BGH, 05.07.1966 - 5 StR 280/66

Daten
Fall: 
Wirtshaus; Haareabschneiden in der Gaststätte
Fundstellen: 
NJW 1966, 1763
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
05.07.1966
Aktenzeichen: 
5 StR 280/66
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Sarstedt, Koffka, Schmitt, Börker, Kersting
Instanzen: 
  • LG Berlin - 08.11.1965
Stichwörter: 
  • Herbeiführung eines strafrechtlichen Erfolges durch verbotenes Handeln und pflichtwidriges Unterlassen mehrerer Personen als Mittäter, Maßgebliche Kriterien zur Abgrenzung zwischen Tätern und Teilnehmern, Voraussetzungen einer Täterschaft durch pflichtwidriges Unterlassen

Tenor

Die Revision der Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts in Berlin vom 8. November 1965 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Als Inhaberin einer Gastwirtschaft duldete die Angeklagte, daß vier männliche Stammgäste einer jungen Frau, die sich geweigert hatte, mit einem von ihnen zum zweiten Male zu tanzen, gewaltsam das Haupthaar und einen Teil der Schamhaare abschnitten. Die Angeklagte und die vier mitangeklagten jungen Männer, die keine Revision eingelegt haben, sind wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Beleidigung zu je einem Jahre Gefängnis verurteilt worden.

Die Revision rügt Verletzung des sachlichen Rechts. Die Feststellungen tragen jedoch die Verurteilung.

1.

Das Landgericht nimmt mit Recht an, daß die Angeklagte rechtlich verpflichtet war, das Treiben der vier jungen Männer zu unterbinden. Es beruft sich dafür auf die §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes (vergl. RGSt 58, 299, 300). Ob das richtig ist, mag dahinstehen. Jedenfalls ergab sich daraus, daß die Angeklagte eine Gaststätte betrieb, ihre Rechtspflicht, in den Räumen, über die sie die Verfügungsgewalt hatte, für Ordnung zu sorgen, insbesondere ihre Gäste vor solchen Ausschreitungen anderer Gäste, wie sie hier geschehen sind, zu schützen. Das bezweifelt auch die Revision nicht.

2.

Es ist ferner rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte, die im Unterschied von den vier Männern nicht selbst tätig geworden ist, als deren Mittäterin verurteilt.

a)

Die Revision meint, in solchen Fällen komme grundsätzlich nur eine Bestrafung nach Beihilferegeln in Betracht. Sie beruft sich dafür auf Schönke/Schröder StGB 12. Aufl. Vorbemerk. 109 vor § 47. Diese Auffassung widerspricht jedoch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die der Bundesanwalt hinweist und an der der Senat festhält. Nach ihr können mehrere Personen denselben strafrechtlichen Erfolg "gemeinsam auf verschiedene Weise verursachen, sowohl durch verbotenes Handeln wie durch pflichtwidriges Unterlassen, und je nach ihrer inneren Haltung zur Tat und zum Taterfolg (Willensrichtung, Tatherrschaft, Interesse am Taterfolg, Umfang der eigenen Tatbestandsverwirklichung) als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen" (BGHSt 2, 150, 151 [BGH 12.02.1952 - 1 StR 59/50]; 4, 20, 21) [BGH 22.01.1953 - 4 StR 417/52].

b)

Diesen Unterscheidungsmerkmalen wird das angefochtene Urteil gerecht. Nach seinen Feststellungen wollte die Angeklagte nichts unternehmen, "weil sie meinte, die Zeugin habe sich vorher anstößig verhalten. Sie billigte das Treiben der vier männlichen Täter und identifizierte sich mit ihnen, wie sie durch ihre Belustigung über deren Handlungsweise zu erkennen gab" (UA S. 24). Das rechtfertigt die Annahme der Mittäterschaft. Die Strafkammer mußte insbesondere nicht, wie die Revision meint, "feststellen, daß die Angeklagte die Taten der Mitangeklagten als eigene mitbewirken wollte". Abgesehen davon, daß das Landgericht etwas Ähnliches in seinen Ausführungen über die gemeinschaftliche Nötigung sagt (UA S. 25), sind solche Wendungen weder erforderlich noch für sich allein ausreichend. Die Willensrichtung, die den Mittäter vom Gehilfen unterscheidet, ist keine einfache innere Tatsache, die sich "feststellen" ließe. "Was der Beteiligte wollte, ist vielmehr auf Grund aller Umstände, die von seiner Vorstellung umfaßt waren, vom Gericht wertend zu ermitteln" (BGHSt 8, 393, 396) [BGH 10.01.1956 - 5 StR 529/55]. Es handelt sich also um das Ergebnis einer tatsächlichen Beurteilung und rechtlichen Würdigung, Diese hat die Strafkammer ohne Rechtsirrtum vorgenommen.

3.

Soweit die Revision bezweifelt, daß die Angeklagte die Ausschreitungen hätte verhindern können, entfernen sich ihre Ausführungen in unzulässiger Weise von dem im Urteil niedergelegten Sachverhalt. Es liegt auch kein Widerspruch in folgenden Feststellungen. Nachdem die junge Frau infolge ihrer Abwehrbewegungen eine Stichverletzung in der Nähe des Geschlechtsteiles davongetragen und zu bluten begonnen hatte, wendeten sich die vier Männer von ihr ab. Etwa zur gleichen Zeit ließ sich die Angeklagte die Schere zurückgeben, um Weiterungen zu verhindern (UA S. 14/15). Dies ist nicht, wie die Revision meint, unvereinbar mit der anderen. Feststellung, daß die Angeklagte bei gutem Willen in der Lage gewesen wäre, die Frau "vor den Angriffen der männlichen Täter zu schützen", wie sich darin zeige, "daß sie die Schere zurückforderte und ohne Widerrede auch erhielt, als ihr die Sache zu weit ging" (UA S. 24).

Die Entscheidung entspricht dem Antrage des Bundesanwalts.