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BVerwG, 04.10.1994 - 4 B 175.94

Daten
Fall: 
Baulastenverzeichnis
Fundstellen: 
BauR 1995, 224; NVwZ 1995, 377; DÖV 1995, 389; ZfBR 1995, 55
Gericht: 
Bundesverwaltungsgericht
Datum: 
04.10.1994
Aktenzeichen: 
4 B 175.94
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Richter: 
Gaentzsch, Lemmel, Halama

Landesrecht darf ohne Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG die Bauaufsichtsbehörde berechtigen, die Eintragung einer Baulasterklärung (§ 78 BauO NW) im Baulastenverzeichnis und damit deren Wirksamwerden abzulehnen, wenn die Baulast (hier: für eine Zufahrt zu einer öffentlichen Verkehrsfläche, § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NW) als öffentlich-rechtliche Sicherung funktionslos wäre, weil eine Bebauung des Grundstücks aus anderen Gründen (hier: nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, nach § 35 Abs. 1 BauGB nicht anstehend) nicht in Betracht kommt.

Inhaltsverzeichnis 

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Oktober 1994
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und
die Richter Dr. Lemmel und Halama
beschlossen:

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 1994 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt dis Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt die Eintragung einer Baulast im Baulastenverzeichnis des Beklagten, die ihm zugunsten seines im Außenbereich gelegenen Grundstücks von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks bewilligt worden ist. Nach der Bewilligung soll eine Teilfläche des zu belastenden Grundstücks von Bebauung freigehalten werden und unter anderem als Zufahrts- und Zugangsweg zum begünstigten Grundstück dienen. Ein Baugesuch des Klägers ist abgelehnt worden, weil das - nicht privilegierte - Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGBöffentliche Belange beeinträchtige. Nachdem der Beklagte den Antrag auf Eintragung der Baulast nicht beschieden hatte, hat der Kläger Klage erhoben. Diese war in beiden Vorinstanzen erfolglos. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben ausgeführt, § 78 BauO NW normiere keinen Anspruch auf Eintragung einer bewilligten Baulast. Ob die Behörde trotz des ihr grundsätzlich eingeräumten Ermessens die Eintragung einer Baulast dann nicht versagen dürfe, wenn die Bebaubarkeit eines Grundstücks allein von der Eintragung einer bewilligten Baulast abhänge, könne offenbleiben; denn das Vorhaben, das der Kläger ursprünglich beabsichtigt habe, sei aus anderen Gründen unzulässig, und ein anderes Vorhaben, dem die Baulast dienen solle, stehe nicht fest. Dagegen wendet sich die Beschwerde, mit der der Kläger die Zulassung der Revision begehrt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Die Frage, ob "der Eigentümer eines Hinterliegergrundstücks, wenn ihm die entsprechende Bewilligung vorliegt, einen Anspruch gegen die zuständige Bauaufsichtsbehörde auf Eintragung der die Erschließung absichernden Baulast (hat) oder die Eintragung in das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde gestellt (ist)", rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Die Beschwerde verkennt nicht, daß die von ihr formulierte Frage in erster Linie die Anwendung und Auslegung des nordrhein-westfälischen Landesrechts betrifft und insoweit einer Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich ist, da sie dem irrevisiblen Recht angehört (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 562 ZPO).

Revisionsgerichtlich überprüfbar wäre allerdings, ob das Berufungsgericht die für seine Entscheidung maßgeblichen bundesrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat. Hierzu gehört nicht zuletzt die Beachtung des Gebots verfassungskonformer Auslegung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1987 - BVerwG 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347). Die Beschwerde zeigt insoweit indes keinen Klärungsbedarf auf. Es liegt auf der Hand, daß sich Art. 14 GG nicht schlechthin das Gebot entnehmen läßt, eine vom Eigentümer bewilligte Baulast ins Baulastenverzeichnis einzutragen. Ob aufgrund einer "eigentumsrechtlichen Position", die nach Ansicht der Beschwerde durch die Bewilligung der Baulast vermittelt wird, ein vorbehaltloser Anspruch auf Eintragung gegeben ist, hängt vielmehr von der Ausgestaltung der Baulast durch das jeweilige Landesrecht ab.

Das Rechtsinstitut der öffentlichen Baulast ist dem Bauordnungsrecht zuzurechnen. Mit der Baulast sollen Hindernisse ausgeräumt werden, die im Einzelfall einer Bebauung (oder Nutzungsänderung) entgegenstehen können (BVerwG, Beschluß vom 27. September 1990 - BVerwG 4 B 34 u. 35.90 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 32). Die Baulast kann jedoch nicht mit der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit oder mit ähnlichen Sachenrechten des bürgerlichen Rechts (§§ 1018 ff. BGB) auf eine Stufe gestellt werden. Als ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts setzt sie nämlich einen Zusammenhang mit einem baurechtlich relevanten Tun, Dulden oder Unterlassen voraus; sie greift unmittelbar in das Regelungsgefüge ein, das für die Zulassung der baulichen Nutzung und damit für die Entscheidung über die Baugenehmigung bestimmend ist. Damit eröffnet sie nicht generell die Möglichkeit, in öffentlich-rechtlicher Form Verpflichtungen auch dann zu übernehmen, wenn hierfür unter baurechtlichen Aspekten kein auch nur entferntes Bedürfnis erkennbar ist.

Dagegen steht es dem Landesgesetzgeber grundsätzlich frei, von welchen Anforderungen er die Begründung von Baulasten unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben abhängig machen will, um sicherzustellen, daß der Bezug zum Bauordnungsrecht gewahrt bleibt. Art. 14 GG gebietet ihm lediglich, auch in diesem Bereich einen Ausgleich zwischen dem durch Abs. 1 Satz 1 gewährleisteten Privateigentum und den in Abs. 2 angesprochenen Gemeinwohlbelangen zu schaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - BVerwG 4 C 17.90 - BVerwGE 88, 191).

Ob der Landesgesetzgeber, wenn er einerseits die Bebaubarkeit eines nicht an einer öffentlichen Verkehrsfläche gelegenen Grundstücks vom Bestehen einer öffentlich-rechtlich - d.h. im allgemeinen durch Baulast - gesicherten Zufahrt zu einer öffentlichen Verkehrsfläche abhängig macht, andererseits einen Anspruch auf Eintragung einer bereits bewilligten, die Zufahrt sichernden Baulast verweigern darf, solange nicht ein konkretes Bauvorhaben ansteht, dem die Baulast dienen soll, kann hier offenbleiben. Zwar mag der Beschwerde einzuräumen sein, daß die Ausführungen in der Entscheidung des Berufungsgerichts in diesem Sinne verstanden werden könnten. Jedoch käme es darauf in einem Revisionsverfahren nicht an; denn eine Bebaubarkeit des Grundstücks gemäß § 35 Abs. 2 BauGB ist hier aus anderen Gründen als denen einer öffentlich-rechtlich nicht gesicherten Zufahrt unzulässig, und dafür, daß ein gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben in Betracht käme, gibt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag des Klägers im gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte. Wenn der Landesgesetzgeber in solchen Fällen die Behörde nicht verpflichtet, eine bewilligte Baulast in das Baulastenverzeichnis einzutragen, sei es, indem er der Behörde Ermessen einräumt, sei es, indem er für einen Eintragungsantrag ein Sachbescheidungsinteresse verneint, so verletzt er damit nicht Art. 14 Abs. 1 GG. Er verfehlt nicht den ihm aufgegebenen Interessenausgleich mit einer Baulastregelung, die einen Eintragungsanspruch jedenfalls dann ausschließt, wenn fraglich ist, ob eine gleichsam auf Vorrat übernommene Baulast in Zukunft überhaupt jemals baurechtliche Bedeutung erlangen wird, oder wenn noch gar nicht absehbar ist, welche Hindernisse künftig einer möglicherweise später in Aussicht genommenen Bebauung überhaupt auszuräumen sein werden; denn es besteht weder ein öffentliches noch ein schutzwürdiges privates Interesse daran, Erklärungen eines Eigentümers über sein Grundstück betreffende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen durch Eintragung in ein behördliches Register wirksam werden zu lassen, wenn überhaupt nicht absehbar ist, daß solche Erklärungen jemals (öffentlich-)rechtliche Bedeutung erlangen werden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertbeschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 DM festgesetzt. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Gaentzsch
Lemmel
Halama