Justus Liebig-Universität in Gießen zu ernennen. Die Universität und ihre medizinische Fakultät sehen in dieser mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidung und ihre beabsichtigten Vollziehung einen Eingriff in ihre durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Rechte.

1. Die Universität in Gießen ist aus der Justus-Liebig-Hochschule hervorgegangen. Diese wurde durch das Hessische Gesetz vom 11. September 1950 (GVBl. S. 167) - Hochschulgesetz - als eine wissenschaftliche Hochschule errichtet. Sie war "eine Einrichtung des Landes" und verwaltete durch ihre Organe ihre Angelegenheiten selbst, soweit sie Forschung, Lehre und Erziehung betrafen (akademische Selbstverwaltung). Außer einer landwirtschaftlichen, einer veterinärmedizinischen und einer naturwissenschaftlichen Fakultät besaß sie eine Akademie für medizinische Forschung und Fortbildung - medizinische Akademie - und eine allgemeine Abteilung. Organe der akademischen Selbstverwaltung waren Rektor und Senat, die Fakultäten und der Rat der Akademie.

Durch Änderungsgesetz vom 2. Juli 1957 (GVBl. S. 89) ist die Hochschule in eine Universität mit dem Namen "Justus Liebig- Universität" umgewandelt worden. Nach dem in der Fassung vom gleichen Tage neu bekanntgemachten Gesetz (GVBl. S. 90) - Universitätsgesetz - ist die Universität ebenfalls eine Einrichtung des Landes, der die akademische Selbstverwaltung zusteht. Sie besitzt vier Fakultäten, darunter die medizinische Fakultät, die an die Stelle der bisherigen medizinischen Akademie getreten ist. Organe der akademischen Selbstverwaltung sind Rektor und Senat sowie die Fakultäten.

2. Prof. Dr. W. hat sich 1939 an der medizinischen Fakultät der Universität in Leipzig habilitiert. In den Jahren 1941 bis 1945 war er an der Reichsanstalt für Vitaminforschung und Vitaminprüfung tätig, seit 1942 als Abteilungsleiter und Professor. Er leitete dort die medizinische, die poliklinische und die biologische Abteilung der Anstalt. Ende 1950 beantragte der Senat auf Vorschlag der medizinischen Akademie einstimmig, Prof. Dr. W. einen Lehrauftrag auf dem Gebiete der Vitaminforschung zu erteilen. Auf einstimmigen Vorschlag des Senatsausschusses der Hochschule und des Rates der Akademie ernannte ferner der Hessische Minister für Erziehung und Volksbildung - Kultusminister - Prof. Dr. W., der in dem Auftrag als "der denkbar beste Fachmann ... für ernährungswissenschaftliche Fragen" bezeichnet wurde, mit Wirkung vom 1. April 1951 zum kommissarischen Direktor des Instituts für Ernährungswissenschaften. Dieses Institut hatte der Kultusminister im Februar 1951 an der medizinischen Akademie errichtet.

3. Ohne daß ein ausdrücklicher Berufungsvorschlag der Hochschule vorlag, beantragte der Kultusminister am 23. August 1951 bei der Hessischen Landesregierung, Prof. Dr. W. zum außerordentlichen Professor unter gleichzeitiger Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu ernennen und ihn auf den außerordentlichen Lehrstuhl für Ernährungswissenschaften zu berufen. In dem Antrag wies der Kultusminister in Übereinstimmung mit der früheren Beurteilung durch die Hochschule darauf hin, Prof. Dr. W. sei "eine Persönlichkeit ..., die in der Bundesrepublik ganz besonders - wenn nicht sogar einzigartig - für die Aufgaben" der Hochschule geeignet sei. Er habe "wissenschaftliche Arbeiten besonders über das Gebiet der Avitaminosen veröffentlicht, die weit über die Grenzen Deutschlands hinaus internationalen Widerhall gefunden" und ihn "an die Spitze der deutschen Ernährungswissenschaftler gestellt" hätten.

Am 5. Dezember 1951 beschloß die Hessische Landesregierung die beantragte Ernennung und Berufung. Nach der Unterzeichnung der Ernennungsurkunde durch den Hessischen Ministerpräsidenten teilte der Kultusminister am 13. Februar 1952 Prof. Dr. W. den Kabinettsbeschluß mit und bat ihn zu einer Rücksprache. Diese fand am 20. Februar 1952 im Ministerium statt; dabei wurde unter Vorbehalt der Genehmigung des Ministers eine Berufungsvereinbarung geschlossen. Dieser genehmigte aber weder die Berufungsvereinbarung noch händigte er Prof. Dr. W. die Ernennungsurkunde aus.

Im November 1952 reichte die Hochschule einen Vorschlag zur Besetzung des Lehrstuhles für Ernährungswissenschaften ein, der Prof. Dr. W. wegen inzwischen gegen ihn erhobener Bedenken nicht berücksichtigte. Diese Bedenken veranlaßten den Kultusminister am 1. Dezember 1953, die Aufhebung des Kabinettsbeschlusses über die Ernennung Prof. Dr. W.s zu beantragen. Die Landesregierung hob daraufhin am 22. Dezember 1953 diesen Beschluß auf. Mit dem Schluß des Sommersemesters 1954 zog der Kultusminister "dem Wunsche der Akademie ... nach einer anderen Besetzung des mit dem Ernährungswissenschaftlichen Institut verbundenen Lehrstuhls entsprechend" den Prof. Dr. W. erteilten kommissarischen Auftrag zurück.

4. Auf die im Herbst 1954 erhobene Klage Prof. Dr. W.s gegen das Land Hessen verpflichtete der Hessische Verwaltungsgerichtshof in der Berufungsinstanz durch Urteil vom 19. Februar 1960 das Land Hessen, dem Kläger eine Urkunde über seine Ernennung zum außerordentlichen Professor - unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit - auf einen außerordentlichen Lehrstuhl für Ernährungswissenschaften an der Justus Liebig-Universität in Gießen auszuhändigen. Prof. Dr. W. sei diese Ernennung von dem Land Hessen verbindlich durch rechtsgültigen Verwaltungsakt des Kultusministers zugesichert worden.

5. Am 9. Juni 1960 erörterte die Hochschulreferentin des Kultusministers mit dem Rektor der Universität den Ausgang des Verwaltungsstreitverfahrens und die Notwendigkeit, dem Urteil Rechnung zu tragen. In einem über den Rektor an den Dekan der medizinischen Fakultät gerichteten Schreiben vom 15. Juni 1960 kündigte der Kultusminister an, in welcher Weise er dem Urteil zu entsprechen beabsichtige, und bat um Vorschläge im einzelnen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde vom 22. Juni 1960 richtet sich gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Februar 1960, die mündliche Mitteilung der Hochschulreferentin an den Rektor vom 9. Juni 1960 und das Schreiben des Ministers an den Dekan vom 15. Juni 1960.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Art. 5 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG. Zur Begründung tragen sie vor:

1. Die Universität sei parteifähig, weil sie nach allgemeinem deutschem Hochschulrecht Rechtsfähigkeit besitze. Das Universitätsgesetz bezeichne die Universität zwar als "Einrichtung des Landes", setze aber ihre Rechtsfähigkeit voraus. Dieselbe Legitimation müsse auch der Fakultät als einer Gliedkörperschaft der Universität zuerkannt werden. Die Beschwerdeführer seien auch prozeßfähig. Das von ihnen geltend gemachte Vorschlagsrecht gehöre zur akademischen Selbstverwaltung. Von dem angefochtenen Urteil habe die Universität durch den Vortrag des Universitätsrates vor dem Gesamtsenat am 15. Juni 1960, die Fakultät wenige Tage vorher Kenntnis erhalten.

2. Die angefochtenen Hoheitsakte verletzten das den Beschwerdeführern durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht auf Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre, weil Prof. Dr. W. von ihnen nicht für die Berufung auf einen Lehrstuhl vorgeschlagen worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, welchen Inhalt dieses Recht im einzelnen habe; mindestens sei es in dem Sinne zu verstehen, daß niemand einen Lehrstuhl erhalten könne, der nicht von der Universität vorgeschlagen sei.

Das angefochtene Urteil verletze auch Art. 103 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführer hätten zu dem Verfahren beigeladen werden müssen, da durch die Berufung Prof. Dr. W.s auf einen Lehrstuhl der Universität kraft der damit verbundenen Einweisung in die Korporation ihre rechtlichen Interessen berührt würden.

III.

Der Hessische Ministerpräsident hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.

1. Die Beschwerdeführer seien nicht parteifähig, da weder die Universität noch die Fakultät juristische Personen seien oder als nichtrechtsfähige Institutionen Träger von Grundrechten sein könnten. Die Universität sei kraft Gesetzes eine Einrichtung des Landes Hessen und besitze somit keine rechtliche Selbständigkeit. Aus dem Hochschulrecht, das Landesrecht sei, könne nichts anderes gefolgert werden. Weder aus Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Verfassung noch aus Art. 5 Abs. 3 GG ergebe sich, daß eine Universität rechtsfähig sein müsse. Der Fakultät komme auf jeden Fall nur die Bedeutung einer nichtrechtsfähigen Behörde zu. Den Beschwerdeführern fehle auch die Prozeßfähigkeit. Sie seien schließlich von dem angefochtenen Urteil nicht betroffen; die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung erstrecke sich nicht auf sie.

2. Art. 5 Abs. 3 GG gewähre den Universitäten kein Grundrecht, sondern enthalte höchstens eine institutionelle Garantie, deren Verletzung nicht mit einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden könne. Selbst die Anerkennung eines "Grundrechts der Universität" würde noch nichts über seinen Inhalt aussagen. Ein von ihm umfaßtes Mitwirkungsrecht bei der Besetzung der Lehrstühle würde nur als abstrakte Institution gesichert sein; das Landesrecht könne die Mitwirkung im einzelnen regeln. Im übrigen sei Prof. Dr. W. nicht gegen den Willen der Beschwerdeführer berufen worden.

Auch Art. 103 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Eine Beiladung der Beschwerdeführer sei nicht zulässig gewesen; sie hätten ihre Beiladung auch nicht beantragt, so daß sie sich jetzt nicht darauf berufen könnten, an dem Verfahren nicht beteiligt gewesen zu sein.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen das angefochtene Urteil richtet.

1. Für die Frage, ob die Beschwerdeführer für die erhobene Verfassungsbeschwerde parteifähig sind, kann es dahingestellt bleiben, ob sie den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder sonst allgemeine Rechtsfähigkeit besitzen. Die Verfassungsbeschwerde dient dem Schutz der Grundrechte. Sie kann nach § 90 Abs. 1 BVerfGG von jedermann erhoben werden, auch von nichtrechtsfähigen Gebilden (BVerfGE 3, 383 [391 f.]), soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundrechtes oder eines ihm gleichgestellten Rechtes schlüssig zu behaupten vermag.

Die Legitimation der Beschwerdeführer folgt hier schon daraus, daß sie schlüssig vorgetragen haben, sie seien in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

Dem steht nicht entgegen, daß die Universität - und damit auch die Fakultät - als Einrichtung des Landes Hessen Teil des staatlichen Gefüges ist. In der Regel können zwar weder der Staat noch seine Einrichtungen Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte in Anspruch nehmen, insofern sie nicht gleichzeitig Träger und Adressat von Grundrechten sein können. Dieser Grundsatz gilt jedoch dann nicht, wenn Einrichtungen des Staates Grundrechte in einem Bereich verteidigen, in dem sie vom Staat unabhängig sind. Das ist insbesondere bei den deutschen Universitäten der Fall, die zwar in der Regel vom Staat gegründet sind und auch von ihm unterhalten werden, aber in Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind. Deshalb muß auch den Universitäten wie den Fakultäten ohne Rücksicht auf ihre allgemeine oder besondere Rechtsfähigkeit die Möglichkeit gegeben sein, dieses von ihnen beanspruchte Grundrecht im Verfahren der Verfassungsbeschwerde geltend zu machen.

Dem entspricht übrigens auch das Universitätsgesetz, nach dem - wie schon im Hochschulgesetz - nur die nicht zur akademischen Selbstverwaltung gehörenden Angelegenheiten der Universität vom Staat verwaltet werden. Die Bestimmung des Gesetzes, daß die Justus Liebig-Universität eine Einrichtung des Landes ist, schafft deshalb keine Organisationsform, durch die ihr die Freiheit von Forschung und Lehre genommen werden soll: insoweit genießt die Universität akademische Selbstverwaltung. Hier wird sie nicht durch Organe der allgemeinen Verwaltung, sondern durch eigene Organe der akademischen Selbstverwaltung vertreten, zu denen für ihren Bereich auch die Fakultäten gehören.

2. Die Beschwerdeführer sind auch von dem angefochtenen Urteil betroffen, obwohl sie nicht am Ausgangsverfahren beteiligt waren.

Die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil setzt voraus, daß der Beschwerdeführer durch dieses Urteil nicht nur mittelbar, faktisch, sondern unmittelbar, rechtlich betroffen wird (BVerfGE 4, 96 [101]; BVerfG, Beschluß vom 19. Februar 1963 - 1 BvR 371/60). Das angefochtene Urteil verpflichtet das Land Hessen, Prof. Dr. W. eine Urkunde über seine Ernennung und Berufung zum außerordentlichen Professor auf einen Lehrstuhl der Universität auszuhändigen. Dieser Verpflichtung muß das Land entsprechen. Hierdurch würde Prof. Dr. W. nicht nur Landesbeamter, sondern zugleich Mitglied der Universität als Korporation und damit auch der Fakultät werden, ohne daß es insoweit noch eines besonderen rechtsbegründenden Aufnahmeaktes seitens dieser Institutionen bedürfte.

3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch rechtzeitig erhoben, da die Beschwerdeführer unwiderlegt behaupten, Kenntnis von dem angefochtenen Urteil erst im Juni 1960 erlangt zu haben.

II.

Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.

Weder die mündlichen Mitteilungen der Hochschulreferentin an den Rektor der Universität vom 9. Juni 1960 noch das Schreiben des Kultusministers an den Dekan der medizinischen Fakultät vom 15. Juni 1960 stellen Hoheitsakte dar, die mit einer Verfassungsbeschwerde angefochten werden können. Sie enthalten keine auf einen rechtlichen Erfolg abzielenden Anordnungen, sondern lediglich die Ankündigung der zur Vollziehung der ergangenen Entscheidung in Aussicht genommenen Maßnahmen.

C.

Die Verfassungsbeschwerde gegen das angefochtene Urteil ist offensichtlich unbegründet.

I.

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährt, wie sich aus Wortlaut und Sinn ergibt, zunächst jedem Einzelnen, der in Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig werden will oder ist, ein Grundrecht auf freie wissenschaftliche Betätigung. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift sich auch auf die Universitäten als solche bezieht und damit auch auf die Fakultäten, ob sie diese nur in ihrer historisch überkommenen Gestalt durch Gewährung einer institutionellen Garantie schützt oder ob sie ein selbständiges Grundrecht der Universitäten und Fakultäten auf Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre enthält.

1. Auch wenn ein Grundrecht der Universitäten und der Fakultäten auf Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre bestehen sollte, könnte dem Wortlaut, dem Sinne, der Entstehungsgeschichte und der Stellung dieser Vorschrift im Grundgesetz nicht ohne weiteres entnommen werden, daß Art. 5 Abs. 3 GG von Bundes wegen das Maximum dessen hätte garantieren wollen, was vom Idealbild einer Universität her gesehen erwünscht wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, daß durch Art. 5 Abs. 3 GG auf einem den Ländern nach dem Grundgesetz überlassenen Gebiete nicht mehr als dasjenige geschützt werden sollte, was sich im Laufe der geschichtlichen Entwicklung in den einzelnen Ländern als unerläßlich für eine freie Betätigung der Universitäten in Wissenschaft, Forschung und Lehre herausgebildet hatte.

Die grundrechtliche Position kann deshalb nicht darin bestehen, wie übrigens auch die Universität in Gießen und ihre medizinische Fakultät nicht in Abrede stellen, daß sie vor der Einsetzung eines akademischen Lehrers und Forschers durch die beamtenrechtliche Ernennung seitens der Landesregierung überhaupt geschützt seien. Ein unbeschränktes Recht der akademischen Selbstverwaltung - also ein reines Kooptationsrecht - hat den deutschen Universitäten auch insoweit niemals zugestanden; vielmehr zeigt die geschichtliche Entwicklung des Universitätsrechts, daß bei dieser Seite der Forschungs- und Lehrfreiheit der Universitäten in neuerer Zeit alles nur auf ein Zusammenwirken mit den staatlichen Hochschulverwaltungen angelegt ist. Bei der Besetzung von Lehrstühlen sind das Vorschlagsrecht der Fakultäten und das staatliche Berufungsrecht miteinander verbunden. Im deutschen Hochschulrecht wie auch in den Verfassungen einiger deutscher Länder (vgl. Art. 20 Abs. 2 und 3 der Verfassung von Baden-Württemberg; Art. 60 Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen; Art. 16 Abs. 1 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen) bleibt jedoch offen, inwieweit diese Vorschläge verbindlich sind (vgl. Werner Weber, Die Rechtsstellung des deutschen Hochschullehrers, Göttingen 1952, S. 55 f.). Der entscheidende Grundgedanke ist dabei, "daß zwei Willensfaktoren bei einem Akt beteiligt sind, um in wechselseitiger Korrektur dessen größtmögliche Sachrichtigkeit zu erzielen" (Günther Holstein, Hochschule und Staat, Sonderdruck aus "Das akademische Deutschland", Band III, Berlin 1930, S. 13). Daß das Grundgesetz hieran etwas hat ändern wollen, ist schon im objektiven Interesse der Forschung und Lehre selbst, aber auch der unverändert fortbestehenden Verantwortung des Staates für die Förderung der Wissenschaften, die Erziehung und auf dem Gebiet der Finanzen nicht anzunehmen. Jedenfalls sind Anhaltspunkte für das Gegenteil nicht vorhanden.

2. Selbst bei der weitesten hiernach möglichen Auslegung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist diese Vorschrift hier nicht verletzt, weil weder die Justus Liebig-Universität noch die medizinische Fakultät durch die Ernennung des Prof. Dr. W. in ihrer Forschung und Lehre beeinträchtigt sind.

Die Justus-Liebig-Hochschule ist im Jahre 1957 aus einer wissenschaftlichen Hochschule in eine Universität umgewandelt worden. Die Vorgänge im vorliegenden Streitfall haben sich im Jahre 1951 ereignet, also noch zur Zeit der Hochschule. Die Verhältnisse können daher nur von der damaligen Rechtslage aus beurteilt werden. Die heutige medizinische Fakultät und die Universität in Gießen können aus ihrer "Umwandlung" keine stärkere Rechtsstellung herleiten, als sie sie gehabt hätten, wenn gegenüber Prof. Dr. W. nach der ihm gegebenen und vom Verwaltungsgerichtshof als bindend angesehenen Zusicherung verfahren worden wäre; auch dann wäre Prof. Dr. W. Mitglied der Universität und damit auch der Fakultät.

Im Jahre 1951 bestand lediglich eine medizinische Akademie. Ihr Aufgabenbereich war nicht der gleiche wie der der an der Hochschule errichteten Fakultäten. Nur ihnen war die herkömmliche Aufgabe zugewiesen, "wissenschaftliche Forschung und Lehre auf ihren Fachgebieten" zu betreiben. Diese umfassende Aufgabe fehlte der Akademie; sie war vornehmlich gegründet worden, um die medizinisch-wissenschaftlichen Einrichtungen, insbesondere die Kliniken zu erhalten. Nach ihrem Namen besaß sie zwar das Recht der Forschung und im Zusammenhang damit auch das Recht der Promotion und Habilitation, wenn ihr dieses auch erst nach längeren Verhandlungen mit der Amerikanischen Landesmilitärregierung zugestanden worden war. Das Recht der Lehre besaß die Akademie aber nur begrenzt; statt dessen hatte sie die besondere Aufgabe, der Fortbildung der Ärzte und der Pflege der Volksgesundheit zu dienen. Darauf beruht es, daß sie keinen Fakultätscharakter erhielt. Das folgt eindeutig auch aus der Begründung zu der Vorlage des Hochschulgesetzes. Hier heißt es u.a.:

"Die Akademie soll nicht Fakultät sein. Sie wird sich von den Medizinischen Fakultäten der Universitäten besonders auch dadurch unterscheiden, daß sie nur Studierende der klinischen Semester aufnimmt und zur Ärztlichen Hauptprüfung führt. ...

Die Akademie wird außerdem der Fach- und Fortbildung der Ärzte, besonders auch der Jungärzte, dienen und sich den Fragen der Volkshygiene widmen. Zur Fortbildung der Ärzte sollen auch die Ärzteorganisationen herangezogen werden.

Die Beschränkung des Arbeitsgebietes der Akademie entspricht dem ausdrücklichen Verlangen der früheren Landesmilitärregierung. Diese bestand auch auf einer Beschränkung der Zahl der Studierenden und führte dazu in einem Schreiben vom 11. August 1948 aus:

'... Um es zu wiederholen: Die Akademie ist nicht eine Medizinische Fakultät und es wird nichts geduldet werden, was ihr die Eigenschaft einer Fakultät gibt.'" (Hessischer Landtag, I. Wahlperiode Drucksache Abteilung 1 Nr. 1531 S. 2141.)

An der medizinischen Akademie und nicht an einer der drei Fakultäten hat das Land Hessen im Jahre 1951 ein Institut und einen Lehrstuhl für Ernährungswissenschaften errichtet. Bei Berufungen an die medizinische Akademie kann auf Grund dieser ihrer organisatorischen Gestaltung nicht das gleiche gelten wie im traditionellen Universitätsrecht; vielmehr ist zu fragen, wieweit eine so gestaltete Akademie gegen staatliche Ernennung ohne ausdrücklichen Vorschlag geschützt war.

Bei der Berufung des Prof. Dr. W. ist die hessische Hochschulverwaltung nicht ohne Mitwirkung der medizinischen Akademie tätig geworden. Eine bestimmte Form der Mitwirkung bei einer Berufung hat das Hochschulgesetz nicht vorgesehen. Ein Statut, in dem diese Frage geregelt sein könnte, ist nicht ergangen. Die Landesregierung konnte daher aus dem Verhalten der Akademie und der Hochschule entnehmen, daß sie die Berufung Prof. Dr. W.s billige. Aus dem am 20. Dezember 1950 mit einmütiger Zustimmung des Senats gestellten Antrag, Prof. Dr. W. einen Lehrauftrag zu erteilen, aus dem einstimmig angenommenen Vorschlag vom 3. März 1951, ihn zum kommissarischen Direktor des Instituts für Ernährungswissenschaften zu ernennen und insbesondere aus dem bei dieser Gelegenheit über seine fachliche Qualifikation abgegebenen Urteil durfte die Landesregierung schließen, daß die Akademie mit der Besetzung des offensichtlich bereits im Hinblick auf seine Person geschaffenen Lehrstuhles durch Prof. Dr. W. einverstanden war.

Aus diesen Gründen verletzt das angefochtene Urteil, das im übrigen in diesem Verfahren nicht nachzuprüfen ist, nicht ein sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG etwa ergebendes Vorschlagsrecht der Beschwerdeführer.

II.

Einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht Gehör zu verschaffen (BVerfGE 5, 9 [10]).

Da die Beschwerdeführer eine Beiladung zu dem Verwaltungsstreitverfahren des Prof. Dr. W. gegen das Land Hessen nicht beantragt haben, obwohl sie ausweislich der Akten schon im ersten Rechtszug von dem Verfahren Kenntnis hatten, können sie sich schon aus diesem Grunde nicht darauf berufen, daß ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist, weil sie zu dem Verfahren nicht von Amts wegen beigeladen worden sind.