BVerfG, 24.09.1965 - 1 BvR 228/65

Daten
Fall: 
Couponsteuer
Fundstellen: 
BVerfGE 19, 119; DÖV 1966, 128; JZ 1965, 677; NJW 1965, 2247
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
24.09.1965
Aktenzeichen: 
1 BvR 228/65
Entscheidungstyp: 
Beschluss

Das sogenannte Kuponsteuergesetz vom 25. März 1965 verstößt auch insoweit nicht gegen das Grundgesetz, als es das Steuerprivileg auch des Altbesitzes und der Altemissionen beseitigt.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 24. September 1965 gemäß § 24 BVerfGG
- 1 BvR 228/65 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Dr. Richard L... 2. des Prof. Dr. W.M... - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt... - gegen § 43 Absatz 1 Ziffer 6 Satz 1 und 2 und § 49 Absatz 1 Ziffer 5 Satz 1 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 25. März 1965 (BGBl. I S. 147).
Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.

Gründe

A.

I.

Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind mit ihren inländischen Einkünften im Sinne des § 49 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 2 EStG). Von der beschränkten Einkommensteuerpflicht ausgenommen waren seit der Verordnung über die Aufhebung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag und der beschränkten Steuerpflicht bei festverzinslichen Wertpapieren vom 16. Oktober 1930 (RGBl. I S. 464) Zinsen aus Anleihen und Forderungen, die in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen oder über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind (§ 49 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 2 EStG in der vor dem 28. März 1965 geltenden Fassung); sie wurden bei beschränkt Steuerpflichtigen als Einkünfte aus Kapitalvermögen weder im Weg der Veranlagung erfaßt noch unterlagen sie einem Kapitalertragsteuerabzug. Das Gesetz zur Ergänzung und Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 25. März 1965 (BGBl. I S. 147) - im folgenden: Kuponsteuergesetz - bezieht die genannten Einkünfte aus Kapitalvermögen in die beschränkte Steuerpflicht ein und bestimmt u.a., daß die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) zu erheben ist. Die hier interessierenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes lauten in der durch das Kuponsteuergesetz geänderten Fassung:

§ 49 Abs. 1:
Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 2) sind...
1.-4...
5. Einkünfte aus Kapitelvermögen im Sinn des § 20 Abs. 1 Ziff. 1 und 2, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat, und Einkünfte im Sinn des § 20 Abs. 1 Ziff. 3 und 4, wenn
a)...
b) das Kapitalvermögen in Anleihen und Forderungen besteht, die in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen oder über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind und der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat...

§ 43 Abs. 1:
Bei den folgenden inländischen Kapitalerträgen wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben:
1.-5...
6. Zinsen aus Anleihen und Forderungen, die in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen oder über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge (Gläubiger) im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge
a) Inhaber der Teilschuldverschreibung oder der Forderung ist und im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
b)...

Die Kapitalertragsteuer ist nach dem neu eingefügten § 45 EStG in Höhe von 25 vom Hundert der Kapitalerträge von der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle für den Steuerschuldner einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen.

Das Kuponsteuergesetz ist am 28. März 1965 in Kraft getreten. Seine Vorschriften über die Erhebung einer Kapitalertragsteuer waren erstmals auf Zinsen, die nach dem 27. Juni 1965 fällig wurden, anzuwenden.

II.

Der in Frankreich wohnhafte Beschwerdeführer zu 1) ist Inhaber von 6%igen Obligationen Deutsche Bundespost, Anleihe von 1963, im Nennwert von 5000 DM. Dem in Spanien ansässigen Beschwerdeführer zu 2) gehören 25 000 DM 6%ige Obligationen Deutsche Bundesbahn, Anleihe 1963. Mit den Verfassungsbeschwerden beantragen sie,

das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 25. März 1965 insoweit für nichtig zu erklären, als es die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits ausgegebenen Anleihen (Altemissionen), mindestens aber diejenigen, die sich in diesem Zeitpunkt im Besitz gebietsfremder Gläubiger befunden haben (Altbesitz), in die Kapitalertragsteuer einbezieht.

Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerden führen die Beschwerdeführer übereinstimmend aus: Das Kuponsteuergesetz verletze die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Handlungsfreiheit, da es gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoße. Es lasse das schutzwürdige Vertrauen auf den Fortbestand der seit dem Jahre 1930 bestehenden steuerlichen Privilegierung gebietsfremder Anleihegläubiger außer acht und wirke durch die Einbeziehung der Zinsen aus alten Anleihen auf bereits erlangte Rechtspositionen wertmindernd ein. Die darin zu erblickende sog. unechte Rückwirkung verstoße hier in besonderem Maße gegen den Vertrauensgrundsatz, da bei Anleihen der öffentlichen Hand, um die es sich vorwiegend handele, der Staat als Anleiheschuldner an seine Zinszusage gebunden sei und nicht durch Steuergesetze mittelbar eine 25%ige Zinssenkung herbeiführen dürfe. Mindestens verstoße die Besteuerung des Altbesitzes gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Zweck des Gesetzes sei es, der unerwünschten Zunahme des Kapitalimports Einhalt zu gebieten. Unter diesem Gesichtspunkt sei die Erfassung des Altbesitzes eine schlechthin ungeeignete Maßnahme, da insoweit der Kapitalimport bereits stattgefunden habe.

Das Gesetz verstoße in dem angefochtenen Umfang auch gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 GG. Mit der Kapitalertragsteuer würden nur die ausländischen Gläubiger der Kapitalerträge belastet. Der Schutz durch Doppelbesteuerungsabkommen sei unzureichend, da solche Abkommen nicht mit allen Staaten bestünden und die Höhe der danach zu erstattenden Steuerabzüge auch nicht einheitlich sei. Die bei Inländern von Kapitalerträgen erhobene Einkommensteuer sei mit der Kapitalertragsteuer weder ihrem Wesen noch ihrer Höhe nach vergleichbar. Der allgemeine Gleichheitssatz sei auch dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber bei gebietsfremden Gläubigern den Altbesitz steuerlich dem Neubesitz gleichgestellt habe; insoweit lägen völlig unvergleichbare Sachverhalte vor, da der vom Gesetz verfolgte Zweck überhaupt nur durch Besteuerung des Neubesitzes erreicht werden könne. Durch die Anknüpfung an den ausländischen Wohnsitz des Gläubigers verstoße das Kuponsteuergesetz schließlich gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der "Heimat".

Das Kuponsteuergesetz verletze ferner Art. 14 Abs. 1 und 3 GG. Die Einführung der Kapitalertragsteuerpflicht für bisher steuerfreie Wertpapiere verändere das Wesen dieser Wertpapiere und greife in die Substanz dieser Vermögensgegenstände ein. Einem beschränkten Personenkreis habe dieses Sonderopfer nur gegen Zuerkennung einer Entschädigung auferlegt werden dürfen.

B.

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. § 49 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 1 Buchst. b) und § 43 Abs. 1 Ziff. 6 Satz 1 und 2 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 25. März 1965 (BGBl. I S. 147) verstoßen, soweit sie auch bereits ausgegebene Anleihen und den Besitz von Altemissionen in die Kapitalertragsteuerpflicht einbeziehen, nicht gegen das Grundgesetz.

1. a) Das Gesetz verstößt weder durch die Beschränkung der Steuerpflicht auf nicht im Inland ansässige Gläubiger der Kapitalerträge noch durch die Gleichbehandlung der Alt- und Neuemissionen und des Alt- und Neubesitzes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Die durch Neufassung des § 49 Abs. 1 Ziff. 5 EStG erfolgte Einbeziehung der Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren in die beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) beseitigt eine bis dahin bestehende Privilegierung natürlicher Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Diese Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger waren seit der Verordnung über die Aufhebung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag und der beschränkten Steuerpflicht bei festverzinslichen Wertpapieren vom 16. Oktober 1930 (RGBl. I S. 464) von der Einkommensbesteuerung ausgenommen (§ 49 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 2 EStG a.F.). Das Kuponsteuergesetz schließt diese zugunsten beschränkt Steuerpflichtiger seitdem bestehende Besteuerungslücke (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des Kuponsteuergesetzes, BT-Drucks. IV/2345 S. 5).

Hierbei weichen allerdings die Art der Steuererhebung und die Höhe der Steuerbelastung von der Besteuerung unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Personen ab. Die Kuponsteuer wird durch direkten Abzug vom Kapitalertrag an der Quelle (Kapitalertragsteuer) erhoben; sie beträgt in den Fällen des § 43 Abs. 1 Ziff. 6 EStG regelmäßig 25 vom Hundert der Kapitalerträge (§ 45 Abs. 1 EStG). Demgegenüber werden unbeschränkt steuerpflichtige Personen mit diesen Zinserträgen zur Einkommensteuer veranlagt, wobei die Steuerbelastung durch die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen und die daran anknüpfenden Steuerbegünstigungsvorschriften maßgeblich beeinflußt wird. Diese verschiedene steuerliche Behandlung der Kapitalerträge beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtiger Personen beruht jedoch darauf, daß die Sachverhalte in den für die Besteuerung bedeutsamen Anknüpfungspunkten verschieden sind. Bei Kapitalerträgen, die in das Ausland fließen, bietet allein die steuerliche Erfassung im Quellenabzugsverfahren ausreichende Gewähr für eine wirksame Steuererhebung. Zugleich trägt diese Erhebungsart dem objektsteuerartigen Charakter der Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen Rechnung. Die weitgehende Nichtberücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bei beschränkt Steuerpflichtigen (vgl. § 50 Abs. 1 EStG) stützt sich auf die Erwägung, daß diese Umstände ausschließlich und hinreichend in ihrem Wohnsitzstaat berücksichtigt sind. Auch die Höhe der durch das Kuponsteuergesetz eingeführten Kapitalertragsteuer muß im Zusammenhang mit der für beschränkt Steuerpflichtige allgemein bestehenden Einkommensteuerregelung gesehen werden. Die Einkommensteuer beträgt für diesen Personenkreis mindestens 25 vom Hundert des Einkommens (§ 50 Abs. 3 Satz 2 EStG). Wird sie durch Steuerabzug vom Kapitalertrag erhoben, so gilt sie bei beschränkt Steuerpflichtigen hierdurch grundsätzlich als abgegolten (§ 50 Abs. 4 Satz 1 EStG). Eine Veranlagung dieser Einkünfte findet nicht statt. Dem Nachteil für den beschränkt Steuerpflichtigen, einen Steuersatz entrichten zu müssen, der über dem Mindestprozentsatz der allgemeinen Einkommensteuertabelle liegt, steht unter diesen Umständen der Vorteil gegenüber, für die Erträge aus festverzinslichen Wertpapieren auch dann nicht zu einem höheren Steuersatz als 25 vom Hundert herangezogen zu werden, wenn diese Einkünfte allein oder mit anderen zusammen im Falle der Veranlagung zu einer höheren Steuerbelastung führen würden. Eine willkürliche Ungleichbehandlung dieser Gläubiger festverzinslicher Wertpapiere ist darin nicht zu erkennen.

b) Die Gleichbehandlung der vor und nach Inkrafttreten des Kuponsteuergesetzes ausgegebenen Anleihen und die Nichtunterscheidung zwischen Altbesitz und Neubesitz verstoßen ebenfalls nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Nur wenn die Verschiedenheit der durch den Gesetzgeber gleichgeregelten Fälle so bedeutsam wäre, daß ihre Gleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unverträglich erscheinen würde, könnte eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen (BVerfGE 1, 264 [276]; 9, 137 [146]). Der für diese Bewertung der Sachverhalte heranzuziehende Zweck des Gesetzes (vgl. BVerfGE 9, 291 [294]) läßt jedoch die zwischen den Vergleichspaaren bestehenden tatsächlichen Verschiedenheiten für die gesetzliche Regelung nicht als bedeutsam erscheinen. Das Kuponsteuergesetz verfolgt in erster Linie wirtschafts- und währungspolitische Ziele. Die Besteuerung festverzinslicher Wertpapiere gebietsfremder Gläubiger soll der unerwünschten Zunahme des Kapitalimports, vornehmlich der Kapitalflucht aus Ländern, die Zinsen aus ausländischen Kapitalquellen nicht oder nur sehr gering besteuern, entgegenwirken und zur Währungsstabilisierung und Konjunkturdämpfung beitragen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. IV/2345 S. 5). Der Gesetzgeber darf sich bei der Erschließung von Steuerquellen über fiskalische Erwägungen hinaus von derartigen übergeordneten wirtschafts- und währungspolitischen Zielen leiten lassen (vgl. BVerfGE 13, 181 [203]; 13, 331 [345, 346]; 16, 147 [161]). Gemessen an diesem währungs- und konjunkturpolitischen Zweck ist die Gleichbehandlung der Alt- und Neuemissionen sowie des Alt- und Neubesitzes nicht sachfremd. Das Umlaufvolumen der Altemissionen betrug im Jahre 1964 ca. 70 Mrd. DM (vgl. den Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses zu dem Regierungsentwurf des Kuponsteuergesetzes, zu BT-Drucks. IV/2875 S. 2). Bei einer Nichtbesteuerung der Zinserträge aus Altemissionen stand daher zu erwarten, daß der Kapitalimport durch das Ausweichen beschränkt Steuerpflichtiger auf diese Wertpapiere anhalten würde. Eine Schonung des Altbesitzes wiederum erschien wegen der in diesem Falle zu besorgenden außerordentlichen bank- und steuertechnischen Schwierigkeiten nicht durchführbar (vgl. den Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses a.a.O., S. 2, 3 und die Ausführungen des Abg. Dr. Luda in der 3. Lesung des Kuponsteuergesetzes im Bundestag vom 27. Januar 1965, 159. Sitzung, S. 7838). Hinzu kommt, daß von der Besteuerung des Altbesitzes ein durchaus im Sinne der Zielsetzung des Gesetzes liegender Rückfluß bereits erfolgten Kapitalimports erwartet werden durfte. Dieser Erfolg ist auch eingetreten. Wie sich aus der vom Bundesverfassungsgericht eingeholten Auskunft der Deutschen Bundesbank vom 15. Juni 1965 ergibt, hat das Ausland in der Zeit seit der Ankündigung der Kuponsteuer (März 1964) bis einschließlich April 1965 in erheblichem Umfang Rentenwerte, vorwiegend aus Altbesitz, an Inlandserwerber zurückverkauft. Gleichzeitig ging der Neuerwerb von Wertpapieren durch Auslandskäufer in einschneidender Weise zurück. Als Ergebnis der Einbeziehung des Altbesitzes in die Kuponsteuer kann daher ein beachtlicher Kapitalexport festgestellt werden (vgl. auch den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für Juni 1965, S. 7, 8).

2. Soweit das Kuponsteuergesetz auf den Wohnsitz der Gläubiger der Zinserträge abstellt, liegt darin auch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 3 GG. Die Auferlegung einer 25%igen Kapitalertragsteuer benachteiligt bei einer Gesamtbetrachtung der für beschränkt Einkommensteuerpflichtige geltenden Vorschriften den im Ausland ansässigen Gläubiger der Zinserträge im Verhältnis zum inländischen Gläubiger nicht, sondern stellt ihn unter gebotener Berücksichtigung der sich aus der Verschiedenartigkeit der Steuertatbestände ergebenden Besonderheiten diesem gleich. Zudem werden diese Auslandsgläubiger nicht wegen ihrer Heimat anders behandelt. Anknüpfungspunkt für die verschiedenartige Behandlung ist der besondere volkswirtschaftliche Tatbestand, der dadurch gekennzeichnet ist, daß beim Nebeneinanderbestehen verschiedener nationaler Wirtschaften der Besitz von inländischen Wertpapieren durch Ausländer eine andere wirtschaftliche Bedeutung hat als der Besitz durch Inländer. Die Heimat bildet somit nicht als solche das die Regelung motivierende Element (v. Mangold-Klein, Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Art. 3 V 3 c S. 212).

3. Auch der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit ist nicht verletzt. Die hieran zu messende Rüge der Beschwerdeführer, die Besteuerung der Altemissionen und des Altbesitzes sei für den vom Gesetz verfolgten wirtschafts- und währungspolitischen Zweck schlechthin ungeeignet, ist angesichts des hierdurch bereits eingetretenen Kapitalrückflusses nicht begründet.

Das Kuponsteuergesetz verstößt auch nicht aus dem besonderen Blickpunkt des Vertrauensschutzes gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die Kapitalertragsteuer erfaßt erstmals die drei Monate nach ihrer Einführung anfallenden Zinsen. Eine nachträgliche Änderung abgewickelter, der Vergangenheit angehörender Tatbestände - sog. echte Rückwirkung - liegt daher nicht vor. Die Einbeziehung des Altbesitzes in die Besteuerung knüpft allerdings an den zurückliegenden Tatbestand der Zeichnung der Anleihe für die Zukunft ungünstigere steuerliche Folgen als diejenigen, auf welche sich die beschränkt Steuerpflichtigen damals eingerichtet haben mögen. Ob hierin ein Fall sog. unechter Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 13, 274 [278]; 13, 279 [283]; 14, 288 [297 ff.]; 18, 135 [143 ff.]) gesehen werden kann, bedarf nicht der Entscheidung. Ein Vertrauensschutz kommt jedenfalls dort nicht in Frage, wo das Vertrauen sachlich nicht gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 13, 261 [271 ff.]; 18, 135 [144]). Vor allem bei steuerlichen Vergünstigungen, die auf währungs- und konjunkturpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers beruhen, kann der Bürger oder der sich am Rechtsverkehr im Inland beteiligende ausländische Kapitalanleger nicht darauf vertrauen, daß dieser Zustand immer und uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhalten werde (BVerfGE 18, 135 [144]). Die Beseitigung der beschränkten Steuerpflicht für Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren im Jahre 1930 verfolgte in der damaligen Wirtschaftskrise den Zweck, den Kapitalexport zu hemmen und den Kapitalimport zu fördern. Das Vertrauen, der Gesetzgeber werde die aus konjunktur- und währungspolitischen Erwägungen gewährte Steuerfreiheit auch bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse beibehalten, ist nicht gerechtfertigt. Auch die lange Dauer der steuerlichen Begünstigung vermag unter diesen Umständen die Erwartung nicht zu begründen, daß die Steuerfreiheit unbeeinflußt von der jeweiligen währungs- und konjunkturpolitischen Lage beibehalten werde, dies um so weniger, als von zahlreichen anderen Staaten ähnliche Regelungen eingeführt wurden und EWG und OECD der Bundesregierung die Einführung dringend empfohlen haben (Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Juni 1965, S. 4 bis 7). Im übrigen kann in den Fällen, in denen der Staat zugleich Anleiheschuldner ist, seine gegebene Zinszusage nicht Gegenstand des Vertrauens sein, daß dem Gläubiger die Zinsen ohne Schmälerung durch Steuern auch in Zukunft in voller Höhe zufließen werden. Diese Zusage hält sich im Rahmen der zwischen dem Anleihegläubiger und dem Anleiheschuldner bestehenden zivilrechtlichen Beziehungen. Eine Beschränkung der Steuerhoheit durch Verzicht auf die Besteuerung solcher Kapitalerträge bedarf einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers. Soweit hiernach bei Zinsen aus bestimmten Emissionen ein Bestandsschutz in Form der Steuerfreiheit zugesichert war, sind diese Gläubigerinteressen durch das Kuponsteuergesetz nicht angetastet worden (vgl. § 43 Abs. 1 Ziff. 6 Satz 3 und § 49 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 2 EStG in der Fassung des Kuponsteuergesetzes). In allen anderen Fällen ist die Befugnis des Staates, neue Steuerquellen zu erschließen und hierbei auch wirtschaftspolitische Ziele zu verwirklichen, durch seine auf den privatrechtlichen Bereich beschränkte Zinszusage nicht präjudiziert. Das Kuponsteuergesetz hält sich daher in den durch das Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen.

4. Auch Art. 14 Abs. 1 und 3 GG sind nicht verletzt. Der Einwand der Beschwerdeführer, das Kuponsteuergesetz habe den rechtlichen Charakter der Wertpapiere verändert und sie in ihrer Substanz erfaßt, greift nicht durch. Eine Besteuerung der Erträge tastet das Wertpapier in seinem rechtlichen Bestand grundsätzlich nicht an.

Das Kuponsteuergesetz ist allein unter dem Gesichtspunkt der Auferlegung von Geldleistungen an Art. 14 GG zu messen. Diese lassen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Eigentumsgarantie grundsätzlich unberührt (vgl. BVerfGE 4, 7 [17]; 8, 274 [330]; 10, 89 [116]; 10, 354 [371]; 11, 105 [126]; 14, 221 [241]). In solchen Fällen könnte ein Verstoß gegen Art. 14 GG allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen. Dies ist auch bei dem Beschwerdeführer zu 2), der keine Erstattungsansprüche aus einem Doppelbesteuerungsabkommen herzuleiten vermag, nicht anzunehmen. Der Steuerabzug beschränkt sich auf die Zinserträge und geht über den für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Mindestsatz der Einkommensteuer nicht hinaus. Eine übermäßige Belastung der Zinserträge oder gar ein Zugriff auf die verbriefte Kapitalforderung ist damit nicht verbunden.