BVerfG, 24.07.1963 - 1 BvL 30/57; 1 BvL 11/61
1. Art. 3 Abs. 2 GG gebietet, die Arbeit der Frau als Mutter, Hausfrau und Mithelfende mit ihrem tatsächlichen Wert als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen; dieses Gebot war vom Tage nach der Verkündung des Grundgesetzes an für den Gesetzgeber verbindlich.
2. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist bei bevorzugender Typisierung weiter als bei benachteiligender Typisierung.
3. Die erschwerende Voraussetzung der Witwerrente gegenüber der Witwenrente in § 43 n.F. AVG (überwiegendes Bestreiten des Unterhalts der Familie durch die verstorbene Ehefrau) ist mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG vereinbar.
4. Die erschwerende Voraussetzung der Waisenrente und des Kinderzuschusses in § 44 Abs. 2 n.F. AVG und § 1262 Abs. 5 n.F. RVO allein für die Kinder von Ehefrauen (überwiegende Unterhaltsleistung der Mutter) ist mit Art. 3 Abs. 2 und 3 und mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar.
Urteil
des Ersten Senats vom 24. Juli 1963 auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 1963
- 1 BvL 30/57, 11/61 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung: a) der §§ 43 Absatz 1 und 44 Absatz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Fassung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 88) - Vorlage der 12. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf vom 8. März 1961 - S 12 An 302/60 - (1 BvL 11/61) - und b) des § 1262 Absatz 5 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 45) - Vorlage der 8. Kammer des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Oktober 1957 - S 8 J - 168/57 - (1 BvL 30/57).
Entscheidungsformel:
1. § 43 Absatz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Angestelltenversicherungs- Neuregelungsgesetz - AnVNG) vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88) ist mit dem Grundgesetz vereinbar;
2. § 44 Absatz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Angestelltenversicherungs- Neuregelungsgesetz - AnVNG) vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88) ist nichtig;
3. § 1262 Absatz 5 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter (Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz - ArVNG) vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 45) ist nichtig.
Gründe
A.
In der Sozialversicherung der Angestellten wie der Arbeiter erhält nach dem Tode des versicherten Ehemannes die Witwe ohne weiteres Witwenrente. Hingegen ist nach dem Tode der versicherten Ehefrau der Anspruch des Mannes auf Witwerrente von den früheren beiderseitigen Unterhaltsleistungen abhängig; hierüber bestimmt § 43 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz - AnVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 88) - im folgenden: AVG n.F.:
Witwerrente erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.
Waisenrente erhalten nach dem Tode eines Versicherten gemäß § 44 Abs. 1 AVG n.F. seine Kinder, und zwar regelmäßig bis zum achtzehnten Lebensjahr, unter Umständen auch länger; das gilt für eheliche und uneheliche Kinder versicherter Väter und ebenso für Kinder verwitweter, geschiedener und unehelicher Mütter. Nur für Kinder versicherter Ehefrauen gilt die Sonderregelung des
§ 44 Abs. 2 AVG n.F.:
Waisenrente erhalten nach dem Tode einer versicherten Ehefrau ihre Kinder, die eheliche Kinder des hinterbliebenen Ehemannes sind oder deren rechtliche Stellung haben, sowie ihre in ihrem Haushalt aufgenommenen Stiefkinder und die Pflegekinder nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt der Kinder überwiegend bestritten hat.
Ähnlich wie die Voraussetzungen der Waisenrente sind die des Kinderzuschusses geregelt. Um den Kinderzuschuß erhöhen sich nach § 1262 Abs. 1 ArVNG (im folgenden: RVO n.F.) die Renten wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit und das Altersruhegeld für die Kinder aller Versicherten, wiederum mit Ausnahme der versicherten Ehefrauen. Für sie bestimmt § 1262 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter (Arbeiterrenten versicherungs-Neuregelungsgesetz - ArVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 45) - im folgenden: RVO n.F.:
Die Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit und das Altersruhegeld einer versicherten Ehefrau werden für ihre Kinder, die eheliche Kinder des Ehemannes sind oder deren rechtliche Stellung haben, sowie für ihre in ihrem Haushalt aufgenommenen Stiefkinder und die Pflegekinder um den Kinderzuschuß nur erhöht, wenn die Versicherte vor Eintritt des Versicherungsfalles den Unterhalt der Kinder überwiegend bestritten hat.
B.
I.
Verfahren 1 BvL 11/61: Im Ausgangsverfahren klagen der Ehemann und die im Todesjahr der Mutter geborene Tochter einer Versicherten auf Hinterbliebenenrente aus der Angestelltenversicherung. Die Bundesversicherungsanstalt hat den Antrag auf Gewährung der Rente abgelehnt, weil die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie zur Zeit ihres Todes unstreitig nicht überwiegend bestritten habe und somit diese in §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 2 AVG n.F. aufgestellte Voraussetzung der Rentengewährung nicht erfüllt sei.
Das Sozialgericht hat das Verfahren über die Klage der Hinterbliebenen ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,
ob § 43 Abs. 1 und § 44 Abs. 2 AVG n.F. mit Art. 3 GG vereinbar sind.
Nach Auffassung des Sozialgerichts verstoßen die genannten Vorschriften gegen Art. 3 Abs. 2 GG, weil Männer und Frauen die gleichen Beiträge leisten und dem Mann und den Kindern durch den Tod der Ehefrau und Mutter in vielen Fällen der gleiche wirtschaftliche Verlust entstehe, wie ihn die Frau und die Kinder durch den Tod des Ehemannes und Vaters erleiden.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens haben sich der Ansicht des vorlegenden Gerichts mit zusätzlichen Gründen angeschlossen.
II.
Verfahren 1 BvL 30/57: Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die seit 1949 nahezu blind ist, war in der Rentenversicherung der Arbeiter versichert. Aus ihrer Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, eines vor, zwei nach Eintritt des Versicherungsfalles. Die Landesversicherungsanstalt bewilligte ihr zwar die Invalidenrente, lehnte aber die Gewährung des Kinderzuschusses - damals nur für das erste Kind - ab. Der im September 1956 nunmehr für alle drei Kinder gestellte Antrag auf Kinderzuschuß wurde von der Landesversicherungsanstalt gleichfalls zurückgewiesen, weil sich die Invalidenrente einer versicherten Ehefrau nach § 1262 Abs. 5 RVO n.F. nur dann um den Kinderzuschuß erhöhe, wenn die Versicherte vor Eintritt des Versicherungsfalles den Unterhalt der ehelichen Kinder überwiegend bestritten habe. Das habe sie ihrem ersten Kind gegenüber nach ihrer eigenen früheren Erklärung nicht getan; die beiden andern Kinder seien erst nach Eintritt des Versicherungsfalles geboren.
Auch das Sozialgericht Oldenburg hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,
ob § 1262 Abs. 5 RVO n.F. mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar ist.
Die Bestimmung lasse sich insbesondere nicht damit rechtfertigen, daß nach der Lebenserfahrung die Vermutung bestehe, der Vater - nicht die Mutter - habe vor Eintritt des Versicherungsfalles den Unterhalt der Kinder bestritten.
III.
Die Bundesregierung hat sich in beiden Fällen durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung geäußert. Er hält die zur Prüfung vorgelegten Bestimmungen für vereinbar mit dem Grundgesetz. Die Differenzierung der Leistungen sei in der Sozialversicherung nicht schon deswegen unzulässig, weil die Beitragssätze für Mann und Frau gleich seien; die Leistungen würden nicht ausschließlich aus den Beiträgen bestritten, und die Rentenversicherung diene auch dem sozialen Gedanken.
Kinderzuschuß und Hinterbliebenenrenten sollten an die Stelle des bisherigen Arbeitseinkommens des Versicherten treten. Das Gesetz unterstelle auf Grund der Lebenserfahrung, daß regelmäßig männliche Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend trügen; bei verheirateten weiblichen Versicherten sei eine solche Unterstellung nicht angebracht und deshalb der Nachweis überwiegender Unterhaltsleistung durch die Versicherte - und nicht durch ihren Ehemann - im Einzelfall erforderlich. Das Gesetz knüpfe somit an die aus der typischen Arbeitsteilung der Geschlechter sich ergebende verschiedene Stellung von Mann und Frau in der Familie an und verstoße deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Zwar könne es vorkommen, daß eine versicherte Ehefrau und ihre Kinder auch im Vergleich zu einer verwitweten, geschiedenen oder ledigen Mutter und ihren Kindern benachteiligt werden; dies geschehe jedoch nicht um der Ehe willen und sei nur eine unbeabsichtigte Nebenfolge. Auch eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1 GG sei also nicht erkennbar.
IV.
Das Bundessozialgericht hat sich gemäß § 80 Abs. 4 BVerfGG geäußert.
1. Der Erste Senat hat in seiner Stellungnahme zur Witwer - und Waisenrente auch auf die Ansicht hingewiesen, die der Vierte Senat zu der mit § 43 Abs. 1 AVG n.F. gleichlautenden Bestimmung des § 1266 RVO n.F. vertreten hat. Beide Senate gehen davon aus, daß in der Sozialversicherung neben dem Versicherungsgedanken auch Gesichtspunkte der Fürsorge Bedeutung haben, so daß Differenzierungen nach dem Geschlecht bei den Leistungen nicht schon deshalb unzulässig seien, weil die Beiträge von Männern und Frauen nach gleichen Sätzen erhoben würden.
Im übrigen gehen die Meinungen der beiden Senate auseinander: Der Vierte Senat nimmt - in BSGE 5, 17 zunächst nur im Zusammenhang mit der Witwerrente - an, daß die Hinterbliebenenrenten Lohnersatzfunktion hätten und daß deshalb auch zum "überwiegenden Unterhalt" neben den typischerweise vom Mann zu erbringenden Leistungen aus Erwerbseinkommen nur andere Geld- und Sachleistungen, nicht aber die unmittelbaren Arbeitsleistungen der Hausfrau zu rechnen seien. An diese funktionale Verschiedenheit der Leistungen von Mann und Frau dürfe der Gesetzgeber bei der Regelung der Witwen- und Witwerrente differenzierend anknüpfen. In einer späteren Entscheidung - BSGE 12, 1 - hat der Vierte Senat auch die Erschwerung der Waisenrente nach der ehelichen Mutter, gemessen nur an Art. 3 Abs. 1 GG, noch als tragbar behandelt.
Der Erste Senat erhebt demgegenüber Bedenken, ob die Rente nach der jetzigen Struktur der Rentenversicherung wirklich nur als Ersatz für weggefallenes Arbeitseinkommen angesehen werden könne, nachdem die ursprüngliche Bindung zwischen Arbeitseinkommen und Rente mit der Lockerung und schließlichen Beseitigung der Notwendigkeit, die Anwartschaft zu erhalten, gelöst worden sei. Keinesfalls müsse der Unterhalt im Sinne der §§ 1266 Abs. 1, 1267 Abs. 2 RVO n.F., §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 2 AVG n.F. aus dem Arbeitseinkommen der Verstorbenen überwiegend bestritten worden sein. Sei eine Ehefrau versichert, so werde ihr Beitrag zum Unterhalt der Familie - sogar abgesehen von der Haushaltführung und Sorge für die Kinder - nicht unwesentlich sein. Ob es dann mit Art. 3 Abs 2 GG vereinbar sei, zu verlangen, daß ihr Beitrag nachweislich mindestens 51 v.H. des nicht schon durch die Haushaltführung und Kinderbetreuung gedeckten Bedarfs betrage, erscheine zumindest zweifelhaft.
2. Der Dritte Senat weist zunächst darauf hin, daß sich beim Kinderzuschuß als Vergleichspaar die von § 1262 Abs. 5 RVO n.F. betroffenen versicherten Ehefrauen einerseits, die männlichen Versicherten - eheliche und uneheliche Väter - und die von § 1262 Abs. 5 RVO n.F. nicht erfaßten weiblichen Versicherten - geschiedene Ehefrauen, Witwen, uneheliche Mütter - andererseits gegenüberstehen. Versicherten dieser zweiten Gruppe werde der Kinderzuschuß selbst dann gewährt, wenn feststehe, daß sie zum Unterhalt ihrer Kinder überhaupt nichts beigetragen hätten. Da sich diese Differenzierung allein gegen die verheiratete Frau richte, sei nicht nur ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sondern auch gegen Art. 6 Abs. 1 GG gegeben.
Außerdem sei die getroffene Regelung mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar. Der sogenannte Erfahrungssatz, daß der Vater in aller Regel die Kinder überwiegend unterhalte, erweise sich bei näherer Betrachtung als unhaltbar. Ehefrauen bezögen in zunehmendem Maße Erwerbseinkommen, aus dem sie zum Unterhalt der Kinder beitrügen. Vor allem müsse prinzipiell von dem Unterhaltsbegriff des neuen Familienrechts ausgegangen, also die der Frau obliegende Haushaltführung und Sorge für die Kinder als "Unterhaltsbeitrag" gewertet werden.
Schließlich sei § 1262 Abs. 5 RVO n.F. auch insofern mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, als der versicherten Ehefrau der Kinderzuschuß für die nach Eintritt des Versicherungsfalles geborenen Kinder immer versagt, den übrigen Versicherten immer gewährt werde.
C.
Die Verletzung des Grundgesetzes - Art. 3 Abs. 1, 2, 3 und Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 - wird in beiden zur Entscheidung verbundenen Fällen von den vorlegenden Gerichten darin erblickt, daß nach dem Gesetz Zahlungen für den Ehemann und die Kinder einer versicherten Ehefrau im Vergleich zu Zahlungen an die Ehefrau sowie an die Kinder eines Mannes, einer Witwe, einer geschiedenen Frau oder einer unverheirateten Frau durch die Bedingung "überwiegender" Unterhaltsleistungen erschwert sind. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichheit könnte nur in der Verschiedenheit von Art und Maß der Unterhaltsleistungen von Mann und Frau (oder von Ehefrauen einerseits, allen anderen Frauen andererseits) liegen, falls nämlich infolge dieser Verschiedenheit auch der Bedarf nach einer Sozialrente als Ersatz für die fortgefallene Unterhaltsleistung verschieden wäre. Das trifft - typischerweise - für die wechselseitigen Unterhaltsleistungen der Ehegatten zu; die Differenzierung von Witwen- und Witwerrenten ist deshalb verfassungsrechtlich vertretbar. Hingegen ist die Differenzierung zuungunsten der Kinder von versicherten Ehefrauen bei dem Kinderzuschuß und der Waisenrente mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil der Bedarf nach Ersatz der nebeneinander erbrachten Unterhaltsleistungen der Eltern im wesentlichen gleich ist, mag nun der Unterhaltsbeitrag des Vaters oder der Mutter weggefallen, mag die Mutter verheiratet, verwitwet, geschieden oder unverheiratet gewesen sein.
I.
Der Versuch, die Differenzierung bei den Hinterbliebenenrenten und dem Kinderzuschuß aus der Ungleichartigkeit der Unterhaltsleistungen von Mann und Frau zu rechtfertigen, setzt voraus, daß diese Leistungen der Sozialversicherung nach dem Sinn des Gesetzes Unterhaltsersatz darstellen. Wäre die Sozialversicherung - wie die Privatversicherung - ein rein wirtschaftliches Austauschverhältnis, bei dem mit bestimmten Beiträgen eine bestimmte soziale Sicherheit erkauft wird, dann wäre für eine Differenzierung der Versicherungsleistungen nach dem Geschlecht der Versicherten kein legitimer Grund erkennbar, jede solche Differenzierung also - ohne daß es weiterer Erwägungen bedürfte - mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar. Der Vergleich mit der Privatversicherung läßt aber ein wesentliches Prinzip der Sozialversicherung außer acht.
Die Privatversicherung baut allein auf versicherungstechnischen Berechnungen auf, so daß alle Versicherten in gleichem Maße an der Chance und dem Risiko teilnehmen, mehr oder weniger an Versicherungsleistungen zu beziehen, als sie an Beiträgen gezahlt haben. Die Leistungen der Sozialversicherung knüpfen demgegenüber nicht nur an die Beitragszahlungen, sondern auch an bestimmte persönliche Verhältnisse an, berücksichtigen also "versicherungsfremde", nämlich "soziale" Gesichtspunkte. Der versicherungsmäßige Risikoausgleich wird in der Sozialversicherung mit einem sozialen Ausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft verbunden; ermöglicht wird dies in der Rentenversicherung unter anderem dadurch, daß neben den Beiträgen auch staatliche Zuschüsse zur Verfügung stehen (§ 116 AVG n.F. = § 1389 RVO n.F.). Gerade dieser soziale Ausgleich prägt den Charakter der "Sozial" versicherung (vgl. dazu BVerfGE 9, 124 [133]; 10, 141 [166]; 11, 105 [114] und Beschluß vom 16. Oktober 1962 - 2 BvL 27/60 - in NJW 1963, 199).
Allerdings hat der Gesetzgeber in den Neuregelungsgesetzen bei der Rentengestaltung - mit Ausnahme des Kinderzuschusses den sozialen Ausgleich zwischen höheren und niedrigeren Löhnen und Gehältern fallengelassen; der soziale Ausgleich zwischen Versicherten verschiedenen Familienstandes jedoch ist auch bei den Renten in vollem Umfang aufrechterhalten worden, denn alle Versicherten zahlen gleiche Beiträge, ob sie nun ledig oder verheiratet sind und ob sie Kinder haben oder nicht, so daß die einen die Beitragslast für die Familienversorgung der anderen mittragen. Auch die der Frau eröffnete Möglichkeit, Altersruhegeld schon mit 60 statt mit 65 Jahren zu beziehen, ist nur aus dem Gedanken sozialen Ausgleichs zu verstehen (§ 25 Abs. 3 AVG n.F. = § 1248 Abs. 3 RVO n.F.). Die Sozialversicherung beruht hiernach neben dem versicherungsrechtlichen deutlich auf dem fürsorgerischen Prinzip. Aus diesem Prinzip, speziell aus der Verknüpfung der Versicherungsleistungen für unterhaltsberechtigte Familienangehörige mit den Rentenansprüchen des unterhaltspflichtigen Versicherten selbst, ergibt sich, daß die Hinterbliebenenrenten und die Kinderzuschüsse Unterhaltsersatzcharakter haben. Bei der Bemessung der Hinterbliebenenrenten kommt dieser Charakter dadurch zum Ausdruck, daß sie die Quote darstellen, die dem Hinterbliebenen nach seiner Stellung in der Familie vermutlich aus der Rente des Versicherten zugeflossen wäre. Beim Kinderzuschuß zeigt sich jener Charakter noch eindeutiger, da dieser Zuschuß für alle Versicherten gleich, das heißt allein am typischen Bedarf orientiert ist. Die Sozialversicherung tritt also bei der Gewährung von Hinterbliebenenrenten und Kinderzuschuß ersatzweise für familiäre Unterhaltspflichten ein. Deshalb zwingt die Gleichheit der Versicherungsbeiträge von männlichen und weiblichen Versicherten nicht ohne weiteres zu dem Schluß, daß die Versicherungsleistungen für ihre Familienangehörigen ebenfalls gleich sein müßten; denn rechtliche Differenzierungen nach der verschiedenen Art und Funktion der Leistungen können nicht nur für die Beziehungen der Familienangehörigen untereinander, sondern auch für Leistungen der darreichenden Verwaltung eine Rolle spielen, "soweit der soziale Rechtsstaat in Unterhaltspflichten eines Verstorbenen oder Leistungsunfähigen eintritt". Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Differenzierung mit der Verfassung ist freilich, daß sie der Natur des geregelten Lebensverhältnisses entspricht (vgl. dazu BVerfGE 3, 225 [242] und 6, 55 [77]).
II.
Die Differenzierung der Voraussetzungen für Hinterbliebenenrenten und Kinderzuschuß nach dem Verhältnis der früheren Unterhaltsleistungen der beiden Ehegatten ist auch nicht schon deshalb unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil ein Abwägen der beiderseitigen Leistungen der Idee der ehelichen Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 GG) widerspräche. Gewiß ist es mit dem Begriff der ehelichen Gemeinschaft unvereinbar, die Unterhaltspflichten der Ehegatten nach Art schuldrechtlicher Verpflichtungen aus zweiseitigen Verträgen als Leistung und Gegenleistung zu behandeln. Ehegatten sind einander unterhaltspflichtig und haben eine gemeinsame Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern; diese Unterhaltspflichten stehen selbständig nebeneinander. Sie sind Teil eines Gewebes wechselseitiger, vielfach verschiedenartiger Rechte und Pflichten, die in ihrer Gesamtheit grundsätzlich als gleichwertig zu betrachten sind und sich gegenseitigem rechnerischem Abwägen entziehen. Wird jedoch diese Familiengemeinschaft oder auch nur das natürliche wirtschaftliche Gefüge des Familienhaushalts durch Tod oder Invalidität von Vater oder Mutter beeinträchtigt und tritt die Allgemeinheit helfend ein, so kann Ersatz für solchen Verlust immer nur in wirtschaftlicher Beziehung geleistet werden; dabei kann sie auf die Eigenart des wirtschaftlichen Bedarfs Rücksicht nehmen. Aus der insgesamt gleichwertigen Rolle von Mann und Frau in der Familie aber folgt noch nicht, daß auch die meßbare wirtschaftliche Einbuße der Familie beim Fortfall der Unterhaltsleistungen von Mann oder Frau und damit der Bedarf nach Ersatz typischerweise gleich sein müßten. Wenn die Allgemeinheit es unternimmt, diesem Bedarf zu entsprechen, so kann ihr durch das in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Prinzip der Familieneinheit also nicht verwehrt sein, die Ersatzleistungen dem Bedarf anzupassen, der durch den Fortfall der Unterhaltsleistungen von Mann oder Frau entstanden ist, und zu diesem Zweck auch diese Leistungen in ihrer typischen wirtschaftlichen Bedeutung gegeneinander abzuwägen. Auch Art. 20 Abs. 1 GG steht dem nicht entgegen. Der Sozialstaatlichkeit mag es am besten entsprechen, soziale Ausgleichsleistungen nur dorthin zu lenken, wo im Einzelfall ein Bedarf festgestellt wird. Das Bemühen des Gesetzgebers, wenigstens die typischen Fälle des Bedarfs abzugrenzen, entspricht dieser Tendenz.
III.
Unvereinbar mit Art. 3 Abs. 2 GG ist es jedoch, bei dem Abwägen der Unterhaltsleistungen von Mann und Frau zur Feststellung des Bedarfs nach Ersatz durch Sozialrenten den wirtschaftlichen Wert der Leistungen als Mutter, Hausfrau und Mithelfende unberücksichtigt zu lassen.
1. Der Streit darüber beruht auf dem Wandel des Rechtsbegriffs "Unterhaltsleistungen". Das Sozialversicherungsrecht hat von jeher keinen eigenen Begriff der Unterhaltsleistungen entwickelt, sondern den des Familienrechts vorausgesetzt; das ergab sich mit Selbstverständlichkeit daraus, daß Hinterbliebenenrenten und Kinderzuschuß dazu bestimmt sind, die Einbuße an familiären Unterhaltsleistungen zu ersetzen. Da nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Leistungen der Mutter, Hausfrau und Mithelfenden auch mit ihrem wirtschaftlichen Wert nicht als Unterhaltsleistungen behandelt wurden, verfuhr man im Sozialversicherungsrecht ebenso. Im Familienrecht änderte sich das mit dem 31. März 1953, dem Tag, von dem an die Anpassung alten Rechts an Art. 3 Abs. 2 GG vollzogen werden mußte. Seither wurden und werden im bürgerlichen Recht die unmittelbaren Leistungen der Frau in den Begriff des Unterhalts einbezogen - zuerst durch die Rechtsprechung (vgl. dazu BVerfGE 3, 225 [245 f.] und Bundesgerichtshof in NJW 1957, 537 = JR 1957, 183 = FamRZ 1957, 92), später durch Art. 1 Nr. 8 des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957 (BGBl. I S. 609).
Selbstverständlich kann ein Begriff auf verschiedenen Rechtsgebieten verschiedene Inhalte haben. Hätte sich der Inhalt des Begriffs "Unterhaltsleistungen" nur auf der Ebene einfachen Familienrechts gewandelt, so wäre es daher zweifelhaft - und jedenfalls bis an die Grenze der Willkür eine Frage der Interpretation einfachen Rechts -, ob es im Sozialversicherungsrecht dennoch bei dem alten Begriffsinhalt geblieben sei oder nicht. So aber ist die Sach- und Rechtslage hier nicht, denn die Wandlung des Unterhaltsbegriffs folgt nicht aus dem Familienrecht, sondern unmittelbar aus dem Grundgesetz. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben des Art. 3 Abs. 2 GG, der rechtlichen Unterbewertung der Arbeit der Frau in Haushalt und Familie ein Ende zu setzen und ihr eine gerechte Berücksichtigung zu sichern. Im Parlamentarischen Rat wurde ausdrücklich festgestellt, daß die Arbeit der Hausfrau der einer Geschäftsfrau, also einer selbständigen Erwerbstätigkeit gleichzustellen sei (ParlR Hauptausschuß, 42. Sitzung, StenBer. S. 541 - Abgeordnete Selbert, SPD; S. 543 - Abgeordneter Fecht, CDU). Das Familienrecht hat also nur einen durch die Verfassung selbst gebotenen Begriffswandel verwirklicht (vgl. dazu Begründung zum Entwurf des Gleichberechtigungsgesetzes BT II/1953 Drucks. 224 S. 30 Sp. 1 und 2). Für neu geschaffene Normen war dieser Begriffswandel vom Tage der Verkündung des Grundgesetzes an verbindlich (vgl. dazu BVerfGE 2, 237 [258]; 4, 331 [341]), unabhängig von der durch Art. 117 Abs 1 GG hinausgeschobenen Anpassung alten Rechts - wie des Familienrechts - an die Verfassung.
2. Von dieser Verbindlichkeit ist auch das Sozialversicherungsrecht nicht ausgenommen. Es trifft nicht zu, daß Unterhaltsleistungen gerade hier nur im Sinne von Barleistungen verstanden werden dürften, weil die Hinterbliebenenrenten und der Kinderzuschuß lediglich den Zweck hätten, das infolge des Todes oder der Invalidität des Versicherten wegfallende Erwerbseinkommen bzw. das zu seinen Lebzeiten an dessen Stelle getretene Renteneinkommen zu ersetzen, nicht aber auch sonstige Leistungen. Dieser vom Vierten Senat des Bundessozialgerichts zur Arbeiterversicherung aufgestellten Ansicht (vgl. BSGE 5, 17 [20] und 14, 129 [130]) sind der Erste Senat und der Dritte Senat in ihren Äußerungen zu den vorliegenden Sachen mit Recht entgegengetreten. Sie ist weder mit der Struktur noch mit der Entwicklung des Rentenrechts vereinbar.
Es erscheint nach der heutigen Struktur des Sozialversicherungsrechts auf Grund der Neuregelungsgesetze schon kaum noch möglich, die Hinterbliebenenrenten nur als Ersatz für weggefallenes Erwerbseinkommen anzusprechen. "Die ursprünglich bestehende Koppelung zwischen Arbeitseinkommen und Rente ist mit der Lockerung des Anwartschaftsrechts mehr und mehr gelöst und schließlich durch die Neuregelungsgesetze gänzlich beseitigt worden ..." (so die Äußerung des Ersten Senats des Bundessozialgerichts). Versicherungsrechtliche Grundlage für die Berechnung der Hinterbliebenenrenten sind die irgendwann einmal durch eine hinreichend lange Zeit hindurch (Wartezeit) gezahlten Beiträge, die sich nach dem pflichtversicherten oder dem freiwillig versicherten Einkommen bemessen. Immer ist belanglos, in welcher - möglicherweise Jahre zurückliegenden - Zeit das versicherte Einkommen erworben und die Beiträge entrichtet worden sind; bei freiwilliger Versicherung, Höher- wie Weiterversicherung, ist auch die Art des Einkommens gleichgültig, aus dem die Beiträge stammen. Die Hinterbliebenenrenten sind also heute lediglich ein durch frühere Beiträge - zwangsweise kraft Gesetzes oder auf Grund eigenen Entschlusses - gesichertes Einkommen von bestimmter Höhe für den Versicherungsfall.
Vollends unabhängig aber, nicht nur von versicherter Tätigkeit, sondern auch von der Art und Herkunft der familiären Unterhaltsleistungen überhaupt, ist der Begriff der überwiegenden "Unterhaltsleistung". Dabei handelt es sich um ein aus sozialpolitischen Gründen neben die versicherungsrechtlichen Grundlagen der Rentenzahlung gestelltes selbständiges Tatbestandselement: Die Gewährung der Hinterbliebenenrente und des Kinderzuschusses soll davon abhängig sein, daß die gesamten Leistungen des verstorbenen Versicherten für den Unterhalt seiner Familie wesentliche Bedeutung gehabt haben. Bemessen sich auch die Renten, da es sich um eine Versicherung handelt, selbstverständlich nach den gezahlten Beiträgen, so besteht doch keine Abhängigkeit des Tatbestandsmerkmals der Unterhaltsgewährung von den Beiträgen und ihrer Quelle (so die Äußerung des Dritten Senats des Bundessozialgerichts).
Diese schon aus dem Gesetzeszusammenhang zwingende Folgerung wird durch die geschichtliche Entwicklung der Witwer - und Waisenrente bestätigt. Es ist nicht nur so, daß der Gesetzgeber "nicht auf den aus Erwerbstätigkeit stammenden Unterhalt, sondern allgemein auf ,Unterhalt' abgestellt" hat (BSGE 14, 129 [130/131]); er hat vielmehr die ursprüngliche Beschränkung der zu berücksichtigenden Unterhaltsleistungen auf solche aus Arbeitseinkommen ausdrücklich gestrichen: Die Reichsversicherungsordnung und das Angestelltenversicherungsgesetz von 1911 - die erstmalig Witwen-, Witwer- und Waisenrenten in die Rentenversicherung einführten - beschränkten die Renten für die Hinterbliebenen einer versicherten Ehefrau unter anderem dadurch, daß die Verstorbene den Lebensunterhalt ihrer Familie (ganz oder überwiegend) aus ihrem Arbeitsverdienst bestritten haben mußte (§ 30 AVG = § 1260 RVO, beide in der Fassung von 1911). Das änderte sich erst durch die Vierte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 699 [722]). In ihrem Fünften Teil Kapitel IV § 2 Abs. 2 bestimmte sie für alle Zweige der Sozialversicherung einheitlich - ohne einzelne Paragraphen zu nennen -, daß nach dem Tode einer versicherten Ehefrau die Waisenrente an ihre Kinder gewährt werde, "wenn die Verstorbene den Unterhalt der Kinder ganz oder überwiegend bestritten" habe. Diese Bestimmung hat in einer Grundsatzentscheidung des Reichsversicherungsamtes vom 24. April 1934 (abgedr. im RArbBl. 1934 Teil 4 und 5, S. IV, 194 Nr. 4774) eine seither unbestritten gebliebene Interpretation gefunden: die Vorschriften des § 1260 RVO a.F. seien nicht mehr anwendbar; damit sei auch die dort aufgestellte Voraussetzung, daß die Unterhaltsgewährung aus dem Arbeitsverdienst geflossen sein müsse, fortgefallen. Später sind die Worte "aus ihrem Arbeitsverdienst" auch aus den Bestimmungen über die Witwerrente (§ 28 AVG a.F., § 1257 RVO a.F.) gestrichen worden (Verordnung vom 17. Mai 1934 - RGBl. I S. 419). Für den Kinderzuschuß hatte eine solche einschränkende Bestimmung nie bestanden (vgl. § 1291 RVO in der Fassung von 1911). Struktur und Entwicklung der umstrittenen Norm ergeben also, daß der Gesetzgeber im Sozialversicherungsrecht den auf Leistungen aus dem versicherten Arbeitseinkommen beschränkten Begriff der Unterhaltsleistung bewußt verworfen hat.
Der Dritte Senat des Bundessozialgerichts stellt zutreffend fest: daß mit dem Tode einer Versicherten für ihre Familie eine Einbuße am Unterhalt in diesem umfassenden Sinne verbunden ist, gilt "indessen nicht nur für wegfallendes Arbeitseinkommen, sondern auch für die spezifische Unterhaltsform der Frau in Gestalt der Haushaltsführung und Sorge für die Kinder". Es spricht nichts dafür, daß der Gesetzgeber, der sich der Notwendigkeit, die Sozialversicherungsbestimmungen dem Grundgesetz anzupassen, bewußt war (vgl. Begr. des RegEntw. zu den Neuregelungsgesetzen z.B. BT II/1953 Drucks. 2437 S. 76 und 77), im Jahre 1957 einem überholten und vom Grundgesetz nicht nur geänderten, sondern mißbilligten Unterhaltsbegriff in die Neuregelungsgesetze Eingang verschaffen wollte, "der die spezifisch der Frau vorbehaltenen Formen der Unterhaltsgewährung außer Betracht läßt" (so die Äußerung des Dritten Senats des Bundessozialgerichts).
Es ist also bei der Prüfung der vorgelegten Bestimmungen gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 GG davon auszugehen, daß der Begriff der Unterhaltsleistungen auch die unmittelbaren Leistungen der Mutter, Hausfrau und Mithelfenden umfaßt.
3. Verwaltungstechnische Schwierigkeiten bei der Feststellung und Bewertung solcher Leistungen müssen demgegenüber zurücktreten. Derartige Schwierigkeiten entstehen immer, wenn ungleichartige Leistungen zueinander in Beziehung zu setzen sind, so daß ein Teil zunächst in Geldbeträge umgerechnet werden muß. Das geschieht jedoch seit langem auf verschiedenen Rechtsgebieten, wenn Naturalleistungen eine Rolle spielen. Für die hier in Rede stehende Tätigkeit der Frau als Mutter, Hausfrau und Mithelfende müssen naturgemäß die ideellen Momente außer Betracht bleiben; nur der wirtschaftliche Wert ihrer Leistungen ist anzurechnen, dieser aber in voller Höhe. Ein natürlicher Anhaltspunkt für die Bewertung ergibt sich aus den Mitteln, die üblicherweise für häuslichen oder außerhäuslichen Ersatz der fortgefallenen Leistungen aufgewandt werden müßten. Für ein solches Vorgehen fehlt es in der Rechtsprechung nicht an richtungweisenden Beispielen (vgl. besonders Bundesverwaltungsgericht in FamRZ 1962, 143 und Bundesgerichtshof in BGHZ 4, 123 [132] und NJW 1957, 537). Die Schwierigkeiten sind also nicht unüberwindlich.
4. Es ist schließlich auch nicht richtig, daß alle Bestimmungen, welche eine Witwerrente an frühere überwiegende Unterhaltsleistungen der Versicherten knüpfen, sinnlos würden, wenn man Betreuung der Kinder, Führung des Haushalts und ihre Mitarbeit zu diesen Leistungen rechnet, so daß - anders als früher - nicht mehr der Mann allein, sondern stets auch die Frau als Unterhaltsleistende erscheint. Es wird dabei verkannt, daß bei wechselseitigen Unterhaltsleistungen Differenzierungen in den Rentenvoraussetzungen auch durch die Art der Unterhaltsleistungen gerechtfertigt sein und rentenbeschränkend wirken können. So liegt es bei den Witwen- und Witwerrenten.
IV.
Die Erschwerung der Witwerrente ist mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar, weil der Bedarf nach Ersatz der Unterhaltsleistungen des verstorbenen Versicherten bei Witwe und Witwer wesentlich verschieden ist (1). Die Grenzen zulässiger Typisierung sind nicht überschritten (2). Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt (3).
1. Versicherungsleistungen für Angehörige der Versicherten sind nach dem Leitgedanken des Sozialversicherungsrechts ihrem Grunde nach bedingt durch eine bestimmte, typische Bedarfssituation, die Witwen- und Witwerrente durch den typischen Bedarf, den wirtschaftlichen Verlust auszugleichen, welchen der eine Ehegatte durch den Tod des andern erfährt. Die Wechselseitigkeit der ehelichen Unterhaltsansprüche könnte zunächst den Anschein erwecken, als erleide beim Tode des einen Ehegatten der andere in jedem Fall eine Minderung seines Unterhaltsstandards. Dabei würde jedoch übersehen, daß die Frage, ob eine - wirtschaftliche - Beeinträchtigung vorliegt, bei wechselseitigen Ansprüchen nur unter Ausgleichung der mit dem Tode fortfallenden Unterhaltsleistungen beider Ehegatten zu beantworten ist. Nur so läßt sich feststellen, ob der Tod - neben seinen unwägbaren ideellen Auswirkungen -lediglich die Umgestaltungen einer wertmäßig gleichbleibenden Unterhaltssituation des Hinterbliebenen oder eine wirkliche Verschlechterung dieser Situation im Gefolge gehabt hat (vgl. parallele Erwägungen in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1962 zur Witwerpension nach Bundesbeamtenrecht, FamRZ 1962, 143, ferner Bundessozialgericht zur Familienhilfe, BSGE 10, 28, auch Bundesgerichtshof in BGHZ 4, 123 [129/130] und in NJW 1957, 537 und 905 sowie NJW 1959, 2062 zu §§ 844, 845 BGB).
Eine solche Verschlechterung wird jedenfalls dann vorliegen, wenn die Unterhaltsleistungen des Verstorbenen die des Hinterbliebenen überstiegen haben. Sie kann aber auch darauf beruhen, daß der Hinterbliebene seine eigenen, infolge des Todes überflüssig gewordenen Unterhaltsleistungen anderweit nicht verwenden kann, so daß dem Verlust der Unterhaltsleistung des Verstorbenen kein wirtschaftlicher Ausgleich gegenübersteht.
Die erschwerende Voraussetzung der Witwerrente könnte hiernach mit zwei verschiedenen Erwägungen gerechtfertigt werden: entweder damit, daß bei der Witwenrente die überwiegende Unterhaltsleistung durch den Verstorbenen allgemein zu unterstellen, bei der Witwerrente im Einzelfall zu beweisen wäre (a), oder damit, daß für die verwitwete Frau, anders als für den verwitweten Mann, mit dem Verlust an Unterhaltsleistungen des Verstorbenen ein Ausgleich nicht einherginge (b).
a) Die Begründung zum Regierungsentwurf der Neuregelungsgesetze folgt der ersten Erwägung:
"Die Voraussetzung der überwiegenden Unterhaltungsgewährung durch die verstorbene Versicherte dürfte nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, weil nach den soziologischen Verhältnissen auch heute noch unterstellt werden kann, daß der Ehemann den Unterhalt der Familie überwiegend bestreitet und deshalb dieser Nachweis bei der Gewährung einer Witwenrente nicht gefordert zu werden braucht." (BT II/1953 Drucks. 2437 S. 76 zu § 1270)
Es ist jedoch nicht unbedenklich, die überwiegende Unterhaltsleistung des Mannes bei den heutigen sozialen Verhältnissen der hier maßgebenden unteren und mittleren Einkommensschichten in solchem Ausmaß als typisch zu unterstellen, daß eine unwiderlegliche Vermutung darauf gestützt werden könnte. Im übrigen beweist die Begründung des Regierungsentwurfs nicht ohne weiteres, daß sie auch für den Gesetzgeber bestimmend gewesen ist. Der Wortlaut des Gesetzes enthält keinen Hinweis darauf. Auch im Sinn und Systemzusammenhang des Gesetzes findet der Gedanke, daß die Sozialrenten - abgesehen allein von den hier umstrittenen Renten für Hinterbliebene einer Ehefrau nur für den Verlust einer überwiegenden Unterhaltsquelle Ersatz bieten sollen, keine Stütze - wie bei der Erörterung der Waisenrenten darzulegen sein wird. Schließlich kann nicht angenommen werden, daß derselbe Gesetzgeber, der zur Verwirklichung des Verfassungsgebotes im Gleichberechtigungsgesetz vom Juni 1957 für das bürgerliche Recht im Regelfall die durch Arbeit geleisteten Unterhaltsbeiträge von Mann und Frau als gleichwertig behandelt hat (§ 1360 BGB in der Fassung des genannten Gesetzes), in demselben Jahr für die Sozialversicherung bei den Neuregelungsgesetzen von der Vermutung überwiegender Unterhaltsleistung des Mannes ausgegangen sein sollte.
Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die in der Begründung des Regierungsentwurfs vorgetragene Erwägung in das Gesetz hineininterpretiert werden und möglicherweise dazu führen könnte, die Differenzierung von Witwen- und Witwerrente als verfassungsrechtlich noch tragbar hinzunehmen; denn diese Differenzierung ist jedenfalls durch die zweite der oben als möglich bezeichneten Erwägungen gerechtfertigt.
b) Nur für den verwitweten Mann, nicht für die verwitwete Frau geht mit dem Verlust an Unterhaltsleistungen des Verstorbenen in aller Regel ein wirtschaftlicher Ausgleich einher.
Anders als in der zitierten Begründung des Regierungsentwurfs zur Neuregelung der Sozialversicherung wurde § 7 des Personenschädengesetzes vom 15. Juli 1922 (RGBl. I S. 620), der eine parallele Regelung der Witwerrente enthält, mit den "besseren Erwerbsmöglichkeiten" des Mannes gerechtfertigt (Begr. zu § 8 des Entwurfs - im endgültigen Text § 7 - des Personenschädengesetzes vom 15. Juli 1922, RT I/1920 Aktenstück Nr. 3295 S. 3238). Hier kommt zutreffend zum Ausdruck, daß unabhängig vom "Überwiegen" die Einbuße der Witwe am Unterhaltsstandard von der des Witwers verschieden ist und daß die Witwe deshalb erhöhten sozialen Schutzes bedarf. Der Frau ist die Haushaltführung, den geltenden Anschauungen entsprechend, vom Gesetz zur ersten Pflicht gemacht. Auch eine selbständig Erwerbstätige kann sich nicht ohne Einwilligung des Mannes durch einen Geldbeitrag von der Haushaltführungspflicht gleichsam loskaufen. Deshalb muß auch die erwerbstätige Frau nicht schlechthin nach dem Verhältnis der beiderseitigen Geldeinkünfte zum Familienunterhalt beitragen; vielmehr ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang sie neben ihrer Erwerbsarbeit den Haushalt versorgt, so daß der Ehemann einen dem Wert ihrer Hausarbeit entsprechenden höheren Geldbeitrag zum Unterhalt zu leisten hat (Bundesgerichtshof in NJW 1957, 537 mit weiteren Nachweisungen und in NJW 1959, 987 = MDR 1959, 480). Immer also bleibt die Haushaltführung Beruf der Frau und - von Notsituationen abgesehen - ihr wesentlichster Unterhaltsbeitrag. Um aber diesen erbringen zu können, ist sie auf den Geldbeitrag des Mannes angewiesen. Hier - nicht im Überwiegen der einen oder anderen Leistung - liegt der richtige Kern der häufig gebrauchten Bezeichnung des Mannes als Ernährer. Ist die Hausfrauenleistung auch seiner Geldleistung gleichwertig, so ist sie doch von ihr abhängig; erst die Geldleistung des Mannes ermöglicht die Entfaltung des Berufs als Hausfrau. Stirbt der Mann, so verändert sich diese ihre berufliche Stellung erheblich; das, was sie an hausfraulichen Leistungen bisher für den Ehemann erbracht hat, ist gegenstandslos geworden und anderweit unverwertbar, so daß der Ausfall seiner Geldleistungen durch den Fortfall ihrer Hausfrauenleistungen wirtschaftlich nicht ausgeglichen wird. Das trifft nicht nur die Frau, die sich ausschließlich dem Haushalt widmet; denn, wie oben ausgeführt, ist die Haushaltführung auch für die erwerbstätige Frau ihr primärer Unterhaltsbeitrag; auch sie erleidet also durch den Fortfall der Unterhaltsleistungen des Mannes in der Regel eine Einbuße, der kein Äquivalent gegenübersteht.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Witwe an Stelle ihres verlorenen Berufes als Hausfrau ebenso wie der verwitwete Mann einem selbständigen Erwerb nachgehen könne. Dabei würde die Lage der verwitweten - meist älteren - Frau auf dem Arbeitsmarkt grundlegend verkannt. Die Hausfrau, die keine Vorbildung genossen hat, würde im allgemeinen auf die Übernahme einer ungelernten, das heißt entsprechend niedrig entlohnten Arbeit angewiesen sein, die ihr auch kaum Aufstiegsmöglichkeiten böte; das kann ihr nach dem das gesamte Sozialrecht beherrschenden Grundsatz der "Zumutbarkeit" einer Arbeit nicht angesonnen werden. Aber auch die Frau, die einen Beruf, für den sie ausgebildet war, im Vertrauen auf die Dauer der Ehe aufgegeben hat, um sich ausschließlich dem Bereich der Familie zu widmen, steht vor spezifischen Schwierigkeiten. Beispielsweise beruhen alle staatlichen Maßnahmen zugunsten der Heimkehrer auf der Anerkennung solch spezifischer Schwierigkeiten nach längerer Unterbrechung der Arbeit. Selbst die Frau, die ihren Beruf während der Ehe fortführt, wird in aller Regel im Erwerbsleben hinter dem Mann zurückstehen. Infolge ihrer häuslichen Pflichten wird sie sich dem Erwerbsleben nicht mit der gleichen Ausschließlichkeit widmen können und dadurch berufliche Vorteile versäumen, die sie als Witwe schwer oder gar nicht nachholen kann. Schließlich fällt auch die allgemein ungünstigere Lage der Frau in der Wirklichkeit des Erwerbslebens ins Gewicht
(vgl. z.B. A. Herr, Die Arbeitsverdienste der Frauen in der gewerblichen Wirtschaft, in der Monatszeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamtes 1961 Heft 1 S. 15 f.),
die eine rechtlich gewährleistete Lohngleichheit allein nicht beheben kann.
Ganz anders ist die Situation des Witwers. Seine Erwerbstätigkeit war in der Ehe nicht durch häusliche Pflichten gehemmt oder gar unterbrochen, sondern gefördert und erleichtert. Beim Tode der Frau setzt er sie ohne Unterbrechung fort. Die wirtschaftlich meßbaren häuslichen Dienste der Ehefrau für den Ehemann können teils auf bestimmte Stunden zusammengedrängt, also ersatzweise von einer nur teilbeschäftigten Kraft erledigt, teils durch außerhäusliche Dienste ersetzt werden. Der Verlust dieser Haushaltsleistungen der Ehefrau wird hiernach - jedenfalls in den für die Sozialversicherung maßgebenden Einkommensschichten - durch den Fortfall seiner Geldleistungen für ihren Unterhalt etwa aufgewogen. Nur wenn die Ehefrau mit ihren wirtschaftlich meßbaren Leistungen den Unterhalt der Ehegatten überwiegend bestritten hat, tritt in der Regel durch ihren Tod eine Minderung seines Unterhaltsstandards ein, die einen Bedarf nach Ersatz durch Witwerrente auslöst.
Ist die Voraussetzung jeder Hinterbliebenenrente eine materielle Einbuße am Unterhaltsstandard, und ist die Erfüllung dieser Voraussetzung in aller Regel bei der Frau schlechthin, beim Mann aber nur dann erfüllt, wenn die Frau zum gemeinsamen Unterhalt der Ehegatten überwiegend beigetragen hatte, so bedeutet es infolge dieser Verschiedenheit der Lebenssituation keine Verletzung des Gleichheitssatzes, wenn die Witwerrente von dem überwiegenden Bestreiten des Lebensunterhalts durch die Frau abhängig gemacht ist. Es wird nicht der Mann benachteiligt, sondern seiner gerade unter dem für die Sozialversicherung maßgebenden Gesichtspunkt des "Bedarfs" wesentlich ungleichen Lebenssituation Rechnung getragen. Diese rentenrechtliche Betrachtung findet ihren tieferen Grund, wenn man auf die eheliche Haushaltsgemeinschaft zurückgeht, deren wirtschaftliche Beeinträchtigung die Witwen- und Witwerrente in gleicher Weise mildern sollen: Die Unterschiede in der erwerbswirtschaftlichen Situation von Witwe und Witwer haben zum größten Teil ihre Wurzel in der funktionalen Verschiedenartigkeit ihrer Leistungen für die durch den Tod zerstörte eheliche Gemeinschaft. Diese Verschiedenheit wirkt in jener fort.
2. Durch die verschiedene Behandlung von Witwen- und Witwerrenten sind auch die Grenzen zulässiger Typisierung nicht überschritten.
Bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie sie die Sozialrentenversicherung enthält, sind typisierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich behandelt worden (vgl. z.B. BVerfGE 9, 20 [32]; 11, 50 [60]; 11, 245 [253]). Daß die typisierende Auswahl der Betroffenen bei der Witwen- und Witwerrente der typischen Verschiedenheit ihrer Lebensumstände gerade für das geregelte Sachgebiet adäquat ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen. Doch erhebt sich die Frage, ob etwa die Grenzen zulässiger Typisierung überschritten sind, weil diese dazu führt, daß Witwen die Hinterbliebenenrente auch dann erhalten, wenn der Tod des Mannes für sie keine wirtschaftliche Einbuße mit sich gebracht hat, ein Bedarf nach Ersatz eingebüßten Unterhalts durch eine Rente also bei ihnen ebensowenig besteht wie typischerweise beim Witwer. Obwohl solche Fälle vorkommen, ist die Frage zu verneinen.
Bei aller grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob bestimmte soziale Leistungen gewährt werden sollen, ist er doch in ihrer Ausgestaltung ebenso wie bei Eingriffen an das Grundgesetz, besonders an den allgemeinen Gleichheitssatz und seine Konkretisierungen gebunden. Das ist im sozialen Rechtsstaat angesichts der außerordentlichen Bedeutung der darreichenden Verwaltung für die Existenz des Einzelnen selbstverständlich. Bei der Typisierung jedoch besteht ein Unterschied in der Gestaltungsfreiheit, je nachdem ob es sich um eine "Bevorzugung" oder um eine "Benachteiligung" handelt. Es gibt gewiß viele Fälle, in denen eine "Benachteiligung" nur als Spiegelbild einer "Bevorzugung" zu sehen ist und umgekehrt; in solchen Fällen wäre eine Unterscheidung nur ein Spiel mit Worten. Das Nebeneinander beider Begriffe wird jedoch sinnvoll, wenn man sie auf den Normalfall bezieht, das heißt auf den Fall, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel erfaßt werden soll und erfaßt wird. Denn dann ist es bei einer an der Gerechtigkeit im allgemeinen und an den Wertentscheidungen des Grundgesetzes im besonderen orientierten Betrachtung leichter erträglich, wenn gelegentlich einer Typisierung auch Personen in den Genuß von Vorteilen kommen, die ihnen nach dem strengen Zweck des Gesetzes nicht gebührten, als wenn Personen davon ausgeschlossen werden, denen die Vorteile nach dem Zweck des Gesetzes zukämen. Benachteiligung wird auch bei Typisierung nur in Einzelfällen hinzunehmen sein; hingegen kann eher in Kauf genommen werden, daß durch das Sieb der Typisierung ein mäßiger Prozentsatz solcher Personen gleitet, die bei individuellem Maßstab den Vorteil nach der Idee des Gesetzes nicht bekommen würden (vgl. den ähnlichen Rechtsgedanken in den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts AP zu Art. 3 Nr. 39 Bl. 578 [579 R] und Nr. 72 Bl. 115 [118 R]). Insoweit ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei bevorzugender Typisierung "nach der Natur der Sache" weiter gespannt als bei benachteiligender Typisierung (vgl. BVerfGE 11, 50). Gewiß kann die Unterscheidung zwischen Bevorzugung und Benachteiligung auch in der Eingriffsverwaltung ihren Sinn haben, z.B. wenn sie mit Privilegierungen einhergeht (wie etwa BVerfGE 12, 151 [166] und 14, 34 [38, 39]); die eigentliche Domäne zulässiger "Bevorzugung" kraft Typisierung aber ist die darreichende Verwaltung.
Da unverkennbar nicht der Unterhaltsstandard aller Witwen durch den Tod des Mannes geschmälert wird, führt die Typisierung nach dem Normalfall, auf den das Gesetz zielt, in manchen Fällen zu einer "Bevorzugung". Doch darf die Zahl dieser Fälle nicht überschätzt werden. Bei der bisher letzten voll ausgewerteten Volks- und Berufszählung (September 1950) wurden in der Bundesrepublik rund 10 Millionen Ehefrauen gezählt, die mit ihrem Mann zusammen lebten und den Haushalt führten; rund 77,5% leisteten ihren Unterhaltsbeitrag allein durch Führung des Haushalts, etwa 15% arbeiteten außerdem in Geschäft oder Landwirtschaft des Mannes mit, etwa 7,5% gingen einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nach (vgl. Bericht des Statistischen Bundesamtes "Die Frau im wirtschaftlichen und sozialen Leben der Bundesrepublik", S. 12, erschienen 1956). Von diesen Zahlen kann jedenfalls als Annäherungswerten ausgegangen werden. Da die wirtschaftliche Erschütterung durch den Tod des Mannes für die Mithelfenden ebenso groß sein dürfte wie für die "Nur-Hausfrauen", bleiben als möglicherweise ohne inneren Grund Begünstigte die 7,5% der zugleich selbständig erwerbstätigen Hausfrauen. Aber auch sie erleiden, wie dargetan, regelmäßig eine empfindlichere Einbuße als Männer in vergleichbarer Lage.
Trotz der gewandelten sozialen Verhältnisse wird also die Zahl der infolge der Typisierung bevorzugten Frauen zwar möglicherweise nicht ganz unbeträchtlich sein, sich aber doch in solchen Grenzen halten, daß sie angesichts der bei "Bevorzugungen" weit gespannten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hingenommen werden kann.
Es ist ferner zu bedenken: Die Mutter, Hausfrau und Mithelfende ist die einzige unselbständig, das heißt von einem "Geldgeber" abhängig Arbeitende, die keinen eigenen Sozialversicherungsschutz genießt (§ 4 AVG n.F., § 1228 RVO n.F.); sie ist nicht pflichtversichert. Auch die Möglichkeit freiwilliger Selbstversicherung ist ihr durch die Neuregelungsgesetze genommen, obwohl in der Bundestagsdebatte darauf hingewiesen wurde, daß die Abschaffung der freiwilligen Selbstversicherung sich vor allem gegen die Hausfrau auswirke (BT II/1953, 154. Sitzung, Prot. S. 8340 D). Das ist nach sozialstaatlichem Maßstab erträglich, weil sie in den hier betroffenen Schichten durch die unbedingte Witwenrente an der sozialen Sicherung teil hat, die ihr Ehemann genießt. Es kommt noch hinzu, daß die Allgemeinheit ein Interesse daran hat, die Frau und Mutter nicht zu außerhäuslicher Erwerbstätigkeit wirtschaftlich gezwungen zu sehen. Deshalb ist es von größter Bedeutung, der Frau durch Witwenversorgung die Sicherheit zu geben, daß sie auch beim Vorversterben des Mannes nicht in Not geraten und sich der Familie werde widmen können. Ein gleiches sozialpolitisches Anliegen fehlt beim Mann.
Die gesetzliche Individualisierung der Witwerrente im Gegensatz zur Typisierung der Witwenrente ist also gerade in der Sozialversicherung verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
3. Fehl geht der gelegentlich unternommene Versuch, eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG daraus herzuleiten, daß Witwen- und Witwerrente im Bundesbeamtenrecht anders geregelt sind. Das Bundesbeamtenrecht sieht für die Witwe ebenso wie das Sozialversicherungsrecht eine uneingeschränkte Versorgung vor; die Witwerpension macht es davon abhängig, daß der Mann im Zeitpunkt des Todes der beamteten Ehefrau einen "gesetzlichen Unterhaltsanspruch" gegen sie gehabt hat (§ 132 BBG). Es kann dahinstehen, ob eine gewisse Verwandtschaft der Hinterbliebenenversorgung im Beamten- und im Sozialversicherungsrecht ausreichen würde, um aus den beiden sonst wesensverschiedenen Rechtsgebieten Einzelheiten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu vergleichen (vgl. dazu BVerfGE 9, 338 [350]); denn trotz der verschiedenen Formulierung der Bestimmungen über die Witwerrente im Sozialversicherungs- und im Beamtenrecht liegt der Sache nach keine wesentliche oder gar grundsätzliche Ungleichheit vor; nach der mehrfach zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1962 findet bei der Anwendung des § 132 BBG eine ähnliche Abwägung der beiderseitigen Unterhaltsbeiträge statt wie nach § 43 Abs. 1 AVG n.F.
Wenn in einem Sondergesetz wie dem Bundes-Seuchengesetz (vom 18. Juli 1961, BGBl. I S. 1012, § 53 Abs. 5) für Ehegatten und Waisen "Hinterbliebenenrenten in angemessener Höhe" vorgesehen sind, falls eine vorgeschriebene Impfung zum Tode geführt hat, so ist diese auf seltene Ausnahmefälle zugeschnittene Regelung von vornherein zum Vergleich mit der typisierenden Massenregelung im Sozialversicherungsrecht nicht geeignet.
V.
Die Erschwerung der Waisenrente und des Kinderzuschusses ist mit Art. 3 Abs. 2 und 3 und mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, weil der Bedarf nach Ersatz der Unterhaltsleistungen des Verstorbenen oder invaliden Versicherten wesentlich gleich ist, gleichviel ob der Beitrag des Vaters oder der Mutter wegfällt und ob die Mutter verheiratet, verwitwet, geschieden oder unverheiratet ist.
1. Bei der Regelung des Kinderzuschusses und der Witwerrente sind Mann und Frau unmittelbar Betroffene und Normadressaten zugleich. Hier bietet sich daher Art. 3 Abs. 2 und 3 GG sowohl als objektiver Wertmaßstab wie als Grundlage eines etwa verletzten subjektiven Grundrechts an. Die Kinder einer verstorbenen Ehefrau hingegen könnten wegen der Einschränkung ihrer Waisenrente nur ihr Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG als subjektives Grundrecht geltend machen; denn in ihrer, der Normadressaten, Person wird nach dem Geschlecht nicht unterschieden - Söhne und Töchter werden gleich behandelt. Dennoch behält Art. 3 Abs. 2 und 3 GG als objektiver Wertmaßstab auch für die Prüfung der Waisenrente seine Bedeutung, weil die ungleiche Regelung an den Geschlechtsunterschied der Eltern anknüpft und auch diese (obwohl nicht Normadressaten) unmittelbar betroffen werden: Sie sind ihren Kindern nebeneinander sorge- und unterhaltspflichtig (§§ 1626, 1601 ff. BGB); wenn dem Tod der Mutter bei der Gestaltung der Waisenrente, die aus dem Verlust ihrer familiären Unterhaltsleistung abgeleitet ist, eine geringere Bedeutung beigemessen wird als dem Tod des Vaters, so ist das zugleich eine Abwertung ihrer Leistungen für das Kind; für den überlebenden Vater führt die Regelung zu der alleinigen und vollen Belastung mit Sorge und Unterhalt für die Kinder (vgl. dazu BVerfGE 13, 290 [298 f.]; parallele Rechtserwägungen schon RGZ 119, 44 [46, 47] und neuerdings Bundesverwaltungsgericht, FamRZ 1963, 246 [247 Sp. 2]).
Neben dem hiernach für die verfassungsrechtliche Prüfung von Waisenrente und Kinderzuschuß in erster Linie maßgebenden Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ist auch Art. 6 Abs. 1 GG heranzuziehen, weil in beiden Fällen die Zahlungen für Kinder versicherter Ehefrauen nicht nur gegenüber den Zahlungen für Kinder versicherter Väter - ehelicher wie unehelicher - eingeschränkt sind, sondern auch gegenüber Zahlungen für Kinder verwitweter, geschiedener oder unehelicher Mütter.
2. Die gleichlautende Erschwerung von Kinderzuschuß und Waisenrente kann verfassungsrechtlich nur einheitlich beurteilt werden. Zwar sind beide Rentenformen vom Gesetzgeber nicht von Anfang an einheitlich behandelt worden, obwohl es beider Sinn und Zweck ist, den typischen Bedarf zu decken, der durch den Ausfall väterlicher oder mütterlicher Unterhaltsleistungen entsteht, und obwohl beide in der Sozialversicherungsgesetzgebung zum erstenmal im Jahre 1911 erschienen sind. Waisenrente - die schon im Regierungsentwurf vorgesehen war - erhielten nach dem Tode des versicherten Vaters seine ehelichen Kinder und nach dem Tode einer versicherten Mutter ihre vaterlosen Kinder ohne weitere Voraussetzungen, wobei als vaterlose auch uneheliche Kinder galten (§ 29 AVG, § 1259 RVO, beide in der ursprünglichen Fassung). Nach dem Tode einer versicherten Ehefrau dagegen stand ihren ehelichen Kindern Waisenrente nur zu, wenn der überlebende Vater erwerbsunfähig war, die Verstorbene den Lebensunterhalt ganz oder überwiegend aus ihrem Arbeitsverdienst bestritten hatte und die Kinder bedürftig waren (§ 30 AVG, § 1260 RVO, beide in der Fassung von 1911). Beim Kinderzuschuß hingegen, der erst auf Vorschlag eines Reichstagsabgeordneten in das Gesetz aufgenommen wurde (RT 12. LegPer. 2. Session, Aktenstück Nr. 946 [Bericht der 16. Kommission] 4. Teil, S. 4956 bis 4959), war eine Unterscheidung zwischen Vätern und Müttern nicht gemacht; er wurde jedem Empfänger einer Invalidenrente für seine Kinder gewährt (§ 1291 RVO in der ursprünglichen Fassung).
Erst 20 Jahre später wurde auch der Kinderzuschuß für invalide Ehefrauen eingeschränkt. Die Vierte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 699) bestimmte in Kapitel 4 Abschnitt 1 § 2:
"Die Rente einer versicherten Ehefrau wird für ihre Kinder, die eheliche Kinder des Ehemannes sind oder deren rechtliche Stellung haben, um den Kinderzuschuß nur erhöht, wenn die Versicherte vor Eintritt des Versicherungsfalls den Unterhalt der Kinder ganz oder überwiegend bestritten hat."
In Absatz 2 desselben Paragraphen wurde dann, wie schon oben zu III 2 erwähnt, für die Waisenrente die Bestimmung "aus ihrem Arbeitsverdienst" gestrichen; damit waren die Beschränkungen für Waisenrente und Kinderzuschuß einander angeglichen.
Beide Formen der Sozialrente unterscheiden sich allerdings nach geltendem Recht dadurch, daß der Kinderzuschuß für alle Versicherten gleich hoch ist, während die Waisenrente primär als Quote der - verschieden hohen - Versichertenrente gestaltet ist (§ 46 Abs. 1 AVG n.F. = § 1269 Abs. 1 RVO n.F. und § 39 Abs. 4 AVG n.F. = § 1262 Abs. 4 RVO n.F.). Für die verfassungsrechtliche Würdigung ist das jedoch ohne Belang. Hier kommt es nur auf die Voraussetzungen für die Gewährung beider Rentenformen an. Diese sind seit 1931 gleich. Auch in der Begründung zum Neuregelungsgesetz wird auf die Parallele hingewiesen:
"Die ...Regelung für die Gewährung der Waisenrente entspricht
der ... Regelung für die Gewährung des Kinderzuschusses zu einer Versichertenrente." (BT II/1953 Drucks. 2437 S. 76 zu § 1271 RVO n.F.)
Alle nachstehend zur Waisenrente angestellten Erwägungen gelten daher in allen wesentlichen Stücken auch für den Kinderzuschuß.
3. Der Sache nach wird die Einschränkung des Kinderzuschusses für versicherte Ehefrauen im Regierungsentwurf der Neuregelungsgesetze nicht begründet; es wird lediglich erwähnt, daß sie im wesentlichen mit dem bisherigen Recht übereinstimmen; die Einschränkung der Waisenrente wird nur mit dem Hinweis erläutert, daß für sie die zur Einschränkung der Witwerrente angestellten (oben zu IV 1a wiedergegebenen) Erwägungen maßgebend waren (BT II/1953 Drucks. 2437 S. 75 zu § 1266 und S. 76 zu § 1271 RVO n.F.). Dieser Parallele fehlt jedoch die Entsprechung in der mit Witwer- und Waisenrente zu regelnden Lebenssituation. Beim Witwer hat die Einschränkung auf den Fall überwiegender Unterhaltsleistung durch die verstorbene Versicherte ihren Sinn, weil Ehegatten einander wechselseitig unterhaltspflichtig sind, so daß eine materielle Minderung des Unterhaltsstandards für den Mann typischerweise nur vorliegt, wenn sich beim Abwägen der beiderseitigen Unterhaltsleistungen ein Überwiegen der Leistungen der Frau ergibt. Vater und Mutter aber sind den Kindern nebeneinander unterhaltspflichtig; Kinder verlieren daher typischerweise mit dem Tode oder der Invalidität der Mutter ebenso wie mit dem Tode oder der Invalidität des Vaters notwendig einen Teil ihres Unterhalts. Anders als bei den wechselseitigen Unterhaltsleistungen von Mann und Frau kann also das Abwägen der väterlichen und mütterlichen Leistungen - abgesehen von seltenen Ausnahmefällen - nie zu dem Ergebnis führen, daß mit dem Tode der versicherten Mutter kein Bedarf nach Unterhaltsersatz durch Sozialrente eingetreten sei.
4. Auch hiervon abgesehen, läßt sich für die Differenzierung bei der Gewährung von Waisenrente und Kinderzuschuß kein sachlicher Grund finden, aus dem die Unanwendbarkeit der Wertentscheidungen des Grundgesetzes folgen würde.
Ein solcher Grund könnte auf drei Wegen gesucht werden: die Erschwerung könnte Ausprägung eines allgemeinen Prinzips des Rentenversicherungsrechts sein, Hinterbliebenenrente und Kinderzuschuß nur wegen Fortfalls der überwiegenden Unterhaltsquelle zu gewähren; dies würde voraussetzen, daß das Gesetz bei ehelichen und unehelichen Vätern wie bei verwitweten, geschiedenen oder unehelichen Müttern stillschweigend unterstellte, daß sie ihr Kind - im Gegensatz nur zu Ehefrauen - überwiegend unterhalten (a);
die Erschwerung könnte ferner Ausprägung eines Prinzips sein, Hinterbliebenenrente und Kinderzuschuß stets zu versagen, wenn die Einbuße an Unterhaltsleistungen durch Ausfall eines Unterhaltspflichtigen nach bürgerlichem Recht auf einen anderen Unterhaltspflichtigen abgewälzt werden kann (b);
schließlich könnte die Einschränkung auf der Vorstellung beruhen, daß der überlebende eheliche Vater die Einbuße der Kinder an Unterhaltsleistungen der Mutter ohne Mehraufwendungen auszugleichen vermag (c).
Keiner der drei Wege führt zum Ziel.
a) Ein allgemeines Prinzip, Hinterbliebenenrenten und Kinderzuschuß nur bei Fortfall des überwiegend Unterhalt Leistenden zu gewähren, kann dem Sozialversicherungsrecht nicht entnommen werden. Im Wortlaut der grundlegenden Bestimmungen über Waisenrente und Kinderzuschuß findet sich keinerlei Hinweis auf eine Unterstellung überwiegender Unterhaltsleistung durch den verstorbenen ehelichen oder unehelichen Vater und durch die verwitwete, geschiedene oder uneheliche Mutter. Die Einschränkung von Waisenrente und Kinderzuschuß durch die Voraussetzung überwiegender Unterhaltsleistung seitens der verheirateten Mutter ist auch nicht nur als Umkehrung einer bloßen Rechtsvermutung, sondern als strikte materielle Einschränkung formuliert. Die Fiktion, daß mit alleiniger Ausnahme einer Ehefrau alle sozialversicherten Väter und Mütter ihre Kinder überwiegend unterhalten, würde zudem weder in den Unterhaltsregeln des Familienrechts noch in der Lebenserfahrung eine Stütze finden.
Wie aus den Ausführungen unten zu c) über das Verhältnis der väterlichen zu den mütterlichen Unterhaltsleistungen ersichtlich, trifft sie schon für den ehelichen Vater nicht zu. Sicherlich kann nicht behauptet werden - und ist auch in den vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden -, daß nach der Lebenserfahrung uneheliche Väter sowie uneheliche, geschiedene oder verwitwete Mütter in entscheidendem Maße häufiger den Unterhalt ihrer Kinder "überwiegend" bestreiten als Ehefrauen. Bei verwitweten, geschiedenen oder unverheirateten Frauen wird ebenso wie bei verheirateten der Fall häufig sein, daß ein Dritter, zumeist der Vater, die Geldleistungen für den Unterhalt der Kinder trägt, während die Mutter die mit der Sorge für die Person des Kindes verbundenen Leistungen erbringt. In einer wesentlich anderen Unterhaltssituation als versicherte Ehefrauen befinden sich verwitwete, geschiedene oder uneheliche Mütter im Verhältnis zu ihren Kindern nicht.
Vor allem erweisen Leitgedanke und Systemzusammenhang, daß Hinterbliebenenrenten und Kinderzuschuß nicht allgemein den Fortfall der überwiegenden Unterhaltsquelle voraussetzen. Der Gedanke solch allgemeiner Voraussetzung ist allenfalls historisch zu erklären, aber heute nicht mehr gültig. Die ersten Rentenversicherungsgesetze von 1889 und 1899 gewährten weder Kinderzuschuß noch Hinterbliebenenrenten, sondern nur beim Tode des Versicherten einen einmaligen "Notgroschen" in Gestalt von Erstattung eines Teiles der eingezahlten Beiträge. Als die Sozialversicherungsgesetzgebung im Jahre 1911 Kinderzuschuß und Hinterbliebenenrenten einführte und zugleich die Hinterbliebenenrenten differenzierte, war deren Sinn und Zweck, "nur eine Beihilfe" im Witwen- (Witwer-) und Waisenstand zu sichern und sich "auch noch innerhalb dieser Grenze" "auf die Befriedigung der dringendsten Fürsorgefälle zu beschränken". Unter diesem Gesichtspunkt wurde z.B. in der Arbeiterversicherung für die nicht invalide Witwe eine laufende Rente "selbst während des fürsorgebedürftigen Alters der Kinder" für überflüssig gehalten, da sie ja Lohnarbeit verrichten könne (Begr. zur RVO, RT 12. LegPer. 2. Session, Drucks. zu Nr. 340 S. 366). Bei dieser rein fürsorgerischen Zielsetzung - die sich auch in den äußerst geringen Beträgen der Witwen- und Waisenrenten zeigte - mochte die Vorstellung sinnvoll sein, daß eine Waisenrente nur bei Fortfall des "überwiegenden Unterhalts" zu gewähren sei. Ging doch die Rentenversicherung insgesamt mit Selbstverständlichkeit davon aus, daß man sich nach Eintritt des Versicherungsfalles mit sehr viel härteren Lebensbedingungen und sehr viel kleineren Einkommen als zuvor einrichten müsse, daß die Rente nur vor der äußersten Not schützen solle und eine Hinterbliebenenrente insbesondere nur bei "unbedingtem Fürsorgebedürfnis" angebracht sei (Begr. zur RVO aaO).
Diese sozialpolitische Leitidee hat sich von Grund auf geändert. Die Rentenformel für die Berechnung der gleitenden Renten der Neuregelungsgesetze ist so gestaltet, daß "der Versicherte als Rentner unter Berücksichtigung seiner verminderten Bedürfnisse den Lebensstandard aufrechterhalten kann, den er im Durchschnitt seines Arbeitslebens gehabt hat" (Begr. zum RegEntw. BT II/1953 Drucks. 2437 S. 73 zu § 1259 und S. 72 zu § 1258). Sinn und Zweck der modernen Rentenversicherung ist es demnach, dem Versicherten selbst nach seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsprozeß die Aufrechterhaltung seines Lebenszuschnitts, soweit er den versicherten Einkünften entspricht, zu ermöglichen. Den unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen aber wird die Quote dieser Rente gewährleistet, die ihnen - der Unterhaltspflicht des Verstorbenen entsprechend - typischerweise zugute gekommen wäre, das heißt, daß auch ihnen der dem versicherten Einkommen entsprechende Lebensstandard gesichert werden soll. Von dieser Grundidee aus kann es nicht darauf ankommen, ob der Versicherte den vollen, den überwiegenden oder überhaupt Unterhalt gewährt hat. Vorausgesetzt wird vom Gesetz lediglich der typische Bedarf nach einem Ersatz für die Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen. Ein solcher Bedarf aber ist - wo ein Abwägen wechselseitiger Verpflichtungen entfällt - nicht nur gegeben, wenn die Unterhaltsverpflichtung oder -leistung den Unterhalt überwiegend, sondern auch, wenn sie ihn irgend wesentlich gedeckt hat.
Daß die Voraussetzung früherer überwiegender Unterhaltsleistung für die Gewährung einer Waisenrente an Waisen einer versicherten Ehefrau mit den Leitideen des modernen Sozialrentenrechts unvereinbar ist, wird durch die Ausgestaltung der Rentenbestimmungen bestätigt, in deren Rahmen diese Differenzierung steht. Das gilt vor allem für die bereits erwähnte Regelung aller Renten ihrer Höhe nach, die gerade nicht auf einen nur "überwiegenden", sondern auf einen vollen Ausgleich der Unterhaltslücke hinzielt. Im einzelnen haben die Neuregelungsgesetze z.B. die Rente der Witwe von 5/10 auf 6/10 der Versichertenrente erhöht (§ 45 AVG n.F. = § 1268 RVO n.F.), weil sie sonst möglicherweise ihren Lebensstandard nicht aufrechterhalten könnte (BT II/1953 Drucks. 2437 S. 77) - während dem Kinde beim Tode der Mutter, wenn sie eine versicherte Ehefrau war, eine erhebliche Minderung seines bisherigen Lebensstandards ohne Ausgleich zugemutet wird -; und nach § 42 AVG n.F. (= § 1265 RVO n.F.) wird die Hinterbliebenenrente dem geschiedenen Ehegatten, dem Mann ebenso wie der Frau, nur dann gewährt, wenn der Versicherte ihm "zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat"; es wird also nicht Verlust des "überwiegenden" Unterhalts, sondern nur Verlust eines beliebigen Unterhaltsbeitrags vorausgesetzt.
Vor allem macht die umstrittene Erschwerung die Gestaltung der Waisenrente in sich widerspruchsvoll. Die Rente beträgt bei Halbwaisen 1/10, bei Vollwaisen 1/5 der Versichertenrente (§ 46 AVG n.F. = § 1269 RVO n.F.); diese Aufspaltung in Halb- und Vollwaisenrente ist nur verständlich, wenn der Gesetzgeber hier wie im Familienrecht die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen Vater und Mutter grundsätzlich gleich bewertet, also gerade nicht von der stillschweigenden Voraussetzung ausgeht, daß der Vater die Kinder in aller Regel überwiegend unterhalte. Die Unterstellung einer stillschweigenden Fiktion "überwiegender" Unterhaltsleistung durch alle Väter und Mütter mit Ausnahme nur der Ehefrauen und einer allgemeinen Abhängigkeit der Hinterbliebenenrenten und des Kinderzuschusses vom Fortfall der überwiegenden Unterhaltsquelle ist hiernach unhaltbar.
b) Die umstrittene Diskriminierung kann auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, daß gerade das Kind einer versicherten Ehefrau durch Invalidität oder Tod der Mutter keine Einbuße erleide - also auch keiner Rente bedürfe -, weil es von jedem Elternteil den vollen Unterhalt zu beanspruchen habe, so daß der Vater neben seinen bisherigen Leistungen auch die häusliche und persönliche Betreuung und etwaige Geldzuschüsse der Mutter zusätzlich erbringen müsse.
Dieser Gedankengang ist schon deshalb nicht überzeugend, weil die Halbwaise nach dem Tode des Vaters von der Mutter ebenso den vollen Unterhalt zu fordern berechtigt ist wie die Halbwaise nach dem Tode der Mutter vom Vater. Davon geht auch das Sozialversicherungsrecht aus, wenn es die Waisenrenten in Halb- und Vollrenten gliedert, je nachdem ob ein unterhaltspflichtiger Elternteil überlebt oder nicht, ohne zwischen Vater- und Mutter- Waisen zu unterscheiden. So erhalten das Kind der geschiedenen Frau und das uneheliche Kind, wenn die Mutter verstorben ist, sofern der Vater noch lebt, wegen dessen Unterhaltspflicht lediglich Halbwaisenrente; ebenso wird dem ehelichen oder unehelichen Kind, dessen Vater verstorben ist, wegen der Unterhaltspflicht der überlebenden Mutter nur die Halbrente gewährt. Dabei kommt es weder darauf an, ob der Überlebende tatsächlich für die Halbwaise sorgt, noch darauf, ob deren Unterhalt auf andere Weise gesichert ist. Ist aber für die Bewilligung der Halbwaisenrente allein die Unterhaltspflicht und nicht die Unterhaltsleistung des überlebenden Elternteils maßgebend, so kann es nicht darauf ankommen, ob die Unterhaltseinbuße des Kindes etwa auf den überlebenden ehelichen Vater mit mehr Aussicht auf Erfolg abgewälzt werden könnte als auf uneheliche Väter oder eheliche und uneheliche Mütter.
Im übrigen soll die Sozialversicherung den Versicherten und seinen nächsten Angehörigen beim Eintritt des Versicherungsfalles gerade durch die Rentenzahlung gegen solche zusätzlichen Belastungen schützen. Die Idee, Unterhaltslasten des Versicherten auf einen anderen, nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen abzuwälzen, ist dem Sozialversicherungsrecht nicht nur fremd, sondern seinem Sinn und Zweck geradezu entgegengesetzt.
c) Der Vater kann die durch Invalidität oder Tod der ehelichen Mutter wegfallenden mütterlichen Unterhaltsleistungen auch nicht ohne erhebliche zusätzliche Aufwendungen ersetzen.
Hat die invalide oder verstorbene Versicherte als Mithelfende oder selbständig Erwerbstätige durch Geldleistungen zum Unterhalt des Kindes beigetragen, so liegt auf der Hand, daß der Unterhalt des Kindes durch den Ausfall dieser Leistungen auf die gleiche Art beeinträchtigt ist wie typischerweise bei Invalidität oder Tod des Vaters, daß die Beeinträchtigung also nur durch zusätzliche Aufwendungen ausgeglichen werden kann.
Aber auch die mit der Sorge für die Person des Kindes verknüpften mütterlichen Unterhaltsleistungen haben nicht weniger als Mithilfe oder eigene Erwerbstätigkeit der Frau ihren selbständigen wirtschaftlichen Wert und sind ohne beträchtliche Mehraufwendungen nicht ersetzbar. Etwas anderes anzunehmen erscheint schon nach dem Sachzusammenhang der Rentenbestimmungen abwegig. Denn wenn die mütterlichen Unterhaltsleistungen wirtschaftlich keinen Eigenwert über die vom Mann und Vater für den Unterhalt der Familie aufgewendeten Geldbeträge hinaus besäßen, dann bestünde kein Grund, die mütterliche Unterhaltsleistung bei der Gestaltung der Waisenrente überhaupt zu berücksichtigen. Es müßten dann folgerichtig nur alle Vater- Waisen Rente, und zwar die Vollrente erhalten, gleichviel ob die Mutter noch lebt oder nicht. Statt dessen hat der Gesetzgeber das System der Voll- und Halbwaisenrenten gewählt, das auf dem wirtschaftlichen Eigenwert der mütterlichen Leistungen aufbaut.
Diese Entscheidung des Gesetzgebers entspricht der Wirklichkeit; zwar ist die geldliche Unterhaltsleistung des Mannes im allgemeinen eine der Voraussetzungen, die der Frau erst die Entfaltung ihrer mütterlichen wie ihrer hausfraulichen Tätigkeit ermöglicht; aber die Höhe seiner baren Leistungen für ihren Unterhalt sagt nichts über den wirtschaftlichen Wert ihrer Leistungen für die Kinder aus. Mögen die hausfraulichen Leistungen der Frau für den Mann seinen baren Geldleistungen für ihren Unterhalt etwa die Waage halten, so leistet die Mutter für die Kinder jedenfalls - abgesehen vielleicht von einem geringen Prozentsatz besonders wohlhabender Familien - weit mehr als ihrem Anteil am Geldverbrauch der Familie entspricht. Nach einer Untersuchung, die von der Bundesforschungsstelle für Hauswirtschaft, Bonn, auf Grund eines Forschungsauftrags des Bundesministeriums für Wirtschaft durchgeführt wurde, beträgt der Arbeitsaufwand der Hausfrau in einem städtischen 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt täglich reichlich zehn Arbeitsstunden bei einer Sieben-Tage-Arbeitswoche (Auswertung von Schmucker in: "Bayern in Zahlen", 1961 Heft 1 [S. 20], und v. Schroth-Pritzel in: "Hauswirtschaft und Wissenschaft", 1958 Heft 1 S. 7 [10]).
Der Witwer, der mit unerwachsenen Kindern zurückbleibt, müßte also, um diesen eine der mütterlichen materiell gleichwertige Betreuung zuzuwenden, mindestens eine vollbeschäftigte Angestellte in den Haushalt aufnehmen, und auch dann würde er viel mehr Mühe und Zeit für die Kinder selbst aufwenden müssen.
Nur 7,84% der männlichen Arbeiter und 36,50% der männlichen Angestellten hatten im Oktober 1957 ein Bruttomonatseinkommen von mehr als 700 DM (vgl. Statistisches Jahrbuch 1961 S. 512; eine neuere Statistik steht noch nicht zur Verfügung). Nur wenige Väter wären also in der Lage, den Lohn für Hauspersonal aufzubringen, das die mütterlichen Leistungen ersetzen könnte.
In vielen Fällen wird der Vater sich von den Kindern trennen und sie in einem Heim oder Internat unterbringen müssen. Aber auch dann sind die Mehraufwendungen beträchtlich. Gerichte haben den Unterhaltsrichtsatz für Kinder im Alter von zehn bis vierzehn Jahren bei Monatseinkommen der Familie bis zu 1 000 DM auf 105 bis 130 DM bemessen (vgl. Landgericht Düsseldorf, DRiZ 1962, 251); die Unterbringung eines Kindes in einem Heim kostet nach der vom Bundesverfassungsgericht eingeholten Auskunft eines großstädtischen Jugendamtes vom April 1963 allein für Wohnung und Verpflegung durchschnittlich 230 DM monatlich.
Ein Versuch, die Einschränkung der Waisenrente nach einer Ehefrau damit zu rechtfertigen, daß der überlebende Vater den Kindern die mütterlichen Leistungen ohne wesentlichen Mehraufwand anderweit verschaffen könnte, muß also scheitern. Für den Regelfall ist davon auszugehen, daß die Geldausgaben für den Unterhalt eines Kindes sich mit dem Tode der Mutter mindestens verdoppeln, so daß das Kind durch den Tod der Mutter auch wirtschaftlich nicht weniger schwer betroffen wird als durch den Tod des Vaters. Daraus folgt der gleiche Bedarf nach Ersatz der Einbuße durch Waisenrente.
d) Für die Einschränkung der Waisenrente ehelicher Kinder, deren Mutter zuerst stirbt, im Vergleich zu Kindern, deren Vater zuerst stirbt, ist hiernach aus der Natur des geordneten Lebensverhältnisses kein sachlicher Grund herzuleiten. Sie ist deshalb mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG unvereinbar. Das gilt aus entsprechenden Gründen auch für die Erschwerung des Kinderzuschusses.
e) Neben Art. 3 Abs. 2 und 3 GG verletzt die Erschwerung der Waisenrente und des Kinderzuschusses für die Kinder einer versicherten Ehefrau auch Art. 6 Abs. 1 GG. Wenn das Gesetz die Rente einerseits allen - ehelichen wie unehelichen - Waisen eines versicherten Vaters, andererseits allen Waisen einer verwitweten, geschiedenen oder unehelichen Mutter zuspricht, dann kann es beim Fehlen jeder Rechtfertigung aus den Lebensverhältnissen die Rente nicht den Waisen einer versicherten Ehefrau allein versagen, ohne gegen das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG zu verstoßen. Das gilt entsprechend für den Kinderzuschuß.
Ist Art. 6 Abs. 1 GG die Maßstabsnorm, so scheidet eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit an Hand von Art. 3 Abs. 1 GG aus (vgl. dazu BVerfGE 6, 55 [71, 82]).