ArbG Hamburg, 06.07.2004 - 20 Ca 14/04

Daten
Fall: 
Zur Frage des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bei studentischer Aushilfstätigkeit
Gericht: 
Arbeitsgericht Hamburg
Datum: 
06.07.2004
Aktenzeichen: 
20 Ca 14/04
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Eine lediglich vom Arbeitgeber gegengezeichnete Permanenzkarte erfüllt nicht die Schriftform i. S. d. § 14 IV TzBfG und führt zur Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 16 TzBfG.
2. Lehnt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer formunwirksamen Kündigung die Beschäftigung des Arbeitnehmers endgültig ab, gerät er auch ohne ausdrückliches Leistungsangebot des Arbeitnehmers in Gläubigerverzug.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Tenor

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 02. Januar 2004 hinaus fortbesteht.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.396,68 (Euro eintausenddreihundertsechsundneunzig 68/100) brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 463,36 (Euro vierhundertdreiundsechzig 36/100) ab 01. Februar 2004 und auf EUR 466,66 (Euro vierhundertsechsundsechzig 66/100) ab 01. März 2004 und auf EUR 466,66 (Euro vierhundertsechsundsechzig 66/100) ab 01. April 2004 zu zahlen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Der Streitwert beträgt EUR 2.796,66.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, sowie um Vergütungsansprüche des Klägers.

Die Beklagte betreibt eine Spielbank, [die] regelmäßig Studenten als sogenannte Tagesaushilfen einsetzt, und zwar im:

  • Frühdienst (montags bis sonntags)
  • Mitteldienst (montags bis donnerstags)
  • Spätdienst (montags bis sonntags).

Der am […] geborene Kläger, der Student ist, arbeitet seit Februar 2001 als Tagesaushilfe bei der Beklagten. Bei einem Einstellungsgespräch am 22. Januar 2001 mit dem damaligen technischen Leiter der Beklagten, L., wurden die Modalitäten des Einsatzes des Klägers mündlich festgelegt. Der Inhalt der getroffenen Vereinbarungen ist zwischen den Parteien streitig.

Die Handhabung der Einsätze des Klägers als Tagesaushilfe erfolgt so, dass der Kläger der Beklagten vor Beginn eines Kalendermonats mitteilt, an welchen Kalendertagen des Folgemonats er bei welchen Schichten eingesetzt werden will. Der Dienstplangestalter der Beklagten teilt sodann nach Abgleichung mit dem Dienstplan dem Kläger die Termine mit, zu denen er beschäftigt wird.

Die Beklagte erstellt monatliche Gehaltsabrechnungen und führt ordnungsgemäß Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger ab. In dem Zeitraum Oktober 2003 bis Dezember 2003 verdiente der Kläger monatlich im Durchschnitt EUR 466,66 brutto.

Am 02. Januar 2003 war der Kläger zum Dienst eingeteilt. Vor Dienstbeginn teilte der technische Leiter, H., dem Kläger telefonisch mit, dass der Geschäftsführer ihn nicht mehr sehen wolle.

Der Kläger ist der Auffassung, zwischen ihm und der Beklagten sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden, das durch die telefonische Mitteilung vom 02. Januar 2003 nicht habe beendet werden können.

Der Kläger trägt vor:

In dem Einstellungsgespräch am 22. Januar 2001 habe die Beklagte durch den damaligen technischen Leiter und den Dienstplangestalter dem Kläger angeboten, ihn nach einer Einarbeitungszeit für mindestens ein Jahr, längstens für den Zeitraum seines Studiums einzustellen.

Dabei sollte der Kläger mindestens 6 bis 8 Arbeitseinsätze monatlich ableisten mit der Möglichkeit, in Ausnahmefällen wie z. B. einem Auslandssemester oder anstehenden Prüfungen nach Rücksprache mit dem Dienstplangestalter davon abzuweichen.

Die Höchstzahl der monatlich zu verrichtenden Dienste sollten prinzipiell durch den Kläger bestimmt, aber durch die Kapazitäten der Beklagten limitiert werden.

Weihnachten und Silvester 2001 sollte der Kläger arbeiten und im Folgenden alle zwei Jahre.

Hinsichtlich der Arbeitseinsätze sollte der Kläger die Möglichkeit haben, bis zum 15. eines jeden Kalendermonats der Beklagten die einzelnen Zeiten „Schichten“ zu benennen, zu denen er im folgenden Monat tätig sein wolle.

Die von dem Dienstplangestalter erstellten monatlichen Dienstpläne sollten dem Kläger übergeben werden und seien für diesen verbindlich.

Für die Arbeitseinsätze sei eine Vergütung vereinbart worden, die zwischenzeitlich angepasst worden sei.

Der Kläger habe das Angebot der Beklagten angenommen.

Der Kläger habe die flexible Arbeitszeit begrüßt und habe auf ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis vertraut und vertrauen dürfen, da der Personalbedarf der Beklagten an Saaldienern vom jeweiligen Geschäftsaufkommen weitgehend unabhängig sei und die Beklagte die Mindestanzahl an täglichen Saaldienern festgelegt habe.

Der Kläger begehrt außerdem von der Beklagten Zahlung der Vergütung für Januar 2004, die er nach dem Einsatzplan für Januar 2004 errechnet sowie die Zahlung der durchschnittlichen Vergütung für die Monate Februar und März 2004.

Der Kläger beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 02. Januar 2004 hinaus fortbesteht;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.396,68 brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 463,36 ab 01. Februar 2004 und auf EUR 466,66 ab 01. März 2004 und auf EUR 466,66 ab 01. April 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

In dem Einstellungsgespräch am 22. Januar 2001 habe die Beklagte durch ihren damaligen technischen Leiter, L., dem Kläger mündlich folgende Rahmenvereinbarung angeboten:

  • Die Beklagte nimmt den Kläger nach einer Einarbeitungszeit in die Liste der Tagesaushilfen auf.
  • Der Kläger hat die Möglichkeit, rechtzeitig vor Beginn eines jeden Kalendermonats der Beklagten einzelne Zeiten „Schichten“ zu benennen, zu denen er jeweils für die Beklagte tätig sein könnte.
  • Der Dienstplangestalter der Beklagten gleicht die vom Kläger übermittelten Zeitfenster mit den Dienstplänen ab und teilt dem Kläger sodann mit, zu welchen der von ihm genannten Zeitpunkten er jeweils als Tagesaushilfe beschäftigt werden kann.
  • Eine Vergütung als Tagesaushilfe (zwischenzeitlich entsprechend angepasst).

Dieses Angebot habe der Kläger angenommen. Es sei ihm sehr angenehm gewesen, seinen Dienst so legen zu können, wie es sein Studium und sein Privatleben erfordert hätten.

Hinsichtlich der einzelnen Einsätze des Klägers sei monatlich so verfahren worden, dass der Kläger auf einer „Permanenzkarte“ Daten und dahinter die Bezeichnung der Dienste eingetragen hätte, die von dem Saalchef, der die Dienstpläne erstellt habe, jeweils mit roten Häkchen als Zeichen der Zustimmung versehen worden seien.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Der Kläger steht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Beklagten, das über den 02. Januar 2004 hinaus fortbesteht.

Die Parteien streiten nicht mehr darum, ob der Kläger Arbeitnehmer ist. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2004 ausdrücklich den Einwand, tatsächlich habe es sich bei dem die Parteien verbindenden Rechtsverhältnis um ein freies Mitarbeiterverhältnis gehandelt, aufgegeben.

Ob zwischen den Parteien von Anfang an bereits ein Dauerarbeitsverhältnis begründet worden ist oder jeweils nur befristete Arbeitsverhältnisse, kann dahinstehen.

Im ersteren Fall besteht das Arbeitsverhältnis deshalb fort, weil es nicht durch den Telefonanruf des technischen Leiters der Beklagten, H., vom 02. Januar 2004 beendet worden ist.

Eine damit zum Ausdruck gebrachte mündliche Kündigung ist in diesem Fall wegen Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform unwirksam. Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Im anderen Fall steht der Kläger deshalb in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, weil sämtliche Befristungen seit Beginn der vertraglichen Beziehungen der Parteien wegen Nichteinhaltung der gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG vorgeschriebenen Schriftform unwirksam sind und die jeweils befristeten Arbeitsverhältnisse gemäß § 16 TzBfG also auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten. Auch das danach als auf unbestimmte Zeit geschlossen geltende Arbeitsverhältnis konnte nicht wirksam mündlich gekündigt werden.

Die von der Beklagten zitierten Urteile des Bundesarbeitsgerichts zur „Rahmenvereinbarung mit Tagesaushilfen“ vom 31. Juli 2002 (7 AZR 181/01) und vom 16. April 2003 (7 AZR 187/02) sind hier nicht einschlägig. Diese Urteile befassen sich mit Sachverhalten, in denen es um in den Jahren 1996 bis 1998 bzw. 1996 bis 2000 nach Maßgabe einer Rahmenvereinbarung abgeschlossene auf jeweils einen Tag befristete Einzelarbeitsverträge geht. In den fraglichen Jahren war die Einhaltung der Schriftform nach dem seinerzeit geltenden Beschäftigungsförderungsgesetz als Wirksamkeitsvoraussetzung noch nicht geregelt. Erst das am 01. Januar 2001 verkündete „Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“ (TzBfG) sieht in § 14 Abs. 4 das Schriftformerfordernis für vertragliche Befristungsabreden vor.

Vorliegend ist das Vertragsverhältnis der Parteien unstreitig im Februar 2001, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das TzBfG bereits galt, begründet worden. Auch Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse bedürfen danach hinsichtlich der Befristungsabrede der Schriftform (Erfurter Kommentar, 4. Auflage, Müller-Glöge, § 14 TzBfG, Rn. 143).

Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten unterstellt, erfüllen die von den Parteien jeweils vereinbarten Einsätze des Klägers als Tagesaushilfe nicht das Erfordernis der Schriftform. Die in § 14 Abs. 4 TzBfG vorgesehene Schriftform ist konstitutiv. Es gilt daher § 126 BGB. Gemäß § 126 BGB muss, wenn durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben ist, ein Vertrag von beiden Parteien eigenhändig auf derselben Urkunde unterzeichnet werden. Bei einer Zeitbefristung muss der Termin, bei einer Zweckbefristung müssen der Termin und der Grund für die Befristung schriftlich festgehalten werden.

Diese Voraussetzungen erfüllt die von der Beklagten beispielhaft vorgelegte Permanenzkarte in keinem Fall. Sie weist weder eine Unterschrift des Klägers noch eine Unterschrift des zuständigen Mitarbeiters der Beklagten auf.

Davon abgesehen sind die Termine nicht ausreichend bestimmt, da lediglich einzelne Kalendertage eines Monats Dezember ausgewiesen werden, ohne dass das betreffende Kalenderjahr angegeben wird.

Nach allem sind bei den von der Beklagten behaupteten Einzelbefristungen die wesentlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Schriftform nicht eingehalten worden. Es ist daher von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis der Parteien auszugehen.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der begehrten Vergütung für die Monate Januar 2004 bis einschließlich März 2004 in Höhe von insgesamt EUR 1.396,38 brutto.

Der Anspruch folgt aus den §§ 611, 615 BGB. Die Beklagte befand sich in dem fraglichen Zeitraum in Annahmeverzug. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich auch für Arbeitsverhältnisse nach den §§ 293 f. BGB. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedarf es nach Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber auch keines wörtlichen Dienstleistungsangebots des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, ihm ferner Arbeit zuweisen muss und somit eine nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung vorzunehmen hat (§ 296 BGB).

Dementsprechend muss der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern, wenn er trotz der Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten will. Denn dem Arbeitgeber obliegt es als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Dazu muss er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher konkretisieren. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, so gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (KR-Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, Spilger, § 11 KSchG, Rn. 12).

Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Annahmeverzug des Arbeitgebers im Rahmen von unwirksam befristeten Arbeitsverhältnissen. Bei unwirksamen Befristungen des Arbeitsvertrages bedarf es nämlich ebenfalls einer Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers (KR-Kommentar a. a. O. Rn. 14).

Vorliegend hat die Beklagte durch den Telefonanruf vom 02. Januar 2004 ihre Ablehnung dieser Mitwirkungshandlung eindeutig zum Ausdruck gebracht und ist damit in Annahmeverzug geraten.

Die Beklagte muss den Kläger so stellen, wie wenn er im Verzugszeitraum gearbeitet hätte. Es gilt das Lohnauswahlprinzip, wobei erforderlichenfalls nach § 287 ZPO zu schätzen ist (KR-Kommentar, Spilger, § 11 KSchG, Rn. 26).

Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers hat dieser in den vorausgehenden letzten drei Monaten Oktober 2003 bis einschließlich Dezember 2003 monatlich durchschnittlich EUR 466,66 brutto bei der Beklagten verdient. Mangels entgegenstehenden Vortrags der Beklagten bestehen keine Bedenken, das dem Kläger monatlich zustehende Bruttogehalt auf der Basis eines Referenzzeitraums von drei Monaten entsprechend der Regelung des § 12 Bundesurlaubsgesetz zu ermitteln. Für die Monate Februar und März 2004, für die Einsatzpläne des Klägers nicht vorliegen, kann der Kläger danach zu Recht eine durchschnittliche Bruttovergütung von jeweils EUR 466,66 beanspruchen.

Für den Monat Januar 2004 stehen dem Kläger nach dessen unwidersprochenem Vortrag entsprechend dem Einsatzplan der Beklagten EUR 463,36 brutto zu.

Die Zinsansprüche folgen aus den §§ 286, 288 BGB.

Nach allem war zu entscheiden, wie erkannt.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 12 Abs. 7 ArbGG, 3 ZPO.